Ernst Thälmann Reden und Aufsätze


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schläft in den Zimmern und ißt an dem Tisch, an dem früher 
der Zar mit seinem Parasitengeschmeiß Schweiß und Blut des Volkes
 mit seinen Maitressen 
verpraßte. 
 
Die  Sowjetunion  öffnet  dem  Bauern  neue  Perspektiven,  er  kann  neben  dem  Proletariat  die 
höchsten Stellen im Staatsapparat und in den Sowjets bekleiden. 
 
Unter dem Traktor oder auf dem Traktor 
 
In  den  kapitalistischen  Ländern  bleibt  der  Traktor  den  Großagrariern  reserviert,  und  der 
Großgrundbesitzer frißt den kleinen Bauern auf. In der Sowjetunion bleibt der Traktor für die 
Millionen kleiner Bauern reserviert, und die kleinen Bauern haben dort die Großagrarier und 
die Großbauern aufgefressen. Einige Beispiele aus dieser Entwicklung: Im Jahre 1930 waren 
6  Millionen  Bauernhöfe  =  24  Prozent  kollektiviert,  im  März  1931  bereits  12  Millionen 
Bauernhöfe = 48,6 Prozent. Ende 1931 rechnet man damit, daß etwa 55 bis 60 Prozent aller 
Bauernhöfe  kollektiviert  sein  werden.  Bald  in  allen  kapitalistischen  Ländern  wird  die 
Ansaatfläche verringert, in der Sowjetunion aber erweitert. 
Im  Jahre  1930  eine  Erweiterung  um  10  Millionen  Hektar,  im  Jahre  1931  bereits  eine 
Erweiterung  um  15  Millionen  Hektar.  Die  Aussaatfläche  pro  Bauernhof  betrug  im  Frühling 
1930  2,7  Hektar,  im  Frühling  1931  bereits  pro  Bauernhof  5,2  Hektar.  Die  Getreideernte 
betrug  im  Jahre  1929  71,7  Millionen  Tonnen,  1930  schon  87,4  Millionen  Tonnen.  Die 
Getreidelieferung  an  den  Staat  betrug  1929  18  Millionen  Tonnen,  im  Jahre  1930  bereits  24 
Millionen Tonnen. 
Eine wesentliche Steigerung der materiellen  Lage der Bauern zeigt sich in den Kollektiven. 
Das durchschnittliche Jahreseinkommen des Einzelbauern betrug vor dem Kriege jährlich 242 
Rubel. Mit dieser Summe mußte er alles einkaufen. Das durchschnittliche Jahreseinkommen 
des  Kollektivbauern  bei  weit  größeren  Vergünstigungen  wie  es  früher  im  zaristischen 
Rußland  der  Fall  war,  beträgt  schon  500  Rubel  jährlich  und  wird  sich  in  der  nächsten  Zeit 
noch  wesentlich  erhöhen.  Der  Einzelbauer  erntet  dort  im  Durchschnitt  26  Zentner  Getreide, 
der Kollektivbauer aber erntet schon weit mehr als das Doppelte, im Durchschnitt 59 Zentner 
Getreide.  Das  schnelle  Tempo  der  Entwicklung  der  bäuerlichen  Millionenmassen  zur 
Kollektive  vollzieht  sich  nicht,  wie  die  Bourgeoisie  fälschlich  behauptet,  durch  Zwang, 
sondern durch die freiwillige Entscheidung im praktischen Leben und Denken, und durch die 
Entscheidung der Dorfarmut und der Mittelbauern selbst. 
Die  Agrarkrise  in  Deutschland  stellt  auch  den  deutschen  Kleinbauern  vor  die  Alternative: 
Entweder  mit  den  Kommunisten  unter  der  Fahne  unseres  Freiheitsprogramms,  für  dessen 
Sieg, auf dem Traktor - oder mit den Bürgerlichen und Faschisten, dann kommst du unter den 
Traktor und wirst zerstampft. 
Die Kommunistische Partei Deutschlands ruft zur aktiven Unterstützung des Bauernkampfes! 
Das Plenum des Zentralkomitees vom 14. und 15. Mai beschäftigte sich mit der ungeheuren 
Bauernnot.  Bis  jetzt  war  unsere  Arbeit  zu  wenig  wirkliche  Massenarbeit  unter  den 
werktätigen  Bauern,  eine  viel  zu  parlamentarische  Arbeit.  Wir  müssen  jetzt  einen 

