Digitalisierung und Erwachsenenbildung. Reflexionen zu Innovation und Kritik
(Fehlende) Orientierungen für ethisches
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(Fehlende) Orientierungen für ethisches
Handeln Eine Berufsethik ist eine Sammlung von normativen Aussagen, denen sich die Mitglieder einer Profes- sion bzw. die Berufsträger*innen, ähnlich wie in der ärztlichen Ethik, verpflichtet fühlen sollen. Für gewöhnlich wird eine Berufsethik durch eine jeweils dazugehörige Bereichsethik ergänzt. Bereichsethi- ken sind Forschungszusammenhänge, die jeweils für einen bestimmten gesellschaftlichen Bereich, wie die Medizin oder die Pädagogik, versuchen, ethische Fragen theoretisch zu erfassen, um Berufsethiken zu begründen und kritisch zu reflektieren. In der Ethik werden Bereichsethiken der angewandten Ethik (siehe Drerup 2019) zugeordnet. Ihre Funk- tion besteht darin, spezifische ethische Probleme eines Feldes aufzugreifen und zu beforschen, sie dem jeweiligen Feld zugänglich zu machen und z.B. durch Kasuistik zur Diskussion zu stellen. Ein solches Zusammenspiel von Berufs- und Bereichs- ethik ist bisher im Kontext der Erwachsenenbildung nicht zu finden. Bezüglich der Berufsethik gibt es zwar, wie die Studien von Nils Bernhardsson und Thomas Fuhr (2014) und Josef Malach (2020) zeigen, 4 05- vereinzelte Ansätze in Form von Ethik- und Moral- kodizes, die vorrangig von Verbänden entwickelt wurden, die Trainer*innen in der betrieblichen Wei- terbildung organisieren – z.B. der „Berufskodex für die Weiterbildung“ des Forums Werteorientierung in der Weiterbildung e.V. 1 . Übergreifende und umfas- sende Berufsethiken, die für das gesamte berufliche Tätigkeitsfeld der Erwachsenen- und Weiterbildung Gültigkeit beanspruchen, sind bisher jedoch nicht vorhanden, da es, wohl aufgrund der hohen Diver- sität des Feldes, keine Berufsverbände gibt, die sich für die Gesamtheit der beruflichen Tätigkeiten im Kontext der Erwachsenenbildung engagieren. Erste Weichen für eine übergreifende Thematisie- rung berufsethischer Fragen haben im deutschen Sprachraum die nationalen Organisationen gestellt, die sich verbändeübergreifend für die Entwicklung der Erwachsenenbildung engagieren: in Österreich das Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bi- feb), in der Schweiz der Schweizer Verband für Erwachsenenbildung (SVEB) und in Deutschland das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE). So finden sich z.B. in den Ausbildungsmodulen der vom bifeb mitgegründeten Weiterbildungs akademie Österreich (wba) Hinweise auf die Bedeutung berufs- ethischer Fragestellungen (siehe wba 2020) und das GRETA-Kompetenzmodell des DIE, welches künftig als Grundlage für ein trägerübergreifendes Aner- kennungsverfahren für Kompetenzen Lehrender in der Erwachsenen- und Weiterbildung genutzt werden soll, beinhaltet als ein wesentliches Lernfeld „Professionelle Werthaltungen und Überzeugungen“ (vgl. Strauch et al. 2019, S. 27). Auch von wissenschaftlicher Seite gab es mehrfach Versuche, eine forschungsbezogene Auseinanderset- zung mit berufsethischen Fragen der Erwachsenen- bildung anzustoßen. So hat sich z.B. in Deutschland die Sektion Erwachsenenbildung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft mehrfach darum bemüht, bereichsethische Theoriebildungen anzuregen (siehe z.B. Gieseke/Nuissl/Meueler 1991; Hof 2010). In den USA und Kanada wurden sowohl