Das Lächeln der Frauen
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Das Lächeln der Frauen
10 Der Abend verlief besser, als ich gedacht hatte. Aurélie Bredin war sichtlich aufgeregt, aber hochgestimmt in der Coupole eingetroffen - fünf Minuten zu früh und in diesem grünen Seidenkleid, wie ich lächelnd bemerkte. Sie sah umwerfend aus, und ich mußte mich sehr beherrschen, damit ich sie nicht immerzu anstarrte. Ich flachste ein wenig herum, um ihr die Zeit zu vertreiben, und Aurélie zeigte sich in ihrem Zustand freudiger Erwartung zugänglicher, als ich gedacht hatte. Dann rief, wie vereinbart, Silvestro auf meinem Handy an. Er hatte den Job übernommen, ohne groß zu fragen. »Na, wie läuft es?« fragte er, und ich sagte: »Ach, herrje, so was Blödes, das tut mir aber leid.« »Das klingt gut« sagte er, und ich antwortete: »Nein, nein, das ist doch überhaupt kein Problem. Ich sitze ja hier ganz komfortabel. Nur kein Streß.« »Dann noch viel Spaß und bis nachher« sagte er, und ich legte auf. Aurélie Bredin schluckte die Verspätung, und ich bestellte Champagner für uns. Wir tranken und erzählten, und einmal kam ich etwas ins Schwitzen, als sie mich plötzlich danach fragte, woher ich ihre Privatadresse eigentlich hätte. Aber ich konnte mich geschickt aus der Affäre ziehen. Außerdem verriet sie mir auch nicht ihre kleinen Geheimnisse. Kein Wort davon, was in dem Brief stand, den ich ihr geschrieben hatte. Und daß sie Robert Miller in ihr schönes Restaurant eingeladen hatte, erzählte sie mir natürlich auch nicht. Um Viertel nach neun, wir aßen schon unser Lammcurry und Mademoiselle Bredin erklärte mir gerade, warum sie nicht an Zufälle glaubte, rief Silvestro wieder an und sagte: »Na, hast du sie schon rumgekriegt?« Ich stöhnte ins Telefon und fuhr mir theatralisch durch die Haare. »Nein, das glaube ich jetzt nicht ... ach, ist das ärgerlich!« Er lachte und sagte: »Dann halt dich mal ran, mein Junge!« Und ich entgegnete: »Das tut mir wahnsinnig leid, Mr. Miller, aber könnten Sie nicht doch noch vorbeischauen - wenigstens ganz kurz?« Aus den Augenwinkeln sah ich, daß Mademoiselle Bredin beunruhigt ihr Besteck hingelegt hatte und zu mir herübersah. »Ja, wir ... äh, ich meine ... ich habe mir schon etwas zu essen bestellt, und vielleicht schaffen Sie es ja doch noch?« Ich ließ nicht locker. »Vielleicht schaffen Sie es ja doch noch!« wiederholte Silvestro feixend. »Du solltest dich mal hören. Das nenne ich Einsatz. Aber nein, ich komme nicht. Ich wünsch dir noch einen schicken Abend mit der Kleinen.« »Noch mindestens zwei Stunden ... aha ... völlig erledigt ... hm ... hm ... tja, dann ist wohl nichts zu machen ... ja ... sehr schade ... alles klar ... Sie melden sich, wenn Sie wieder zu Hause sind«, wiederholte ich Millers nie geäußerte Sätze mit ersterbender Stimme. »Nun komm mal zum Ende, das reicht«, sagte Silvestro. »Ciao ciao!« Er legte auf. »Okay ... Nein, das verstehe ich doch ... Okay ... Kein Problem ... Auf Wiedersehen, Mr. Miller.« Ich legte mein Handy neben den Teller und sah Mademoiselle Bredin fest in die Augen. »Miller hat gerade abgesagt«, sagte ich und holte tief Luft. »Es gibt Probleme. Er braucht mindestens noch zwei Stunden, bevor er aus seiner Besprechung raus ist, vielleicht sogar länger, sagt er, und er sei schon jetzt völlig erledigt, und es hätte keinen Zweck, sich noch zu treffen, weil er morgen schon wieder ganz früh zurückmuß.« Ich sah, wie sie schluckte und nach ihrem Weinglas faßte wie nach einem Rettungsanker, und für einen Moment hatte ich die Befürchtung, daß sie einfach aufstehen würde und gehen. »Tut mir echt leid«, sagte ich zerknirscht. »Vielleicht war das Ganze doch keine so gute Idee.« Und als . sie dann den Kopf schüttelte und doch sitzenblieb und mir sagte, daß ich ja am wenigsten dafür könne, hatte ich doch irgendwie ein schlechtes Gewissen. Aber was sollte ich machen? Ich konnte im Ernst keinen Robert Miller herbeizaubern. Schließlich war ich ja schon da. Und so verlegte ich mich darauf, Mademoiselle Bredin zu trösten und sie mit ein paar Späßen über ihre Schicksalsgläubigkeit aufzuziehen. Ich nahm sogar für einen süßen Moment ihre Hand, doch sie zog sie wieder weg und klopfte mir auf die Finger, als ob ich ein ungezogener kleiner Junge wäre. Dann fragte sie mich, was Robert Miller eigentlich mache, wenn er keine Bücher schreibe, und was das überhaupt für eine Besprechung gewesen sei, und ich sagte, so ganz genau wisse ich das auch nicht, er sei ja Ingenieur und wahrscheinlich arbeite er immer noch in beratender Funktion für diesen Autokonzern. Danach hörte ich mir geduldig an, was sie an Robert Millers Buch so großartig fand, wie unglaublich es war, daß sie das Buch genau zum richtigen Zeitpunkt gefunden hätte, und an welchen Stellen sie gelacht hatte oder berührt gewesen war. Geschmeichelt lauschte ich ihren schönen Worten und betrachtete ihre dunklen grünen Augen, die ganz sanft wurden. Mehr als einmal überkam mich die Versuchung, ihr zu sagen, daß ich es war, ich allein, der ihre Seele gerettet hatte. Aber die Angst, sie zu verlieren, bevor ich die Gelegenheit hatte, sie überhaupt für mich zu gewinnen, war zu groß. Und so heuchelte ich Überraschung, als sie mir - zögernd zwar, aber mit zunehmendem Zutrauen - von den mir bereits zur Genüge bekannten Übereinstimmungen von Restaurant und Heldin berichtete. »Verstehen Sie jetzt, warum ich diesen Mann sehen muß?