Ernst Thälmann als Leitfigur der kommunistischen Erziehung in der ddr
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- Vorwort Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Übersichten und Abkürzungen I ZUR AUFGABENSTELLUNG
- 3. Bildung und Erziehung im Verständnis der DDR-Pädagogik
- 2. Kernpunkte des Thälmann-Bildes
- 3. Die pädagogische Bedeutsamkeit den biographischen Abhandlungen
- III ZUM VERHÄLTNIS DER SED-FÜHRUNG ZU ERNST THÄLMANN
- 2. Das Selbstverständnis der SED-Führer als Nachfolger Ernst Thälmanns
- 3. Zur politischen Einbeziehung des Thälmann-Bildes in den DDR-Alltag
- IV VERMITTLUNG DES THÄLMANN-BILDES IM RAHMEN DER KOMMUNISTI- SCHEN ERZIEHUNG
- 3. Politisch-ideologische Erziehung mit Hilfe des Thälmann-Bildes
- 4. Formen der Vermittlung des Thälmann-Bildes
- V VERMITTLUNG DES THÄLMANN-BILDES IM BEREICH DER BILDUNG IN DEN 70ER/80ER JAHREN
- 2. Vermittlung des Thälmann-Bildes mit Hilfe von Kinderliteratur
- Resümee
- VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN 1
Ernst Thälmann als Leitfigur der kommunistischen Erziehung in der DDR Von dem Erziehungswissenschaftlichen Fachbereich der Technischen Universität Braunschweig zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie — Dr. phil. — genehmigte Dissertation von René Börrnert geboren am 14. Juli 1971 in Wernigerode Erstreferent: Prof. Dr. Hein Retter Koreferentin: PD Dr. Petra Korte Tag der mündlichen Prüfung: 15.11.2002 VORWORT „Über den Thälmann-Kult nachzudenken oder zu reden, ist eigentlich langweilig. Ein armseliges, dürftiges Thema, das mit wenigen Gedanken auskommt.“ Dieser Aussage der Berliner Historikerin Annette Leo (1995, S. 205) möchte ich nach abgeschlossener Forschungsarbeit zu diesem Thema widersprechen. Schon der chronologische Vergleich der Dokumente, mit denen die SED seit Beginn der DDR- Geschichte den ehemaligen Kommunistenführer zu idealisieren versuchte, erwies sich als Offenbar- werden von eklatanten Widersprüchen. Noch interessanter aber war, Widersprüchlichkeiten in den Texten von solchen Autoren nachzuspüren, die das Thälmann-Bild vor und nach der politischen Wende unterschiedlich schilderten. Das Buch von Thilo Gabelmann (alias Egon Grübel) Thälmann ist niemals gefallen? Eine Legende stirbt von 1996 gab den eigentlichen Anstoß für meine erzie- hungswissenschaftlich ausgerichtete Forschung. Nicht zuletzt war die Beschäftigung mit den Doku- menten aus den 70er und 80er Jahren zugleich eine Auseinandersetzung mit meiner eigenen Biogra- phie, da ich in dieser Zeit auch mit Ernst Thälmann als Vorbild erzogen worden bin. Herrn Prof. Dr. Hein Retter möchte ich danken für die Betreuung der Arbeit. Ein weiterer Dank für hilfreiche Informationen und für die Bereitstellung von Dokumenten gilt: Herrn Prof. Dr. Werner Bramke (Universität Leipzig); Herrn Prof. Dr. Reinhard Golz und Herrn Dr. Wolfgang Mayrhofer (Universität Magdeburg); Frau Ursula Härtl und Frau Sabine Stein (Gedenkstätte Buchenwald- Weimar) sowie Frau Rotraud Urbanek (Mahn- und Gedenkstätte Wernigerode). R.B. Vorwort Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Übersichten und Abkürzungen I ZUR AUFGABENSTELLUNG................................................................................... 7 1. Aufgabenstellung und Ziel der Untersuchung.................................................. 7 2. Methodische Grundlagen und Forschungsmaterial.......................................... 8 3. Bildung und Erziehung im Verständnis der DDR-Pädagogik.......................... 9 4. Zur Gliederung der vorliegenden Arbeit........................................................... 11 II DAS THÄLMANN-BILD IN DER DDR................................................................... 12 1. Biographische Publikationen über Ernst Thälmann in der DDR.................. 12 2. Kernpunkte des Thälmann-Bildes.................................................................. 30 2.1 „Sohn seiner Klasse“.......................................................................................... 