Ernst Thälmann Reden und Aufsätze
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Unsere Losung, die heute durch die Reihen der Werktätigen geht, ist: Verteidigung der
Sowjetunion, Kampf gegen die eigene Bourgeoisie, gegen die eigene Regierung, gegen den Kapitalismus im eigenen Land. Darum lassen wir Kommunisten in Deutschland auch gar keinen Zweifel darüber, daß, wenn sich die deutsche Bourgeoisie am Kriege gegen Sowjetrußland beteiligt, unser Ziel die Niederlage des kapitalistischen Deutschland und der Sieg der Sowjetmacht und der Roten Armee ist! Heute betreibt die Hitlerpartei am schärfsten von allen Parteien in Deutschland die Kriegshetze gegen Sowjetrußland. Damit setzt sie das Werk fort, daß die sozialdemokratischen und ADGB-Führer in 14 Jahren deutscher Republik in der Propaganda und Agitation, in der Politik gegen die Sowjetunion verfolgt haben. Auf allen anderen Gebieten sehen wir eine ähnliche Entwicklung. Wenn im Zusammenhang mit dem Wahlergebnis die bürgerliche Presse behauptet hat, daß die Kommunisten eine grundlegende Wendung ihrer Taktik und Politik planen, so ist das eine freche Lüge. In Wirklichkeit haben die Wahlen in Preußen und Deutschland gezeigt, daß wir Kommunisten recht behielten, daß durch die sozialdemokratische Politik nicht, wie die SPD- Führer behaupten, der Faschismus geschlagen wurde, sondern daß die Sozialdemokratie den Faschismus in Deutschland hochgebracht hat, und daß die Bourgeoisie gewillt ist, die Nazis in die Regierung aufzunehmen. Dreimal sind die SPD-Wähler zur Wahlurne gegangen, angeblich, um „Hitler zu schlagen“. Und der Erfolg? Der wirkliche Erfolg ist der, daß die Hitlerpartei im Begriff ist, auf legalem Wege in die Reichsregierung und die Preußenregierung hineinzukommen. Auf Groeners Anschläge muß die rote Einheitsfront antworten Groener versucht, noch vorher, Maßnahmen in der Linie neuer Notverordnungen durchzusetzen, die einen Anschlag auf die wenigen sozialen Rechte der Arbeiterklasse bedeuten, einen Anschlag, der in erster Linie gegen die arbeitende Jugend gerichtet ist. Vor allem besteht er in der Durchführung der Arbeitsdienstpflicht, durch die 900000 Menschen die Zwangsarbeit diktiert wird. Der Anschlag richtet sich gegen die proletarischen Wehrorganisationen, die einen wirklichen Kampf gegen den blutigen Hitlerfaschismus führen. Neue sogenannte staatliche Sportorganisationen sollen geschaffen werden, die der militärischen Ausbildung der Arbeiterjugend dienen sollen. Wir rufen von dieser Stelle bei diesem Tempo der faschistischen Entwicklung den Millionen Unterdrückten in Deutschland, den sozialdemokratischen, freigewerkschaftlichen und unorganisierten Arbeitern zu: Bildet mit uns gemeinsam die kämpfende aktive Einheitsfront aller Ausgebeuteten gegen die Politik der Bourgeoisie! Wir sagen allen Arbeitern: Die Stunde ist gekommen, wo ihr dem Faschismus eine einheitliche kämpfende Front entgegenstellen müßt, um ihm das verbrecherische Handwerk zu legen. Unser Appell ist gleichzeitig ein Appell zum gemeinsamen Kampf für die Tagesforderungen der Arbeiterklasse. Die großzügigste Bereitschaft der Kommunistischen Partei, mit allen Arbeitern, gleich welcher Partei- und Gewerkschaftszugehörigkeit, gemeinsam um ihre gemeinsamen Interessen zu kämpfen, steht fest. In diesen aktiven Tageskämpfen wird es uns auch gelingen, die Arbeiter, die heute noch bei einer anderen politischen Partei stehen, von unseren Zielen zu überzeugen und für uns zu gewinnen. Wenn wir von diesem Gesichtspunkt aus an die Arbeit gehen, wird es den sozialdemokratischen Führern nicht mehr länger gelingen, ihren Anhängern vorzulügen, die Kommunisten meinen es nicht ehrlich mit der kämpfenden roten Einheitsfront. Die Kämpfe der nächsten Wochen und Monate werden diesen Schwindel widerlegen. Revolutionärer Massenkampf in roter Einheitsfront ist unsere Losung, die im Vordergrund steht, die in alle Arbeiterviertel, in