Charles Chaplin Paulette Goddard Jack Oakie Reginald Gardiner Henry Daniell Billy Gilbert
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- Im Palast Adenoid Hynkel, Diktator von Tomania Charles Chaplin Benzino Napaloni, Diktator von Bacteria Jack Oakie
- Carter De Haven Madame Napaloni Grace Hayle Im Ghetto Der jüdische Friseur Charles Chaplin
- Bernard Gorcey Mr. Agar Paul Weigel Stab Buch, Regie, Produzent Charles Chaplin
- Dan James, Robert Meltzer, Wheeler Dryden Ausstattung J. Russell Spencer
- Die Restaurierung von Der große Diktator
- Besetzung und Stab Synopsis
- Über Der große Diktator
- Der Diktator und der Tramp
- Die Entwicklung des Drehbuchs
- Ungewohnte Anforderungen
Mit Charles Chaplin Paulette Goddard Jack Oakie Reginald Gardiner Henry Daniell Billy Gilbert Buch, Regie, Produzent Charles Chaplin Musik Charles Chaplin Musikalische Leitung Meredith Willson Kamera Karl Struss, Roland Totheroh Regieassistenz Dan James, Robert Meltzer, Wheeler Dryden Ausstattung J. Russell Spencer Weltvertrieb MK2
Im Verleih der Piffl Medien Restaurierte Fassung – Jetzt im Kino! www.der-grosse-diktator.de „Kein Ereignis in der Geschichte des Films ist mit mehr hoffnungsfroher Spannung erwartet worden wie die Premiere dieses Films. (...) Die Aussicht, den kleinen Charlie, die meistgeliebte Figur der ganzen Welt, zu erleben, wie er sein superbes Talent nutzt, um den gefährlichsten lebenden Bösewicht der Lächerlichkeit zu übergeben, erschien wie ein gigantischer Scherz, wie ein transzendentales Paradox. Heute morgen sind wir glücklich berichten zu können, dass das Unterfangen großartig gelungen ist. (...) Die wahrhaft superbe Leistung eines wahrhaft großen Künstlers – und unter einem bestimmten Gesichtspunkt vielleicht der wichtigste Film, der je hervorgebracht wurde.“ New York Times, 1940 Im Palast Adenoid Hynkel, Diktator von Tomania Charles Chaplin Benzino Napaloni, Diktator von Bacteria Jack Oakie Schultz Reginald Gardiner Garbitsch Henry Daniell Herring Billy Gilbert Botschafter von Bacteria Carter De Haven Madame Napaloni Grace Hayle Im Ghetto Der jüdische Friseur Charles Chaplin Hannah Paulette Goddard Mr. Jaeckel Maurice Moskovich Mrs. Jaeckel Emma Dunn Mr. Mann Bernard Gorcey Mr. Agar Paul Weigel Stab Buch, Regie, Produzent Charles Chaplin Musik Charles Chaplin mit Motiven von Wagner und Brahms Musikalische Leitung Meredith Willson Kamera Karl Struss, Roland Totheroh Regieassistenz Dan James, Robert Meltzer, Wheeler Dryden Ausstattung J. Russell Spencer Schnitt Willard Nico Ton Percy Townsend, Glenn Rominger Produktion Chaplin – United Artists USA 1940, 124 min, sw, 1:1,33, Mono, OMU Weltvertrieb der restaurierten Fassung: MK 2 Im Verleih der Piffl Medien
Seit einigen Jahren arbeiten die Cineteca di Bologna und das Kopierwerk Immagine Ritrovate im Auftrag der Chap-