31 2.2 „Teddy“ und der Hamburger Arbeiteraufstand 1923........................................... 34 2.3 „Der beste Freund der Sowjetunion“.................................................................. 38 2.4 „Führer seiner Klasse“........................................................................................ 42 2.5 „Unbeugsam hinter Kerkermauern“.................................................................... 47 2.6 Die Ermordung Thälmanns................................................................................. 52 2.7 „Thälmann ist niemals gefallen“.......................................................................... 54 2.8 Frau und Tochter Thälmanns.............................................................................. 56 3. Die pädagogische Bedeutsamkeit den biographischen Abhandlungen.......... 60 4. Zur Idealisierung Thälmanns in den biographischen Abhandlungen............ 63 Zusammenfassung..................................................................................................... 74 III ZUM VERHÄLTNIS DER SED-FÜHRUNG ZU ERNST THÄLMANN.............. 76 1. Die SED als Nachfolgepartei der Thälmannschen KPD................................. 76 1.1 Die Beziehung der Kommunisten zu den Sozialdemokraten................................ 77 1.2 Die Beziehung der SED zur Sowjetunion............................................................ 79 2. Das Selbstverständnis der SED-Führer als Nachfolger Ernst Thälmanns..... 81 2.1 Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht..................................................................... 81 2.2 Erich Honecker................................................................................................... 84 3. Zur politischen Einbeziehung des Thälmann-Bildes in den DDR-Alltag....... 86 3.1 Tendenzen in der ersten Hälfte der DDR-Geschichte........................................... 86 3.2 Tendenzen in den 70er und 80er Jahren............................................................... 87 Zusammenfassung..................................................................................................... 91 IV VERMITTLUNG DES THÄLMANN-BILDES IM RAHMEN DER KOMMUNISTI- SCHEN ERZIEHUNG.................................................................... 92 1. Aufgaben und Ziele der kommunistischen Erziehung.................................... 92 2. Kommunisten als Vorbild in der Erziehung in der DDR................................ 95 3. Politisch-ideologische Erziehung mit Hilfe des Thälmann-Bildes................... 99 3.1 Pionierorganisation „Ernst Thälmann“................................................................. 103 3.2 Freie Deutsche Jugend........................................................................................ 108 4. Formen der Vermittlung des Thälmann-Bildes............................................... 113 4.1 Präsentation des Thälmann-Bildes....................................................................... 114 4.2 Gedenkveranstaltungen und Gedenkstätten......................................................... 123 4.3 Auszeichnungen und Namensverleihungen.......................................................... 139 Zusammenfassung..................................................................................................... 143 V VERMITTLUNG DES THÄLMANN-BILDES IM BEREICH DER BILDUNG IN DEN 70ER/80ER JAHREN................................................................................. 145 1. Das Thälmann-Bild im Unterrichtsplan der allgemeinbildenden POS.......... 145 1.1 Deutsche Sprache und Literatur.......................................................................... 145 1.2 Heimatkunde...................................................................................................... 151 1.3 Geschichte.......................................................................................................... 158 1.4 Kernpunkte des Thälmann-Bildes im Unterrichtsplan der POS............................ 163 2. Vermittlung des Thälmann-Bildes mit Hilfe von Kinderliteratur................... 