Innovation d a s m a g a z I n V o n c a r L z e I s s In Erinnerung an Ernst Abbe
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5 37 Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 7 8 Bild 4: Dreidimensionale Bild- wiedergabe der Bildserie aus Bild 5: links 180°, rechts Fusion.
Drosophila Embryo, Polzellen, x-y-Ebene.
Drosophila Embryo, Polzellen, y-z-Ebene.
Bildserie Medakafisch- embryo aus unterschied- lichen Blickwinkeln. Bild 8: Drosophila Larve: (a) Konventionelles Bild, (b) Thetabeleuchtung einer einzelnen Ebene, (c) Bildstapel, (d) Bildstapel um 180° um die vertikale Achse gedreht. pole
cells B A z y
SPIM-Prinzip: Strahlengang und optische Komponenten. (a)
(b) (c)
(d) 200
m Bild 1: Durch das ergonomische Design des Operations- mikroskops kann der Chirurg sogar über längere Zeit äußerst bequem arbeiten. Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 z. B. der künstlichen Bandscheibe oder durch die minimal invasive Chi- rurgie, hat man heutzutage gerade bei Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule Möglichkeiten schon viel früher zu intervenieren mit innovati- ven Methoden, die darauf abzielen, die Beweglichkeit und die Dynamik der Wirbelsäule zu erhalten.
Besonders wichtig sind alle Ver- fahren, die man unter dem Überbe- griff der minimal invasiven Chirurgie subsummiert, d. h. alle mikrochirurgi- schen und endoskopischen Verfah- ren. Eigentlich operieren wir seit fast 15 Jahren in Deutschland mit der mi- nimal invasiven Methode, aber erst jetzt nach der Gesundheitsreform schlagen die positiven Effekte kom- plett durch. Die Patienten werden früher entlassen, d. h. je schonender sie operieren, umso kürzer wird der stationäre Aufenthalt sein und umso schneller wird der Patient wieder reintegriert. 38
lungen und Veränderungen konn- ten Sie im Bereich der Wirbelsäu- lenerkrankungen in den letzten Jahren feststellen? Das Spektrum der Wirbelsäulener- krankungen hat sich dahingehend verändert, dass vor allem ältere Men- schen an der Wirbelsäule operiert werden müssen. Man sieht viele Krankheitsbilder, die vor allem in fort- geschrittenem Lebensalter auftreten wie z. B. Wirbelkanalverengung, de- generative Skoliosen der Wirbelsäule oder Einengung der Nervenkanäle. Durch die steigende Lebenserwar- tung sind viel mehr Patienten mit Verschleißerscheinungen an der Wir- belsäule behandlungsbedürftig und auch operationsbedürftig als dies frü- her der Fall war.
Die Wirbelsäulenchirurgie gewinnt durch diese Entwicklung zunehmend an Bedeutung. Dadurch nehmen auch die operativen Möglichkeiten perma- nent zu. Mit neuen Techniken, wie Z i v i l i s a t i o n s k r a n k h e i t W i r b e l s ä u l e n l e i d e n : H e i l u n g s m e t h o d e n u n d I n n o v a t i o n e n Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden in den Industrienationen. Mehr als 30 Millionen Menschen leiden allein in Deutschland ständig oder gele- gentlich unter Rückenschmerzen in Form von verspannter Musku- latur im Nacken- und Schulterbe- reich, eingeklemmten Nerven oder ausgerenkten Wirbeln. Auf Dauer können Wirbelsäu- lenleiden die Lebensqualität er- heblich beeinträchtigen, wobei nicht nur ältere Menschen betrof- fen sind. Viele Verschleißerschei- nungen an der Wirbelsäule sind schon nach dem 30. Lebensjahr nachweisbar. Der Anstieg in der Zahl der Wirbelsäulenleiden und der gleichzeitig gestiegene Kos- tendruck im Gesundheitswesen führt zu zahlreichen Innovationen in den Behandlungsmethoden. Carl Zeiss unterhielt sich zu die- sem Thema mit PD Dr. H. Michael Mayer, einem führenden Wirbel- säulenchirurgen und geschäfts- führendem ärztlichen Direktor des Orthozentrums in München. 