Ernst Thälmann Reden und Aufsätze


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Unsere  Losung,  die  heute  durch  die  Reihen  der  Werktätigen  geht,  ist:  Verteidigung  der 
Sowjetunion,  Kampf  gegen  die  eigene  Bourgeoisie,  gegen  die  eigene  Regierung,  gegen  den 
Kapitalismus  im  eigenen  Land.  Darum  lassen  wir  Kommunisten  in  Deutschland  auch  gar 
keinen  Zweifel  darüber,  daß,  wenn  sich  die  deutsche  Bourgeoisie  am  Kriege  gegen 
Sowjetrußland beteiligt, unser Ziel die Niederlage des kapitalistischen Deutschland und der 
Sieg der Sowjetmacht und der Roten Armee ist! 
Heute  betreibt  die  Hitlerpartei  am  schärfsten  von  allen  Parteien  in  Deutschland  die 
Kriegshetze  gegen  Sowjetrußland.  Damit  setzt  sie  das  Werk  fort,  daß  die 
sozialdemokratischen und ADGB-Führer in 14 Jahren deutscher Republik in der Propaganda 
und  Agitation,  in  der  Politik  gegen  die  Sowjetunion  verfolgt  haben.  Auf  allen  anderen 
Gebieten sehen wir eine ähnliche Entwicklung. 
Wenn im Zusammenhang mit dem Wahlergebnis die bürgerliche Presse behauptet hat, daß die 
Kommunisten  eine  grundlegende  Wendung  ihrer  Taktik  und  Politik  planen,  so  ist  das  eine 
freche Lüge. In Wirklichkeit haben die Wahlen in Preußen und Deutschland gezeigt, daß wir 
Kommunisten recht behielten, daß durch die sozialdemokratische Politik nicht, wie die SPD-
Führer behaupten, der Faschismus geschlagen wurde, sondern daß die Sozialdemokratie den 
Faschismus in Deutschland hochgebracht hat, und daß die Bourgeoisie gewillt ist, die Nazis in 
die  Regierung  aufzunehmen.  Dreimal  sind  die  SPD-Wähler  zur  Wahlurne  gegangen, 
angeblich,  um  „Hitler  zu  schlagen“.  Und  der  Erfolg?  Der  wirkliche  Erfolg  ist  der,  daß  die 
Hitlerpartei  im  Begriff  ist,  auf  legalem  Wege  in  die  Reichsregierung  und  die 
Preußenregierung hineinzukommen. 
 

Auf Groeners Anschläge muß die rote Einheitsfront antworten 
 
Groener  versucht,  noch  vorher,  Maßnahmen  in  der  Linie  neuer  Notverordnungen 
durchzusetzen,  die  einen  Anschlag  auf  die  wenigen  sozialen  Rechte  der  Arbeiterklasse 
bedeuten, einen Anschlag, der in erster  Linie  gegen die arbeitende Jugend gerichtet ist. Vor 
allem  besteht  er  in  der  Durchführung  der  Arbeitsdienstpflicht,  durch  die  900000  Menschen 
die  Zwangsarbeit  diktiert  wird.  Der  Anschlag  richtet  sich  gegen  die  proletarischen 
Wehrorganisationen, die einen wirklichen Kampf gegen den blutigen Hitlerfaschismus führen. 
Neue  sogenannte  staatliche  Sportorganisationen  sollen  geschaffen  werden,  die  der 
militärischen Ausbildung der Arbeiterjugend dienen sollen. 
Wir rufen von dieser Stelle bei diesem Tempo der faschistischen Entwicklung den Millionen 
Unterdrückten  in  Deutschland,  den  sozialdemokratischen,  freigewerkschaftlichen  und 
unorganisierten Arbeitern zu: 
Bildet mit uns gemeinsam die kämpfende aktive Einheitsfront aller Ausgebeuteten gegen die 
Politik der Bourgeoisie!
 
Wir sagen allen Arbeitern: 
Die  Stunde  ist  gekommen,  wo  ihr  dem  Faschismus  eine  einheitliche  kämpfende  Front 
entgegenstellen  müßt,  um  ihm  das  verbrecherische  Handwerk  zu  legen.  Unser  Appell  ist 
gleichzeitig  ein  Appell  zum  gemeinsamen  Kampf  für  die  Tagesforderungen  der 
Arbeiterklasse.  Die  großzügigste  Bereitschaft  der  Kommunistischen  Partei,  mit  allen 
Arbeitern,  gleich  welcher  Partei-  und  Gewerkschaftszugehörigkeit,  gemeinsam  um  ihre 
gemeinsamen Interessen zu kämpfen, steht fest. 
In diesen aktiven Tageskämpfen wird es uns auch gelingen, die Arbeiter, die heute noch bei 
einer  anderen  politischen  Partei  stehen,  von  unseren  Zielen  zu  überzeugen  und  für  uns  zu 
gewinnen.  Wenn  wir  von  diesem  Gesichtspunkt  aus  an  die  Arbeit  gehen,  wird  es  den 
sozialdemokratischen  Führern  nicht  mehr  länger  gelingen,  ihren  Anhängern  vorzulügen,  die 
Kommunisten meinen es nicht ehrlich mit der kämpfenden roten Einheitsfront. Die Kämpfe 
der nächsten Wochen und Monate werden diesen Schwindel widerlegen. 
Revolutionärer  Massenkampf  in  roter  Einheitsfront  ist  unsere  Losung,  die  im  Vordergrund 
steht,  die  in  alle  Arbeiterviertel,  in  alle  Betriebe  und  Stempelstellen  getragen  werden  muß. 
Nicht mit leeren Versprechungen und hohlen Phrasen ist dem Proletariat gedient, sondern nur 
durch den Massenkampf! Die proletarische Jugend muß neben ihren erwachsenen Kollegen in 
diesem  Kampf  unter  Führung  der  Kommunistischen  Partei  und  des  Kommunistischen 
Jugendverbandes in vorderster Reihe stehen. 
Dem erhöhten Terror der Bourgeoisie setzen wir unsere erhöhte Kampfbereitschaft entgegen, 
mit  der  wir  neue  Wege  des  Klassenkampfes  beschreiten  werden.  Auf  diesem  Wege  gilt  es 
weiterzumarschieren und die Einheitsfront zu schmieden. Auf diesem Wege sammeln wir die 
Mehrheit  der  Arbeiterklasse.  Auf  diesem  Wege  werden  wir  vorwärtsschreiten  zu  neuen 
Siegen. 
 