164 2.1 Kernpunkte des Thälmann-Bildes in den Kinderbüchern...................................... 179 2.2 Kindgerechte Vermittlung des Thälmann-Bildes.................................................. 179 2.3 Zur Einbeziehung der Kinderbücher bei der Vermittlung des Thälmann-Bildes.... 181 Zusammenfassung..................................................................................................... 183 Resümee............................................................................................................................ 184 Literatur............................................................................................................................ 188 Dokumentation................................................................................................................. 213 VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN 1 Prämissen der Jungpioniergebote und der Thälmannpioniergesetze im Vergleich.................... 107 2 Formen der Vermittlung des Thälmann-Bildes im Rahmen der kommunistischen Erziehung.............................................................................................................................. 144 3 Texte zu Ernst Thälmann in den Lesebüchern. der POS.......................................................... 151 4 Kernpunkte des Thälmann-Bildes im Unterrichtsplan der POS (Deutsch; Heimatkunde; Geschichte Klasse 9).............................................................................................................. 163 5 Kinderliteratur über Ernst Thälmann....................................................................................... 164 6 Kernpunkte des Thälmann-Bildes in den Kinderbüchern über Ernst Thälmann........................ 179 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS APW Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR DEFA Deutsche Film-Aktien-Gesellschaft DEWAG Deutsche Werbe- und Anzeigengesellschaft DFD Demokratischer Frauenbund Deutschlands DSF Deutsch-Sowjetische Freundschaft EKKI Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale FDJ Freie Deutsche Jugend IML Institut für Marxismus-Leninismus (am ZK der SED) JSB Jung-Spartacus-Bund KJVD Kommunistischer Jugendverband Deutschlands KomIntern Kommunistische Internationale KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion KPR (B) Kommunistische Partei Rußlands (Bolschewiki) NVA Nationale Volksarmee POS Polytechnische Oberschule SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands USPD Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands VKPD Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands ZK Zentralkomitee ZPA Zentrales Parteiarchiv I ZUR AUFGABENSTELLUNG 1. Aufgabenstellung und Ziel der Untersuchung Mit dem Ende der DDR verschwanden auch die ideologischen Konstrukte, mit deren Hilfe die SED ihren alleinigen Machtanspruch legitimierte. Zuallererst war das ein marxistisch-leninistisches Welt- bild, in dem Geschichte als historisch determinierter Prozeß gesehen wurde, der zugleich aber unter Führung dieser einen Partei gesteuert werden sollte. Hierzu gehörte ebenso ein Bildungs- und Erzie- hungssystem, das dieses Weltbild vermittelte und den Nachwuchs im Sinne der parteieigenen Interes- sen erzog. Nach der politischen Wende 1989 verschwanden die politischen Leitfiguren, die hierbei eine tragende Rolle gespielt hatten. Einer solchen Leitfigur der SED widmet sich die folgende Arbeit: Ernst Thälmann. Der 1886 geborene Thälmann avancierte in den 1920er Jahren zum Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands. Nach Hitlers Machtübernahme 1933 wurde er verhaftet und verbrachte 11 ½ Jahre in Einzelhaft, bis ihn die SS 1944 ermordete. In der DDR lag die Staatsführung seit Anbeginn in kommunistischen Händen. Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht, einst Genossen von Thälmann, versuchten die Erinnerung an ihn in der Bevölkerung wachzuhalten. Daß die Besinnung auf Thälmann von Seiten der SED Züge einer heldenhaften Glori- fizierung aufwies, wobei der Arbeiterführer Thälmann als antifaschistischer Märtyrer dargestellt wur- de, belegt eine Reihe von neueren Publikationen. So verdeutlicht insbesondere Annette Leo, auf wel- che Weise die SED Thälmann zu einer „glatten Propagandafigur“ stilisierte (Leo 2002; 2000a; 2000b; 1999a; 1995; 1992a). Auch die Autoren des Sammelbandes Ernst Thälmann - Mensch und Mythos (2000 herausgegeben von Peter Monteath), darunter Regina Scheer, Klaus Kinner und Her- mann Weber, trugen zur Aufdeckung von Diskrepanzen zwischen der SED-Geschichtsschreibung und historischen Fakten bei. Die Publikation von Thilo Gabelmann Thälmann ist niemals gefallen? Eine Legende stirbt von 1996 war der Auslöser für eine Diskussion um den nach der Wende erst einmal vergessenen Thälmann. Drei Jahre nach Gründung der DDR verlieh die SED ihrer Pionierorganisation den Namen Ernst Thälmanns. Damit etablierte sie den ehemaligen Kommunistenführer zu einem wichtigen Vorbild. Zwei Publikationen, in denen eine Erörterung dieser Relevanz zu erwarten wäre, gehen nicht explizit auf diese Bedeutung Thälmanns ein. Gemeint sind die Arbeiten von Leonore Ansorg über die Ge- schichte der Pionierorganisation von 1948 bis Ende der fünfziger Jahre (Ansorg 1997) und von Sonja Häder über Ostberliner Sozialisationsbedingungen in genau diesem Zeitraum (Häder 1998). So läßt sich feststellen, daß bislang keine Forschungsarbeit vorliegt, die sich der Frage nach einer Bedeutung Ernst Thälmanns für das Erziehungs- und Bildungssystem in der DDR eingehend widmet. Diese For- schungslücke soll hiermit geschlossen werden. Ich konzentriere mich dabei auf folgende Themen- komplexe und Forschungsfragen. 1. Formen der Darstellung Ernst Thälmanns in der DDR: Zu untersuchen ist, welches Bild von Ernst Thälmann in der DDR vorherrschte. Gab es in der gesamten DDR-Geschichte ein einheitliches Thälmann-Bild? Der Begriff „Thälmannbild“ soll die erwähnte Diskrepanz zwischen historischem Original und dem von der SED verzerrten Abbild Thälmanns verdeutlichen. 2. Beziehung der SED zu Ernst Thälmann: In welcher Weise sah sich die SED mit Ernst Thälmann verbunden? Wie bezog sie den ehemaligen KPD-Vorsitzenden in ihre eigene Parteidarstellung ein? Lassen sich in den 40 Jahren DDR-Geschichte markante Veränderungen des Thälmann-Bildes der SED feststellen? Welche persönliche Beziehung zu Thälmann hatten die SED-Führer Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht und Erich Honecker? 3. Vermittlung des Thälmann-Bildes: Zu klären ist, in welcher Beziehung das Thälmann-Bild zu den erziehungsrelevanten Normen der SED stand. Wie, in welchen Institutionen und in welcher Weise, wurde das Thälmann-Bild vermittelt? Lassen sich für Kinder, Jugendliche und Erwachsene unter- schiedliche Vermittlungsformen nachweisen? Obwohl die Studie grundsätzlich die gesamte Zeit der DDR erfaßt, hat sie einen besonderen Schwer- punkt in der Ära Honecker - den Zeitraum 1970 bis 1989. Bildungspolitisch war diese ein homogene- rer Zeitabschnitt als die vorangegangenen 15 Jahre, geprägt durch das Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem von 1965, das bis zur Wende unverändert blieb. Gegenstand der Analyse ist ein umfangreicher Korpus von Texten, die unter der Kontrolle bzw. im Auftrag der SED entstanden. Sie spiegeln jene Gesinnungen, politischen Einstellungen und Verhal- tenserwartungen wider, die die Partei der Arbeiterklasse von den Bürgern der DDR, insbesondere von der Jugend, erwartete. Es handelt sich um ein Konstrukt von normativen Soll-Vorgaben, die die Persönlichkeitsentwicklung im Prozeß der Erziehung und Bildung bestimmen sollten, oft in der Form präsentiert, daß Sollensformulierungen im Indikativ formuliert wurden, um sie als bereits erreichtes Verhalten zu präsentieren. Das von der SED vermittelte Thälmann-Bild, das hier analysiert wird, war fester Bestandteil dieses normativen Konstruktes einer ideologischen Erziehung, die den Alltag der DDR prägte. 