wesentlichen Schritt weitergehen. Wie wir in die Industriearbeitermassen eingedrungen und in 
neue unterdrückte Schichten, so müssen wir jetzt auch als die einzigen Retter des werktätigen 
Volkes  aus  dieser  tiefen  Krise  stärker  und  tiefer  in  die  werktätigen  Bauernschichten 
hineinsteigen. Die Kommunistische Partei ruft die Arbeiter, Angestellten auf, den Kampf der 
werktätigen  Bauern  um  ihre  Existenz  zu  unterstützen,  gemeinsam  mit  der  Bauernschaft  die 
Pfändungen und Zwangsversteigerungen zu verhindern. 
Allein  die  Kommunistische  Partei  kämpft  auch  für  die  Interessen  der  werktätigen 
Bauernschaft. Gegenüber dem Programm der Liebesgaben für die Junker und Großbauern und 
der Vernichtung der Existenz der werktätigen Bauern proklamiert die Kommunistische Partei 
das 
 
Programm der Hilfe für die werktätigen Bauern! 
 
In  diesem  Programm  werden  die  Großagrarier  und  Großbauern  vergeblich  etwas  für  sich 
suchen.  Es  ist  ein  Kampfprogramm,  eine  Kampfansage  gegen  den  Monopolkapitalismus, 
gegen die Großagrarier und wucherischen Zollpolitiker. 
 
Unter  stürmischem  Beifall  verliest  nunmehr  Genosse  Thälmann  die  einzelnen  Punkte  des 
Bauernhilfsprogramms, das wir an der Spitze unseres heutigen Hauptblattes veröffentlichen. 
 
In Deutschland sind Hunderttausende von Bauernwirtschaften in ihrer Existenz bedroht. Diese 
Tatsache ist von ungeheurer politischer Bedeutung. Sie erschüttert eines der Fundamente der 
Herrschaft der Bourgeoisie, ihre Hegemonie über die Bauernschaft. Der massenhafte Ruin des 
bäuerlichen  Privateigentums  erschüttert  den  Glauben  des  Bauern  auch  an  dieses 
kapitalistische  System.  Der  jahrelange  Betrug  an  den  werktätigen  Bauernmassen  mit  der 
Kampagne der „Osthilfe“, der neu beginnende Betrug mit der Einsetzung der Kampagne der 
„Westhilfe“  muß  den  Bauern  zum  Bewußtsein  gebracht  werden  und  unserer  Partei 
Gelegenheit  geben,  kühner  und  offensiver  unsere  Bauernpolitik  zu  verteidigen  und  zu 
vertreten. Natürlich sagen wir ganz offen, daß die Niederlegung der Kampfforderungen aufs 
Papier noch nicht ihre Erfüllung bedeutet. Die werktätigen Bauernmassen müssen durch ihre  
 
Selbsthilfe und Initiative 
 
gemeinsam mit der KPD und dem  gesamten  revolutionären Proletariat  entschlossen für ihre 
Forderungen kämpfen. 
Die  Kommunistische  Partei  und  das  mit  ihr  verbundene  Proletariat  steht  euch  in  diesem 
Kampfe  treu  zur  Seite.  Sie  wird  stärker  denn  je  hinausgehen  ins  Dorf  und  wird  das  ganze 
Landvolk  mobilisieren.  Sie  wird  auf  den  Stempelstellen  und  in  den  Großbetrieben  das 
städtische Proletariat zur Hilfe für die Bauern holen.
 
Sie  wird  in  allen  öffentlichen  Versammlungen,  von  allen  Parlamentstribünen,  überall  die. 
große Not der Bauern verkünden und zum Kampfe für die Bauern aufrufen. Als kürzlich eine 
Delegation des Eifelgebiets bei einer kommunistischen Massenversammlung in Köln erschien 
und ihre begeisterte Zustimmung zum sozialen und nationalen Befreiungsprogramm und zur 
Politik  der  Kommunistischen  Partei  dort  aussprach,  symbolisierte  das  die  engste  Solidarität 
und 
das Bündnis des Proletariats mit den werktätigen Bauern.
 