Nur eine Partei von der Bourgeoisie gehaßt: Die KPD! 
 
Die Stunde ist ernster denn je: Es gibt heute nur eine Partei, die die Bourgeoisie haßt und die 
das  Proletariat  liebt  und  die  gewillt  ist,  die  kämpfende  Front  zu  formieren!  Das  ist  die 
Kommunistische Partei.
 
Reichsbannerkameraden,  sozialdemokratische  und  unorganisierte  Arbeiter,  schließt  mit  uns 
die  Front  gegen  Lohn-  und  Unterstützungsraub,  gegen  die  Diktatur  der  Bourgeoisie,  für  die 
Diktatur des Proletariats. 
Von dieser Stelle senden wir den klassenbewußten Arbeitern, die in den Kerkern der Republik 
schmachten, unsere revolutionären Grüße. 

Wir  gedenken  der  großen  und  namenlosen  Toten,  die  auf  dem  Schlachtfeld  der  Freiheit 
gefallen sind. 
165  Millionen  Arbeiter  und  Bauern  in  der  siegreichen  Sowjetunion  grüßen  wir  heiß  und 
brüderlich. 
Unseren  japanischen  Kommunisten,  die  unter  ungeheurem  Terror  und  Opfern  einen 
heroischen  Kampf  gegen  den  japanischen  Kapitalismus  und  den  imperialistischen  Krieg 
führen, gilt unser revolutionärer Gruß ebenso wie den chinesischen Arbeitern und Bauern, die 
ihr Freiheitsbanner erheben. 
Wir erheben das Banner gegen die Kriegsverbrecher, gegen den imperialistischen Krieg und 
seine Helfershelfer. 
Wir  erheben  unser  rotes  Sturmbanner  und  entbieten  dem  internationalen  Proletariat  unseren 
revolutionären Gruß. 
Es gilt nicht nur zu demonstrieren, sondern einen Schritt weiterzugehen und zu kämpfen. Aus 
den  Schützengräben  des  Klassenkampfes  heraus  zum  Sturmangriff  gegen  die  feindliche 
Kapitalistenklasse!  Wenn  die  Millionenmassen  des  Proletariats  ihre  gewaltige  Kraft 
erkennen, dann wird der 1. Mai kommen, an dem die Arbeiterklasse nicht mehr unbewaffnet, 
bewacht von der bewaffneten Polizei der herrschenden Klasse aufmarschiert, sondern selbst 
die Waffen zur Verteidigung ihres sozialistischen Vaterlandes in den Händen hält! 
 
Die Rote Fahne, 
3.5.1932 

Aus dem Referat Ernst Thälmanns 
auf der Plenartagung des ZK der KPD in Berlin am 24. Mai 1932 
 