Das Ausgangsmaterial für die Bild-Restaurierung von Der Große Diktator war eine vom Original-Negativ gezogene, gut erhaltene Filmkopie, die es ermöglichte, die originalen Kontraste und die Lichtbestimmung wiederherzustellen. Für die Tonbearbeitung stand ein Band der originalen Endmischung zur Verfügung. Mit Hilfe digitaler Technologien wurden Kratzer und andere Beschädigungen der Tonspur beseitigt. Als Ergebnis stehen heute Filmkopien in einer den Original-Vorgaben entsprechenden, bisher nicht gekannten, brillanten Bild- und Tonqualität zur Verfügung. (www.charliechaplinarchive.org) Im Ghetto: Hannah (Paulette Goddard) und der Friseur (Charlie Chaplin) Roland Totheroh, Charles Chaplin
Synopsis Tomania wird mit eiserner Hand vom Diktator Adenoid Hynkel regiert. Uniformen, Aufmärsche und eine gewal- tige Aufrüstung: Man will die Welt erobern. Unbarmherzig verfolgen Hynkel und seine Schergen die Juden im Land, für die kein Platz sein soll im tomanischen Reich. Von all dem weiß der kleine jüdische Friseur nichts, der nach 20 Jahren aus dem Hospital entlassen wird. Nach seiner Verwundung im Ersten Weltkrieg hat er das Gedächtnis verloren. Es ist ihm, als habe er erst gestern seinen Laden im jüdischen Ghetto verlassen. Woher soll er wissen, dass Hynkels Polizisten nun nach Gutdünken ungestraft plündern und zerstören dürfen? Beherzt setzt er sich gegen die Übergriffe zur Wehr – und kommt nur durch ein Wunder mit dem Leben davon. Der Offizier Schultz, dem er im Ersten Weltkrieg das Leben gerettet hat, kommt zufällig vorbei, als Hynkels Schergen den renitenten Friseur kurzerhand aufhängen wollen. Er ist ein mächtiger Mann im neuen Tomania ge- worden und stellt den Friseur und dessen Freunde unter seinen persönlichen Schutz. Im Ghetto hält ein kaum mehr für möglich gehaltener Frieden Einzug. Sogar für die Liebe ist wieder Zeit. Der Friseur ist ganz verzaubert von Hannah, dem Mädchen aus dem Nachbarhaus. Doch am Abend ihrer ersten Verabredung bricht die Katastrophe wieder ins Ghetto ein, schlimmer als je zuvor. Denn Schultz ist in Ungnade gefallen, weil er sich Hynkels Plänen zur Invasion des Nachbarlandes Osterlich widersetzt hat. Er flieht zu seinem alten Freund ins Ghetto. Dort versucht man alles, um Schultz zu retten. Doch schließlich wird er von Hynkels Männern gefasst und zusammen mit dem Friseur ins Konzentra- tionslager gebracht. Hynkel muss derweil alles diplomatische Geschick auf- wenden, um seinem Diktatoren-Kollegen Benzino Napaloni aus Bacteria beim Einmarsch in Osterlich zuvorzukommen. Beim Besuch Napalonis in Hynkels Palast wird eine Allianz geschlossen – der Weg für die tomanischen Truppen ist frei. Hynkel begibt sich, als Entenjäger getarnt, ins Grenzgebiet. Schultz und der Friseur entkommen in tomanischen Uniformen aus dem Konzentrationslager. Sie geraten in die Invasion Osterlichs. Doch die tomanischen Soldaten verwechseln den Friseur mit Hynkel. Und während der echte Diktator auf der Entenjagd von seinen eigenen Truppen als entlaufener KZ-Häftling verhaftet wird, führt man den Friseur auf den Paradeplatz von Osterlichs Hauptstadt. Er soll eine Rede halten. “Reden Sie”, fleht Schultz. “Es ist unsere einzige Hoffnung...”