alle Betriebe und Stempelstellen getragen werden muß. Nicht mit leeren Versprechungen und hohlen Phrasen ist dem Proletariat gedient, sondern nur durch den Massenkampf! Die proletarische Jugend muß neben ihren erwachsenen Kollegen in diesem Kampf unter Führung der Kommunistischen Partei und des Kommunistischen Jugendverbandes in vorderster Reihe stehen. Dem erhöhten Terror der Bourgeoisie setzen wir unsere erhöhte Kampfbereitschaft entgegen, mit der wir neue Wege des Klassenkampfes beschreiten werden. Auf diesem Wege gilt es weiterzumarschieren und die Einheitsfront zu schmieden. Auf diesem Wege sammeln wir die Mehrheit der Arbeiterklasse. Auf diesem Wege werden wir vorwärtsschreiten zu neuen Siegen. Nur eine Partei von der Bourgeoisie gehaßt: Die KPD! Die Stunde ist ernster denn je: Es gibt heute nur eine Partei, die die Bourgeoisie haßt und die das Proletariat liebt und die gewillt ist, die kämpfende Front zu formieren! Das ist die Kommunistische Partei. Reichsbannerkameraden, sozialdemokratische und unorganisierte Arbeiter, schließt mit uns die Front gegen Lohn- und Unterstützungsraub, gegen die Diktatur der Bourgeoisie, für die Diktatur des Proletariats. Von dieser Stelle senden wir den klassenbewußten Arbeitern, die in den Kerkern der Republik schmachten, unsere revolutionären Grüße. Wir gedenken der großen und namenlosen Toten, die auf dem Schlachtfeld der Freiheit gefallen sind. 165 Millionen Arbeiter und Bauern in der siegreichen Sowjetunion grüßen wir heiß und brüderlich. Unseren japanischen Kommunisten, die unter ungeheurem Terror und Opfern einen heroischen Kampf gegen den japanischen Kapitalismus und den imperialistischen Krieg führen, gilt unser revolutionärer Gruß ebenso wie den chinesischen Arbeitern und Bauern, die ihr Freiheitsbanner erheben. Wir erheben das Banner gegen die Kriegsverbrecher, gegen den imperialistischen Krieg und seine Helfershelfer. Wir erheben unser rotes Sturmbanner und entbieten dem internationalen Proletariat unseren revolutionären Gruß. Es gilt nicht nur zu demonstrieren, sondern einen Schritt weiterzugehen und zu kämpfen. Aus den Schützengräben des Klassenkampfes heraus zum Sturmangriff gegen die feindliche Kapitalistenklasse! Wenn die Millionenmassen des Proletariats ihre gewaltige Kraft erkennen, dann wird der 1. Mai kommen, an dem die Arbeiterklasse nicht mehr unbewaffnet, bewacht von der bewaffneten Polizei der herrschenden Klasse aufmarschiert, sondern selbst die Waffen zur Verteidigung ihres sozialistischen Vaterlandes in den Händen hält! Die Rote Fahne, 3.5.1932 Aus dem Referat Ernst Thälmanns auf der Plenartagung des ZK der KPD in Berlin am 24. Mai 1932 Der Vormarsch und Aufstieg einer revolutionären Partei und damit einer revolutionären Bewegung ist nicht immer gradlinig. In der Geschichte aller revolutionären Parteien, die ein wirkliches Klassenfundament im Proletariat, große historische Erfahrungen und einen Kern bolschewistischer Klarheit in der Durchführung ihrer Arbeiten und Aufgaben besaßen, sind solche Vorgänge zu verzeichnen, daß - bei einer solchen Entwicklung, wie wir sie in Deutschland haben - eine Wellenbewegung in der Entwicklung der Wechselbeziehungen einer Partei mit den ihr nahestehenden Massen nicht nur denkbar, sondern politisch erklärlich und bald selbstverständlich ist. Das war so im Leben der bolschewistischen Partei, und das wird im Leben anderer Parteien nicht anders sein, wenn nicht besondere Ausnahmen von dieser Regel auf irgendeinem Gebiet vorkommen… Heute müssen wir unsere Fehler und Schwächen deutlicher sehen und kühner aufdecken, um nicht nur in der Problemstellung, der notwendigen inneren Erkenntnis vorwärtszukommen, sondern um der Partei bei der qualitativen Verbesserung der Arbeit auf allen Gebieten zu helfen. Nehmen wir ein Beispiel. Wir haben manchmal in der Frage des Kampfes gegen den Faschismus eine bestimmte Gleichstellung