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Gegenstand ind Aufgaben der Stilistik


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Gegenstand ind Aufgaben der Stilistik

Stilistik als wissenschaftliche Disziplin, ihre Aufgaben. – Die Entwicklungsgeschichte der Die bedeutendsten Werke auf dem Gebiet der deutschen Stilistik.Die Stellung der Stilistik in der modernen
Über die Stilistik als Wissenschaft existieren verschiedene Meinungen in der sprachwissenschaftlichen Literatur. Unter ihnen gelten zwei Auffassungen als bestimmend: nach ersten Auffassung ist die Stilistik keine selbständinge Wissenschaft, sie existiert nur im Rahmen der allgemeinen Philologie; nach der zweiten Auffassung ist die Stilistik eine besondere wissenschaftliche Disziplin, nämlich ein Teilgebiet der Sprachwissenschaft. Gerade diese zweite Auffassung liegt der modernen lingustischen Vorstellungen zugrunde, während erste hauptsächlich mit der alten Tradition in der Sprachwissenschaft die verbunden ist. Im Rahmen der Stilistik, wie z.B. auch innerhalb der Grammatik oder Phonetik usw., unterscheidet man nach ihrem Inhalt und ihren Aufgaben die allgemeine Stillistik (genauso wie die allgemeine Grammatik, die allgemeine Phonetik) und die Stilistik einer konkreten Sprache. Die letztere basiert auf der allgemeinen Stilistik, geht bei der Betrachtung des entsprechenden Sprachmaterials von ihren Grundprinzipien aus, mit Berücksichtigung aller Ebenen Sprachsystems: der phonetisch-phonologischen, der grammatischen, der lexikalischen.

Wenn man diese vielseitigen Beziehungen in Betracht zieht, so kann man behaupten, daß die Stilistik in der Wissenschaftsstruktur der Linguistik eine Art Integrationsdisziplin darstellt: es besteht ein enger Zusammenhang der stilistischen Forschungen mit dem Studium und den Ergebnissen der Grammatik, Lexikologie und Phonetik. Ihrerseits erweitert die Stilistik die Basis für die weitere Ausarbeitung der Grammatik, Lexikologie und Phonetik im Rahmen einer konkreten Sprache. Der Unterschied zwischen der Stilistik und allen diesen sprachwissenschaftlichen Disziplinen liegt darin, daß sprachliche Tatsachen von ihr „unter funktionalem und expressivem Gesichtspunkt betrachtet werden, während die Grammatik, Lexikologie und Phonetik ähnliche Erscheinungen losgelöst von ihren verschiedenen Anwendungsbereichen untersuchen und Fragen der sprachlichen Expressivität beiseite lassen“ [57, S. 134]. Im großen und ganzen also handelt es sich bei der Stilistik um den funktionalen Aspekt der Sprachforschung und Sprachbeschreibung [46, S. 533].

Die Definition der Stilistik, die Abgrenzung und Bestimmung ihres Gegenstandes bilden in der Sprachwissenschaft ein strittiges Problem. Darüber existieren verschiedene Meinungen. Doch läßt sich in ihnen eine gemeinsame Linie erkennen, die als Grundposition der modernen Sprachforscher bestimmt werden kann. Davon zeugt der Vergleich einiger konkreter Definitionen: E. Riesel u. E. Schendels – Stilistik „ist die Wissenschaft von der Verwendungsweise und Ausdrucksgestaltung der Sprache in sämtlichen Kommunikationsbereichen und Kommunikationssituationen“ [54, S. 5]: W. Fleischer u. G. Michel – Der Gegenstand der Stilistik als wissenschaftlicher Disziplin ist „die funktional bestimmte Nutzung der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten auf allen Gebieten der gesellschaftlichen Praxis“ [37, S. 13]; I.W. Arnold – Die Stilistik ist ein Teilgebiet der Sprachwissenschaft, das die Prinzipien der Auswahl und den Gebrauchswert verschiedener lexikalischer, grammatischer, phonetischer, überhaupt sprachlicher Mittel in verschiedenen Kommunikationssituationen erforscht [2. S. 6].

Aus den angeführten Definitionen ergibt sich, trotz ihrer scheinbaren Unterschiedlichkeit, die erwähnte Grundposition der Autoren, die zusammenfassend folgenderweise wiedergegeben werden kann: die Stilistik ist die sprachwissenschaftliche Disziplin, die die Art und Weise untersucht, in welcher die sprachlichen Ausdrucksmittel in Abhängigkeit von Charakter und Ziel der Aussage und von den Bedingungen der Kommunikation gebraucht werden. Mit anderen Worten: die Stilistik untersucht „die Gesetzmäßigkeiten der Entstehung und Entwicklung der funktional-kommunikativen und expressiv-semantischen Differenzierung im System einer Nationalsprache“ [57, S. 133— 134].