Der  Vormarsch  und  Aufstieg  einer  revolutionären  Partei  und  damit  einer  revolutionären 
Bewegung ist nicht immer gradlinig. In der Geschichte aller revolutionären Parteien, die ein 
wirkliches  Klassenfundament  im  Proletariat,  große  historische  Erfahrungen  und  einen  Kern 
bolschewistischer  Klarheit  in  der  Durchführung  ihrer  Arbeiten  und  Aufgaben  besaßen,  sind 
solche  Vorgänge  zu  verzeichnen,  daß  -  bei  einer  solchen  Entwicklung,  wie  wir  sie  in 
Deutschland  haben  -  eine  Wellenbewegung  in  der  Entwicklung  der  Wechselbeziehungen 
einer Partei mit den ihr nahestehenden Massen nicht nur denkbar, sondern politisch erklärlich 
und  bald  selbstverständlich  ist.  Das  war  so  im  Leben  der  bolschewistischen  Partei,  und  das 
wird  im  Leben  anderer  Parteien  nicht  anders  sein,  wenn  nicht  besondere  Ausnahmen  von 
dieser Regel auf irgendeinem Gebiet vorkommen… 
Heute müssen wir unsere Fehler und Schwächen deutlicher sehen und kühner aufdecken, um 
nicht  nur  in  der  Problemstellung,  der  notwendigen  inneren  Erkenntnis  vorwärtszukommen, 
sondern  um  der  Partei  bei  der  qualitativen  Verbesserung  der  Arbeit  auf  allen  Gebieten  zu 
helfen. Nehmen wir ein Beispiel. Wir haben manchmal in der Frage des Kampfes gegen den 
Faschismus  eine  bestimmte  Gleichstellung  gesehen  von  Faschismus  und  Sozialfaschismus, 
Hitlerpartei  und  Sozialdemokratie,  in  der  Hinsicht,  daß  wir  sagten,  daß  sie  Zwillingsbrüder 
sind…  Die  Zusammensetzung  dieser  beiden  Parteien  ist  eine  ganz  verschiedene.  Wir  haben 
gestern im Appell des ZK schon betont, daß die soziale Zusammensetzung der SPD und der 
Nazipartei eine andere ist. Das zu beachten ist notwendig für die strategische Orientierung zur 
Gewinnung  der  Massen  für  die  revolutionäre  Klassenarmee  und  für  unsere 
Einheitsfrontpolitik.  Die  Frage  der  Einheitsfront  müssen  wir  bei  den  sozialdemokratischen 
Arbeitern ganz anders stellen als bei den Nazis… 
Das  Wichtigste  ist  das  Herumreißen  der  Partei  zu  einer  wirklichen  Einheitsfrontpolitik  von 
unten, zur Auslösung von Kämpfen und neuen Massenaktionen auf verschiedenen Gebieten. 
Und hier müssen wir verstehen, in diesen Kämpfen als Partei neue Wege einzuschlagen, die 
Hauptorientierung  nehmen,  die  schon  in  der  Vergangenheit  in  anderer  Form  hätte  gestellt 
werden  können,  die  aber  jetzt  gestellt  werden  muß,  weil  das  Tempo  der  Faschisierung  und 
andererseits der Entwicklung der revolutionären Bewegung uns dazu verpflichtet… 
Das Wichtigste, was wir zu schaffen haben, wenn wir Kämpfe auslösen wollen, ist, die schon 
vorhandene Mauer, die zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitern steht, 
zu beseitigen. Es gab bereits einmal eine Periode, wo dieses Problem von der Partei gegen den 
Willen verschiedener  Genossen in der  Führung  genauso revolutionär  gestellt wurde - in der 
Ruth-Fischer-Periode.  Heute  ist  unsere  Partei  gewachsen,  reifer  geworden,  stellt  die  Fragen 
viel  klarer  und  gründlicher.  Aber  daß  während  und  vor  den  Wahlen  zwischen  den 
sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitern eine gewisse Mauer bestanden hat, das 
zu leugnen wäre meiner Auffassung nach eine Schmeichelei für die Partei und keine richtige 
Einschätzung der Tatsachen, die vorhanden sind. 
Andererseits müssen wir sehen, daß die Methoden der Bourgeoisie, wie sie ihre feindlichen 
Angriffe  gegen  das  Proletariat  durchführt,  es  ermöglichen,  daß  heute  leider  große  Teile  der 
Arbeiterklasse  sich  in  den  Krallen  dieser  volksfeindlichen  führenden  Personen  und  Parteien 
befinden,  die  wir  aus  diesen  Krallen  so  schnell  wie  möglich  herauszuziehen  versuchen 
müssen. Und diese Taktik erfordert die größte prinzipielle Festigkeit in der Durchführung der 
Politik  der  Partei;  sie  erfordert  die  prinzipielle  Reinheit  jener  großen  richtigen  Generallinie 
unserer Partei, die wir viel konkreter, elastischer überall zur Durchführung bringen müssen… 
Und die Frage steht heute, wieweit es uns gelingt, neben den Methoden, die dem ZK bekannt 
sind,  mit  einer  großen,  in  Deutschland  neuen,  besonderen  Aktion  in  Erscheinung  zu  treten. 
Wir  konnten  diese  Frage  noch  nicht  ausführlich  behandeln,  aber  ich  deute  an,  daß  wir  eine 
große antifaschistische Aktion in Deutschland durch unsere Partei und die RGO in die Wege 

zu leiten haben. Welche Formen und Möglichkeiten soll sie enthalten? Alle Genossen des ZK 
sollen  darüber  nachdenken,  und  wenn  sie  glauben,  in  zwei  oder  drei  Tagen  uns  besonders 
zweckmäßige Vorschläge unterbreiten zu können, sollen sie es in Form eines Briefes tun, weil 
wir - neben der Frage des Aufrufes an die deutschen Arbeiter überhaupt - diese Frage einer 
großen antifaschistischen Aktion stellen müssen. 
 
Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Bd. 4, 
Berlin/DDR, 1966 

Zu unserer Strategie und Taktik im Kampf gegen den Faschismus 
 
I. Die Grundfrage der Bolschewisierung der KPD 
 
Auf dem Februarplenum 1932 des Zentralkomitees unserer Partei wurde bei der Analyse der 
Situation  festgestellt,  daß  der  Klassenkampf  zwischen  Bourgeoisie  und  Proletariat  um  den 
kapitalistischen  oder  revolutionären  Ausweg  aus  der  Krise  in  ein  verschärftes  Stadium 
eingetreten ist. Die jetzigen Ereignisse in Deutschland, die zum Sturz der Brüningregierung, 
zur  Einsetzung  des  Papenkabinetts  und  zur  Reichstagsauflösung  geführt  haben,  bestätigen 
diese Einschätzung. Die Klassenfronten stehen sich schärfer denn je gegenüber. Deutschland 
geht  einer  Kette  von  erbitterten  Klassenkämpfen  entgegen.  In  diesen  Kämpfen  hat  das 
deutsche  Proletariat  nicht  nur  seine  soziale  Existenz  gegen  die  unerhörtesten  Raubpläne  der 
Kapitalistenklasse  zu  verteidigen,  muß  es  nicht  nur  mit  dem  Gegenangriff  auf  den  Versuch 
antworten,  den  Lebensstandard  des  deutschen  Industrieproletariers  auf  das  Niveau  von 
Kolonialsklaven,  von  ausgebeuteten  chinesischen  Kulis  zu  senken,  sondern  muß  darüber 
hinaus  im  Kampf  gegen  den  faschistischen  Terror  und  die  Aufrichtung  der  schrankenlosen 
unverhüllten  faschistischen  Diktatur  für  seine  sozialistische  Zukunft  kämpfen.  In  diesem 
Kampf  wird  aber  zugleich  die  Bourgeoisie  mit  den  Methoden  der  grausamen  barbarischen 
Gewalt das ganze Gebäude ihrer Klassenherrschaft, ihre Existenz als herrschende Klasse, zu 
verteidigen haben. 
So  ernst  ist  die  Situation.  Und  angesichts  dieser  Tatsache  ist  es  die  höchste  Pflicht  für  die 
revolutionäre  Führerin  der  deutschen  Arbeiterklasse,  für  die  Kommunistische  Partei,  den 
Massen eine ungeschminkte, klare und umfassende Antwort auf die Fragen zu geben, die sich 
für  jeden  klassenbewußten  Arbeiter  aus  dem  heutigen  Stand  de  Klassenkampfes  zwingend 
ergeben. 
Die  erste  und  wichtigste  Frage,  die  wir  beantworten  müssen,  wenn  wir  dem  deutschen 
Proletariat den Weg zum Sieg über die faschistischen Todfeinde zeigen, wenn wir das Tor in 
die sozialistische Zukunft aufstoßen wollen, lautet: Wie war es möglich, daß im Wettlauf der 
Entfaltung  der  Klassenkräfte  der  Revolution  und  Konterrevolution  das  Tempo  des 
revolutionären  Vormarsches  zurückblieb?  Denn  es  ist  eine  Tatsache,  daß  sich  die 
faschistische  Konzentration  der  konterrevolutionären  Kräfte  trotz  der  Krise,  trotz  des 
revolutionären  Aufschwunges  in  der  Vergangenheit  rascher  entwickelte,  als  die  Formierung 
der  Klassenkräfte  des  revolutionären  Proletariats  und  der  von  ihm  geführten  werktätigen 
Massen. 
Es ist der Bourgeoisie gelungen, eine chauvinistische Welle in Deutschland zu erzeugen, wie 
wir sie kaum jemals zuvor erlebt haben. Es ist ihr gelungen, breiteste Millionenmassen vom 
Haß gegen das kapitalistische System auf den Haß nur gegen das ausländische Finanzkapital 
abzulenken.  Es  ist  ihr  gelungen,  die  Massen  von  der  Empörung  gegen  die  bürgerliche 
Klassenherrschaft  und  vom  Klassenkampf  abzulenken  auf  die  bloße  Empörung  gegen  das 
Verseilter Diktat, gegen Frankreich, Polen, Amerika, England usw. 
Aber  die  Feststellung  dieser  Tatsache  allein  genügt  uns  nicht.  Wir  müssen  die  Frage 
beantworten,  warum  es  uns  nicht  gelang,  diese  Welle  aufzuhalten,  von  der  der 
Nationalsozialismus emporgetragen wurde. Die besonderen Bedingungen, unter denen sch der 
proletarische  Klassenkampf  in  Deutschland  entfaltet,  die  Lage  Deutschlands  als  eines 
unterdrückten  Landes  und  die  dadurch  erhöhten  Schwierigkeiten  für  die  proletarische 
Revolution  -  die  auf  die  große  Front  des  Weltimperialismus  stößt,  wenn  sie  die  deutsche 
Bourgeois  bedroht  -  sind  allein  keine  ausreichende  Antwort.  Diese  zusätzlichen  objektiven 
Schwierigkeiten bergen ja in sich gesteigerte Möglichkeiten für die revolutionäre Partei. Aus 
den  Millionenmassen  der  schwankenden  Mittelschichten,  die  heute  im  Zeichen  der 
chauvinistischen Welle von der Hitlerpartei aufgefangen und' gesammelt werden und auf die 
sich die Bourgeoisie bei ihrem verschärften faschistischen Angriff gegen das Proletariat ganz 