1 39 Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 Bild 2: Das System OPMI® Vario/ NC33 wurde exklusiv für minimal invasive Eingriffe im Bereich der Wirbelsäule entwickelt. Die wie ein S geschwungene Form der Wirbelsäule verleiht dem Körper zusammen mit einem komplexen Muskelsystem nicht nur die nötige Stützkraft für den aufrechten Gang, sondern gleichzeitig ein hohes Maß an Beweglichkeit und Elastizität. Die gesamte Wirbel- säule besteht aus sieben Hals- wirbeln, zwölf Brustwirbeln, fünf Lendenwirbeln, fünf Kreuz- beinwirbeln sowie dem Steiß- bein aus drei bis vier Steißwir- beln. Zwischen den Wirbelkör- pern befinden sich die Band- scheiben. Diese haben eine Stoßdämpfer- und Puffer- Funktion und ermöglichen somit die Beweglichkeit des Rückens. Die Wirbelsäule beinhaltet außerdem den Spinalkanal. In ihm verläuft das empfindliche Rückenmark, das das Gehirn mit den Organen (peripheren Nervensystem) verbindet. Bei den minimal invasiven Techniken wird – im Gegensatz zur offenen Chirurgie – auf einen großen Schnitt verzichtet. Bei Verwendung von chirurgi- schen Instrumenten wie z. B. dem Operationsmikroskop reicht ein kleiner Schnitt um die 2 cm aus. Zu den Vorteilen der neuen Technik zählen Verminde- rung der Wundschmerzen, kleinere Narben und Kostenein- sparungen durch einen kürzeren Krankenhausaufenthalt. W i r b e l s ä u l e M i n i m a l i n v a s i v e C h i r u r g i e f a c t s Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 nen Beteiligten, der nicht mehr oder weniger davon profitiert.
Leider ist die Verbreitung noch nicht so stark vorangeschritten, wie man sich das wünschen würde. In Neurochirurgischen Zentren ist si- cherlich die Mikrochirurgie viel weiter verbreitet als in Orthopädischen oder in Traumatologischen Wirbelsäulen- zentren. Auch anhand der Anmel- dungen zu den Kursen, die wir in Ko- operation mit Carl Zeiss hier durch- führen, und anhand des Feedbacks von vielen internationalen Gästen aus unserer Klinik, ist ersichtlich, dass die Verbreitung noch nicht sehr groß ist und es einen hohen Ausbildungsbe- darf gibt.
Eigentlich ist es mühevolle Klein- arbeit. Man muss einerseits den Chi- rurgen von der mikro- bzw. minimal invasiven Chirurgie überzeugen. Das funktioniert am besten im OP, damit sie hautnah miterleben können, was für eine Art Operieren das ist. Andererseits muss man natürlich Kurse anbieten, am besten Kadaver- Workshops, bei denen die Teilnehmer in der Lage sind, diese Techniken zu praktizieren und sich von den persön- lichen Vorteilen zu überzeugen. Ich kenne keinen Kollegen, der je- mals durch ein Mikroskop geschaut hat oder durch ein Mikroskop ope- riert hat, der dann später das Mikro- skop wieder weggelegt hat und wie- der zur herkömmlichen Art der Chi- rurgie zurückgekehrt ist.
Die Wirbelsäulenchirurgie ist ei- gentlich ein relativ krisensicheres Spe- zialgebiet in dem auch weiterhin mit 40
Es gibt keine minimal invasive Chirurgie ohne Visualisierungssyste- me. Die minimal invasive Chirurgie ist nur dann möglich, wenn man opti- sche Hilfen hat wie z. B. ein Opera- tionsmikroskop. Diese Geräte ermög- lichen es uns, durch kleinste Haut- schnitte selbst in der Tiefe der Brust- und Lendenwirbelsäule, das notwen- dige Licht und die entsprechende Vergrößerung zu haben. Das ist die Voraussetzung. Wenn Sie das nicht haben, können Sie nicht minimal in- vasiv operieren.
