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Offener Brief 
an den Bundesvorstand 
des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes 
 
Werte Genossen! 
Die außerordentliche Tragweite des englischen Generalstreiks
45
 für die gesamte internationale 
Arbeiterbewegung  und  insbesondere  für  die  deutschen  Arbeiter  veranlassen  uns,  dem 
Bundesvorstand des ADGB folgende Vorschläge zu einer wirklich tatkräftigen Unterstützung 
der englischen Arbeiterklasse zu machen: 
1.  Die  Brüsseler  Entschließung
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  des  Exekutivausschusses  der  Bergarbeiterinternationale 
bildet zweifellos eine günstige Basis für die Entfaltung einer internationalen Solidaritätsaktion 
für den Kampf der englischen Arbeiter. Jedoch hängt alles davon ab, daß die dort in Betracht 
gezogenen Maßnahmen so schnell wie möglich durchgeführt werden. Die englischen Arbeiter 
stehen  bereits  im  Kampf.  Jede  Stunde  ist  kostbar.  Jede  Verzögerung  der  Solidaritätsaktion 
nützt  unmittelbar  der  englischen  Bourgeoisie,  die  alle  ihre  Kräfte  zusammenrafft,  um  die 
englischen  Arbeiter  niederzuschlagen.  Es  gibt  nur  eine  Möglichkeit,  die  internationale 
Hilfsaktion  in  Gang  zu  bringen:  die  selbständige  Initiative  der  angeschlossenen  nationalen 
Verbände. Wir schlagen deshalb vor, unverzüglich das gemeinsame Vorgehen der wichtigsten 
Verbände  auch  in  Deutschland  zu  organisieren,  um  die  durch  den  Generalstreik  in  England 
geschaffene Lage auch zugunsten der deutschen Arbeiter auszunützen. 
2.  Die  KPD  betrachtet  es  als  ungenügend,  wenn  der  Bergarbeiter-  und 
Transportarbeiterverband  den  Export  von  deutscher  Kohle  bloß  nach  England  verhindert. 
Diese Maßnahme allein würde im gegenwärtigen Moment einen Schlag ins Wasser bedeuten. 
Denn es ist bekannt, daß die englische Industrie und das Transportwesen für längere Zeit mit 
Kohle eingedeckt sind. Worauf es ankommt ist zu verhindern, daß die deutsche Bourgeoisie 
in die Lage versetzt wird, für England auf dem Weltmarkt einzuspringen, um auf diese Weise 
zum  wirksamsten  Streikbrecher  gegenüber  der  kämpfenden  englischen  Arbeiterschaft  zu 
werden. Wir schlagen deshalb vor, daß für die Dauer des englischen Streiks jeglicher Export 
von Kohle eingestellt wird. 
3.  Ebenso  muß  verhindert  werden,  daß  unter  dem  Titel  „Reparationslieferungen”  der 
englischen  Bourgeoisie  Kohle  für  Exportzwecke  seitens  der  deutschen  Bourgeoisie  zur 
                                                 