2. Methodische Grundlagen und Forschungsmaterial Mit dem Ende der DDR verschwanden eine große Zahl von alltagsrelevanten Dokumenten, die zuvor umfangreich in Archiven aufbewahrt waren. Zu nennen sind hier an vorderster Stelle pädagogische Fachzeitschriften und Zeitungen für Pioniere und FDJler. Im Zuge der Umstrukturierungen, aufgrund von Platzmangel oder auch nur, weil sich niemand mehr dafür interessierte, verschwanden diese in- folge der politischen Wende nach und nach aus den Archiven. Die für die Untersuchung relevanten Quellentexte, zum Beispiel die Zeitschrift der Thälmannpioniere Trommel, existieren inzwischen nur noch unvollständig, so in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin. Viel dramatischer aber ist, daß diese Quellen aufgrund der schlechten Druck- und Papierqualität in absehbarer Zeit un- leserlich sein werden. Eine kleine Auswahl von wichtigen Quellentexten zum Thema ist daher in ei- nem Dokumentationsteil am Ende der Arbeit angefügt. Die Analyse der eruierten Quellen richtete sich vorrangig auf Deskription und Nachweis, in welcher Weise Ernst Thälmann von der SED dargestellt und wie es im Bildungs- und Erziehungssystem ver- ankert war. Die Interpretation ist hierbei historisch-systematisch ausgerichtet, das heißt, die dem thematischen Anliegen zu Grunde liegenden Sachverhalte und Schlüsselbegriffe werden in einen grö- ßeren historischen und sachlichen Zusammenhang gebracht. Der historische Zusammenhang besteht hier darin, daß alle Quellen im Zeitraum des Bestehens der DDR entstanden und als Grundlage für das politische Handeln in diesem Land relevant waren. Darin eingebettet sind die Texte, die speziell für die Darstellung der Vermittlung des Thälmann-Bildes in der zweiten Hälfte der DDR-Geschichte untersucht wurden. In diesem Zeitraum waren solche grundlegenden Begriffe wie Erziehung und Bildung einheitlich definiert; auch die bildungsgesetzliche Grundlage (zum Beispiel die Lehrpläne) war relativ einheitlich. Sachlich konzentrierte sich die Analyse auf das forschungsleitende Thema „Ernst Thälmann“. Hinsichtlich der oben beschriebenen forschungsleitenden Fragen wurden im ein- zelnen folgende Quellenarten untersucht. − Für die Analyse des Thälmann-Bildes der SED wurden alle relevanten biographischen Darstel- lungen aus dem gesamten Zeitraum der DDR-Geschichte untersucht, das waren monographische Abhandlungen ebenso wie kleinere biographische Texte in Agitations- und Propagandamaterialien. Hierzu zählen auch literarische Bearbeitungen wie Kinderbücher oder Filmszenarien. In diesem Zu- sammenhang wurden ebenfalls die von der SED herausgegebenen Schriften und Reden Ernst Thäl- manns untersucht. Zur Aufdeckung möglicher verzerrter oder idealisierender Darstellungen des Thälmann-Bildes wurden neben den SEDimmanenten Publikationen auch biographische Darstellun- gen aus der Bundesrepublik und aus der Zeit nach 1989 herangezogen. Deren Lektüre sollte für ei- nen kritischeren Blick auf die SED-Dokumente sorgen. − Abhandlungen zur Geschichte der SED sowie Grundsatzerklärungen (Parteiprogramme, Partei- tagsreden) wurden hinsichtlich der Beziehung zwischen SED und Ernst Thälmann untersucht. Die im vorherigen Punkt genannten Quellen, vor allem das Agitations- und Propagandamaterial, wie auch die Vorworte in den von der SED herausgegebenen Schriften von Thälmann, wurden zu diesem Zweck ebenfalls herangezogen. Auch Reden und Schriften der SED-Führer wurden hinsichtlich der Frage untersucht, wie sich die Partei im allgemeinen und die einzelnen Führer im besonderen auf Thälmann bezogen. Die Frage nach dem persönlichen Bezug der SED-Führer zu Ernst Thälmann sollte ebenso die Analyse biographischer und autobiographischer Beschreibungen von und über Pieck, Ulbricht und Honecker klären. Dabei wurden auch Publikationen aus der Zeit nach 1989 in die Auswertung mit einbezogen. − Für die Erfassung der bildungspolitisch verbindlichen Vorgaben der SED wurden öffentlich pro- pagierte und publizierte Quellen untersucht, wie Grundsatzerklärungen von Mitgliedern der Partei- und Staatsführung auf Parteitagen und Pädagogischen Kongressen und die dort verkündeten Leitlini- en und