besonders  stützt,  könnten  ja  unter  ähnlichen  objektiven  Voraussetzungen  der  Krise  und  der 
nationalen Unterjochung auch beträchtliche Teile von der Arbeiterklasse als Bundesgenossen 
gewonnen  oder  doch  neutralisiert  werden.  Diese,  ihrer  ganzen  Klassenlage  nach 
schwankenden  Schichten  orientieren  sich  vorwiegend  danach,  wo  die  stärkeren  Bataillone 
stehen.  Das  Kernproblem  ist  und  bleibt  das  Proletariat,  seine  Kraft,  sein  Auftreten  im 
Klassenkampf. 
Die Massen in der Frage der nationalen Unterdrückung für den einzigen wirklichen Ausweg, 
für  die  proletarische  Revolution  zu  gewinnen,  die  zugleich  die  Ketten  des  Imperialismus 
zertrümmert  -  das  ist  gewiß  eine  schwierige  Aufgabe  für  die  Kommunistische  Partei.  Der 
Nationalsozialismus,  der  mit  skrupelloser  chauvinistischer  Demagogie  die  kleinbürgerlichen 
und halbkleinbürgerlichen Massen berauscht und auf Irrweg verleitet, hat es verhältnismäßig 
leicht.  Das  Entscheidende  aber  ist  und  bleibt  doch  die  Frage,  warum  bisher  das  Proletariat 
unter  unserer  Führung  noch  nicht  durch  die  Aufrollung  der  Klassenfragen  und  den  vollen 
Einsatz  seiner  Kampfkraft,  durch  seinen  Klassenkampf  gegen  das  kapitalistische  System, 
zugleich  jene  Anziehungskraft  auf  die  übrigen  notleidenden  und  ausgebeuteten 
Millionenmassen ausübte, die sie aus der nationalistisch-faschistischen Verstrickung losgelöst 
und in die antikapitalistische Front des proletarischen Klassenkampfes hineingerissen hatte. 
Die Antwort auf diese Frage muß im wesentlichen lauten: Weil das Proletariat keine größeren 
Kämpfe  führte,  weil  Massenaktionen  und  Streiks  von  mitreißendem  Umfang  und  Ausmaß 
ausblieben, darum wurde die Arbeiterklasse und ihre revolutionäre Avantgarde bisher nicht zu 
jenem  Magneten,  der  die  übrigen  schwankenden  Schichten  an  sich  zu  fesseln  oder  zu 
neutralisieren  vermochte.  Aus  diesem  Grund  vor  allem,  neben  anderen,  weniger 
entscheidenden  Ursachen,  überflügelte  der  revolutionäre  Vormarsch  noch  nicht  die 
faschistische Konterrevolution! 
Und  hier  kommen  wir  zu  der  Grundfrage  der  revolutionären  Arbeit  und  Politik  unserer 
eigenen Partei, zu der Grundfrage ihrer Bolschewisierung: Wir haben es in der Vergangenheit 
trotz  großer  Fortschritte  und  Erfolge  noch  immer  nicht  gelernt,  die  wirkliche  Umwandlung 
unserer  Partei  von  einer  Partei  der  bloßen  Agitation  und  Propaganda  zur  Führerin  aller 
Aktionen  und  Kämpfe  des  Proletariats  durchzusetzen.  Noch  immer  haben  wir  nicht 
verstanden, unserer gesamten Politik und Arbeit diesen revolutionären Kampfinhalt zu geben. 
Noch immer haben wir die wichtigste Methode, die die Komintern unter Lenins Führung für 
die Gewinnung der Mehrheit der Arbeiterklasse zur Eroberung der politischen Macht in den 
kapitalistischen  Ländern  Westeuropas  vor  mehr  als  zehn  Jahren  entwickelte,  die  Taktik  der 
Einheitsfront  nicht  in  genügendem  Maße  als  eine  Methode  der  revolutionären 
Massenmobilisierung zum Kampf anzuwenden verstanden. Wir müssen es offen aussprechen, 
daß bis heute die Partei noch nicht die letzten Hemmungen und Schwächen überwunden hatte, 
die  dieser  entscheidenden  Aufgabe  ihrer  Bolschewisierung  entgegenstanden.  Davon  aber 
hängt es ab, ob wir den Faschismus schlagen. 
Alle inneren Auseinandersetzungen der Partei in den vergangenen Jahren, der Kampf gegen 
die  rechten  Liquidatoren  des  Jahres  1921,  gegen  den  Brandlerismus  1923,  gegen  den 
Trotzkismus in den Jahren 1926/27, gegen die Rechten und Versöhnter 1928/29 waren Stufen 
im Ringen unserer Partei um das Ziel: eine bolschewistische Partei zu werden. Heute, wo mit 
der  immer  schärferen  Entfaltung  der  Krise  die  Zuspitzung  der  Klassengegensätze  in 
Deutschland  sich  in  immer  schnellerem  Tempo  steigert,  wo  das  Schicksal  der  deutschen 
Arbeiterklasse, und vielleicht noch mehr, auf lange Sicht davon abhängt, ob sich die KPD als 
revolutionäre  Avantgarde,  als  bolschewistische  Partei  der  deutschen  Arbeiter  siegreich  zu 
schlagen  vermag  -  heute  ist  es  Pflicht  jedes  Kommunisten,  daran  mitzuhelfen,  daß  die 
Hemmungen  beseitigt,  Unklarheiten  überwunden,  Schwächen  ausgeschaltet  werden  und  die 
Partei  reif  dazu  gemacht  wird,  auf  den  Erfahrungen  ihrer  gesamten  revolutionären 
Entwicklung  aufbauend,  den  Schritt  zur  bolschewistischen  Kampfpartei  endgültig  zu 
vollziehen. 