Die Ähnlichkeit zwischen der Tramp-Figur Chaplins und Adolf Hitler, manifestiert im absurden Schnurrbart, war in den 30er Jahren immer wieder Gegenstand von Karika- turen und Witzen. 1938 greift Chaplin diese Ähnlichkeit auf, um eine Filmsatire auf Grundlage der Verwechslung zwischen dem Diktator Adenoid Hynkel und einem kleinen jüdischen Friseur zu entwickeln. Am 1. Sep- tember 1939, dem Tag des deutschen Einmarschs in Polen, ist die Drehfassung des Filmskripts fertig, am 9. September beginnen die Dreharbeiten. Mit Der große Diktator hat Chaplin ein Meisterwerk der Filmgeschichte geschaffen: Eine, wie Eisenstein schrieb, “großartige, vernichtende Satire, dem Sieg des menschlichen Geistes über die Unmenschlichkeit zum Ruhm”. Der Film war in vielerlei Hinsicht ein gewagtes Unterfangen: Der große Diktator ist nicht nur Chaplins erster Dialog-Film, zum ersten Mal bekennt er hier auch offen seine politischen Überzeugungen. Die größte Herausforderung freilich lag im Sujet selbst: die Balance zu halten zwischen Chaplins erklärtem Wunsch, die Welt möge über Hitler lachen – und dem Respekt gegenüber den Opfern des Nazi-Terrors. Die während der Dreh- arbeiten fast täglich eintreffenden Schreckensmeldungen aus Europa machten diese Aufgabe immer schwerer. Chaplin meistert die Herausforderung in jeder Hinsicht. Niemals ist die Darstellung des Demagogen und seiner willigen Verehrer eindringlicher gelungen. Der Kaiser ist nackt. Im Tanz Hynkels mit der Weltkugel offenbart sich die erbärmliche Leere der immergleichen Diktatoren- seele in einer zum Schreien komischen Schärfe, neben der sich etliche thematisch ähnlich gelagerte Filme jün- geren Datums wie cineastische Seminararbeiten aus- nehmen. Das Lachen ist in Der große Diktator das Privi- leg der Menschlichkeit, der Barbarei bleibt das Bellen. Chaplins Film hat eine Haltung und ein Ziel: er bezieht Stellung angesichts der unübersehbaren größten Kata- strophe der Menschheitsgeschichte. Er führt die befrei- ende Kraft des Lachens an ihr äußerstes Ende: jetzt muss der kleine jüdische Friseur, die Filmfigur, den Platz räumen für den Menschen Charles Spencer Chaplin, der in seiner Schlussrede unverstellt und leidenschaftlich für die Vision einer friedlichen Welt eintritt. Und deshalb, wegen der unverwüstlichen Verwurzelung in seiner Zeit und den Umständen seiner Entstehung, ist Chaplins
komischste und wahrhaftigste Propagandafilm für die Menschlichkeit. Überzeugen Sie sich – im Kino! „Was das Komische an Hitler betrifft, möchte ich nur sagen, dass es, wenn wir nicht ab und zu über Hitler lachen können, noch viel schlechter um uns bestellt ist als wir glauben. Es ist gesund zu lachen, auch über die dunkelsten Dinge des Lebens, sogar über den Tod. (...) Lachen ist ein Stärkungsmittel, Lachen erleichtert; Lachen ist eine Atempause, die es ermöglicht, den Schmerz auszuhalten.“ Charlie Chaplin; New York Times, 1940 Charlie Chaplin als Adenoid Hynkel Auf der Flucht: Hannah und der kleine Friseur Dreharbeiten der Ghetto-Szenen Der Diktator und der Tramp Lange hatte Chaplin seinen Tramp gegen den unaufhaltsam aufkommenden Tonfilm verteidigt, zuletzt in Modern Times. 1967 schilderte er in einem Life- Interview sein damaliges Dilemma: „Die Stimme ist so verräterisch; sie bringt etwas Künstliches mit sich und reduziert jedermann auf ein gewisses Maß an Zungenfertigkeit, auf etwas Unwirkliches. Pantomime ist für mich ein Ausdruck von Poesie, komischer Poesie. Ich wusste, dass ich in den Tonfilmen viel von meiner Eloquenz verlieren würde... Ich würde niemals meinen Tramp wiederauferstehen lassen. Er könnte nicht sprechen – ich wüsste nicht, was für eine Art Stimme er haben sollte. Wie würde er einen Satz zusammenstellen? Also musste der Tramp verschwinden.