gesehen von Faschismus und Sozialfaschismus, Hitlerpartei und Sozialdemokratie, in der Hinsicht, daß wir sagten, daß sie Zwillingsbrüder sind… Die Zusammensetzung dieser beiden Parteien ist eine ganz verschiedene. Wir haben gestern im Appell des ZK schon betont, daß die soziale Zusammensetzung der SPD und der Nazipartei eine andere ist. Das zu beachten ist notwendig für die strategische Orientierung zur Gewinnung der Massen für die revolutionäre Klassenarmee und für unsere Einheitsfrontpolitik. Die Frage der Einheitsfront müssen wir bei den sozialdemokratischen Arbeitern ganz anders stellen als bei den Nazis… Das Wichtigste ist das Herumreißen der Partei zu einer wirklichen Einheitsfrontpolitik von unten, zur Auslösung von Kämpfen und neuen Massenaktionen auf verschiedenen Gebieten. Und hier müssen wir verstehen, in diesen Kämpfen als Partei neue Wege einzuschlagen, die Hauptorientierung nehmen, die schon in der Vergangenheit in anderer Form hätte gestellt werden können, die aber jetzt gestellt werden muß, weil das Tempo der Faschisierung und andererseits der Entwicklung der revolutionären Bewegung uns dazu verpflichtet… Das Wichtigste, was wir zu schaffen haben, wenn wir Kämpfe auslösen wollen, ist, die schon vorhandene Mauer, die zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitern steht, zu beseitigen. Es gab bereits einmal eine Periode, wo dieses Problem von der Partei gegen den Willen verschiedener Genossen in der Führung genauso revolutionär gestellt wurde - in der Ruth-Fischer-Periode. Heute ist unsere Partei gewachsen, reifer geworden, stellt die Fragen viel klarer und gründlicher. Aber daß während und vor den Wahlen zwischen den sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitern eine gewisse Mauer bestanden hat, das zu leugnen wäre meiner Auffassung nach eine Schmeichelei für die Partei und keine richtige Einschätzung der Tatsachen, die vorhanden sind. Andererseits müssen wir sehen, daß die Methoden der Bourgeoisie, wie sie ihre feindlichen Angriffe gegen das Proletariat durchführt, es ermöglichen, daß heute leider große Teile der Arbeiterklasse sich in den Krallen dieser volksfeindlichen führenden Personen und Parteien befinden, die wir aus diesen Krallen so schnell wie möglich herauszuziehen versuchen müssen. Und diese Taktik erfordert die größte prinzipielle Festigkeit in der Durchführung der Politik der Partei; sie erfordert die prinzipielle Reinheit jener großen richtigen Generallinie unserer Partei, die wir viel konkreter, elastischer überall zur Durchführung bringen müssen… Und die Frage steht heute, wieweit es uns gelingt, neben den Methoden, die dem ZK bekannt sind, mit einer großen, in Deutschland neuen, besonderen Aktion in Erscheinung zu treten. Wir konnten diese Frage noch nicht ausführlich behandeln, aber ich deute an, daß wir eine große antifaschistische Aktion in Deutschland durch unsere Partei und die RGO in die Wege zu leiten haben. Welche Formen und Möglichkeiten soll sie enthalten? Alle Genossen des ZK sollen darüber nachdenken, und wenn sie glauben, in zwei oder drei Tagen uns besonders zweckmäßige Vorschläge unterbreiten zu können, sollen sie es in Form eines Briefes tun, weil wir - neben der Frage des Aufrufes an die deutschen Arbeiter überhaupt - diese Frage einer großen antifaschistischen Aktion stellen müssen. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Bd. 4, Berlin/DDR, 1966 Zu unserer Strategie und Taktik im Kampf gegen den Faschismus I. Die Grundfrage der Bolschewisierung der KPD Auf dem Februarplenum 1932 des Zentralkomitees unserer Partei wurde bei der Analyse der Situation festgestellt, daß der Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat um den kapitalistischen oder revolutionären Ausweg aus der Krise in ein verschärftes Stadium eingetreten ist. Die jetzigen Ereignisse in Deutschland, die zum Sturz der Brüningregierung, zur Einsetzung des Papenkabinetts und zur Reichstagsauflösung geführt haben, bestätigen diese Einschätzung. Die Klassenfronten stehen sich schärfer denn je gegenüber. Deutschland geht einer Kette von erbitterten Klassenkämpfen entgegen. In diesen Kämpfen hat das deutsche Proletariat nicht nur seine soziale Existenz gegen die unerhörtesten Raubpläne der Kapitalistenklasse zu verteidigen, muß es nicht nur mit dem Gegenangriff auf den Versuch antworten, den Lebensstandard des deutschen Industrieproletariers auf das Niveau von Kolonialsklaven, von ausgebeuteten chinesischen Kulis zu senken, sondern muß darüber hinaus im Kampf gegen den faschistischen Terror und die Aufrichtung der schrankenlosen unverhüllten faschistischen Diktatur für seine sozialistische Zukunft kämpfen. In diesem Kampf wird aber zugleich die Bourgeoisie mit den Methoden der grausamen barbarischen Gewalt das ganze Gebäude ihrer Klassenherrschaft, ihre Existenz als herrschende Klasse, zu verteidigen haben. So ernst ist die Situation. Und angesichts dieser Tatsache ist es die höchste Pflicht für die revolutionäre Führerin der deutschen Arbeiterklasse, für die Kommunistische Partei, den Massen eine ungeschminkte, klare und umfassende Antwort auf die Fragen zu geben, die sich für jeden klassenbewußten Arbeiter aus dem heutigen Stand de Klassenkampfes zwingend ergeben. Die erste und wichtigste Frage, die wir beantworten müssen, wenn wir dem deutschen Proletariat den Weg zum Sieg über die faschistischen Todfeinde zeigen, wenn wir das Tor in die sozialistische Zukunft aufstoßen wollen, lautet: Wie war es möglich, daß im Wettlauf der Entfaltung der Klassenkräfte der Revolution und Konterrevolution das Tempo des revolutionären Vormarsches zurückblieb? Denn es ist eine Tatsache, daß sich die faschistische Konzentration der konterrevolutionären Kräfte trotz der Krise, trotz des revolutionären Aufschwunges in der Vergangenheit rascher entwickelte, als die Formierung der Klassenkräfte des revolutionären Proletariats und der von ihm geführten werktätigen Massen. Es ist der Bourgeoisie gelungen, eine chauvinistische Welle in Deutschland zu erzeugen, wie wir sie kaum jemals zuvor erlebt haben. Es ist ihr gelungen, breiteste Millionenmassen vom Haß gegen das kapitalistische System auf den Haß nur gegen das ausländische Finanzkapital abzulenken. Es ist ihr gelungen, die Massen von der Empörung gegen die bürgerliche Klassenherrschaft und vom Klassenkampf abzulenken auf die bloße Empörung gegen das Verseilter Diktat, gegen Frankreich, Polen, Amerika, England usw. Aber die Feststellung dieser Tatsache allein genügt uns nicht. Wir müssen die Frage beantworten, warum es uns nicht gelang, diese Welle aufzuhalten, von der der Nationalsozialismus emporgetragen wurde. Die besonderen Bedingungen, unter denen sch der proletarische Klassenkampf in Deutschland entfaltet, die Lage Deutschlands als eines unterdrückten Landes und die dadurch erhöhten Schwierigkeiten für die proletarische Revolution - die auf die große Front des Weltimperialismus stößt, wenn sie die deutsche Bourgeois bedroht - sind allein keine ausreichende Antwort. Diese zusätzlichen objektiven Schwierigkeiten bergen ja in sich gesteigerte Möglichkeiten für die revolutionäre Partei. Aus den Millionenmassen der schwankenden Mittelschichten, die heute im Zeichen der chauvinistischen Welle von der Hitlerpartei aufgefangen und' gesammelt werden und auf die sich die Bourgeoisie bei ihrem verschärften faschistischen Angriff gegen das Proletariat ganz besonders stützt, könnten ja unter ähnlichen objektiven Voraussetzungen der Krise und der nationalen Unterjochung auch beträchtliche Teile von der Arbeiterklasse als Bundesgenossen gewonnen oder doch neutralisiert werden. Diese, ihrer ganzen Klassenlage nach schwankenden Schichten orientieren sich vorwiegend danach, wo die stärkeren Bataillone stehen. Das Kernproblem ist und bleibt das Proletariat, seine