In königstein im taunus „Orte der Freiheit und der Demokratie
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HESSEN 67 ROLAND KOCH DIE „VILLA ROTHSCHILD” IN KÖNIGSTEIN IM TAUNUS „Orte der Freiheit und der Demokratie” sind durch historische Momente oder Ereignisse in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen 60 Jahren vielfach entstanden. Meist werden diese Orte mit großen Persönlichkeiten und besonderen Begebenheiten in Verbin- dung gebracht. ORTE PRÄGEN ERINNERUNGEN Der Ort oder, besser gesagt, der Schauplatz spielt jedoch eine wesentliche Rolle bei diesen historischen Momenten, schenkt er uns doch das Bild, das wir sehen, erleben, uns einprä- gen, und den Eindruck, der unsere Erinnerung lebendig hält. Der Ort, an dem „Geschichte geschrieben wird”, steht für sich und ist aussagekräftig genug, so dass die Bilder auch ohne die Namen der Personen zu uns sprechen und auf uns (nach-)wirken: Besuche ich historische Orte, so erinnere ich mich an bestimmte Jahre, Ereignisse und Personen: Die Jahre sind vorbei, die Ereignisse vorüber, die Protagonisten meist nicht mehr aktiv oder nicht mehr unter uns – aber der Ort ist meist geblieben. Repräsentativ könnte ich hier mit Blick auf unsere Bundeshauptstädte das Museum Koenig in Bonn, das Rathaus von Berlin- Schöneberg oder – als Paradebeispiel – das Brandenburger Tor nennen.
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68 Villa Rothschild 1894 Quelle: Kempinski Hotel Falkenstein im Taunus, Frankfurt a.M. VILLA ROTHSCHILD IM WANDEL DEUTSCHER GESCHICHTE Blicke ich nun auf das Land Hessen und auf dessen Geschichte und suche „Orte der Freiheit und der Demokratie”, die symbolisch für politische Entschei- dungen und wichtige Weichenstellungen in der Bun- desrepublik seit 1949 stehen, fällt mir spontan ein Ort unweit meines Elternhauses ein: Nahe der Stadt Königstein im Taunus liegt die ehemalige Sommer- residenz des Bankiers Wilhelm Carl Freiherr von Roth- schild (1828–1901), die in den Jahren 1888 bis 1894 errichtet wurde. Mit seinem Tod erlosch die männliche Linie des deutschen Zweiges der Familie. Seine Ge- mahlin, Hannah Mathilde von Rothschild, starb 1924. Ihr Enkel, Rudolf von Goldschmidt-Rothschild (1881– 1963), übernahm das herrschaftliche Anwesen bis zum Jahr 1938. Unter dem Druck der Nationalsozialisten trat er es vor seiner Emigration an den Unternehmer Georg von Opel ab, der es wenige Jahre später an die „Reichsgruppe Banken” und die „Wirtschaftsgruppe Freier Banken” weiter übertrug. Im Zuge des Novem- berpogroms gegen die jüdische Bevölkerung sollte die Villa Rothschild niedergebrannt werden. Der da- malige kommissarische Bürgermeister von Königstein ließ das Anwesen jedoch durch eine Abteilung des Reichsarbeitsdienstes abschirmen, so dass die Villa nach diesen bewegten und erschütternden Jahren 1945 unversehrt an das Land Hessen fallen und in den Folgejahren zu einem „Ort der Freiheit und der Demokratie” erblühen konnte. DER AUFTRAG DER ALLIIERTEN Am 1. Juli 1948 erhielten die elf westdeutschen Ministerpräsidenten von US-Militärgouverneur Lucius D. Clay im Beisein seines britischen und seines fran- zösischen Kollegen, Sir Brian Robertson und Pierre Koenig, im US-amerikanischen Hauptquartier, dem I.G.-Farben-Haus in Frankfurt am Main, den Auftrag, eine Verfassung zu erarbeiten und einen westdeut- schen Teilstaat zu gründen. Im gleichen Jahr, am 1. Dezember 1948, wurde an derselben Stelle die Hessische Verfassung unterzeichnet. Den Ministerpräsidenten – in alphabethischer Reihen- folge: Peter Altmeier (Rheinland-Pfalz), Karl Arnold (Nordrhein-Westfalen), Lorenz Bock (Württemberg- Hohenzollern), Max Brauer (Hamburg), Hans Ehard (Bayern), Wilhelm Kaisen (Bremen), Hinrich Wilhelm Kopf (Niedersachsen), Hermann Lüdemann (Schles- wig-Holstein), Reinhold Maier (Württemberg-Baden), Christian Stock (Hessen) und Leo Wohleb (Baden) – wurden für diesen wegweisenden Auftrag die so ge- nannten „Frankfurter Dokumente” ausgehändigt, die auf der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz zusam- mengestellt worden waren und Empfehlungen und Leitlinien für die bevorstehenden Gespräche beinhal- teten.