“ Nach Modern Times arbeitet Chaplin an der Idee eines Napoleon-Films, kann sie aber nicht zu einem ihn befriedigenden Abschluss bringen. 1937 schlägt ihm, wie er sich in seiner Autobiographie erinnert, Alexander Korda vor, „einen Hitler-Film zu machen, dessen Story sich um eine Personenverwechslung drehen sollte, da Hitler denselben Schnurrbart habe wie der Tramp. Er meinte, ich könne beide Personen darstellen. Damals hielt ich nicht sehr viel von der Idee, doch jetzt war sie aktuell, und ich brannte darauf, wieder an die Arbeit zu gehen. Ganz plötzlich wurde es mir klar. Natürlich! Als Hitler konnte ich die Massen großtuerisch bearbeiten und so viel sprechen, wie ich wollte. Als Tramp konnte ich dann mehr oder minder still bleiben. In einem Hitler- Film konnte ich Burleske und Pantomime miteinander verbinden.“ Im Frühjahr 1938 lernt Chaplin den angehenden Schrift- steller Dan James kennen und berichtet ihm von seiner Filmidee. Im September wird James eingeladen, als Assistent an der Entwicklung des Buchs mitzuarbeiten. Die Arbeit beginnt umgehend. Schon am 12. November 1938 wird ein erstes Treatment bei der Copyright- Behörde eingereicht. Die Gerüchte über das neue Chaplin-Projekt sorgen weltweit für Aufsehen: Eine Sensation, die der Chaplin-Biograph David Robinson so beschreibt: „Ein einzigartiges Phänomen, ein heraus- ragendes Ereignis in der Geschichte der Menschheit. Der größte Clown, die beliebteste Persönlichkeit der damaligen Zeit forderte den Mann heraus, der in der neuen Geschichte mehr Böses und mehr mensch- liches Leid angestiftet hat als irgendein anderer.“
Auf der Gegenseite reagiert man empfindlich. In Deutschland sind Chaplins Filme seit 1934 verboten, er selbst wird von der deutschen Presse in Übernahme einer Falschmeldung aus den USA „der Jude Karl Tonstein, besser bekannt unter dem Namen Charlie Chaplin“ genannt. (Das Gerücht von Chaplins jüdischen Wurzeln hat sich lange gehalten. Er selbst hat später dazu bemerkt, dass die jüdische Herkunft eine große Ehre bedeute, die ihm jedoch nicht zuteil geworden sei.) Der deutsche Film-Kurier fordert das Einschreiten gegen Chaplins Film: „Die jüdische Minderheit darf also in den USA unbehelligt den Führer einer fremden großen Nation verhöhnen. In Frankreich ist vor einigen Tagen eine Anordnung herausgekommen, die die Verächtlichmachung fremder Staatsoberhäupter verbietet. Wann wird Amerika diese selbstverständliche Anstandspflicht zwischen Völkern aufbringen, derartige Unverschämtheiten, wie sie der Jude Charlie Chaplin im Schilde führt, zu verhindern?“ Auch in den USA ist man alles andere als begeistert von Chaplins Plänen, die auf dem Höhepunkt der Appease- ment-Politik kurz nach dem Münchner Abkommen be- kannt geworden sind. Pro-faschistische und anti- semitische Stimmungen sind in den USA zu dieser Zeit durchaus salonfähig, die große Mehrheit der Amerikaner spricht sich noch lange nach Kriegsbeginn gegen eine Einmischung in Europa aus. Das Hays-Office, die ameri- kanische Zensurbehörde, äußert starke Bedenken gegen den Film. Selbst bei der United Artists, an der Chaplin mit 25 Prozent beteiligt ist, hat man die Befürchtung, der Film könne weder in den USA noch in England auf- geführt werden. „Doch ich war entschlossen weiterzu- machen“, schreibt Chaplin in seiner Autobiographie, „denn über Hitler sollte gelacht werden. Hätte ich etwas von den Schrecken in den deutschen Konzentrations- lagern gewusst, ich hätte Der große Diktator nicht zustandebringen, hätte mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können. Aber ich wollte unbedingt ihren mystischen Unsinn über eine reinblütige Rasse zum Gespött werden lassen.“