45
 Der Generalstreik und der Bergarbeiterstreik in England wurden ausgelöst durch den Angriff der Unternehmer 
auf  den  Lebensstandard  der  Arbeiterklasse,  Die  Bergarbeiter  beantworteten  die  Aussperrung,  die  von  den 
Grubenbesitzern verhängt worden war, weil die Bergarbeiter einen Abbau der Löhne und eine Verlängerung des 
Arbeitstages  abgelehnt  hatten,  am  1.  Mai  1926  mit  dem  Streik.  Zum  Zeichen  der  Solidarität  mit  den 
Bergarbeitern  begann  am  3.  Mai  ein  Generalstreik,  an  dem  mehrere  Millionen  organisierter  Arbeiter  der 
wichtigsten  Zweige  der  Industrie  und  des  Verkehrswesens  teilnahmen.  Am  12.  Mai,  mitten  im  Kampfe  der 
Arbeiter,  übten  der  Führer  des  Generalrates  der  englischen  Trade-Unions  an  den  streikenden  Arbeitern  Verrat 
und  erklärten  den  Generalstreik  für  beendet.  Aber  der  Kampf  der  Bergarbeiter  ging  weiter.  Lediglich  die 
Repressalien der Regierung und der Unternehmer sowie die schwere materielle Lage zwangen die Bergarbeiter, 
im November 1926 den Streik einzustellen und die Bedingungen der Grubenbesitzer anzunehmen. 
46
  Die  Entschließung  wurde  am  16.  April  1926  auf  der  Tagung  des  Exekutivkomitees  der  reformistischen 
Internationalen  Bergarbeiterföderation  in  Brüssel  in  einer  Situation  angenommen,  in  der  sich  die  englischen 
Bergarbeiter zum Streik rüsteten. Die Entschließung spricht von einer allseitigen Unterstützung der Bergarbeiter 
und  versichert  feierlich,  „erforderlichenfalls“  alle  nationalen  Bergarbeiterverbände  zu  einem  Solidaritätsstreik 
aufzurufen. 
Die Tatsachen entlarven den demagogischen Charakter der Solidaritätserklärung. Die Bergarbeiter wurden von 
ihren reformistischen Führern verraten, die niemals daran dachten, die Entschließung zu verwirklichen. 

Verfügung  gestellt  wird,  weil  auf  diese  Weise  ein  großer  Teil  des  Exportbedarfs  der 
englischen Bourgeoisie für die nächste Zeit eingedeckt werden könnte. 
4.  Wir  schlagen  weiter  vor,  zur  sofortigen  Schaffung  eines  Unterstützungsfonds  für  den 
englischen Kampf einen Extrabeitrag von allen Mitgliedern des ADGB zu erheben. 
5. Die durch den Generalstreik in England geschaffene Lage ist besonders geeignet, endlich 
auch  in  Deutschland  den  Kampf  für  die  Forderungen  der  Bergarbeiter  und  der  gesamten 
Arbeiterschaft  -  Achtstundentag,  Siebenstundenschicht  im  Bergbau,  höhere  Löhne, 
ausreichende  Unterstützung  der  Erwerbslosen  und  Kurzarbeiter  -  zu  organisieren.  Es  ist 
durchaus  ungenügend,  wenn  der  BAV  den  Bergarbeitern  empfiehlt,  keine  Überschichten  zu 