Kraft, sein Auftreten im Klassenkampf. Die Massen in der Frage der nationalen Unterdrückung für den einzigen wirklichen Ausweg, für die proletarische Revolution zu gewinnen, die zugleich die Ketten des Imperialismus zertrümmert - das ist gewiß eine schwierige Aufgabe für die Kommunistische Partei. Der Nationalsozialismus, der mit skrupelloser chauvinistischer Demagogie die kleinbürgerlichen und halbkleinbürgerlichen Massen berauscht und auf Irrweg verleitet, hat es verhältnismäßig leicht. Das Entscheidende aber ist und bleibt doch die Frage, warum bisher das Proletariat unter unserer Führung noch nicht durch die Aufrollung der Klassenfragen und den vollen Einsatz seiner Kampfkraft, durch seinen Klassenkampf gegen das kapitalistische System, zugleich jene Anziehungskraft auf die übrigen notleidenden und ausgebeuteten Millionenmassen ausübte, die sie aus der nationalistisch-faschistischen Verstrickung losgelöst und in die antikapitalistische Front des proletarischen Klassenkampfes hineingerissen hatte. Die Antwort auf diese Frage muß im wesentlichen lauten: Weil das Proletariat keine größeren Kämpfe führte, weil Massenaktionen und Streiks von mitreißendem Umfang und Ausmaß ausblieben, darum wurde die Arbeiterklasse und ihre revolutionäre Avantgarde bisher nicht zu jenem Magneten, der die übrigen schwankenden Schichten an sich zu fesseln oder zu neutralisieren vermochte. Aus diesem Grund vor allem, neben anderen, weniger entscheidenden Ursachen, überflügelte der revolutionäre Vormarsch noch nicht die faschistische Konterrevolution! Und hier kommen wir zu der Grundfrage der revolutionären Arbeit und Politik unserer eigenen Partei, zu der Grundfrage ihrer Bolschewisierung: Wir haben es in der Vergangenheit trotz großer Fortschritte und Erfolge noch immer nicht gelernt, die wirkliche Umwandlung unserer Partei von einer Partei der bloßen Agitation und Propaganda zur Führerin aller Aktionen und Kämpfe des Proletariats durchzusetzen. Noch immer haben wir nicht verstanden, unserer gesamten Politik und Arbeit diesen revolutionären Kampfinhalt zu geben. Noch immer haben wir die wichtigste Methode, die die Komintern unter Lenins Führung für die Gewinnung der Mehrheit der Arbeiterklasse zur Eroberung der politischen Macht in den kapitalistischen Ländern Westeuropas vor mehr als zehn Jahren entwickelte, die Taktik der Einheitsfront nicht in genügendem Maße als eine Methode der revolutionären Massenmobilisierung zum Kampf anzuwenden verstanden. Wir müssen es offen aussprechen, daß bis heute die Partei noch nicht die letzten Hemmungen und Schwächen überwunden hatte, die dieser entscheidenden Aufgabe ihrer Bolschewisierung entgegenstanden. Davon aber hängt es ab, ob wir den Faschismus schlagen. Alle inneren Auseinandersetzungen der Partei in den vergangenen Jahren, der Kampf gegen die rechten Liquidatoren des Jahres 1921, gegen den Brandlerismus 1923, gegen den Trotzkismus in den Jahren 1926/27, gegen die Rechten und Versöhnter 1928/29 waren Stufen im Ringen unserer Partei um das Ziel: eine bolschewistische Partei zu werden. Heute, wo mit der immer schärferen Entfaltung der Krise die Zuspitzung der Klassengegensätze in Deutschland sich in immer schnellerem Tempo steigert, wo das Schicksal der deutschen Arbeiterklasse, und vielleicht noch mehr, auf lange Sicht davon abhängt, ob sich die KPD als revolutionäre Avantgarde, als bolschewistische Partei der deutschen Arbeiter siegreich zu schlagen vermag - heute ist es Pflicht jedes Kommunisten, daran mitzuhelfen, daß die Hemmungen beseitigt, Unklarheiten überwunden, Schwächen ausgeschaltet werden und die Partei reif dazu gemacht wird, auf den Erfahrungen ihrer gesamten revolutionären Entwicklung aufbauend, den Schritt zur bolschewistischen Kampfpartei endgültig zu vollziehen. Nicht „Wendung“, wie die Bourgeoisie und ihre Agenten schwatzen, sondern verstärkte Anwendung unserer revolutionären