Beurteilung der Aussagekonstanz bei Kindern Renate Volbert


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Sana24.12.2017
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#22935


Beurteilung der Aussagekonstanz bei Kindern

  • Renate Volbert


Zur Bedeutung von Konstanz in Aussagen

  • Zeugenaussagen in der Regel keine Einzelereignisse

  • Konstanz bzw. Veränderung einer Aussage Gegenstand gutachterlicher und richterlicher Erwägungen

  • Konstanz als möglicher Indikator für Aussagezuverlässigkeit

  • Konstanz als mögliches Glaubhaftigkeitsmerkmal



Granhag & Strömwall (1999, 2000, 2001)

  • Konstanz wird als wichtiges Kriterium für Glaubhaftigkeits- und Zuverlässigkeitsbeurteilung angegeben, aber verschiedene empirische Untersuchungen zeigen:

    • Beurteiler stimmen nicht in ihren Konstanzeinschätzungen überein
    • Abgegebene Konstanzurteile trennen nicht zwischen wahren und erfundenen Aussagen
    • Zugang zu wiederholten Aussagen erhöht die subjektive Sicherheit der Gl-Einschätzung unabhängig von deren Richtigkeit


Theoretisches Modell zur Aussagekonstanz von Arntzen (1993/1976)



Annahmen im Konstanzmodell von Arntzen (1993)

  • Auch bei wahren Aussagen treten Erinnerungsverluste auf

  • Diese Vergessensprozesse verlaufen ungleichmäßig

  • …..

  • …..

  • …..

  • …..



Erwartet konstante und erwartet inkonstante Inhalte in erlebnisbasierten Aussagen im Modell von Arntzen (1993)

  • Konstante Inhalte

  • Kerngeschehen

  • Relevante Handlungspartner

  • Örtlichkeiten

  • Fortbewegungsart

  • Handlungsrelevante Gegenstände

  • Lichtverhältnisse

  • Körperpositionen



Empirische Untersuchungen zur Konstanz in erlebnisbasierten Aussagen

  • Kaum aussagekräftige Erkenntnisse

  • Ergebnisse verweisen auf: Besonders dauerhafte, aber nicht fixe Erinnerung und konstante Aussagen bei Ereignissen mit hoher subjektiver Bedeutung und emotionaler Tönung

  • Inkonstanzen vor allem bei numerischen Angaben, zeitlichen Einordnungen, beschreibenden Informationen

  • Vorhandene Untersuchungen stehen mit Einteilung durch Arntzen in Einklang



Unterteilung der erwartet inkonstanten Inhalte

  • Internale Prozesse

    • Eigene Motive
    • Schmerzempfinden
  • Über das unmittelbar Wahrnehmbare hinausgehende Rekonstruktionen

    • Datierung
    • Schätzungen
    • Zahlen


Annahmen im Konstanzmodell von Arntzen (1993)

  • …..

  • …..

  • Erinnerungen an selbst erlebte Ereignisse werden länger im Gedächtnis behalten als nur mental Vorgestelltes

  • Wahre Schilderungen enthalten deswegen mehr Übereinstimmungen als erfundene

  • Differenzierte Konstanz (jeweils Konstanz bzw. Inkonstanz in den erwarteten Bereichen) findet sich häufiger in wahren als in erfundenen Aussagen

  • Eine in beiden Bereichen konstante Darstellung stellt an sich ein Glaubhaftigkeitsmerkmal dar



Empirische Untersuchungen zur Konstanz als Glaubhaftigkeitsmerkmal

  • Kaum empirische Untersuchungen

  • Vorhandene Untersuchungen bei wenig komplexen Aussagen (z.B. Granhag, 2001): Abgegebene Konstanzurteile trennen nicht zwischen wahren und erfundenen Aussagen



Eigene Untersuchungen zur Konstanz in erlebnisbasierten und erfundenen Aussagen



Untersuchte Stichproben (Volbert, Braun, Gretenkord, Teske & Wilma-Mews, 2001)

  • KINDER (7-9 Jahre)

  • Aussage über wahres und erfundenes Erlebnis; Wiederholungsbefragung

  • nach 8 Wochen

  • (N = 30)

  • nach 1 Jahr

  • (N = 24 )



Kodierung (Volbert, Braun, Gretenkord, Teske & Wilma-Mews, 2001)