verfahren. Notwendig ist die fristlose Aufhebung des Arbeitszeitabkommens und die restlose 
Wiederherstellung der Siebenstundenschicht. 
6.  Um  dies  zu  erreichen  und  den  Sieg  zu  gewährleisten,  ist  sofort  eine  gewerkschaftliche 
Allianz  der  Bergarbeiter,  Eisenbahnarbeiter,  Transportarbeiter  und  Metallarbeiter 
herzustellen. 
7. Die Durchführung all dieser, sowohl für die deutsche als für die englische Arbeiterklasse 
lebensnotwendigen Maßnahmen kann selbstverständlich nur im Kampfe erfolgen. Seit langem 
war die Lage nicht so günstig wie jetzt. Alle Voraussetzungen für eine siegreiche Beendigung 
des Kampfes sind gegeben. Die Sympathie der deutschen Arbeiterschaft für die Kämpfe der 
englischen  Brüder  hat  breiteste  Schichten  ergriffen.  Zur  Durchführung  dieser  und  aller 
anderen, sich aus der täglich sich verschärfenden Situation ergebenden Maßnahmen sowie der 
Beschlüsse der Brüsseler Tagung ist die Proklamierung des sofortigen Streiks der deutschen 
Berg-  und  Transportarbeiter,  der  Eisenbahner,  Binnenschiffer,  Hafenarbeiter  und 
Metallarbeiter  mit  dem  Ziele  der  restlosen  Unterstützung  des  englischen  Kampfes  und  der 
Durchsetzung  der  Forderungen  der  deutschen  Arbeiterschaft  notwendig.  Zur  Durchführung 
des Kampfes ist die Einsetzung einer zentralen Kampfleitung aus allen beteiligten Verbänden 
erforderlich.  Wir  halten  es  zum  Schluß  für  unbedingt  notwendig,  daß  der  ADGB  die  ganze 
deutsche Arbeiterschaft für diesen Kampf mobilisiert, sie zu Demonstrationsversammlungen 
aufruft,  in  denen  einerseits  der  tatkräftigen  Sympathie  zum  englischen  Kampfe  Ausdruck 
gegeben und andererseits der Kampfwille der breitesten Massen zusammengefaßt wird. 
8. Der Kampf in England ist eine Kraftprobe, die die imperialistische englische Bourgeoisie 
der  englischen  Arbeiterklasse  liefert,  weil  diese  sich  immer  mehr  und  mehr  für  den 
revolutionären Kampf um die Ziele des Sozialismus organisiert. Wir halten es für nötig, daß 
in  der  gewerkschaftlichen  Kampagne  dieser  Charakter  des  Kampfes  um  so  mehr 
herausgehoben  wird,  als  auch  in  Deutschland  die  Offensive  der  Unternehmer  von  einem 
immer schärfer werdenden Angriff der Reaktion gegen die Arbeiterbewegung begleitet wird. 
Wir  sind  der  festen  Überzeugung,  daß  eine  Durchführung  unserer  Vorschläge  die  Kraft  des 
deutschen  Proletariats  erhöhen  und  den  Einfluß  der  Gewerkschaften  in  den  breiten  Massen 
festigen  würde.  Wir  schlagen  Euch  vor,  diese  Vorschläge  zur  Grundlage  der  Aktion  des 
ADGB  anläßlich  des  Kampfes  in  England  zu  machen,  und  erwarten  von  Euch  eine 
dementsprechende Antwort. 
 