Die Grundidee des Films basiert auf der Verwechslung des namenlosen jüdischen Friseurs mit dem Diktator. Auch der Anfang des Films steht bald fest: Die ersten Treatments beginnen mit der Heimkehr jüdischer Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg – der Tramp ist dabei der einzige, der zuhause nicht erwartet wird. Auch die Idee der rivalisierenden Diktatoren Hynkel und Napaloni wird früh konzipert; die Idee, Hynkel eine jüdische Ehe- frau an die Seite zu stellen, hingegen wieder verworfen. Im Dezember 1938 steht die Geschichte im wesentlichen fest, einschließlich des Schlusses. Hier ist es allerdings „Vanderbilt schickte mir eine Serie Postkarten, die Hitler zeigten, während er eine Rede hielt. Das Gesicht war in obszöner Weise komisch – eine schlechte Imitation von mir, mit dem absurden Schnurrbart, den ungekämmten, strähnigen Haaren und dem widerwärtigen dünnen kleinen Mund. Ich konnte Hitler nicht ernst nehmen. Jede Postkarte zeigte eine andere Pose: Einmal griff er mit klauenartigen Händen in die Menschenmasse, dann wieder hatte er wie ein Kricket- spieler beim Schlag den einen Arm steil emporgereckt, wäh- rend der andere schlaff herab- hing. Auf der nächsten Karte sah man ihn mit ausgestreckten Händen, die Fäuste geballt, als hebe er eine Hantel. Die Gebärde des Grußes, bei der er die Hand über die Schul- ter zurückwarf, wobei die Hand- fläche nach oben gerichtet war, erweckte in mir den Wunsch, ein Tablett mit schmutzigen Tellern draufzustellen. Das ist ein Verrückter, dachte ich.“ Charlie Chaplin, Die Geschichte meines Lebens Der kleine Soldat als Kanonenfutter Der Diktator in Kellner-Haltung
noch der Vater Hannahs, mit dem der Friseur aus dem Konzentrationslager flieht und auf dem Palastplatz von Osterichs Hauptstadt Vanilla landet, wo er als falscher Hynkel eine Rede halten muss. Nach etlichen Überabeitungen wird Dan James beauftragt, den letzten Stand des Treatments und die umfangreichen Notizen zu einem Fünfakter mit Epilog umzuarbeiten. Vom ursprünglich geplanten Titel The Dictator muss Chaplin Abstand nehmen, da er bereits an die Paramount vergeben und nicht zu verhandeln ist. Eingetragen werden schließlich The Great Dictator sowie als mögliche Alternativen Ptomania, The Two Dictators, Dictamania und Dictator of Ptomania. Ungewohnte Anforderungen Im Januar 1939 beginnt die Arbeit im Studio. Zunächst muss die Bühne für die Tonaufnahmen schalldicht gemacht werden – Chaplin unterhält das letzte Stummfilm-Studio in Hollywood. Die neue Technik bringt eine Reihe von Veränderungen mit sich, an die Chaplin sich nur schwer gewöhnen wird: Nicht nur das deutlich erweiterte Studio-Team, der gesamte Arbeitsablauf hat sich verändert. Konnte Chaplin früher eine Sequenz nach der anderen ausarbeiten und drehen, Ideen im Verlauf der Arbeit entwickeln, verändern oder verwerfen, muss nun ein vollständig ausgearbeitetes Skript vor Beginn der Dreharbeiten vorliegen. Neben den ge- wohnten Vorbereitungen wie der Anfertigung von Miniaturen für Spezialeffekte, dem Kulissenbau und dem Casting setzt sich deshalb die Arbeit am Drehbuch bis zum Drehbeginn fort. An den täglichen Skriptbespre- chungen mit Dan James nimmt nun auch Charlies Bruder Sydney teil. Er gehört zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder zum Studio-Team. Am 1. September 1939 – dem Tag des deutschen Einmarschs in Polen – ist das Skript des Großen Diktators fertig. Mit 300 Seiten ist es ungewöhnlich umfangreich; im Laufe der Arbeit wird es immer wieder verändert.