Nicht  „Wendung“,  wie  die  Bourgeoisie  und  ihre  Agenten  schwatzen,  sondern  verstärkte 
Anwendung  unserer  revolutionären  Strategie  und  Taktik,  Anwendung  der  Prinzipien  und 
Methoden  des  Leninismus  durch  die  KPD  und  Überwindung  aller  noch  vorhandenen 
Widerstände und Hemmungen - darum geht es! 
Wenn  wir  von  diesem  Standpunkt  an  die  konkreten  Aufgaben  der  deutschen  Arbeiterklasse 
herangehen und die Prinzipien und Methoden des Leninismus auf die konkreten Bedingungen 
des Klassenkampfes in  Deutschland in der  gegenwärtigen Situation anwenden, ergeben sich 
eine  Reihe  von  Einzelfragen,  die  von  der  Kommunistischen  Partei  beantwortet  werden 
müssen.  Diese  Fragen  aufzuzeigen  und  eine  Antwort  auf  sie  zu  geben,  soll  im  folgenden 
versucht werden. 
 
II. Die ökonomischen Grundlagen 
des Kurses zur offenen faschistischen Diktatur 
 
Die  Grundlage,  auf  der  es  zum  verschärften  Übergang  der  Bourgeoisie  zur  faschistischen 
Herrschaftsmethoden gekommen ist, wie er sich in der Ersetzung der Brüningregierung durch 
die  faschistische  Regierung  Papen-Schleicher  ausdrückt,  ist  die  weitere  Zuspitzung  der 
Wirtschaftskrise und die damit verbundene heftige Verschärfung des Klassenkampfes. 
Die  herannahende  drohende  Finanzkatastrophe  ließ  die  Fortsetzung  der  bisherigen 
Brüningpolitik nicht länger zu. Die weitere Aufrechterhaltung der Staatsfinanzen, Zahlung der 
Gehälter,  der  Renten  und  Unterstützungen,  vor  allem  für  die  Millionen  Erwerbslosen,  die 
Sanierung der bankrotten Gemeinden und Städte, die Fortsetzung der Millionengeschenke an 
die  Großagrarier,  Subventionierung  von  Teilen  der  Industrie  -  das  alles  stößt  auf  ungeheure 
Schwierigkeiten. Die Verschärfung der Krise bewirkt, daß in diesem Jahre die saisonmäßige 
Abnahme der Erwerbslosigkeit nahezu völlig ausbleibt und bereits in den nächsten Wochen 
und Monaten mit einem neuen Ansteigen der Erwerbslosigkeit zu rechnen ist. 
Besonders akut ist die drohende Katastrophe für die bankrotte große Landwirtschaft, für die 
Rittergüter  vor  allem  im  Osten  Deutschlands,  Jahrelang  waren  Hunderte  von  Millionen  in 
diese  großagrarischen  Unternehmungen  hineingepumpt  worden.  Jetzt  kam  der  Moment,  wo 
die  Bourgeoisie  einen  Teil  dieser  Unternehmungen  ihrem  Schicksal  überlassen  wollte.  Das 
war  der  Sinn  des  ,,Siedlungsplanes“  der  Brüning  und  Schiele,  auf  Grund  dessen  eine  Reihe 
der  völlig  verschuldeten  und  zusammenbrechenden  großagrarischen  Unternehmungen 
aufgekauft und für bäuerliche Siedlungen freigegeben werden sollte. 
Die  Wirtschaftspolitik  dir  Brüningregierung  war  aus  innen-  und  außenpolitischen  Gründen 
auf  das  Festhalten  an  der  stabilen  Währung  eingestellt.  Bis  in  die  letzte  Zeit  hoffte  die 
Brüningregierung angesichts der wachsenden Schwierigkeiten für die Staatsfinanzen, wie für 
das gesamte Kreditwesen, auf eine Unterstützung durch das ausländische Finanzkapital durch 
neue,  größere  Kredite.  Das  war  es,  was  der  ehemalige  Reichskanzler  mit  seinem  Wort  von 
den  „letzten  hundert  Metern“  bis  zur  Lausanne-Konferenz  meinte.  In  den  letzten  Wochen 
stellte sich endgültig heraus, daß solche Spekulationen fehlschlagen würden. 
Auf  der  anderen  Seite  nimmt  das  Massenelend  in  allen  Schichten  der  Werktätigen  immer 
furchtbarere  Formen  an.  Der  Ruin  zahlloser  Bauernwirtschaften,  das  Hungerdasein,  zu  dem 
Hunderttausende sogenannter „selbständiger Existenzen“ im städtischen Mittelstand verurteilt 
sind,  die  Pauperisierung  ehemaliger  Angestellter  und  breiter  Massen  der  kleinbürgerlichen 
und  halbkleinbürgerlichen  Schichten  in  Stadt  und  Land  bilden  den  sozialen  Hintergrund  für 
die  ungeheure  Verelendung  der  Arbeiterklasse.  Dem  Proletariat  und  den  ihm  am  nächsten 
stehenden  Schichten  der  Angestellten  und  Beamten  sind  seit  Anfang  1929  annähernd 
30 Milliarden  Mark  an  Lohn  und  Gehalt  geraubt  worden.  Diese  30  Milliarden,  um  die  das 
Lebensniveau  der  Lohn-  und  Gehaltsempfänger  gesenkt  wurden,  sind  dem  inneren  Markt 
entzogen  und  bewirken  zugleich  durch  die  Herabdrückung  des  Massenkonsums  eine 