I. A.: Ernst Thälmann 
 
„Die Rote Fahne” 
vom 6. Mai 1926.

Der Tag der roten Front! 
 
Das  Pfingsttreffen  des  Roten  Frontkämpferbundes  steht  im  Mittelpunkt  des  brennenden 
Hasses  der  gesamten  Reaktion.  Wochenlang  ging  der  Sturm  um  sein  Verbot.  Wenn  die 
preußische  Regierung  es  nicht  gewagt  hat,  diese  einmütige  Forderung  der  legalen  und  der 
illegalen Faschisten zu  erfüllen, so ist dies nur  ein Ausdruck des  gewaltigen Massendrucks, 
der hinter unserem Roten Pfingsttag steht. 
Hunderttausende Arbeiter sammeln sich in Berlin um die Roten Frontkämpfer, und im Reich 
stehen  Millionen  in  derselben  Front.  Jawohl,  es  ist  ein  Kampfaufmarsch  gegen  die 
Bourgeoisie. Im Moment schärfster Provokationen gegen die Arbeiterklasse, der organisierten 
Vorbereitung des Staatsstreichs festigen wir die rote Front in ihrer ganzen Breite. Die Lage ist 
außerordentlich ernst. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß im kommenden Herbst und Winter 
Not  und  Elend,  Arbeitslosigkeit  und  Kurzarbeit  ins  Unerträgliche  wachsen  werden.  Das 
Unternehmertum  und  seine  Regierung  treffen  alle  Vorbereitungen,  um  den  Widerstand  der 
Arbeiterklasse  mit  der  Waffe  des  Staatsstreichs  und  der  Diktatur  niederzuschlagen.  Die 
faschistischen Bürgerkriegsarmeen werden unter dem Schutz der Reichswehr organisiert und 
bewaffnet. Die legale und illegale Konterrevolution sind zu einer Front verschmolzen. 
Zum  Volksentscheid  soll  der  werktätigen  Bevölkerung  eine  erste  Schlacht  geliefert  werden. 
Aus allen Teilen des Reiches mehren sich die Meldungen, daß die völkischen Kampftruppen
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unter  fürsorglichem  Schutz  der  republikanischen  Behörden  die  Abstimmung  mit 
terroristischen  Mitteln  verhindern  wollen.  Ein  Erfolg  des  Volksentscheids  soll  mit  allen 
Mitteln verhindert werden. Hier erwächst den Kameraden eine große, wichtige Aufgabe. Der 
Rote  Frontkämpferbund  muß  die  zum  Volksentscheid  aufmarschierenden  Massen  vor  den 
blutigen Anschlägen der Faschisten schützen. Er soll das wachsame Auge der proletarischen 
Einheitsfront  sein.  Die  Bourgeoisie  wird  gerade  in  den  nächsten  Monaten  mit  allen  Kräften 
bemüht  sein,  mit  Provokation,  Gewalt  und  hinterlistiger  Propaganda  die  proletarische 
Einheitsfront  zu  sprengen.  Der  Rote  Frontkämpferbund  ist  selbst  ein  Stück  dieser  Front.  Er 
soll in jede Lücke springen, die der Angriff der Bourgeoisie, der Verrat der Reformisten in die 
Reihen der Arbeiterklasse reißen. 
Viele  Kameraden  des  Reichsbanners  kommen  zu  uns,  angewidert  von  der  Feigheit  und 
Erbärmlichkeit  ihrer  kleinbürgerlichen  Führung.  Der  Rote  Frontkämpferbund  steht  jedem 
Arbeiter  offen,  der  ehrlich  für  die  proletarische  Einheitsfront  und  den  Sozialismus  kämpfen 
will. Wir stoßen auch jene nicht zurück, die noch von Illusionen über die Weimarer Republik 
befangen sind. 
Wollt  ihr  für  die  Einheitsfront  ohne  Vorbehalt  gegen  die  Bourgeoisie  kämpfen?  Wenn  ja, 
dann seid ihr uns willkommen als gleichwertige Kampfgenossen. 
Unser  Rotes  Pfingsttreffen  ist  nicht  nur  eine  Heerschau  der  Kräfte  -  es  ist  ein  Signal  zur 
Mobilisierung,  ein  Appell  an  die  Arbeiterklasse,  ein  Mahnruf  an  die  Indifferenten  und 
Säumigen: 
Die geballte Faust des Proletariats gegen die Reaktion! 
Bildet die rote Klassenfront! Schließt die Reihen zum Kampf! 
 
Vorwärts durch Kampf zum Sieg! 
 
„Die Rote Fahne” 
vom 23. Mai 1926.
                                                 
47
  Völkische  Kampftruppen  -  von  der  Reaktion  geschaffene  Organisationen  faschistisch-militaristischen 
Charakters  (Freikorps,  Stahlhelm,  Hitlerbanden  u.  a.)  zur  Niederhaltung  der  revolutionären  Arbeiterbewegung 
und aller anderen demokratischen Kräfte. 