Strategie und Taktik, Anwendung der Prinzipien und Methoden des Leninismus durch die KPD und Überwindung aller noch vorhandenen Widerstände und Hemmungen - darum geht es! Wenn wir von diesem Standpunkt an die konkreten Aufgaben der deutschen Arbeiterklasse herangehen und die Prinzipien und Methoden des Leninismus auf die konkreten Bedingungen des Klassenkampfes in Deutschland in der gegenwärtigen Situation anwenden, ergeben sich eine Reihe von Einzelfragen, die von der Kommunistischen Partei beantwortet werden müssen. Diese Fragen aufzuzeigen und eine Antwort auf sie zu geben, soll im folgenden versucht werden. II. Die ökonomischen Grundlagen des Kurses zur offenen faschistischen Diktatur Die Grundlage, auf der es zum verschärften Übergang der Bourgeoisie zur faschistischen Herrschaftsmethoden gekommen ist, wie er sich in der Ersetzung der Brüningregierung durch die faschistische Regierung Papen-Schleicher ausdrückt, ist die weitere Zuspitzung der Wirtschaftskrise und die damit verbundene heftige Verschärfung des Klassenkampfes. Die herannahende drohende Finanzkatastrophe ließ die Fortsetzung der bisherigen Brüningpolitik nicht länger zu. Die weitere Aufrechterhaltung der Staatsfinanzen, Zahlung der Gehälter, der Renten und Unterstützungen, vor allem für die Millionen Erwerbslosen, die Sanierung der bankrotten Gemeinden und Städte, die Fortsetzung der Millionengeschenke an die Großagrarier, Subventionierung von Teilen der Industrie - das alles stößt auf ungeheure Schwierigkeiten. Die Verschärfung der Krise bewirkt, daß in diesem Jahre die saisonmäßige Abnahme der Erwerbslosigkeit nahezu völlig ausbleibt und bereits in den nächsten Wochen und Monaten mit einem neuen Ansteigen der Erwerbslosigkeit zu rechnen ist. Besonders akut ist die drohende Katastrophe für die bankrotte große Landwirtschaft, für die Rittergüter vor allem im Osten Deutschlands, Jahrelang waren Hunderte von Millionen in diese großagrarischen Unternehmungen hineingepumpt worden. Jetzt kam der Moment, wo die Bourgeoisie einen Teil dieser Unternehmungen ihrem Schicksal überlassen wollte. Das war der Sinn des ,,Siedlungsplanes“ der Brüning und Schiele, auf Grund dessen eine Reihe der völlig verschuldeten und zusammenbrechenden großagrarischen Unternehmungen aufgekauft und für bäuerliche Siedlungen freigegeben werden sollte. Die Wirtschaftspolitik dir Brüningregierung war aus innen- und außenpolitischen Gründen auf das Festhalten an der stabilen Währung eingestellt. Bis in die letzte Zeit hoffte die Brüningregierung angesichts der wachsenden Schwierigkeiten für die Staatsfinanzen, wie für das gesamte Kreditwesen, auf eine Unterstützung durch das ausländische Finanzkapital durch neue, größere Kredite. Das war es, was der ehemalige Reichskanzler mit seinem Wort von den „letzten hundert Metern“ bis zur Lausanne-Konferenz meinte. In den letzten Wochen stellte sich endgültig heraus, daß solche Spekulationen fehlschlagen würden. Auf der anderen Seite nimmt das Massenelend in allen Schichten der Werktätigen immer furchtbarere Formen an. Der Ruin zahlloser Bauernwirtschaften, das Hungerdasein, zu dem Hunderttausende sogenannter „selbständiger Existenzen“ im städtischen Mittelstand verurteilt sind, die Pauperisierung ehemaliger Angestellter und breiter Massen der kleinbürgerlichen und halbkleinbürgerlichen Schichten in Stadt und Land bilden den sozialen Hintergrund für die ungeheure Verelendung der Arbeiterklasse. Dem Proletariat und den ihm am nächsten stehenden Schichten der Angestellten und Beamten sind seit Anfang 1929 annähernd 30 Milliarden Mark an Lohn und Gehalt geraubt worden. Diese 30 Milliarden, um die das Lebensniveau der Lohn- und Gehaltsempfänger gesenkt wurden, sind dem inneren Markt entzogen und bewirken zugleich durch die Herabdrückung des Massenkonsums eine außerordentliche Verschlechterung der Existenzbedingungen für den städtischen Mittelstand und die