Dies  muß  überall  viel  mehr  in  Erscheinung  treten.  Zur  Rettung  des  gewerblichen 
Mittelstandes im Kampfe gegen das Finanzkapital und seine Regierung müssen in der Stadt 
und auf dem Lande auch diese notleidenden Schichten in die große Klassenfront einbezogen 
werden.  Unsere  Forderungen  für  alle  diese  Schichten  sind  bekannt.  Sie  müssen  viel  stärker 
propagiert und vertreten werden. Wir rufen von dieser Stelle und überall in Deutschland auf: 

Zur Volksaktion für Arbeit, Boden, Brot und Freiheit, gegen die Hungeraktion der vereinigten 
Volksfeinde!
 
Die werktätigen Bauern werden mit einrücken in die Front der sozialistischen Volksrevolution 
unter Führung der Arbeiterklasse und der Kommunistischen Partei. Wie für die Arbeiter und 
Arbeiterinnen,  für  die  Millionen  Arbeitslosen,  für  die  Beamten  und  Angestellten  und  den 
städtischen Mittelstand, so wird auch für die Millionenmasse der kleinen Bauern die Stunde 
der  Erlösung  schlagen  mit  dem  Siege  der  Volksrevolution,  dem  Sieg  der  sozialistischen, 
proletarischen Revolution! Keine kapitalistische  Regierung, keine kapitalistische Partei wird 
den  Großgrundbesitz  enteignen,  wird  die  landarmen  Bauern  zur  Regierung  heranziehen. 
Keine Wirtschaftsordnung außer der des Kommunismus wird dem kleinen Bauern aus der Not 
der Agrarkrise helfen, ihm den Aufstieg zum Menschentum und Sozialismus eröffnen. 
Es gibt in Deutschland nach der vom Statistischen Reichsamt herausgegebenen Statistik der 
Einkommen-  und  Vermögenssteuerveranlagung  für  1927,  die  jetzt  veröffentlicht  wurde,  im 
Jahre  1927  2465  Millionäre.  Diese  zweieinhalbtausend  Schmarotzer  besitzen  ein  Vermögen 
von 5580 Millionen. Die Geldsackdiktatur schont diese Leute. Im Lande des Sozialismus, im 
Lande der proletarischen Diktatur ist für diese Schmarotzer kein Raum mehr. Es gibt in der 
„Nation“  zwei  Nationen,  die  Nation  der  Reichen,  der  Satten,  diese  verschwindend  geringe 
Minderheit -und die Nation der Armen, der Hungrigen, die Millionenfront der unterdrückten 
Werktätigen.  Der  Entscheidungskampf  zwischen  diesen  beiden  Fronten  ist  unvermeidlich. 
Durch  Wahlen  am  morgigen  Tag  in  Oldenburg  wird  diese  Entscheidung  nicht  fallen.  Die 
Millionen Arbeiter, Beamte und Angestellte, Werktätige, Mittelständler und die Scharen der 
Bauernschichten, sie können sich nur befreien, wenn sie über die Wahl hinaus nicht nur der 
Kommunistischen  Partei  ihre  Stimme  geben,  sondern  gewillt  sind,  gemäß  dem 
Befreiungsprogramm der KPD für ihre eigene Befreiung sich überall einzusetzen, zu kämpfen 
und auch zu siegen. 
Wir  sind  die  einzige  Partei,  die  unabhängig  ist  von  der  Bourgeoisie.  Wir  führen  den 
Wahlkampf  nicht  um  Ministerposten  und  Staatspfründen.  Unser  großer  Kampf  ist  in  den 
Prinzipien  unseres  Freiheitsprogramms  niedergelegt.  Die  Millionen  werktätigen  Frauen  in 
Deutschland,  die  geknechtete  und  unterdrückte  proletarische  Jungarbeiterschaft,  das  in 
grenzenloser  Not  lebende  Landproletariat,  die  Landarbeiter,  sie  alle  werden  in  diese  große 
Armee immer mehr mit eingereiht. Der Kommunismus ist heute schon die einzige Kraft, der 
die Zukunft gehört. 
 
Unser revolutionärer Ausweg aus dem kapitalistischen Chaos ist die einzige Rettung! 
 