Durch die Mikrochirurgie können wir weniger perioperative Morbidität verzeichnen d. h. durch den minimal invasiven Zugang treten weniger Schmerzen, weniger Blutverlust, kür- zere Liege-, stationäre Aufenthalts- und Rehabilitationszeiten auf. Durch die Techniken und Geräte können sie viel genauer, viel sicherer und viel komplikationsärmer arbeiten als Sie es mit dem bloßen Auge können. Wer profitiert denn sonst noch von dieser Art der Wirbelsäulen- chirurgie? Es profitieren alle Beteiligten. In erster Linie profitiert der Patient, aber auch der Chirurg und der Assistent. Der Chirurg ist durch diese Methode in der Lage sicherer zu arbeiten. Der Assistent profitiert, weil dieser im Prinzip das Gleiche sieht wie der Chirurg und somit durch „Onsite Tea- ching” leichter lernen kann. Es profi- tiert aber auch das komplette OP- Team einschließlich der Schwester, weil alle in der Lage sind den Eingriff hautnah mitzuverfolgen. Vor allem, wenn sie das Bild auf den Monitor oder mit einem Beamer an die Wand projizieren, kann jeder alles hautnah mitverfolgen. Es gibt eigentlich kei- Wachstum zu rechnen ist. Innerhalb der chirurgischen Fächer ist es das am dynamischsten wachsende Spezi- algebiet. Das kann man indirekt an den Wachstumsraten der medizi- nisch-technischen Industrie ablesen, wie viel Wirbelsäulenimplantate pro Jahr verkauft werden und was alles an neuen Verfahren entwickelt wird. Es ist mit weiterem Wachstum zu rechnen, unter anderem, weil immer mehr Chirurgen die Subspezialisie- rung suchen. Wenn man weltweit vergleicht, wie viele Kniespezialisten oder Hüftspezialisten es gibt und dann sieht wie viele Wirbelsäulenspe- zialisten, besteht da noch ein riesiger Nachholbedarf. Welche Zukunftsvisionen könnten Sie sich vorstellen? Der Chirurg wünscht sich natürlich noch mehr Flexibilität. Das Bild von der Operationsöffnung sollte unab- hängig von der eigenen Kopfstellung oder Position eines Monitors sichtbar sein. Es gibt die Möglichkeit digitalisier- te Bilder virtuell zu projizieren in so- genannte Head Mounted Displays, in Brillen oder sogar in den Raum (Aug- 41 Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 mented Reality). Bei der Augmented Reality wird im Prinzip über bestimm- te Techniken ein virtuelles, dreidimen- sionales Bild im Raum erzeugt. Diese Technik wird derzeit überwiegend für Werbefilme verwendet, wäre aber theoretisch auch in der Chirurgie denkbar.
Sie haben beispielsweise einen Pa- tienten vor sich liegen und schauen über eine bestimmte Öffnung in das Innere des Körpers. Wenn Sie das, was Sie innen sehen, auf die Körper- oberfläche projizieren könnten, dann könnten Sie fast wie bei einer norma- len offenen Wunde arbeiten. Sie ar- beiten in ihre Blickrichtung und se- hen das Innere des Körpers auf einer Folie auf der Patientenoberfläche oder auf einen Bildschirm projiziert. Das sind natürlich Zukunftsvisionen, die meines Erachtens den Komfort für den Chirurgen und auch die Ak- zeptanz der minimal invasiven Ver- fahren noch weiter erhöhen würden. Das wäre die absolute Chirurgie der Zukunft.
Die Bandscheiben zwischen den einzelnen Wirbel- körpern haben eine Stoßdämpfer- und Pufferfunktion und dienen als Abstandshalter zwischen den einzelnen Wirbeln. Durch die Verformbarkeit der Bandscheibe mildern sie Belastungen, die bei Bewegungen und starken Kräfteeinwirkungen den Rücken belasten. Mit zunehmendem Alter verliert die Bandscheibe an Flüssigkeit und damit auch an Elastizität. Heutzutage besteht bei gravierenden Verschleißerscheinungen die Möglichkeit, eine künstliche Bandscheibe zu implantie- ren. Mit Hilfe von körperverträglichen Bandscheiben- prothesen, die in den Zwischenwirbelraum eingesetzt werden, wird die natürliche Anatomie des Körpers wieder hergestellt und die Beweglichkeit des Rückens bleibt erhalten. B a n d s c h e i b e W i r b e l k a n a l v e r e n g u n g f a c t s Die Wirbelkanalverengung (Spinalkanalstenose) ist eine Verengung des Rückenmarkskanals. Abhängig von der Stelle, wo die Stenose im Wirbelkanal vorliegt, können sehr unterschiedliche Krankheitsbilder auftreten. Diese sind meistens mit starken Schmerzen, organi- schen Fehlfunktionen und Taubheit in den Extremitäten verbunden. Eine Spinalkanalstenose kann angeboren sein. Sie kann aber auch infolge von Knochenerkrankungen, Verletzungen oder degene- rativen (abnutzungsbeding- ten) Veränderungen, selte- ner auch durch Tumore, im Laufe des Lebens erwor- ben werden. Durch Fehl- belastungen degenerieren Bandscheiben deutlich schneller. Bandscheibe und Gewebe engen den Spinal- kanal ein. Es kommt zu einer Anstauung der Rü- ckenmarksflüssigkeit und zu einer schmerzhaften Reizung des Rückenmarks.