Über die Taktik der Kommunistischen Partei Polens 
 
„Die  Rote  Fahne”  vom  23.  Mai  veröffentlichte  einen  Bericht  ihres  Warschauer 
Korrespondenten  über  die  Taktik  der  KPP  während  der  letzten  Ereignisse  in  Polen.  Dieser 
Bericht  spiegelt  die  Auffassung  gewisser  Kreise  der  Kommunistischen  Partei  Polens  wider. 
Wir können nicht umhin, diese Taktik der schärfsten Kritik zu unterwerfen. Der Verfasser des 
Artikels  geht  von  dem  durchaus  richtigen  Grundsatz  aus,  daß  die  Hauptaufgabe  der  Partei 
darin  bestand,  „die  Arbeitermassen  von  Pilsudski  und  dem  Pilsudskitum  zu  trennen”.  Aber 
aus diesem richtigen Grundsatz zieht der Verfasser die absolut unrichtige und antileninistische 
Schlußfolgerung,  daß  der  Weg  dazu  war,  „den  Kampf  Pilsudskis  gegen  die  Reaktion  zu 
unterstützen,  ihn  auf  möglichst  breite  Massen  auszudehnen  und  als  revolutionären  Kampf 
weiterzutreiben”. 
Worin besteht der Sinn dieses sogenannten Kampfes Pilsudskis gegen die Reaktion? Es ist für 
jeden  Marxisten  klar,  daß  an  dem  letzten  Umsturz
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  zwei  verschiedene  und  einander 
entgegengesetzte  Elemente  teilnahmen:  einerseits  die  Arbeiterklasse  und  die  werktätige 
Bauernschaft,  der  verarmte  Mittelstand,  die  unterdrückten  nationalen  Minderheiten  - 
andererseits  aber  die  Militärclique  in  der  Person  Pilsudskis,  dessen  Ziele  keineswegs 
revolutionär, sondern reaktionär sind. Er stellt sich nicht die Befreiung des Proletariats vom 
Joch der Faschisten und der Bourgeoisie zur Aufgabe, sondern den Verrat aller Schichten der 
Werktätigen  im  Namen  von  „Ruhe  und  Ordnung”,  im  Namen  der  bürgerlichen  Verfassung, 
im  Namen  des  Blocks  mit  der  Konterrevolution  und  im  Namen  der  lakaienhaften 
Liebedienerei  vor  dem  englischen  Imperialismus.  Eben  in  der  Verbindung  dieser 
konterrevolutionären  Rolle  mit  der  gleichzeitigen  Ausnutzung  der  Freiheitsillusionen  der 
breiten  Massen,  in  der  Aufrichtung  der  demokratischen  Flagge  über  den  weißen  Bajonetten 
besteht  der  eigentümliche  bonapartistische  Charakter  des  Pilsudskitums.  Darin  besteht  eben 
sein grundlegender Klassenwiderspruch. 
Unter  diesen  Verhältnissen  war  es  die  Aufgabe  der  Kommunistischen  Partei:  erstens,  die 
Illusionen  der  Massen  in  bezug  auf  „Pilsudskis  Kampf  gegen  die  Reaktion”  zu  vernichten; 
zweitens, den selbständigen, schonungslosen Kampf der Massen  gegen  Pilsudski und gegen 
die offene Reaktion zu organisieren. 
Wenn  man  aber  von  einem  „Kampf  Pilsudskis  gegen  die  Reaktion”  redet,  kann  man  die 
Illusionen  der  Massen  in  bezug  auf  Pilsudski  nicht  zerstreuen,  ja,  man  muß  sie  noch  mehr 
festigen. Redet man von einer „Unterstützung” dieses angeblichen Kampfes Pilsudskis gegen 
die Reaktion durch die Kommunistische Partei, so kann man weder die  selbständige Aktion 
des Proletariats gegen seine Feinde noch den Kampf gegen die bonapartistische verräterische 
Bande Pilsudskis selbst organisieren. Ganz im Gegenteil: Auf diese Weise kann man nur die 
Klassenaktivität des Proletariats lähmen, den Prozeß seiner Befreiung von jeglichen Illusionen 
hemmen und auf diese Weise faktisch, wenn auch unbewußt, Pilsudskis Lage erleichtern. 
In der Geschichte des bolschewistischen Kampfes finden wir ein glänzendes Beispiel dessen, 
wie  sich  eine  kommunistische  Partei  im  Moment  des  bewaffneten  Konfliktes  zwischen  den 
offenen  Weißgardisten  und  dem  kleinbürgerlichen  Bonapartismus  zu  verhalten  hat.  Dieser 
„Kampf  Pilsudskis  gegen  die  Reaktion”  erinnert  in  gewissem  Sinne  an  den  historischen 
Moment des Kampfes Kerenskis gegen Kornilow im Jahre 1917. Gewiß, es besteht ein großer 
Unterschied  zwischen  der  Situation  von  1917  in  Rußland  und  der  Lage  im  heutigen  Polen, 
aber  die  Klassenwertung  des  grundlegenden  geschichtlichen  Problems  bleibt  auch  für  den 
gegebenen Augenblick in Polen durchaus richtig. 
                                                 