Morgen wird noch gewählt. Wir wissen, daß uns viele heute noch nicht verstehen und auch 
ihre Stimme noch nicht geben. Übermorgen aber schon werden jene, die sie gewählt haben, 
sich schon entlarven müssen, die eigenen Wählermassen betrügen. 
Wir  haben  nichts  zu  versprechen  im  Wahlkampf,  als  daß  ihr  nur  durch  euren  eigenen 
Massenkampf  gegen  die  Bourgeoisie  unter  Führung  der  Kommunistischen  Partei  euch  aus 
dieser  elenden  Lage  befreien  könnt.  Wir  mobilisieren  und  rüsten  zu  diesem  Massenkampf. 
Unser Freiheitsbanner entrollen wir an allen Fronten des gesellschaftlichen Lebens. 
Unsere Partei und mit ihr die revolutionäre Massenfront marschiert vorwärts! Unser Kampf 
geht  gegen  das  heutige  Youngsystem,  gilt  dem  heutigen  Youngdeutschland!  Unser 
Massenkampf gilt zugleich der besseren Zukunft, dem Sieg eines Sowjetdeutschlands, in dem 
Arbeit,  Boden,  Brot  und  Freiheit  allen  Werktätigen  gegeben  und  garantiert  wird.  In  diesem 
Sinne vorwärts mit uns zu neuen Kämpfen und zu neuen Siegen! 
 
Die Rote Fahne, 
22.5.1931 

Den SPD-Arbeitern die Bruderhand 
 
Erinnern  wir  uns  an  die  Vorgeschichte  des  räuberischen  Youngplans.  Es  gibt  heute  in 
Deutschland  keinen  Menschen  mehr,  der  es  wagen  würde,  die  unerträglichen  Tributlasten 
dieses Sklavenpaktes zu verteidigen. 
Und  wie  war  es  vor  anderthalb  Jahren?  In  der  damaligen  Zeit,  als  im  Reichstag  über  die 
Annahme  des  Youngplans  beraten  wurde,  wurden  dem  deutschen  Volk  die  Ohren 
vollgeschwatzt  über  die  „Erleichterungen“  und  Verbesserungen,  die  der  Youngplan  bringe. 
Heute kann man es sich kaum vorstellen, wieweit damals der Volksbetrug ging. Ich will nur 
zwei  Beispiele  für  die  damaligen  Äußerungen  der  führenden  Politiker  des  kapitalistischen 
Deutschland geben. 
Damals sagte der Reichsfinanzminister Moldenhauer, Vertreter der Deutschen Volkspartei, im 
Reichstag am 7. März vorigen Jahres: 
 
„Darüber müssen Sie sich klar sein, die Grundlagen für diesen Aufbau schaffen Sie nicht, wenn Sie 
den  Youngplan  verwerfen.  Denn  dann  müssen  Sie  Steuern  zahlen,  die  weit  über  das  hinausgehen, 
was  wir  heute  verlangen.  Dann  bekommen  Sie  die  Kreugeranleihe  nicht.  Wir  wollen  auf  dieser 
Grundlage aufbauen..., um ein besseres Deutschland zu schaffen und für die breiten Massen wieder 
Arbeitsmöglichkeiten  zu  gewinnen.  So  sehen  wir  die  Dinge  an  und  deshalb  empfiehlt  Ihnen  die 
Reichsregierung, den Youngplan anzunehmen.“ 
 
Und der Sozialdemokrat, der zum Youngplan sprach, Reichstagsabgeordneter David, erklärte 
am 6. März gleichfalls im Reichstag: 
 
„Das  Haager  Abkommen  (also  der  Youngplan)  bedeutet  einen  großen  Schritt  vorwärts  zur 
Liquidierung des Krieges und zur Herbeiführung eines gesicherten Friedenszustandes zwischen den 
am Kriege beteiligten Völkern. Die Lasten, die es uns auferlegt, sind schwer, aber sie sind wesentlich 
leichter als die, die uns seit Jahren auferlegt waren. Aus diesen Gründen stimmen wir dem Abkommen 
zu.“ 
 