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Akten soweit das Auge reicht! Sie verbreiten jenes feine, spezifische Geruchsgemisch von altem Leder, Leinen, Buchbinderleim, Papier, Druckerschwärze und Patina, das den Experten in der Regel beim Betreten historischer Bibliotheken und Archive begrüßt. Wir befin- den uns jedoch in keinem dieser meist ehrwürdigen Gemäuer, son- dern in einem hochmodernen Gebäude im Norden von Leipzig im „Zentrum für Bucherhaltung“ (ZFB). Das ZFB ist aus den nach der Wieder- vereinigung in Leipzig zusammenge- fassten Zentralarchiven, der Deut- schen Bücherei und der Deutschen Bibliothek, hervorgegangen. Als ei- genständiges Institut bietet es seit 1998 umfassende Dienstleistungen für eine fundierte Erhaltung wertvoller Bibliotheks-, Archiv- und Museums- Buchbestände an. Es kann dabei auf eine wohl einmalige Erfahrung in der Hälfte der Kostbarkeiten an Autogra- phen und Büchern aus dem bren- nenden Unesco-Weltkulturerbe. Rund 50.000 Bände der Bibliothek, von Hand zu Hand weitergereicht, ge- langten so unversehrt ins Freie. Wei- tere 30.000 entgingen mehr oder weniger stark beschädigt dem Inferno. E r s t t i e f g e f r o r e n , d a n n g e t r o c k n e t u n d g e r e t t e t Letztere, von Feuer bereits angesengt und vom Löschwasser durchgetränkt, fanden erste Notaufnahme im ZFB. Hier wurden sie nach ihrem Scha- densausmaß sortiert und klassifiziert: Gruppe Eins nahezu unversehrt; Gruppe Sechs nahezu total zerstört. Die Behandlung begann mit einer vorübergehenden Einlagerung in gro- ße Kühlkammern. In Mull oder Vlies eingeschlagen verwandelte sich hier jedes durchnässte Buch bei minus 20 Grad Celsius binnen kurzer Zeit in einen durchgefrorenen Eisblock.
Papierrestaurierung zurückgreifen und kombiniert dieses Wissenspotenzial mit der Erforschung und Weiterent- wicklung neuer Methoden zur effi- zienten und rationellen Sicherung großer Buchmengen, für die weltweit erheblicher Bedarf besteht. Die Arbeit des ZFB ist in internatio- nal einschlägigen Fachkreisen ein Be- griff. Im Allgemeinen vollziehen sich Tätigkeit und Leistungen aber weitge- hend außerhalb öffentlichen Interes- ses. Das änderte sich im Herbst 2004 schlagartig, als das ZFB mit seinen ei- gens entwickelten Verfahren zur Ret- tung einer der wertvollsten und hi- storisch unersetzlichen Buchbestände beitrug, die in Deutschland erhalten geblieben sind. Was war geschehen? In der Nacht vom 2. September 2004 zerstörte ein verheerendes Feu- er weite Teile des historischen Gebäu- des der Herzogin Anna-Amalia-Biblio- thek in Weimar. Bewohner des Stadt- teils, Mitarbeiter und einige hundert spontane Helfer bildeten eine Men- schenkette, retteten mehr als die 43 Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 Auf diese Weise wurde jeder weite- ren Verformung und der Ausbreitung von Schimmelsporen vorgebeugt, außerdem wertvolle Zeit gewonnen. Obwohl das Institut dreischichtig ar- beitete, benötigte die sachkundig sorgfältige Schadensbegrenzung vor allem Zeit. Wer rechnet schon mit ei- nigen zehntausend Büchern, für die es von einer Stunde auf die andere um Sein oder Nichtsein geht. Im zweiten Schritt erfolgte die Ge- friertrocknung – ein Verfahren, für das das ZFB eine eigene Anlage entwi- ckelte, um den Büchern die Nässe zu entziehen. Würde man sie einfach an der Luft austrocknen lassen, verliefen Tinten, Farbkolorierungen, Drucker- schwärze und Verleimungen. Die Sei- ten würden verkleben, wellig und brüchig werden. Zu den bestehen- den Beschädigungen kämen weitere, schlimmere hinzu. Die Gefriertrock- nung verhindert stattdessen, dass die einmal zu Eis gewordene Feuchtigkeit des Buchblocks nochmals im her- kömmlichen Sinne auftaut. Sie sorgt dafür, dass das Eis gasförmig, sozusa- gen trocken, entweicht. Eine