bäuerliche Veredlungswirtschaft. Was ergibt sich aus dieser ökonomischen Lage? Die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems ist nur noch mit Maßnahmen möglich, deren Angriffscharakter auf die Lebensinteressen der Arbeiterklasse und aller Werktätigen noch um ein vielfaches radikaler und brutaler sein muß, als die bisherige Hungeroffensive in der Ära Brüning. Mit völliger Offenheit kündigt die Papen-Regierung in ihrer Regierungserklärung an, daß sie „ungeheuerliche Opfer vom Volke verlangt“. Die bisherige Sozialreaktion wird als „Staatssozialismus“, die bisherige Politik als die einer „Wohlfahrtsanstalt“ bezeichnet. Mit solchen Worten, die den ausgesteuerten hungernden Millionen als frecher Hohn erscheinen müssen, wird die Durchführung eines Programms der kapitalistischen Offensive gegen die Werktätigen eingeleitet, das einen noch nie erreichten Grad der Brutalität der herrschenden Klasse dokumentiert. In dem Organ des Finanzkapitals, das der neuen Regierung besonders nahesteht, der „Berliner Börsen-Zeitung“ heißt es in einem Artikel vom 7. Juni 1932: „Gewiß ist die Not stellenweise jetzt schon riesengroß …, aber das deutsche Volk als Ganzes gesehen hat schon 1931 in Wohnen, Essen, Kleidung usw. einen Verbrauch, der über dem von 1913 und der daher mit seinen tief gesenkten Einnahmen unverträglich ist … Gleichzeitig ist diese kommende Armut des Lebens die einzige Möglichkeit für eine Wiederbelebung der Produktion und dadurch für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit … Mehr Arbeit und einfacheres Leben - das ist unausweichliches, deutsches Schicksal.“ Was sich hinter diesen „poetischen“ Phrasen verbirgt, braucht man kaum auszusprechen: ein neuer, maßlos gesteigerter Raubzug auf Löhne und Gehälter, der ungeheuerliche Versuch, die Unterstützung der Erwerbslosen radikal zu beseitigen, die Zerschlagung der Sozialversicherung überhaupt, mit anderen Worten: die Zerstücklung aller Rechte der Arbeiterklasse und der übrigen Werktätigen, die Zerschlagung der Arbeiterorganisationen, die Verwandlung Deutschlands in ein Zuchthaus kapitalistischer Zwangsarbeit, militarisierter Ausplünderung und Versklavung. Die ersten Notverordnungen der Papen-Regierung zeigen bereits, daß die entschlossen ist, dieses Programm in die Tat umzusetzen. III. Der Klassencharakter der Papen-Regierung Das Kabinett des Herrn von Papen setzt sich bekanntlich, in der Mehrzahl aus Angehörigen des Feudaladels zusammen. Bei seiner Einsetzung spielten die Sonderwünsche gerade der am meisten verschuldeten Krautjunker eine besondere Rolle. In dem ganzen Auftreten dieser Regierung und der mit ihr verbundenen Kreise tritt ein starker Einschlag monarchistischer Tendenzen in Erscheinung. Die sozialdemokratische Führerschaft und Presse benutzt diese Tatsachen und spricht von der Papen-Regierung stets nur als dem „Kabinett der Barone“. Um so wichtiger ist es für uns, Schein und Sein der neuen Regierung scharf von einander zu trennen, ihren Klassen-Charakter völlig klarzustellen, um für den Kampf der Arbeiter die richtige Stoßrichtung zu finden. Bezüglich der Landwirtschaft bestehen im Lager der Bourgeoisie ernste Differenzen. Es ist kein Zufall, daß es auch in der Frage des Siedlungsprogramms der Brüning und Schiele zum Konflikt mit Hindenburg kam, weil Hindenburg den extremen Standpunkt der Krautjunker und Großagrarier vertrat, die für die Aufrechterhaltung ihrer verschuldeten Rittergüter um jeden Preis kämpfen. In der Industrie gibt es demgegenüber bestimmte Tendenzen, die sich gegen die allzu kostspieligen Wünsche und Forderungen der Großagrarier die z. B. gegen die sogenannte „Autarkiebestrebungen“ der Großagrarier eingestellt sind und unter der Papen- Regierung zu weiteren Differenzen führen werden. In der Tat hat sich beim Sturz Brünings und der Einsetzung der Papen-Regierung eine gewisse Veränderung im Rahmen der bürgerlichen Klassenherrschaft