Das wurde damals gesagt. Und nun vergleicht diese Worte, diese Versprechungen mit dem, 
was  wirklich  gekommen  ist.  Hatte  die  Kommunistische  Partei  nicht  hundertprozentig  recht, 
wenn sie vom ersten Tage an den wirklichen Charakter des Youngplans als eines räuberischen 
Sklavenpaktes den Massen enthüllte, wenn sie vom „inneren“ Youngplan sprach? 
Die Kommunistische Partei hat damals den Massen die Wahrheit über den Youngplan gesagt. 
Heute wird es durch die Tatsachen bestätigt, niemand kann es mehr bestreiten. 
Die Kommunistische Partei hat ebenso im Januar, als Herr Brüning erklärte, man dürfe nicht 
von Katastrophen sprechen, ihrerseits den Massen die wirkliche Entwicklung aufgezeigt. Sie 
hat gesagt, daß an keine Besserung zu denken ist, daß die Krise sich verschärfen, das Elend 
wachsen, die Katastrophenpolitik des Kapitalismus noch schlimmeres Unheil anrichten wird. 
Heute  ist  erwiesen,  daß  wiederum  nur  die  Kommunistische  Partei  die  Entwicklung  richtig 
beurteilte und dem Volk die Wahrheit sagte! 
Das  ist  der  Grund,  warum  die  Autorität  der  Kommunistischen  Partei  in  den  Massen  immer 
mehr  wächst,  warum  sich  immer  neue  Tausende  uns  zuwenden  und  die  Millionenmassen 
begreifen: Hier ist die einzige Partei, die uns niemals belogen und betrogen hat! Die einzige 
Partei, die uns die Wahrheit sagt! 
Und  dieser  Unterschied  zwischen  unseren  Voraussagen,  die  von  der  Wirklichkeit  bestätigt 
werden,  die  von  der  Geschichte  erhärtet  werden  -  und  den  bürgerlich-sozialdemokratischen 
Prophezeiungen,  deren  Verlogenheit  die  geschichtliche  Entwicklung  stets  in  kürzester  Frist 
vor den Massen entlarvt - dieser Unterschied ist ein gewaltiger und umfassender Beweis für 
die Richtigkeit der kommunistischen Lehren und Methoden, ist ein beispielloser Triumph des 
Marxismus! 

Man stelle sich einmal vor: Auf dem Kieler SPD-Parteitag 1927 predigte die SPD durch den 
damaligen Referenten Hilferding die famose Theorie vom „organisierten Kapitalismus“. Der 
heutige  Monopolkapitalismus  sollte  die  Lehren  von  Karl  Marx  über  die  Anarchie  der 
kapitalistischen Wirtschaftsordnung aus den Angeln heben und sich sozusagen friedlich und 
ohne  Krisen  in  den  Sozialismus  verwandeln.  Das  war  die  Theorie  Hilferdings  und  der 
deutschen Sozialdemokratie auf ihrem Kieler Parteitag. 
Zwei Jahre später, 1929, fand der Magdeburger Parteitag statt. Während die Kommunistische 
Partei damals ungefähr zur gleichen Zeit auf ihrem Weddinger Parteitag bereits mit völliger 
Klarheit die weitere Entwicklung zur Krise und zum revolutionären Aufschwung auf Grund 
der  marxistischen  Theorie  aufzeigen  konnte  und  infolgedessen  alle  ihre  Voraussagen  durch 
die weitere geschichtliche Entwicklung bekräftigt wurden, produzierte die SPD in Magdeburg 
noch immer den alten Kieler Plunder. So sagte zum Beispiel Dittmann vom Parteivorstand auf 
dem Magdeburger Parteitag vor nunmehr zwei Jahren: 
 
„Wir  leben  nicht  mehr  im  reinen  Kapitalismus,  sondern  bereits  im  Übergang  zum  Sozialismus, 
wirtschaftlich,  politisch,  sozial...  Heute,  in  der  demokratischen  Republik,  geht  die  Staatsgewalt  von 
unten, vom Volk aus, wird die Regierung vom Reichstag bestimmt, den von allen 20jährigen Männern 
und  Frauen  gewählten  Vertretern  des  Volkes.  Deshalb  kann  heute  verhindert  werden,  daß  die 
Regierung  einseitig  die  Interessen  nur  der  kapitalistischen  Klassen  wahrnimmt  wie  in  der 
Vorkriegszeit.“ 
 