außerordentliche  Verschlechterung  der  Existenzbedingungen  für  den  städtischen  Mittelstand 
und die bäuerliche Veredlungswirtschaft. 
Was  ergibt  sich  aus  dieser  ökonomischen  Lage?  Die  Aufrechterhaltung  des  kapitalistischen 
Systems  ist  nur  noch  mit  Maßnahmen  möglich,  deren  Angriffscharakter  auf  die 
Lebensinteressen  der  Arbeiterklasse  und  aller  Werktätigen  noch  um  ein  vielfaches  radikaler 
und brutaler sein muß, als die bisherige Hungeroffensive in der Ära Brüning. 
Mit völliger Offenheit kündigt die Papen-Regierung in ihrer Regierungserklärung an, daß sie 
„ungeheuerliche  Opfer  vom  Volke  verlangt“.  Die  bisherige  Sozialreaktion  wird  als 
„Staatssozialismus“,
 
die  bisherige  Politik  als  die  einer  „Wohlfahrtsanstalt“  bezeichnet.  Mit 
solchen  Worten,  die  den  ausgesteuerten  hungernden  Millionen  als  frecher  Hohn  erscheinen 
müssen,  wird  die  Durchführung  eines  Programms  der  kapitalistischen  Offensive  gegen  die 
Werktätigen  eingeleitet,  das  einen  noch  nie  erreichten  Grad  der  Brutalität  der  herrschenden 
Klasse dokumentiert. 
In dem Organ des Finanzkapitals, das der neuen Regierung besonders nahesteht, der „Berliner 
Börsen-Zeitung“ heißt es in einem Artikel vom 7. Juni 1932: 
 
„Gewiß  ist  die  Not  stellenweise  jetzt  schon  riesengroß  …,  aber  das  deutsche  Volk  als  Ganzes 
gesehen hat schon 1931 in Wohnen, Essen, Kleidung usw. einen Verbrauch, der über dem von 1913 
und  der  daher  mit  seinen  tief  gesenkten  Einnahmen  unverträglich  ist  …  Gleichzeitig  ist  diese 
kommende  Armut  des  Lebens  die  einzige  Möglichkeit  für  eine  Wiederbelebung  der  Produktion  und 
dadurch  für  die  Bekämpfung  der  Arbeitslosigkeit  …  Mehr  Arbeit  und  einfacheres  Leben  -  das  ist 
unausweichliches, deutsches Schicksal.“ 
 
Was sich hinter diesen „poetischen“ Phrasen verbirgt, braucht man kaum auszusprechen: ein 
neuer, maßlos gesteigerter Raubzug auf Löhne und Gehälter, der ungeheuerliche Versuch, die 
Unterstützung  der  Erwerbslosen  radikal  zu  beseitigen,  die  Zerschlagung  der 
Sozialversicherung  überhaupt,  mit  anderen  Worten:  die  Zerstücklung  aller  Rechte  der 
Arbeiterklasse und der übrigen Werktätigen, die Zerschlagung der Arbeiterorganisationen, die 
Verwandlung  Deutschlands  in  ein  Zuchthaus  kapitalistischer  Zwangsarbeit,  militarisierter 
Ausplünderung  und  Versklavung.  Die  ersten  Notverordnungen  der  Papen-Regierung  zeigen 
bereits, daß die entschlossen ist, dieses Programm in die Tat umzusetzen. 
 
III. Der Klassencharakter der Papen-Regierung 
 
Das Kabinett des Herrn von Papen setzt sich bekanntlich, in der Mehrzahl aus Angehörigen 
des Feudaladels zusammen. Bei seiner Einsetzung spielten die Sonderwünsche gerade der am 
meisten  verschuldeten  Krautjunker  eine  besondere  Rolle.  In  dem  ganzen  Auftreten  dieser 
Regierung  und  der  mit  ihr  verbundenen  Kreise  tritt  ein  starker  Einschlag  monarchistischer 
Tendenzen  in  Erscheinung.  Die  sozialdemokratische  Führerschaft  und  Presse  benutzt  diese 
Tatsachen und spricht von der Papen-Regierung stets nur als dem „Kabinett der Barone“. Um 
so  wichtiger  ist  es  für  uns,  Schein  und  Sein  der  neuen  Regierung  scharf  von  einander  zu 
trennen,  ihren  Klassen-Charakter  völlig  klarzustellen,  um  für  den  Kampf  der  Arbeiter  die 
richtige Stoßrichtung zu finden. 
Bezüglich  der  Landwirtschaft  bestehen  im  Lager  der  Bourgeoisie  ernste  Differenzen.  Es  ist 
kein Zufall, daß es auch in der Frage des Siedlungsprogramms der Brüning und Schiele zum 
Konflikt  mit  Hindenburg  kam,  weil  Hindenburg  den  extremen  Standpunkt  der  Krautjunker 
und  Großagrarier  vertrat,  die  für  die  Aufrechterhaltung  ihrer  verschuldeten  Rittergüter  um 
jeden  Preis  kämpfen.  In  der  Industrie  gibt  es  demgegenüber  bestimmte  Tendenzen,  die  sich 
gegen die allzu kostspieligen Wünsche und Forderungen der Großagrarier die z. B. gegen die 
sogenannte  „Autarkiebestrebungen“  der  Großagrarier  eingestellt  sind  und  unter  der  Papen-
Regierung zu weiteren Differenzen führen werden. 