Studien durchgeführt, die sich mit den ethischen Herausforderungen der erwachsenenpädagogischen Praxis befassen (siehe Brockett 1988; Gordon/Sork 1 Nachzulesen unter: https://forumwerteorientierung.de/ 2001), als auch Schulungsmaterialien entwickelt, die helfen sollen, Reflexionen über berufsethische Fragen im Feld anzuregen (siehe Brockett/Hiemstra 2004). Abgesehen von den genannten Ansätzen und einzelnen empirischen Studien, die sich mit ethischen Fragen von Lehrenden der Erwachse- nenbildung befassen (siehe Schwendemann 2018; Bernhardsson-Laros 2020), konnte sich bisher aber kein eigenständiger Forschungszusammenhang zum Thema erwachsenenpädagogische Ethik etablieren, was u.a. auf die Verwobenheit der ethischen Theorie- bildungen mit der allgemeinen Theoriebildung zur Erwachsenenbildung (vgl. Fuhr 2011, S. 508ff.) sowie auf die hohe Diversität des Feldes (siehe Sork 2016) zurückgeführt wird. Darauf, dass in Bezug auf das Thema Ethik im erwachsenenpädagogischen Diskurs eine Lücke besteht, machen aktuell vor allem Ein- führungen in die Erwachsenen- und Weiterbildung aufmerksam (siehe z.B. Arnold/Nuissl/Rohs 2017; Schrader 2018; Schreiber-Barsch/Stang 2021). Sie weisen das Thema Ethik der Erwachsenenbildung als einen eigenständigen Inhaltsbereich aus und betonen den Forschungsbedarf zum Thema. Die eingangs erläuterten wicked problems stellen einen neuen Anlass dar, einen bereichsethischen Diskurs in der Erwachsenenbildung wieder verstärkt anzustoßen. Werden diese Probleme verstärkt in den Blick genommen, kommt dies einem Strategiewandel im Bemühen um die Identifizierung bereichsethisch relevanter Themen gleich. Während die Themen und Argumente für eine for- schungsgeleitete Behandlung ethischer Fragen im Kontext der Erwachsenenbildung bisher zumeist innerhalb der Erwachsenenbildung selbst – z.B. durch Bezugnahme auf das Anliegen der Profes- sionalisierung des EB-Personals – gesucht wurden, werden beim vorliegenden Argumentationsgang Themen aufgegriffen, denen auch außerhalb der Erwachsenen bildung eine hohe Relevanz beigemes- sen wird. Die Strategie, einen bereichsethischen Dis- kurs um Fragen des guten und richtigen Lebens im Kontext der Erwachsenenbildung anzuregen, würde dann darin bestehen, diesen thematisch fokussiert – z.B. im Hinblick auf Digitalisierung – zu führen und zu entwickeln. Innerhalb dieses Diskurses wäre 5 05- dann zu klären, ob der Erwachsenenbildung über- haupt das Mandat (siehe Nittel 2000) zukommt, die identifizierten gesellschaftlich relevanten ethischen Themen zu bearbeiten. Zudem müsste seitens der Bereichsethik anhand von Fallbeispielen angegeben werden können, wie diese Themen von erwachse- nenpädagogischen Akteur*innen – z.B. durch Orien- tierung an handlungsleitenden Normen im Rahmen einer operativen Minimalethik (vgl. Prange 2010, S. 11-31) oder gar durch Berufung auf etwaige Ethik- kodizes, die neben einzelnen handlungsleitenden Normen auch festlegen, welchen Werten und Zielen sich die Akteur*innen der Erwachsenenbildung verschreiben sollen – bearbeitet werden können. Unabhängig von der Klärung dieser weiterführen- den Fragen, gehen wir nachfolgend beispielhaft auf einzelne Themen der Digitalisierung ein, von denen wir meinen, dass sie ethischen Reflexionsbedarf im Kontext der Erwachsenenbildung hervorrufen. Download 19.97 Kb. Do'stlaringiz bilan baham: |
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