Die zu Beginn der Verhandlungen einberufene so ge- nannte „Rittersturz”-Konferenz (8. bis 10. Juli 1948) in einem Berghotel oberhalb von Koblenz mündete in den „Koblenzer Beschlüssen”. Darin wurden der Zusammenschluss der drei westlichen Besatzungs- zonen zur Bundesrepublik Deutschland und die Ab- trennung von der sowjetischen Besatzungszone fest- gelegt. Eine Vereinigung Deutschlands erachteten die Ministerpräsidenten zu diesem Zeitpunkt als nicht realisierbar, wenngleich sie betonten, dass die Grün- dung der Bundesrepublik Deutschland lediglich ein Provisorium sein solle und die Gründung eines ge- samtdeutschen Staates langfristig wieder angestrebt werde. Eine „Verfassungsgebende Versammlung”, wie von den West-Alliierten in den „Londoner Beschlüs- sen” vorgeschlagen, lehnten die Ministerpräsidenten ab – vielmehr sprachen sie sich für einen „Parlamen- tarischen Rat” aus, der ein „Grundgesetz” erarbeiten sollte. Der Parlamentarische Rat tagte bekanntlich ab dem 1. September 1948 im Museum Koenig in Bonn, nachdem zuvor der „Verfassungskonvent” auf Herren- chiemsee (10. bis 23. August 1948) die fundamen- talen Bausteine für das Grundgesetz gelegt hatte. „Sind denn diese Zaunkönige noch nicht fertig?”, soll Konrad Adenauer bereits am zweiten Tag der „Ritter- sturz”-Konferenz ungeduldig gefragt haben, wohl wissend, dass dem Auftakt noch einige Gespräche der Ministerpräsidenten parallel zu den Sitzungen des Parlamentarischen Rates folgen würden.