Büchermenge bis zu einer Tonne Gewicht wird in eine Unter- druckkammer eingeschlossen, die Innentemperatur der Kühlrohre im Kondenser wird auf minus 196 Grad Celsius abgesenkt und der Luftdruck, der normal etwa 1.000 Millibar be- trägt, unter 6 Millibar reduziert. Statt zu schmelzen, beginnt das Eis unter diesen Bedingungen zu „verdamp- fen“. In dieser Konsistenz kann es einfach abgesogen werden. In der Kammer wird wieder Normalluft- druck hergestellt und die Temperatur allmählich auf plus 20 Grad Celsius angehoben. Je nach Anzahl und For- mat der eingelagerten Bücher ist der Behandlungsprozess oft bereits nach 2 bis 3 Tagen beendet. Die Bücher sind durch und durch ausgetrocknet. Als letzter Behandlungsschritt folgt die manuelle Entfernung von verblie- benen Schmutzresten. Unter den Ab- sauganlagen der reihenweise instal- lierten Arbeitskabinen wendeten die Mitarbeiter des ZFB Seite für Seite, entfernten mit Pinsel und feiner Bürs- te vorsichtig das Staubgemisch aus Brandasche und Kalkverputz, den das Löschwasser von den Regalen, den Decken und Wänden der brennen- den Räume in die Bücher eingespült hatte. Mit dieser Nachsorge waren Rettungsaktion und Auftrag des ZFB abgeschlossen. Die so behandelten Patienten sind zwischenzeitlich wieder in Weimar eingetroffen, wo die Experten und Restauratoren der Anna-Amalia-Bib- liothek nun vor der schwierigen Ent- scheidung stehen, welche weiteren Rehabilitationsmaßnahmen sie ihren Schützlingen mit welcher Priorität an- gedeihen lassen. Eines ist sicher: Es wird Jahre dau- ern und erhebliche finanzielle Unter- stützung erfordern, bis das einmalige historische Kulturerbe dieser Samm- lung wieder wissenschaftlich und öf- fentlich zugänglich sein wird. Ganz werden sich die Brandspuren ohne- hin nicht mehr tilgen lassen.
Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 Säurefraß, die größte Sorge und Gefahr Das ZFB ist nach diesem spektakulä- ren Hilfseinsatz wieder zu seinen „normalen Tätigkeitsfeldern“ der Bucherhaltung zurückgekehrt, in de- ren Spektrum die Rettung nach Brandschäden eigentlich, oder besser gesagt Gott sei Dank, die Ausnahme bildet. Nicht Bücherwurm, Kupferstecher, Schimmel oder unsachgemäßer Um- gang gefährden vorrangig das histo- rische Kulturgut Buch. Nach den Schwerpunkten in der Bucherhaltung befragt, nennt Dr. Manfred Anders, Geschäftsführer des ZFB, als das größte Problem den Säurefraß, der bereits gut zwei Drittel aller weltweit, zeit- und kulturhistorisch bedeuten- den Buch-, Zeitungs- und Dokumen- tationsbestände gefährdet. Infolge des wachsenden Papierbe- darfs begann man bereits im 17. und 18. Jahrhundert mit allerlei Ingre- dienzien zu experimentieren, um die knapper werdenden Ausgangsstoffe kämpfung und allen Formen der Schadensbegrenzung von der Erfas- sung bis zur Behebung, soweit diese nach neuestem Stand der Forschung, der Erkenntnisse und Techniken mög- lich sind. Dabei wird Erstaunliches vollbracht – eine kaum noch entziffer- bare Notenhandschrift Beethovens, der nahezu zerfallene Erstdruck einer Lutherbibel wie die eigenhändige Planzeichnung eines Schinkel-Bau- werks vor weiterem Zerfall bewahrt. Natürlich gehen allen Entscheidun- gen, wie und mit welchen Methoden den unterschiedlichen Verfallsprozes- sen am besten entgegenzutreten ist, gründliche Analysen des Ist- und Al- terungszustandes voraus – zum Bei- spiel in Form der NIR-Spektroskopie. So ist es nahezu selbstverständlich, dass Zeiss im Zentrum für Bucherhal- tung mit Geräten zur wissenschaft- lich fundierten Untersuchung, Mes- sung und Methodik-Bestimmung prä- sent und sozusagen Partner ist. Warum dieser Aufwand, wenn man doch bereits alles auf Mikrofilm erfas- sen und digitalisieren kann, was im 44
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