48
  Gemeint  ist  der  bewaffnete  Umsturz,  der  von  Pilsudski  vom  12.  zum  13.  Mai  1926  vollzogen  wurde.  Das 
Ergebnis  des  Umsturzes  war  die  Errichtung  eines  Regimes  der  Diktatur  Pilsudskis  und  seiner  Clique,  die 
allmählich die Faschisierung des Landes vollzogen. 

Lenin hat keine Sekunde die Möglichkeit der Parole „Unterstützung des Kampfes Kerenskis 
gegen  Kornilow”  zugelassen.  Unmittelbar  nach  dem  Vormarsch  Kornilows  auf  Petrograd 
Anfang September schrieb Lenin in einem Brief an das Zentralkomitee der Partei, in dem er 
folgende genaue Direktive gab: 
 
„Die  Kerenskiregierung  dürfen  wir  selbst  jetzt  nicht  unterstützen.  Das  wäre  Prinzipienlosigkeit.  Man 
wird fragen: Soll man etwa gegen Kornilow nicht kämpfen? Gewiß soll man es! Aber das ist nicht ein 
und  dasselbe;  hier  gibt  es  eine  Grenze;  sie  wird  von  manchen  Bolschewiki  überschritten,  die  ins 
‚Paktieren’  verfallen  und  sich  vom  Strom  der  Ereignisse  mitreißen  lassen.” 
[W.  I.  Lenin,  „An  das 
Zentralkomitee der SDAPR(B)”; Lenin/Stalin, „Das Jahr 1917”, Dietz Verlag, Berlin 1950, S. 441.] 
 
Bedeutet  diese  Taktik  die  Neutralität  der  Kommunisten  im  Kampfe  der  Arbeiter-  und 
Bauernmassen gegen das Weißgardistentum? Keineswegs. Lenin sagte: 
 
„Wir  werden  kämpfen,  wir  kämpfen  gegen  Kornilow  ebenso  wie  die  Truppen  Kerenskis,  aber  wir 
unterstützen Kerenski nicht, sondern entlarven seine Schwäche. Das ist ein Unterschied. Das ist ein 
recht feiner, aber überaus wesentlicher Unterschied, den man nicht vergessen darf.” 
[Ebenda, S. 442.] 
 
Gerade  „diesen  Unterschied”,  der  recht  fein,  aber  höchst  wesentlich  ist,  haben  unsere 
polnischen Genossen übersehen. 
An  derselben  Stelle  definiert  Lenin  auch  die  neuen  positiven  Aufgaben  der  Bolschewiki 
unmittelbar nach Ausbruch des Kampfes: 
 
„Worin besteht nun die Änderung unserer Taktik nach dem Aufstand Kornilows? 
… das Volk (das gegen Kornilow kämpft) über Kerenskis Schwäche  und über seine  Schwankungen 
aufklären. Das taten  wir auch früher. Jetzt aber ist das die Hauptsache geworden: darin besteht die 
Änderung.”
 [Ebenda] 
 