Dem so bestimmten Wesen der Stilistik entsprechen ihre Aufgaben, die sich in Thesen so formulieren lassen:


  • die Erforschung des Zusammenhangs zwischen Inhalt und Ausdrucksform in sprachlichen Äußerungen, Texten, Kommunikationsbereichen;

  • die Aufdeckung und Begründung der Differenzen in verschiedenen Verwendungsweisen der Sprache vom Standpunkt ihrer sozialen Bedingtheit aus;

  • die Untersuchung verschiedener Arten von Expressivität mit ihren sämtlichen Schattierungen im Rahmen des sprachlichen Ausdrucks;

  • die Entwicklung von Methoden und Kriterien der Textanalyse.

Eine spezielle Aufgabe der modernen Stilistik besteht in der kritischen Überprüfung des Nachlasses der traditionellen Stilistik.

Neben der breiten sprachtheoretischen Bedeutung hat die Stilistik, wie aus den aufgezählten Aufgaben folgt, auch ihre engere praktische Bedeutung als Anleitungslehre zur Textinterpretation. Indem sie sprachliche Erscheinungen – Wörter, Wortverbindungen, Formen, Satzkonstruktionen usw. – unter dem Gesichtspunkt ihrer angemessenen Verwendung, ihrer funktionalen Bedeutung und Expressivität untersucht, lehrt sie ihre richtige Auswahl für bestimmte Ziele der Kommunikation, für den wirksamsten Ausdruck eines bestimmten Inhalts [57, S. 134].



Die Stilistik, wie auch jede andere wissenschaftliche Dis­ziplin, ist nicht traditionslos. Sie hat einen langen Ent­wicklungsweg hinter sich. Zu ihrer Entstehung haben zwei sehr alte Wissenschaften wesentlich beigetragen: die antike Rhetorik (die Lehre über die Kunst des Redens) und die Poetik (die Lehre über die Dichtkunst, die Kunst des Schreibens). Davon sagt z. B. G. Michel: „Bekannt ist die Tatsache, daß die traditionelle Stilistik stark von der Rhetorik und Poetik beeinflußt ist und viele Begriffe und Termini von den Griechen des Altertums übernommen hat" [45, S. 13]. Die Wurzeln der Stilistik sind in den Werken der altgriechischen Philologen und Philo­sophen zu suchen. Schon Aristoteles schrieb über drei Grundtypen des Stils (der öffentlichen Rede): die j u d i-ziale Rede (die Kunst des Auftretens im Gericht); die deliberative Rede (die Redekunst beim politischen Disput); die epideiktische Rede (die Kunst des Sprechens bei Festakten, feierlichen Ansprachen, Entlar vungsreden usw.) l. Die speziellen Mittel zur Ausgestal­tung der Rede, ihrer Verschönerung nannte er Tropen (Tropus – Tropen). Die Beschreibung und Systematisierung der Tropen und Redefiguren gehörte später zur Hauptaufgabe der Stilistik im Laufe vieler Jahrhunderte. Die alte Rhetorik hatte „bis tief in die Neuzeit“ nachgewirkt [30, S. 35].

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts, besonders in seiner zweiten Hälfte, trat die Rhetorik in den Hintergrund, weil es in der Sprachwissenschaft überhaupt zu einer entscheidenden Wende kam: immer mehr lenkten die Forscher ihre Aufmerksamkeit auf die konkreten, „lebenden“ Sprachen in ihrem gegebenen Zustand. Diese Zeit (das Ende des 19. Jahrhunderts) bereitete allmählich die Gründung der eigentlichen Stilistik vor, die nicht mehr intuitiv, sondern nach Möglichkeit objektiv wissenschaftlich sein sollte. Die deutsche Stilistik bekam seit dem 19. Jahrhundert eine zweifache Orientierung: nach der alten Tradition auf die Literaturwissenschaft, mit Einbeziehung der Rhetorik und Poetik; nach der neuen Tradition auf die Sprachwissenschaft. Die beiden Linien entwickelten sich parallel, obwohl die zweite immer produktiver wurde, bis sie gegen Mitte des 20. Jahrhunderts zur endgültigen Behauptung der Linguostilistik geführt hat. Die bedeutendsten Werke auf dem Gebiet der deutschen Stilistik beginnen gerade am Anfang des 20. Jahrhun-derst zu erscheinen, obwohl die ersten von ihnen noch keine Linguostilistik im eigentlichen Sinne des Wortes darstellten. So enthält das Buch von K. H. Meyer „Deutsche Stilistik" (1906) eine produktive Kritik an der alten Stilistik, die ganz der Rhetorik untergeordnet war. Diese Kritik wird mit der Zeit schärfer. Im Jahre 1929 erfolgt E. Winklers „Grundlegung der Stilistik“, und 1948 veröffentlicht W. Kayser sein Buch „Das sprachliche Kunstwerk“. In diesem letzten Werk muß der Verfasser zugeben, daß die veraltete Auffassung der Stilistik noch lebendig sei. Dieser Auffassung zugrunde liegt die Vorstellung vom ausdrucksstarken Text (Dichtung) als von einem ausgeputzten Stück Sprache, das seine Wirkungskraft und seine stilistische Qualität nur solchen Ausdrucks­mitteln wie Tropen und Figuren der alten Rhetorik verdankt.