Das war die Melodie von Magdeburg. Und heute? Heute ist auf Grund der ungeheuren Krise, 
des  maßlosen  Massenelends  und  der  gewaltigen  Radikalisierung  und  Revolutionierung  der 
Massen das ganze Gerede vom „organisierten Kapitalismus“ so lächerlich geworden, daß die 
Sozialdemokratie  selbst  plötzlich  ein  Referat  über  die  kapitalistische  Wirtschaftsanarchie 
halten lassen mußte. 
Und Herr Tarnow vom ADGB, der Referent über die Wirtschaftslage, erklärte in Leipzig, daß 
der  „organisierte  Kapitalismus  -  nur  einmal  benutzte  er  dieses  Wort  -  den  ökonomischen 
Bürgerkrieg  Mann  gegen  Mann  in  einen  ökonomischen  Bandenkrieg“ 
gesteigert  habe. 
Wörtlich sagte Tarnow: 
 
„Aber der Krieg ist geblieben und seine Zerstörungen sind gewachsen. Der organisierte Kapitalismus 
schießt mit Granaten, wo die unorganisierten Kapitalisten Flintenschüsse wechseln.“ 
 
Das  ist  das  vollkommene  Eingeständnis  des  absoluten  Bankrotts  der  bisherigen 
reformistischen  Theorie.  Das  ist  das  vollkommene  Eingeständnis,  daß  alles,  was  die 
Sozialdemokratie  in  den  vergangenen  Jahren  den  Massen  erzählt  hat,  was  sie  auf  ihren 
Parteitagen  in  Kiel  und  Magdeburg  ihren  Anhängern  als  Theorie  produziert  hat,  leerer 
Schwindel ist! 
Die  Kommunistische  Partei  wendet  sich  an  die  sozialdemokratischen  Klassengenossen  und 
appelliert  an  ihr  sozialistisches  Gefühl.  Ja,  Genossen,  wir  bieten  euch  die  Hand  zum 
gemeinsamen  Kampf,  wir  sind  bereit,  brüderlich  mit  euch  gemeinsam  die  Front  des 
revolutionären  Klassenkampfes,  die  einige  Volksfront  gegen  das  bankrotte  kapitalistische 
System und gegen die Brüningregierung zu schließen. 
Wir fragen euch, sozialdemokratische Klassengenossen: Wollt ihr für Brüning kämpfen oder 
für  den  Sozialismus?  Das  ist  die  Entscheidungsfrage,  die  heute  vor  jedem 
sozialdemokratischen  Arbeiter,  vor  jedem  sozialdemokratischen  Funktionär  steht.  Nach 
seinem  eigenen  Klasseninstinkt,  nach  seinem  eigenen  Klassenbewußtsein  muß  der  SPD-
Arbeiter  die  Entscheidung  fällen,  und  diese  Entscheidung  kann  nur  lauten:  Mit  den 
Kommunisten  gegen  die  Kapitalisten,  gegen  den  Faschismus,  gegen  die  Regierung  der 
Durchführung  der  faschistischen  Diktatur,  gegen  Brüning  und  alle,  die  zur  Brüningfront 
zählen. 