Bilanzierungen, die in Parteiprogrammen, Bildungs- und Schulgesetzen verankert worden sind. Als generelle erziehungstheoretische Konzeptionen aus dem Bereich der politisch-ideologischen Arbeit wurden Publikationen des Zentralrates der FDJ, der Pionierorganisation und der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften untersucht. Für die Erfassung konkreter methodisch-didaktischer sowie fachlich-inhaltlicher Konkretisierungen zur Vermittlung von Ernst Thälmann als Vorbild der Pioniere und FDJler dienten mir Vorgaben für Pionierleiter und Lehrer. Das waren zum einen gene- relle Anweisungen (z.B. Handbuch für Pionierleiter), zum anderen spezielle Hinweise in den päd- agogischen Fachzeitschriften Pionierleiter, Junge Generation und Deutsche Lehrerzeitung. Ebenso wurden die Pionierzeitungen Trommel, Frösi, ABC-Zeitung und die FDJ-Tageszeitung Junge Welt in die Untersuchung mit einbezogen. Für den Bereich der Bildung stand die Analyse von Lehrplänen, Lehrbüchern, Lehr- und Unterrichtsmaterialien sowie Unterrichtshilfen für die Polytechnische Ober- schule aus der Zeit von 1970 bis 1989 im Vordergrund. Spezielle Hinweise zur Vermittlung des Thälmann-Bildes fanden sich auch in Diplomarbeiten, die an Instituten für Lehrerbildung in der DDR verfaßt wurden. 3. Bildung und Erziehung im Verständnis der DDR-Pädagogik Bildung und Erziehung waren die beiden wichtigsten Oberbegriffe in der Pädagogik der DDR. Sie wurden in der wissenschaftlichen Analyse und Planung zwar als zwei voneinander zu trennende Pro- zesse gesehen, in der Wirklichkeit des pädagogischen Prozesses jedoch bilden sie eine dialektische Einheit, die sogenannte „Einheit von Bildung und Erziehung“, die im „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem der DDR“ (§ 5) verankert ist (Ministerrat der DDR 1971, S. 15). Die Einheit von Bildung und Erziehung war im darauf aufbauenden Lehrplan didaktisch-methodisches Grundkonzept. Dabei wurde von der Auffassung ausgegangen, daß die Unterrichtsziele „in beträcht- lichem Maße Erziehungsziele sind, daß der Unterrichtsstoff bedeutende Erziehungspotenzen enthält, daß der Lern- und Entwicklungsprozeß der Schüler immer auch als Erziehungsprozeß zu gestalten ist und daß die Führung durch den Lehrer auf die Bildung und Erziehung der jungen Generation ge- richtet sein muß“ (Neuner u.a. 1972, S. 129f.). Eine eindeutige Zuordnung der beiden Begriffe ist nur im begrenzten Maße möglich (Retter 1971, S. 84). Es lassen sich aber die wesentlichen Kriterien von Erziehung wie auch von Bildung zusammenfassen. Erziehung: In der DDR-Pädagogik ist die „Erziehung im engeren Sinne“ (Erziehung i. e. S.) von der „Erziehung im weiteren Sinne“ (Erziehung i. w. S.) unterschieden worden. Dabei kennzeichnete Er- ziehung i. w. S. eine Formung des Individuums durch seine Auseinandersetzung mit der natürlichen und sozialen Umwelt. Der aus der Sowjet-Pädagogik stammende Begriff bezieht sich auf eine „so- ziale Formung“ des Menschen „durch das Leben“ (Alltag, Mitmenschen). Erziehung i. w. S. sei kaum geplant und laufe eher unbewußt ab. Demgegenüber ist Erziehung i. e. S. (diese ist im folgen- den gemeint, wenn nur von Erziehung die Rede ist) vorwiegend institutionalisiert und zielorientiert. Bezeichnet ist hiermit der Prozeß, in dem zielstrebig Überzeugungen, Einstellungen und Charakter- eigenschaften der Persönlichkeit entwickelt und angeeignet werden sollen. Der Erziehungsprozeß ist ganzheitlich gedacht und als gesellschaftliche Aufgabe formuliert (Laabs u.a. 1987, S. 108ff.). Das bedeutet, erzogen werden sollte nicht allein in Elternhaus und Schule, sondern beinahe überall, vor allem auch innerhalb der politischen Massenorganisationen (Pionierorganisation, FDJ, SED, Gewerk- schaft usw.). In gleicher Weise wurden sogenannte „gesellschaftliche Erziehungskräfte“ zur erziehe- rischen Mithilfe herangezogen. Das konnten unter anderem Vertreter der Patenbrigade, Arbeitervete- ranen oder Berufssoldaten (in der vormilitärischen Ausbildung) sein. Erzieherische Hauptaufgabe in der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ nach dem VIII. Par- teitag der SED 1971 sollte sein, „die junge Generation zu verantwortungsbewußten sozialistischen Staatsbürgern zu erziehen, die eine hohe wissenschaftliche Bildung besitzen, kulturvoll leben, über eine hohe sozialistische Moral verfügen und standhaft die Ideen des Sozialismus verteidigen“ (Mini- sterrat der DDR 1971, S. 3). Auf dem IX. Parteitag 1976 wurde die Bedeutung von Erziehung noch stärker an das gesellschaftspolitische Ziel geknüpft: das Parteiprogramm betonte die „kommunisti- sche Erziehung“, das blieb bis zum Ende der DDR maßgebend. Der VIII. Pädagogische Kongreß 1978 erklärte die „kommunistische Erziehung“ zum gesellschaftlichen Auftrag der Schule (Ministeri- um für Volksbildung 1979). Seit Mitte der 70er Jahre orientierte sich das gesamte Bildungswesen zunehmend an „hohen kommunistischen Idealen“. Im SED-Programm ist das folgendermaßen fest- gehalten: „Das Bildungswesen hat die Aufgabe, junge Menschen zu erziehen und auszubilden, die, mit solidem Wissen und Können ausgerüstet, zu schöpferischem Denken und selbständigem Handeln befähigt sind, deren marxistisch-leninistisch fundiertes Weltbild die persönlichen Überzeugungen und Verhaltensweisen durchdringt, die als Patrioten ihres sozialistischen Vaterlandes und proletarische Internationalisten fühlen, denken und handeln. Das Bildungswesen dient der Erziehung und Ausbil- dung allseitig entwickelter Persönlichkeiten, die ihre Fähigkeiten und Begabungen zum Wohle der sozialistischen Gesellschaft entfalten, sich durch Arbeitsliebe und Verteidigungsbereitschaft, durch Gemeinschaftsgeist und das Streben nach hohen kommunistischen Idealen auszeichnen“ (Parteipro- gramm der SED 1986, S. 66; original 1976). Bildung: Anders als im Rahmen der Erziehung, also der Entwicklung und Aneignung von Überzeu- gungen, Einstellungen und Charaktereigenschaften, sollten im Rahmen der Bildung, die im Sinne von „sozialistischer Allgemeinbildung“ zu verstehen ist, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten ver- mittelt werden (Laabs u.a. 1987, S. 57). Bildung stand hierbei in direktem Zusammenhang mit Erzie- hung und fand in einem einheitlichen Prozeß statt. Oberstes Ziel von Bildung und Erziehung war die „allseitig gebildete sozialistische Persönlichkeit“. Einer solchen Persönlichkeit sollte der SED zufolge eine sozialistische Allgemeinbildung ebenso eigen sein wie kommunistische Einstellungen und Über- zeugungen, insbesondere Liebe und Treue zum Vaterland (im reiferen Alter die Fähigkeit und Bereit- schaft, das sozialistische Vaterland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen), Disziplin und Organi- siertheit, Geschichtsbewußtsein, Verbundenheit mit der Sowjetunion und anderen Bruderländern sowie Solidarität mit der revolutionären Bewegung (Neuner 1975). Eine derartige Form von Erzie- hung läßt sich als primär politisch und ideologisch orientiertes Einwirken auf die Erziehungsobjekte verstehen. Mit der kommunistischen Erziehung sah die SED eine der wichtigsten Voraussetzungen geschaffen für den allmählichen Übergang der Gesellschaft hin zum Kommunismus (Gottschalg/Wolter 1979, S. 84). Lernen (vor allem die Aneignung der wissenschaftlichen Weltanschauung des Marxis- mus/Leninismus und eines dementsprechenden Klassenstandpunktes), produktive Arbeit und Teil- nahme am politischen Kampf sollten die sozialistische Persönlichkeit festigen. Traditionell autoritäre Erziehungsformen wie Unterweisung und Belehrung ergänzten die Prägung der DDR-Bürger in ei- nem komplizierten und komplexen, aber historisch determinierten Erziehungsprozeß, wie es im „Pädagogischen Lexikon“ beschrieben ist (Laabs u. a. 1987, S. 207; Gottschalg/Wolter 1979, S. 84). Zwar schrieben die führenden Pädagogen der DDR dem Unterricht hierbei die größte Bedeutung zu, doch sollte Erziehung und Bildung letztlich ganztägig erfolgen, zum Beispiel auch in der Pionierar- beit am Nachmittag (ausführlicher hierzu unter IV.1) Download 5.01 Kb. Do'stlaringiz bilan baham: |
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