In den 50er Jahren gibt H. S e i d l e r sein Werk „Allgemeine Stilistik“ heraus. Es bildet, nach der allgemeinen Anerkennung, eine gewisse Brücke zwischen der alten Tradition und der neuen Orientierung in der Stilistik. Die alte Stilistik befaßte sich nur mit der Sprache der schöngeistigen Literatur (mit dem belletristischen Stoff), die anderen Verwendungsweisen der nationalen Sprache (ihr Funktionieren in sämtlichen anderen Kommunikationsbereichen) wurden nicht berücksichtigt. H. Seidler überschritt diese verbotene Grenze und wandte sich der Spra­che in ihrem vollen Umfang zu. Darin läßt sich der Übergang zur Linguostilistik, nämlich zur Funktionalsti­listik der Gegenwart erkennen.

Die moderne Linguostilistik untersucht die Gesetzmäßigkeiten der funktional-kommunikativen und expressiv-semantischen Differenzierung im System einer Nationalsprache. Die Funktionalstilistik beschäftigt sich hauptsächlich mit dem ersten Aspekt dieser Differenzierung – mit der unterschiedlichen Verwendung der Sprache in verschiedenen Kommunikationsbereichen, sie richtet ihr Augenmerk auf die Auswahl von Wörtern, Wortverbindungen, Formen und Satzkonstruktionen aus dem System einer Nationalsprache zur Gestaltung der diesem oder jenem Kommunikationsbereich angemessenen Ausdrucksweise.

Sie beginnt sich besonders seit den 50er Jahren sehr intensiv zu entwickeln, dabei, was die deutsche Stilistik anbe­trifft, unter starkem Einfluß der sowjetischen Sprachwis­senschaft. Das betonen die deutschen Stilforscher selbst, indem sie z. B. schreiben, daß „die stilistische Lehre und Forschung in der DDR der sowjetischen Stilistik ... viele Anregungen verdankt“ [57, S. 133].

Im Ergebnis einer gründlichen Ausarbeitung ihrer Hauptproblematik verfügt die deutsche Stilistik heutzutage über mehrere zusammenfassende und bekannte Werke, die so­wohl in der Sowjetunion, als auch in der DDR erschienen sind, darunter: E. R i e s e 1. Stilistik der deutschen Sprache.– Moskau, 1963; T. Riesel u E. Schendels. Deutsche Stilistik. – Moskau, 1975; W. Schneider. Stilistische deutsche Grammatik. – Wien, 1967; G. Michel. Einführung in die Methodik der Stiluntersuchung. – Berlin, 1968; W. Fleischer u. G. Michel. Stilistik der deutschen Gegenwartssprache. – Leipzig, 1975; D. Fau1seit u. G. Kühn. Stilistische Mittel und Möglichkeiten der deutschen Sprache.—Leipzig, 1962 (1975); G. Moller. Praktische Stillehre. – Leipzig, 1970 u.a. Alle genannten Verfasser bemühen sich in ihren Werken um die Grundlegung der deutschen Linguostilistik in ihrem vollen Umfang. Während die traditionelle Stilistik nur auserwählte Stilerscheinungen betrachtet und klassifiziert hat, gehen die modernen Stiforscher von der Überzeugung aus, daß nicht die auserwählten Mittel und Redefiguren den Stil bestimmen und deshalb nicht sie der Hauptgegenstand der Forschung sein sollen. Jede sprachliche Einzelerscheinung steht im Dienst des Stils, sie schließt sich in ein ganzheitliches System von Mitteln und Gesetzmäßigkeiten ihrer Verwendung ein, das nach den Funktionsbereichen differenziert aussehen muß. Und nur aus diesem System von Gesetzmäßigkeiten oder Normen erwachsen die Stilbedeutungen (Stilwerte) einzelner sprachlicher Mittel, einzelner Redefiguren. Somit hat sich der Inhalt der modernen Stilistik im Vergleich zur traditionellen Problematik sehr erweitert. Das wird besonders klar, wenn man in Betracht zieht, daß die alte Stilistik nur der Kunstprosa und Dichtung mit ihren spezifischen Ausdrucksmitteln die Hauptaufmerksamkeit geschenkt hat. Aus dieser philologisch orientierten Stilkunde sind zwei wissenschaftliche Disziplinen entstanden, die heute von den Stilforschern als verschiedenartig orientierte Forschungsrichtungen betrachtet werden: die literaturwissenschaftliche Stilistik und die Linguostilistik. Das Wesen und die Aufgaben jeder von ihnen sind mehr oder weniger geklärt, obwohl ihre Abgrenzung voneinander immer noch auf manche Schwierigkeiten stößt. Die literaturwissenschaftliche Stilistik interessiert sich für die Sprache als Grundmaterial der schönen Literatur. Im Buch von. I. Arnold wird sie z.B. so charakterisiert: sie erforscht die Gesamtheit von Ausdrucksmitteln, die im Dienst der Bildlichkeit stehen und für ein bestimmtes literarisches Werk, für einen bestimmten Schriftsteller, für eine bestimmte literarische Richtung oder für die ganze Epoche typisch sind [2, S. 11 — 12].


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