vollzogen. Die Diktatur der Bourgeoisie in Deutschland beruht auf dem Klassenbündnis zwischen dem Finanzkapital und den Großagrariern. Dieses Klassenbündnis vollzog sich in der Form, daß die Trustbourgeoisie, im Bündnis mit den Großagrariern, die Macht ausübte. Daran hat sich im wesentlichen nichts geändert. Wohl aber bringt die Papen-Regierung zum Ausdruck, daß vorübergehend die Gewichtsverteilung in disem Klassenbündnis sich ein wenig zugunsten der Großagrarier - und zwar auch der Teile des Agrarkapitals, die verhältnismäßig weniger mit dem Finanzkapital verfilzt sind - verschoben hat. Ihr Anteil an der Machtausübung ist relativ gewachsen. Das war möglich mit Hilfe der Generalskamarilla der Reichswehr, die ebenso wie Hindenburg aufs engste mit den Krautjunkern und den Großagrariern verwachsen ist. In seinem vor kurzer Zeit veröffentlichten Gespräch mit dem bürgerlichen Schriftsteller Emil Ludwig sagte Genosse Stalin u. a.: „Trotzdem der Feudalismus als Gesellschaftsordnung in Europa längst zertrümmert ist, leben beträchtliche Überbleibsel von ihm noch in den Sitten und Gebräuchen weiter. Aus den feudalen Kreisen gehen weiter noch Techniker, Spezialisten, Gelehrte und Schriftsteller hervor, die die Herrengebräuche in die Industrie, in die Technik, in die Wissenschaft, in die Literatur hineintragen. Die feudalen Traditionen sind nicht bis zum Ende zerschlagen“ Wie sehr diese Ausführungen Stalins zutreffen, erweist sich gerade in den jüngsten Ereignissen in Deutschland. Die Reichswehr, deren Offizierkorps fast ausnahmslos den feudalen Kreisen entstammt, ist aufs engste mit den besonderen Interessen der ostelbischen Krautjunker verbunden. Dadurch, daß die Bourgeoisie diesem wichtigsten Gewaltinstrument ihrer Klassenherrschaft und seiner Generalsspitze mehr Einfluß einräumen mußte, erweiterte sich zwangsläufig auch der Anteil der Großagrarier im Rahmen der kapitalistischen Klassenherrschaft. Die heutigen Träger der Macht sind zugleich die Verfechter einer monarchistischen Restauration. Die volle Wiederherstellung der alten Privilegien ihrer Schichten im wilhelminischen Deutschland ist ihr Ziel. So ist es kein Zufall, daß die gegenwärtige Entwicklungsphase in Deutschland eine neue Belebung aller alten reaktionären und feudalen Gestalten und Traditionen entfesselt. Als im Jahre 1920 der monarchistische Kapp-Lüttwitz-Putsch organisiert wurde, enthielt das Ultimatum, das die auf Berlin marschierenden konterrevolutionären Truppen den Ebert- Scheidemann überreichten, vor allem folgende zwei Punkte: 1. Bildung eines Ministeriums aus „Fachleuten“ und Ernennung eines Generals zum Reichswehrminister. 2. Sofortige Ausschreibung von Neuwahlen. Heute finden wir dieses Programm bei der Papen-Regierung in die Tat umgesetzt. Der dritte Punkt des Ultimatums der monarchistischen Putschisten im Jahre 1920 war die Forderung nach der Wahl des Reichspräsidenten durch das Volk. Charakteristisch ist dabei, daß damals einer der führenden Kapp-Putschisten, der Oberst Bauer, in einem Interview mit dem amerikanischen Journalisten von Wiegand die Forderung aufstellte, Hindenburg müsse zum Reichspräsidenten gewählt wenden. Heute ist Hindenburg Reichspräsident dank der gütigen Mithilfe der Sozialdemokratie und heute führt er das damalige Kapp-Lüttwitz-Programm durch. Die monarchistischen Restaurationsbestrebungen, die sich im Schoß der Kapp- Lüttwitz-Bewegung verbargen, waren damals genau so sehr mit der Person des Exkronprinzen als Thronanwärter verbunden, wie heute erneut im Lager der Reaktion, bei dem ganzen Gesindel der Junker, Barone und Generale der Gedanke auftaucht, denselben Exkronprinzen zum „Reichsverweser“ * , das heißt zum Platzhalter für einen kommenden * „Verweser“: althochdeutsch „fuerwesan“ und bedeutet „jemandes Stelle vertreten“. Download 5.05 Kb. Do'stlaringiz bilan baham: |
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