Der  Warschauer  Berichterstatter  der  „Roten  Fahne”,  der  die  Ereignisse  in  Polen  darstellt, 
häuft Fehler auf Fehler. Die Aufgabe der KP erblickt er darin, daß sie „im Kampf zwischen 
dem Faschismus und den Massen der Pilsudskileute bestrebt sein muß, den Druck der Massen 
auf  ihre  Führer  in  der  Richtung  eines  tatsächlichen  Kampfes  gegen  den  Faschismus  um  die 
Macht  für  die  Verwirklichung  der  Forderungen  der  Arbeiter-  und  Bauernmassen  zu 
verstärken”. 
Diese Taktik hat mit Bolschewismus nichts gemeinsam. Diese Taktik hat nichts gemein mit 
folgendem Grundsatz Lenins: 
 
„Die Phrasen von der Verteidigung des Landes, von der Einheitsfront der revolutionären Demokratie, 
von  der  Unterstützung  der  Provisorischen  Regierung  usw.  usw.  müssen  eben  als  Phrasen 
schonungslos  bekämpft  worden.  Jetzt  ist  es  Zeit  zu  handeln:  ihr,  meine  Herren  Sozialrevolutionäre 
und  Menschewiki,  habt  diese  Phrasen  längst  abgedroschen.  Jetzt  ist  es  Zeit  zu  handeln,  den  Krieg 
gegen  Kornilow  muß man revolutionär  führen,  indem man  die  Massen  hineinzieht,  sie  in  Bewegung 
bringt, sie anfeuert (Kerenski aber fürchtet die Massen, fürchtet das Volk.).” 
[Ebenda, S. 443.] 
 
Der  Aufruf  des  ZK  der  KPP,  erlassen  in  dem  Moment,  als  der  bewaffnete  Kampf 
unvermeidlich geworden war, sagt: 
 
„Der  Platz  der  revolutionären  Arbeiter  ist  aber  in  diesem  Kampfe  in  den  Reihen  der  Gegner  der 
Regierung, der Faschisten und Kapitalisten.“ 
 
Das  bedeutet  soviel  wie  die  Anerkennung  der  Militärclique  Pilsudskis  als  tatsächlichen 
Gegner  der  polnischen  Kapitalisten.  Das  bedeutet  die  Entstellung  der  „Hauptsache”  bei  den 
polnischen Ereignissen. Das ist eine Vertauschung der „Tat” der Volksmassen unter Führung 
der  KP  durch  „Phrasen”  über  die  „revolutionäre  Einheitsfront  der  revolutionären 
Demokratie”. Lenin hatte tausendmal recht, als er im Herbst 1917 diese Taktik brandmarkte. 

Jeder polnische Kommunist, jedes Mitglied der Kommunistischen Internationale muß im Mai 
1926 mit aller Entschiedenheit diese selbe Taktik verurteilen. Wir sind fest davon überzeugt, 
daß unsere polnischen Genossen und das ZK unserer polnischen Bruderpartei aufs rascheste 
und energischste diese Fehler korrigieren werden. Die Kommunistische Internationale, die die 
Schwierigkeiten der KP Polens in der jetzigen Situation wohl begreift und den heldenhaften 
Kampf  der  polnischen  Genossen  sieht,  muß  ihnen  mit  allen  Mitteln  helfen,  ihre  Linie  zu 
korrigieren und die Massen auf den Leninschen Weg des Kampfes zu führen, sowohl gegen 
die Faschisten als auch gegen das Pilsudskitum. 
 
„Die Rote Fahne” 
vom 3. Juni 1926.