  • Zuordnung zu der Inhaltskategorie (erwartet konstant vs. erwartet inkonstant)

  • Zuordnung jeder Sinneinheit in der transkribierten Aussagen zu einer Unterkategorie der beiden Inhaltsbereiche nach Arntzen



Ergebnisse: Wahre Aussagen / Erwartet konstante Inhalte

  • 50 % Übereinstimmungen:

  • Relevante Handlungspartner (72 % – 95 %)

  • Örtlichkeiten (81 %- 96 %)

  • Fortbewegungsart

  • Handlungsrelevante Gegenstände

  • Lichtverhältnisse

  • Körperpositionen

  • ------------------------------------------------

  • Kerngeschehen

  • (Kinderaussagen nach 1 Jahr: 42 %)



Ergebnisse: Wahre Aussagen/ Erwartet inkonstante Inhalte

  • < 50 % Übereinstimmungen

  • Eigene Motive (8 % - 20 %)

  • Schmerzempfinden

  • Datierung

  • Schätzungen (18 % - 30 %)

  • Kleidung

  • Eigene frühere Aussagen

  • Seitenverhältnisse

  • Wetterverhältnisse

  • Inhalt von Gesprächen

  • Peripheres Geschehen

  • Beschreibungen

  • Zeitl. Zu. v. Einzelsequenzen

  • Emotionen (14 % - 23 %)

  • Kognitionen (0 % - 29 %)



Ergebnisse: Wahre Aussagen - Gesamte Inhaltskategorie

  • Bei erwartet konstanten Inhalten

    • mehr Übereinstimmungen
    • weniger einfache Ergänzungen
    • weniger Auslassungen
    • bei Erwachsenen zusätzlich:
      • weniger Widersprüche
      • mehr qualifizierte Ergänzungen
  • als bei erwartet inkonstanten Inhalten



Ergebnisse: Wahrheitsstatus

  • In wahren Aussagen

    • weniger Widersprüche
    • mehr qualifizierte Ergänzungen
    • Bei Kindern nach 1 Jahr: mehr Übereinstimmungen
    • Bei Erwachsenen nach 8 Wochen: weniger einfache Ergänzungen
  • als in erfundenen Aussagen

  • Aber: Kein Interaktionseffekt von Inhaltskategorie und Wahrheitsstatus

  • → Muster differenzierter Konstanz findet sich sowohl in wahren wie auch in erfundenen Aussagen



Bilanz der quantitativen Konstanzanalysen

  • In wahren Aussagen: differenzierte Konstanz

  • Zuordnung von Arntzen in erwartet konstante und inkonstante Inhalte prinzipiell angemessen

  • Differenzierte Konstanz aber kein Glaubhaftigkeitsmerkmal

  • Signifikante Unterschiede zwischen wahren und erfundenen Aussagen:

    • Wahre Aussagen:
      • weniger Widersprüche
      • mehr qualifizierte Ergänzungen
      • Kinderaussagen nach 1 Jahr: mehr Übereinstimmungen
      • Erwachsenenaussagen: weniger einfache Ergänzungen


Konstanzanalysen anhand von Expertenurteile (Volbert, unveröffentl. Manuskript)

  • Datenmaterial wie in Volbert et al., 2001; zusätzlich wurden die Erwachsenen auch nach einem Jahr befragt; die Vergleiche beziehen sich auf die erste Befragung und die Befragung nach einem Jahr

  • Einschätzung folgender Variablen durch 4 in der Glaubhaftigkeitsbegutachtung erfahrene Experten:

    • Einschätzung der Konstanz
    • Angabe, welche Konstanzphänomene bei der Konstanzeinschätzung bedeutend waren
    • Wahrheitsstatus nach der 1. und nach der wiederholten Aussage
    • Angabe, welche Konstanzphänomene bei Einschätzung des Wahrheitsstatus bedeutend waren


Ergebnisse: Konstanzeinschätzung

    • Positive Einschätzungen v. a., wenn Übereinstimmungen in Kern- und Nebenaspekten festgestellt wurden
    • Negative Einschätzungen v.a., wenn Widersprüche im Kerngeschehen festgestellt wurden


Ergebnisse: Beziehung zwischen eingeschätzten Konstanzphänomenen und eingeschätztem Wahrheitsstatus