In  der  Tat  hat  sich  beim  Sturz  Brünings  und  der  Einsetzung  der  Papen-Regierung  eine 
gewisse Veränderung im Rahmen der bürgerlichen Klassenherrschaft vollzogen. Die Diktatur 
der Bourgeoisie in Deutschland beruht auf dem Klassenbündnis zwischen dem Finanzkapital 
und  den  Großagrariern.  Dieses  Klassenbündnis  vollzog  sich  in  der  Form,  daß  die 
Trustbourgeoisie,  im  Bündnis  mit  den  Großagrariern,  die  Macht  ausübte.  Daran  hat  sich  im 
wesentlichen  nichts  geändert.  Wohl  aber  bringt  die  Papen-Regierung  zum  Ausdruck,  daß 
vorübergehend die Gewichtsverteilung in disem Klassenbündnis sich ein wenig zugunsten der 
Großagrarier  -  und  zwar  auch  der  Teile  des  Agrarkapitals,  die  verhältnismäßig  weniger  mit 
dem Finanzkapital verfilzt sind - verschoben hat. Ihr Anteil an der Machtausübung ist relativ 
gewachsen. Das war möglich mit Hilfe der Generalskamarilla der Reichswehr, die ebenso wie 
Hindenburg aufs engste mit den Krautjunkern und den Großagrariern verwachsen ist. 
In seinem vor kurzer Zeit veröffentlichten Gespräch mit dem bürgerlichen Schriftsteller Emil 
Ludwig sagte Genosse Stalin u. a.: 
 
„Trotzdem  der  Feudalismus  als  Gesellschaftsordnung  in  Europa  längst  zertrümmert  ist,  leben 
beträchtliche  Überbleibsel  von  ihm  noch  in  den  Sitten  und  Gebräuchen  weiter.  Aus  den  feudalen 
Kreisen  gehen  weiter  noch  Techniker,  Spezialisten,  Gelehrte  und  Schriftsteller  hervor,  die  die 
Herrengebräuche in die Industrie, in die Technik, in die Wissenschaft, in die Literatur hineintragen. Die 
feudalen Traditionen sind nicht bis zum Ende zerschlagen“ 
 
Wie  sehr  diese  Ausführungen  Stalins  zutreffen,  erweist  sich  gerade  in  den  jüngsten 
Ereignissen  in  Deutschland.  Die  Reichswehr,  deren  Offizierkorps  fast  ausnahmslos  den 
feudalen  Kreisen  entstammt,  ist  aufs  engste  mit  den  besonderen  Interessen  der  ostelbischen 
Krautjunker verbunden. Dadurch, daß die Bourgeoisie diesem wichtigsten Gewaltinstrument 
ihrer Klassenherrschaft und seiner Generalsspitze mehr Einfluß einräumen mußte, erweiterte 
sich  zwangsläufig  auch  der  Anteil  der  Großagrarier  im  Rahmen  der  kapitalistischen 
Klassenherrschaft.  Die  heutigen  Träger  der  Macht  sind  zugleich  die  Verfechter  einer 
monarchistischen  Restauration.  Die  volle  Wiederherstellung  der  alten  Privilegien  ihrer 
Schichten im wilhelminischen Deutschland ist ihr Ziel. 
So  ist  es  kein  Zufall,  daß  die  gegenwärtige  Entwicklungsphase  in  Deutschland  eine  neue 
Belebung aller alten reaktionären und feudalen  Gestalten und Traditionen entfesselt. Als im 
Jahre  1920  der  monarchistische  Kapp-Lüttwitz-Putsch  organisiert  wurde,  enthielt  das 
Ultimatum,  das  die  auf  Berlin  marschierenden  konterrevolutionären  Truppen  den  Ebert-
Scheidemann überreichten, vor allem folgende zwei Punkte: 
1.  Bildung  eines  Ministeriums  aus  „Fachleuten“  und  Ernennung  eines  Generals  zum 
Reichswehrminister. 
2. Sofortige Ausschreibung von Neuwahlen. 
Heute finden wir dieses Programm bei der Papen-Regierung in die Tat umgesetzt. Der dritte 
Punkt  des  Ultimatums  der  monarchistischen  Putschisten  im  Jahre  1920  war  die  Forderung 
nach der Wahl des Reichspräsidenten durch das Volk. Charakteristisch ist dabei, daß damals 
einer  der  führenden  Kapp-Putschisten,  der  Oberst  Bauer,  in  einem  Interview  mit  dem 
amerikanischen  Journalisten  von  Wiegand  die  Forderung  aufstellte,  Hindenburg  müsse  zum 
Reichspräsidenten  gewählt  wenden.  Heute  ist  Hindenburg  Reichspräsident  dank  der  gütigen 
Mithilfe  der  Sozialdemokratie  und  heute  führt  er  das  damalige  Kapp-Lüttwitz-Programm 
durch.  Die  monarchistischen  Restaurationsbestrebungen,  die  sich  im  Schoß  der  Kapp-
Lüttwitz-Bewegung  verbargen,  waren  damals  genau  so  sehr  mit  der  Person  des 
Exkronprinzen  als  Thronanwärter  verbunden,  wie  heute  erneut  im  Lager  der  Reaktion,  bei 
dem  ganzen  Gesindel  der  Junker,  Barone  und  Generale  der  Gedanke  auftaucht,  denselben 
Exkronprinzen  zum  „Reichsverweser“
*
,  das  heißt  zum  Platzhalter  für  einen  kommenden 
                                                 
*
  „Verweser“:  althochdeutsch  „fuerwesan“  und  bedeutet  „jemandes  Stelle  vertreten“.  
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