Die Bedeutung der Volksbewegung 
zur Fürstenenteignung 
 
Am  Tage  der  Abstimmung  über  das  Entgegnungsgesetz  ist  es  Pflicht  der  Kommunistischen 
Partei,  den  breiten  Massen  nochmals  die  Bedeutung  dieses  Kampfabschnittes  für  die  ganze 
Entwicklung ihres Befreiungskampfes gegen den Kapitalismus ins Gedächtnis zu rufen. Die 
Kommunisten lehnen die kleinbürgerlich-unmarxistische Deutung der Ursachen und Wurzeln 
dieser  Bewegung  ab,  die  sie,  losgelöst  von  den  Kämpfen  der  Klassen,  als 
„verfassungsrechtlichen” Kampf gegen die fürstlichen Räuber allein gewertet wissen will. 
Wir  gingen  in  diesen  Kampf  gegen  die  Fürsten  mit  der  bewußten  Überzeugung,  daß  er  in 
seinem Verlauf zu einem Kampf gegen die ganze Bourgeoisie werden muß. Unser Leitmotiv 
war  die  alte  Erfahrung  der  revolutionären  Arbeiterbewegung,  daß  jeder  Kampf  der 
Arbeiterklasse,  begonnen  auf  dem  Boden  der  bürgerlichen  Demokratie,  zu  einem 
revolutionären  werden  muß,  den  Rahmen  der  Demokratie  sprengt,  wenn  er  die 
Eigentumsinteressen der Bourgeoisie verletzt und die Bourgeoisie nicht mehr imstande ist, die 
Bewegung  mit  solchen  Mitteln  der  Demokratie  wie  Parlament,  Verfassung  usw.  
Niederzuhalten.  Hat  die  Entwicklung  unsere  marxistische  Betrachtungsweise  der 
Volksentscheidsbewegung  gerechtfertigt?  Vollkommen.  Die  Fronten  des  Kampfes  verlaufen 
jetzt  klar  und  eindeutig:  Auf  der  einen  Seite  die  Arbeiterklasse  und  Millionen  verelendeter 
Kleinbürger  und  Kleinbauern,  auf  der  anderen  Seite  die  ganze  Bourgeoisie,  von  den 
rheinischen Schlotbaronen und den ostelbischen Junkern bis zu den liberalen Händlern. Das 
Kampfobjekt  ist  nicht  die  Fürstenenteignung  allein,  sondern  sind  alle  Fragen  des 
proletarischen  Klassenkampfes.  Sogar  die  Sozialdemokratie,  die  von  den  Massen  in  diese 
Bewegung förmlich hineingepeitscht werden mußte, sieht sich jetzt gezwungen, vor dem Tage 
der  Abstimmung  die  Zollfrage,  der  in  den  nächsten  Wochen  außerordentliche  Bedeutung 
zukommen  wird,  in  die  Bewegung  gegen  die  Fürsten  zu  werfen.  Freilich  nicht  aus 
selbständigem  Willen  zur  Verbreiterung  und  Vorwärtstreibung  des  Kampfes,  sondern  unter 
dem Druck der Massen. Wir haben diese Entwicklung vorausgesehen und bewußt gefördert. 
Der  Brief  Hindenburgs  an  Loebell
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  war  für  uns  ein  zwangsläufiges  Erlebnis  der 
Klassenscheidung, die die Bewegung zur Folge haben mußte. 
Die  Bewegung  verläuft  noch  im  Rahmen  der  bürgerlichen  Demokratie,  aber  von  seiten  der 
Bourgeoisie sind alle Vorbereitungen  getroffen, um im Falle des Sieges der auf dem Boden 
der Demokratie begonnenen Bewegung die deutsche Arbeiterklasse vor die Entscheidung zu 
stellen,  den  Willen  der  Massen  im  schärfsten  außerparlamentarischen  Kampf  durchzusetzen 
oder zu kapitulieren. Drei Tage vor der Abstimmung erklärte Marx: 
 
„Eine  entschädigungslose  Enteignung  des  gesamten  Vermögens  bestimmter  Staatsbürger  in  der  im 
Entwurf  vorgesehenen  Art  und  Weise  widerspricht  den  Grundsätzen,  die  in  einem  Rechtsstaate  die 
Grundlage für jeden Gesetzgebungsakt zu bilden haben.” 
 
Ihm sekundiert der badische Demokratenführer Haas: 
 
„Der Volksentscheid mag ausfallen wie er will, Baden wird zu seinem 
[den Fürsten. 
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