  • Positive Korrelation zwischen globaler Konstanzeinschätzung und Einschätzung des Wahrheitsstatus, aber keine signifikanten Effekte bezüglich einzelner Konstanzphänomene (Regressionsanalysen)

  • Positive Gl-einschätzung tendenziell eher bei Übereinstimmungen in Kern- und Nebenaspekten und Fehlen von Widersprüchen in Kernaspekten

  • Negative Gl-einschätzung eher bei Widersprüchen in Kernaspekten



Ergebnisse: Beziehung zwischen eingeschätzten Konstanzphänomenen und objektivem Wahrheitsstatus

  • Signifikante Prädiktoren für den Wahrheitsstatus (Regressionsanalysen):

    • Widersprüche im Kerngeschehen (Aussagen der Erwachsenen)
    • Widersprüche im Nebengeschehen (Aussagen der Kinder)
    • Übereinstimmungen in Nebenaspekten (Aussagen der Kinder)


Ergebnisse: Einfluss der Präsentation wiederholten Aussagen auf die Trefferquoten

  • Signifikante Verbesserung der Trefferquoten

  • Verbesserung fast ausschließlich bei Aussagen, die nach Präsentation nur einer Darstellung nicht eingeschätzt werden konnten

  • Keine signifikante Veränderung des Anteils falscher Zuordnungen

  • Signifikante Steigerung der subjektiven Entscheidungssicherheit der Experten



Bilanz der Experteneinschätzungen

  • Beachtete Konstanzphänomene sind vor allem:

    • Widersprüche in Kernaspekten
    • Übereinstimmungen in Kern- und Nebenaspekten
  • Von den Experten wahrgenommene Widersprüche und bei Kinderaussagen auch Übereinstimmungen im Kerngeschehen stellen auch tatsächlich Prädiktoren für den objektiven Wahrheitsstatus dar

  • Konstanzanalysen hilfreich

  • Konstanzanalysen wenig nützlich

    • Bei der Vermeidung von Fehlklassifikationen (bei in sich nicht stimmigen, aber wahren Aussagen oder bei erfundenen Aussagen mit hoher inhaltlicher Qualität)


Zusätzlich zu berücksichtigende Bedingungen im Konstanzmodell von Arntzen



Bei Konstanzanalysen zu berücksichtigende Bedingungen (Arntzen, 1993)

  • Befragungsformat: Antworten auf Fragen mit inhaltlichen Vorgaben dürfen nicht berücksichtigt werden

  • Detaillierungsgrad: Bei einfachen, übersichtlichen Aussagen ist Konstanz für Beurteilung der GL bedeutungslos; in sehr komplexen Darstellungen kommt ihr besondere Bedeutung zu

  • Zeitliche Aspekte: Konstanzaspekte erst bedeutsam, wenn Befragungen zeitlich weit auseinander liegen [Zu berücksichtigen ist ferner Zeit zwischen Ereignis und erster Befragung]



Konstanzanalysen einschränkende Bedingungen (Arntzen, 1993)

  • Vorliegen einer ungenauen Ausgangsbeobachtung

  • Beobachtung eines Vorgangs unter erschwerten Wahrnehmungsbedingungen

  • Abrufschwierigkeiten in einer gegebenen Befragungssituation

  • Bewusste Zurückhaltung von Informationen

  • Schilderungsschwierigkeiten



Ableitungen für die Praxis

  • Auch in unwahren Aussagen gibt es viele Übereinstimmungen → Konstanz sollte deswegen als Indikator für Glaubhaftigkeit nicht überschätzt werden

  • Aus dem Muster der differenzierten Konstanz kann keine Schlussfolgerung über Wahrheitsstatus gezogen werden

  • Auslassungen und Ergänzungen, die sich in das Muster der differenzierten Konstanz einpassen, sprechen andererseits auch nicht gegen einen Erlebnisbezug

  • Ein hohes Maß an Übereinstimmungen bei erwartet konstanten und bei erwartet inkonstanten Inhalten scheint zumindest bei jüngeren Kindern und einem längeren Intervall zwischen zwei Befragungen eine Funktion als Glaubhaftigkeitsmerkmal zuzukommen. Inwieweit das auch für Erwachsene gilt, bleibt zu prüfen

  • Qualifizierte Ergänzungen finden sich signifikant häufiger in wahren als in unwahren Aussagen

  • Widersprüche finden sich signifikant häufiger in erfundenen als in wahren Aussagen



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