TEIN HESSEN
69 vereinbarten die Ministerpräsidenten, für wissen- schaftliche Institutionen von überregionaler Bedeutung auch finanzielle Zuschüsse anderer Länder zuzulassen, sofern die erforderlichen Mittel für die erfolgreiche Umsetzung der Forschungsaufgaben nicht von der zuständigen Landesregierung allein aufgebracht wer- den können. Dieser Modus, der erst im Jahr 1969 verfassungsrechtlich abgesichert wurde, erhielt die namentliche Kurzform „Königsteiner Schlüssel”. Der Anwendungsbereich wurde nachfolgend über den Bereich der Forschungsförderung hinaus ausgedehnt. Der Schlüssel wird heute von der Bund-Länder-Kom- mission jährlich neu berechnet. Er setzt sich zu zwei Dritteln aus dem Steueraufkommen und zu einem Drittel aus der Bevölkerungszahl der Länder zusam- men. Im „Haus der Länder”, so wurde die Villa Rothschild fortan offiziell bezeichnet, trafen sich in den Grün- derjahren der Bundesrepublik Politiker wie Theodor Heuss, Ludwig Erhard und Ernst Reuter mit zahlrei- chen Diplomaten aus der ganzen westlichen Welt. Seit 1955 ist die Villa Rothschild mit einem über zehn Hektar großen Parkgelände, das von Heinrich Siesmayer, dem Architekten des Frankfurter Palmen- gartens, geschaffen wurde, im Besitz der Stadt König- stein. Fortan wurde die Villa zunächst als Gastrono- mie, dann als Hotel genutzt. Im Oktober 2005 wurde der Hotelbetrieb vorübergehend eingestellt. Nach Ab- schluss eines Erbbaurechtsvertrags über 99 Jahre mit einem neuen Investor wurde die denkmalgeschützte Villa Rothschild aufwendig saniert und als Hotel der Luxusklasse in bester Taunuslage am 1. März 2007 wiedereröffnet. ROLAND KOCH geb. 1958, ist hessischer Ministerpräsident. DIE GESPRÄCHE IN DER VILLA ROTHSCHILD Ein fester „Ort der Demokratie” für die weitere Um- setzung des Auftrags war von den Alliierten nicht vorgegeben worden, so dass nach der ersten Zusam- menkunft der Ministerpräsidenten in Koblenz nunmehr ein geeigneter, zentral gelegener Verhandlungsort für weiterführende Gespräche auf dem Weg zur Bundes- republik Deutschland gefunden werden musste. Die Wahl fiel auf die Villa Rothschild. Die Stadt Königstein im Taunus, unweit von Frankfurt am Main, bot diese ideale Lage, eine Mischung aus guter Erreichbarkeit und idyllischer Abgeschiedenheit. Zu Beginn des Jahres 1949 wurde das ehemalige An- wesen der Familie Rothschild im Zuge des politischen Wiederaufbaus Westdeutschlands zu einem „Ort der Freiheit und der Demokratie”. Am 24. März 1949 war es Schauplatz eines wegweisenden Zusammentreffens der westdeutschen Ministerpräsidenten: Ungeachtet des Einspruchs der Alliierten beschlossen die elf Län- derchefs in Königstein die Einführung eines bundes- einheitlichen Wahlrechts durch den Parlamentarischen Rat. US-Militärgouverneur Clay hatte zuvor erklärt, dass für die Festlegung des Wahlrechts jeweils die Landtage zuständig sein sollten und der Parlamenta- rische Rat nur die Anzahl der Abgeordneten pro Bun- desland bestimmen dürfe. Nachfolgend gestanden die Westalliierten dem Parlamentarischen Rat die Festle- gung des Wahlsystems zwar zu, verweigerten ihm aber die Verabschiedung des Wahlgesetzes. Das vom Par- lamentarischen Rat daraufhin zunächst nur vorgelegte Wahlgesetz, eine Mischung aus Verhältniswahlrecht nach Listen und Persönlichkeitswahlrecht in den Wahl- kreisen, wurde am 15. Juni 1949 durch die Minister- präsidenten im hessischen Kurort Schlangenbad nahe Wiesbaden verabschiedet und offiziell verkündet. Die Einführung eines bundeseinheitlichen Wahlrechts, ein Beschluss, der in der Villa Rothschild gefasst worden war, war somit vollzogen. Am 14. August 1949 wurde der erste Deutsche Bundestag gewählt. Die Frage des Wahlrechts hatte Konrad Adenauer bereits im August 1948 als „von entscheidender Bedeutung für die poli- tische Zukunft Deutschlands” bezeichnet. In König- stein wurde sie entschieden, und die Villa Rothschild wurde dadurch zu einem wahrhaftigen „Ort der Frei- heit und der Demokratie”. Eine Woche nach dem richtungsweisenden Wahlrechts- beschluss, am 31. März 1949, kamen die Regierungs- chefs der westdeutschen Länder in einem weiteren Punkt überein: Im „Staatsabkommen über die Finan- zierung wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen” Download 33.63 Kb. Do'stlaringiz bilan baham: |
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