Am 9. September, sechs Tage nach der Kriegserklärung Großbritanniens an Deutschland, beginnen die Dreh- arbeiten. Paulette Goddard spielt wie schon in Modern Times die weibliche Hauptrolle. Sie ist – was erst später bekannt wird – seit 1937 mit Chaplin verheiratet; zu Beginn der Dreharbeiten ist die Trennung in freund- schaftlichem Einvernehmen allerdings bereits vollzogen. Mit Jack Oakie als Benzino Napaloni verpflichtet Chaplin zum ersten Mal einen veritablen Star als seinen Gegen- part – eine Komiker-Konkurrenz, die sich den Beteiligten zufolge sehr positiv auswirkt. Die beiden Rollen Chaplins werden während der Dreh- arbeiten strikt voneinandender getrennt. Bis Ende Okto- ber 1939 wird der Großteil der Ghetto-Szenen gedreht, im November folgen einige komplizierte Aufnahmen wie die Flugzeug-Sequenz mit Schultz. Die Dreharbeiten sind einer viel strikteren Planung und Vorbereitung unter- worfen als bei allen Chaplin-Film davor. Die geregelte Arbeitszeit im Studioablauf bleibt dennoch eher die Aus- nahme. Zum einen ist die Ankunftszeit Chaplins im Studio eine offenbar unberechenbare Größe, zum ande- ren kann er nicht ganz von seiner gewohnten Arbeits- weise lassen: Ideen umwerfen, überarbeiten, hinzufügen. Mit dem Skript-Girl – eine ihm bis dahin völlig unbekann- te Instanz – liegt er im Dauer-Clinch: Die Wirkung einer Szene geht ihm über die Diktatur der continuity. „Man mag es als eine Ironie des Schicksals ansehen, dass vor 50 Jahren um diese Zeit in einem Abstand von nur vier Tagen Charlie Chaplin und Adolf Hitler ihren Einzug in diese Welt hielten. (...) Jeder hat auf seine Art und Weise die Ideen, Gefühle und Hoffnungen der mühebeladenen Bürger zum Ausdruck gebracht, der Millionen, die zwischen dem oberen und dem unteren Mühlstein der Gesellschaft zer- malmt werden. (...) Beide spie- geln dieselbe Wirklichkeit wider – die Not des ‚kleinen Mannes‘ in der modernen Gesellschaft. Beide sind Zerrspiegel, der eine zum Guten hin, der andere zum unsagbar Bösen.“ Spectator, 21.4.1939 Hynkel übt sich in einer bis heute sehr beliebten Diktatoren-Disziplin Probleme mit der Dicken Berta Hynkel und Napaloni (Jack Oakie) Im Dezember 1939 beginnen die Dreharbeiten der Hynkel-Szenen. Während der Produktionsvorbereitung hatte sich Chaplin anhand der verfügbaren Wochen- schauen eingehend mit dem Auftreten, der Redeweise und Gestik Hitlers beschäftigt. Chaplins legendäre Hynkel-Reden entstehen nun, nach Aussagen der Anwesenden, offenbar aus dem Stegreif. Wie sich Dan James erinnert, werden die Kundgebungsszenen zunächst vor Statisten im San Fernando Valley auf- genommen, in mehrminütigen, durchlaufenden Ein- stellungen: „Es hatte über 3o Grad, aber er konnte offenbar endlos weitermachen (...). Am Ende des Tages war er leichenblass im Gesicht, durchgeschwitzt, er- schöpft, mit einem Handtuch um den Hals. Er sank in sein Auto, und man dachte: Mein Gott, der kommt mor- gen nie und nimmer wieder. Aber er kam wieder.“ Letztlich werden die im San Fernando Valley gedrehten Sequenzen jedoch nicht verwendet, weil ihr Licht mit den Studio-Einstellungen nicht zu kombinieren ist. Ende Dezember dreht Chaplin die Tanzsszene mit der Weltkugel, Retakes für die Szene entstehen im Januar und Februar 1940. Im Januar werden die Szenen mit Jack Oakie gedreht – wegen dessen hoher Gage ver- sucht man, die Anzahl seiner Studiotage so gering wie möglich zu halten. Mitte Februar sind die meisten Studio- szenen abgedreht. Es folgen die Außenaufnahmen für die Sequenz aus dem Ersten Weltkrieg und Hynkels Entenjagd. Die Hauptdreharbeiten sind im März 1940 abgeschlos- sen. Chaplin beginnt mit der langwierigen Arbeit am Schnitt, daneben schreibt er am Text der Schlussrede, die noch nicht gedreht ist. Die Weltlage hat sich in- zwischen dramatisch verändert. Die Deutschen sind überall in Europa auf dem Vormarsch; in den USA mehren sich die Stimmen für ein Eingreifen Amerikas. Chaplin wird nun von vielen Seiten gedrängt, seinen Film abzuschließen.
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