«, sagte sie, und ich nickte verständnisvoll. Schließlich war ich der einzige, der den Schlüssel zu dem »schicksalhaften Geheimnis« besaß. Dieses Geheimnis, das ja viel leichter zu erklären war, als Aurélie Bredin dachte, wenngleich nicht weniger schicksalhaft. Wenn ich damals das Buch unter meinem Namen und mit meinem Photo veröffentlicht hätte, hätte das Mädchen mit den grünen Augen und dem bezaubernden Lächeln, das ich durch die Scheibe eines Restaurants gesehen und zur Heldin meiner Phantasie erkoren hatte, in mir den Mann gesehen, den das Schicksal ihr geschickt hatte. Und alles wäre gut gewesen. So aber war ich zur Lüge verdammt und kämpfte gegen einen fiktiven Schriftsteller. Nun ja, nicht ganz fiktiv, wie mir bei der nächsten Frage von Aurélie Bredin schmerzhaft bewußt wurde. »Ich frage mich, warum diese Frau Miller verlassen hat«, sagte sie nachdenklich und pickte mit der Gabel den letzten Rest des Lammcurrys von ihrem Teller. »Er ist ein erfolgreicher Ingenieur, er muß ein warmherziger und humorvoller Mensch sein, sonst könnte er nicht solche Bücher schreiben. Und mal ganz abgesehen davon finde ich, daß er phantastisch aussieht. Ich meine, er könnte Schauspieler sein, finden Sie nicht? Wieso verläßt man einen so attraktiven Mann?« Sie trank ihren Wein aus, und ich zuckte mit den Schultern und füllte erneut ihr Glas. Wenn sie fand, daß der Zahnarzt phantastisch aussah, wurde es schwer für mich. Wie gut, daß sie diesem Sam Goldberg nie persönlich begegnen würde. Nicht, wenn ich es verhindern konnte! »Was ist? Sie gucken plötzlich so grimmig.« Sie sah mich belustigt an. »Habe ich etwas Falsches gesagt?« »Um Gottes willen, nein!« Ich fand, daß es an der Zeit war, den attraktiven Superhelden ein kleines bißchen zu demontieren. »Man kann nur nie hinter die Fassade schauen, nicht wahr?« sagte ich bedeutungsvoll. »Und gutes Aussehen ist nicht alles. Ich für meinen Teil glaube, daß seine Frau es nicht gerade leicht gehabt hat mit ihm. So sehr ich Miller als Autor auch schätze.« Mademoiselle Bredin wirkte verunsichert. »Was meinen Sie damit - nicht gerade leicht gehabt?« »Ach, gar nichts, ich rede Unsinn - vergessen Sie einfach, was ich gesagt habe.« Ich lachte ein bißchen zu laut, so als ob ich überspielen wollte, daß ich mehr gesagt hatte, als ich wollte. Und dann beschloß ich, das Thema zu wechseln. »Wollen wir wirklich den ganzen Abend über Robert Miller reden? Er ist zwar der Grund, warum wir beide hier sind, aber immerhin hat er uns versetzt.« Ich nahm die Flasche und schenkte mir nach. »Mich interessiert viel mehr, warum eine so bezaubernde Frau wie Sie noch nicht verheiratet ist. Haben Sie so viele Laster?« Aurélie errötete. »Haha«, sagte sie. »Und selbst?« »Sie meinen, warum so ein bezaubernder Mann wie ich noch nicht verheiratet ist? Oder welche Laster ich habe?« Aurélie trank einen Schluck Rotwein, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie stützte ihre Ellbogen auf den Tisch und sah mich über ihre zusammengefalteten Hände hinweg an. »Die Laster«, sagte sie. »Hm«, entgegnete ich. »Das habe ich befürchtet. Lassen Sie mich überlegen.« Ich nahm ihre Hand und zählte an den Fingern ab. »Essen, trinken, rauchen, schöne Frauen vom rechten Weg abbringen ... reicht das für den Anfang?« Sie entwand mir ihre Hand und lachte amüsiert, während sie nickte, und ich sah auf ihren Mund und überlegte, wie es wohl wäre, ihn zu küssen. Und dann redeten wir endlich nicht mehr über Robert Miller, sondern über uns, und aus dem komplizenhaften Stelldichein wurde beinahe so etwas wie ein echtes Rendezvous. Als der Kellner mit der Frage »Noch einen Wunsch?« an unseren Tisch trat, bestellte ich noch eine Flasche Wein. Ich wähnte mich schon im siebten Himmel, als etwas passierte, was nicht auf meiner romantischen Menükarte vorgesehen war. Noch heute frage ich mich manchmal, ob der geheimnisvolle Autor nicht in völlige Bedeutungslosigkeit versunken wäre und ich seinen Platz hätte einnehmen können, wenn nicht diese skurrile alte Dame plötzlich an unserem Tisch gesessen hätte. Download 1.37 Mb. Do'stlaringiz bilan baham: |
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