Wir  wissen  es  sehr  gut,  daß  es  keine  Kleinigkeit  für  einen  Arbeiter  ist,  der  vielleicht 
jahrzehntelang  in  der  Sozialdemokratie  organisiert  ist,  den  Trennungsstrich  zu  ziehen  und 
herüberzukommen ins Lager des Kommunismus. Aber höher als alle Anhänglichkeit an eine 
Partei, steht die Treue zur Klasse, zum Proletariat. 
Wir  bieten  den  SPD-Arbeitern  die  Hand!  Wir  wissen  sehr  wohl,  daß  man  den 
sozialdemokratischen Arbeitern eingeredet hat, in der Kommunistischen Partei gäbe es auch 
keine  proletarische  Demokratie,  sei  auch  ein  Parteiapparat,  der  über  die  Mitglieder 
hinweggeht. Und wenn der Diktator nicht Thälmann heißt, dann heißt er Stalin. 
Wir  sagen  demgegenüber  den  sozialdemokratischen  Arbeitern:  Kommt  zu  uns,  überzeugt 
euch  selbst,  daß  in  der  Kommunistischen  Partei  jeder  revolutionäre  Arbeiter  seinen  rechten 
Platz  findet  und  mitzubestimmen  hat  über  das  Schicksal  der  Partei,  über  die  revolutionäre 
Arbeit. Kommt zu uns, ihr werdet als gleichberechtigte Mitglieder unserer Partei Schulter an 
Schulter mit uns den Kampf für den Sozialismus führen. Die Wahl kann jedem Arbeiter, der 
an  seine  Klasse  glaubt,  nicht  schwer  fallen.  Auf  der  einen  Seite  die  Partei  des 
Polizeisozialismus, der Panzerkreuzer, der Notverordnungen, die Partei, die unter dem Zepter 
Brünings  marschiert,  die  Partei,  in  der  kein  klassenbewußtes  Wort  mehr,  geschweige  denn 
irgendeine  sozialistische  Handlung  erlaubt  ist,  die  Partei,  in  der  die  Führer  die  Massen 
beschimpfen, wie das in Leipzig wiederholt der Fall war. 
Auf der anderen Seite die Partei des revolutionären Klassenkampfes, die Partei, die die Streiks 
der  Arbeiter  führt  und  unterstützt,  die  Partei,  die  den  revolutionären  Ausweg  aus  der  Krise 
aufzeigt,  die  für  die  Erwerbslosen  und  die  Betriebsarbeiter,  die  Angestellten  und  Beamten, 
den  städtischen  Mittelstand  und  das  notleidende  Bauernvolk  kämpft,  die  Partei,  die  von  der 
Bourgeoisie  gehaßt und verfolgt wird, die Partei, die im Kampfe gegen den Faschismus die 
meisten Erfolge errungen und die meisten Opfer gebracht hat. Die Partei des revolutionären 
Marxismus, die Partei des siegreichen Sozialismus in der Sowjetunion, die Kommunistische 
Partei! 
Darum, Genossen, appelliert die KPD an euch, an die sozialdemokratischen Arbeiter und an 
die  parteilosen  Arbeitermassen  in  Stadt  und  Land,  mitzuhelfen  am  Befreiungskampf  der 
Arbeiterklasse. 
Es  gibt  nur  eine  Partei  in  Deutschland,  die  nach  dem  14.  September,  nach  den 
Reichstagswahlen, ihrer Politik treu bleiben konnte. Nur eine Partei, die das, was sie vor den 
Wahlen  den  Massen  sagte,  heute  nicht  zu  verleugnen  braucht.  Nur  eine  Partei,  die  keine 
Versprechungen gebrochen hat. Nur eine Partei, die keine falschen Hoffnungen genährt hat. 
Nur eine Partei, die mit ihren Taten zu ihren Worten steht: Das sind wir, die Kommunistische 
Partei! 
Vor uns liegen die Wahlen in Preußen und in einer Reihe anderer Länder. Ich habe schon über 
die preußische Politik der Sozialdemokratie gesprochen. Es ist klar, daß wir als Kommunisten 
einen solchen Wahlkampf, wie er früher oder später wieder stattfinden wird, nicht unter dem 
Gesichtspunkt  betreiben,  einige  Dutzend  Mandate  mehr  zu  bekommen,  sondern  als  eine 
revolutionäre  Massenmobilisierung  für  den  allgemeinen  revolutionären  Klassenkampf.  Und 
hier möchte ich den Appell an die Massen richten: 
Es  ist  unsere  jetzige  Politik,  unser  jetziger  Kampf,  eure  jetzige  Arbeit,  die  über  den 
Wahlausgang entscheidet, mögen die Preußenwahlen nun im Herbst oder, wie es scheint, im 
nächsten Frühjahr, stattfinden! 
Unsere  Politik  findet  ihren  Ausdruck  in  dem  Freiheitsprogramm  der  KPD.  Jenes  Programm 
der nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes, das wir vor dem 14. September 
der  Öffentlichkeit  übergaben,  gewinnt  von  Woche  zu  Woche,  von  Monat  zu  Monat 
wachsende Bedeutung. Es ist ein Programm des revolutionären Auswegs aus der Krise. Es ist 
das Programm der Volksrevolution, die an die Stelle des bankrotten kapitalistischen Systems 
den Sieg des Sozialismus, die Herrschaft einer Arbeiter- und Bauernregierung setzen wird.  

Unser Freiheitsprogramm ist das Rückgrat unserer Politik! Aber wir begnügen uns nicht mit 
der  allgemeinen  Linie  unseres  revolutionären  Kampfes,  sondern  zeigen  den  einzelnen 
Schichten des arbeitenden Deutschland praktisch und konkret, was die Kommunisten ihnen zu 
sagen haben. So haben wir das 
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