Ernst Thälmann als Leitfigur der kommunistischen Erziehung in der ddr


   Zur Gliederung der vorliegenden Arbeit


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4.  
Zur Gliederung der vorliegenden Arbeit
In folgender Weise sind die Forschungsergebnisse in der vorliegenden Arbeit dargestellt:
Im Mittelpunkt von Teil 2 steht die Erörterung des Thälmannbildes der SED, das sich vorrangig aus
den biographischen Quellen ergibt. Die wichtigsten Monographien werden dabei vorgestellt und auf
inhaltliche Zusammenhänge und Unterschiede verglichen.
Teil 3 beschreibt die Beziehung der SED und deren Führer zu Ernst Thälmann. Auch wird die von
der SED hervorgehobene Bedeutung Ernst Thälmanns für die DDR beschrieben. Die Erörterung
dieser Beziehung berührt den gesamten Zeitraum der DDR-Geschichte, wobei generelle Tendenzen
der Vermittlung des Thälmann-Bildes in den Anfangsjahren der DDR-Geschichte denen aus der
zweiten Hälfte gegenübergestellt sind.
Die Teile 4 und 5 gehen explizit auf die Vermittlung des Thälmann-Bildes in der Zeit von 1970 bis
zum Ende der DDR ein. Dabei steht in Teil 4 die Erziehung am Vorbild Ernst Thälmanns im Vorder-
grund. Die wesentlichen Vermittlungsmethoden im Rahmen der politisch-ideologischen Erziehung in
der Pionierorganisation und der FDJ werden anhand von Beispielen ausführlich nachgezeichnet.
Demgegenüber konzentriert sich Teil 5 auf die Darstellung der Präsenz des Thälmann-Bildes im Un-
terrichtsplan der allgemeinen polytechnischen Oberschule. Im gleichen Teil werden auch Kinderbü-
cher über Ernst Thälmann thematisiert, die bei der Vermittlung von Kenntnissen über Leben und
Wirken Ernst Thälmanns spielten.
Teil 6 faßt die wesentlichen Erkenntnisse der Untersuchungen zusammen. Eine Dokumentation am
Schluß der Arbeit enthält grundlegende Quellentexte zum Forschungsgegenstand.


II
DAS THÄLMANN-BILD IN DER DDR
Die populäre Darstellung der Person Ernst Thälmann in der DDR - hier bezeichnet als Thälmann-
Bild - ergibt sich aus den Beschreibungen von Seiten der SED und solchen Schriftstellern, die mit
dieser Partei verbunden waren. Es läßt sich ein umfangreicher Korpus an biographischen Darstellun-
gen finden, so Monographien, Bildbände, biographische Abhandlungen in Sammelwerken (z.B. Lexi-
ka), biographische Sammelbände (z.B. Bild- und Dokumentenbände) oder biographische Bearbei-
tungen (z.B. Literarisierungen und Verfilmungen). Die von Thälmann selbst verfaßten Schriften (Re-
den, Aufsätze und Briefe aus der Haftzeit) wurden in Auswahl von der SED (nie als Gesamtausgabe)
herausgegeben. In den von Schriftstellern und Historikern verfaßten biographischen Arbeiten sind
aber auch Texte von Thälmann zitiert, die nicht eigenständig veröffentlicht worden waren.
Im folgenden wird das breite Spektrums der Darstellungsweisen des Thälmann-Bildes erläutert. Die
wesentlichen Publikationen werden dargestellt. Anschließend sind relevante Punkte des Thälmann-
Bildes zusammengefaßt.
1
Biographische Publikationen über Ernst Thälmann in der DDR
1.1
Biographische Monographien
In der gesamten Geschichte der DDR erschienen pro Dekade jeweils ein bis zwei relevante mono-
graphische Darstellungen Ernst Thälmanns. In den 50er und 60er Jahren waren diese verfaßt von
Schriftstellern, die Thälmann selbst noch persönlich gekannt hatten. In der zweiten Hälfte wurden
diese Darstellungen von jüngeren Historikern und Journalisten verfaßt. Alle Autoren aber schrieben
im Auftrag der SED. Im folgenden Abschnitt sind in chronologischer Anordnung die wichtigsten
monographischen Darstellungen dargestellt, von denen die wesentlichen Aussagen hervorgehoben
sind. Zu den Verfassern wird dabei, soweit sich dies ermitteln ließ, ein kurzer biographische Hinweis
gegeben. Für meine Untersuchung lagen im einzelnen folgende Monographien vor:

 
1951: Willi Bredel: Ernst Thälmann: Beitrag zu einem politischen Lebensbild (5. Aufl.). Berlin
(Dietz);

 
1956: Rudolf Lindau: Ernst Thälmann: Leben und Kampf. Berlin (Dietz);

 
1961: Walter Bartel: Ein Held der Nation: Aus dem Leben Ernst Thälmanns. Berlin  (Verlag
Neues Leben);

 
1961: Institut für Marxismus-Leninismus (Hrsg.): Deutschlands unsterblicher Sohn - Erinnerun-
gen an Ernst Thälmann (2. Aufl.). Berlin (Dietz);

 
1975: Zeno Zimmerling: Ernst Thälmann - Leben und Kampf: Ein Dokumentarbericht (2. Aufl.).
Berlin (Verlag Neues Leben);

 
1973/ 1976: Werner Horn: Ernst Thälmann - Führer der deutschen Arbeiterklasse Berlin 1973;
bzw. unter dem Titel „Ernst Thälmann zum 90. Geburtstag“. Berlin 1976;

 
1980: G. Hortzschansky, W. Wimmer u.a. Autoren des IML: Ernst Thälmann - Eine Biographie
(Zwei Bände) (2. Aufl.). Berlin;

 
1988: G. Hortzschansky/ W. Wimmer : Ernst Thälmann. Kleine Biographie. Berlin.


1951: Willi Bredel: Ernst Thälmann: Beitrag zu einem politischen Lebensbild (5. Aufl.). Berlin
Der in Hamburg geborene Willi Bredel (1901-1964) lernte Ernst Thälmann als Freund im Elternhaus
kennen (Bock 1964, S. 10). Seit 1919 selbst Mitglied der KPD, gehörte der junge Schriftsteller Bre-
del zu den von kommunistischen Partei geförderten Künstlern. Er nahm 1923 am Hamburger Arbei-
teraufstand teil und kämpfe im spanischen Bürgerkrieg als Interbrigadist in der „Thälmann-Kolonne“.
In der DDR gehörte Bredel zu den bekanntesten Autoren. Auch war er Präsident der Deutschen
Akademie der Künste (Müller-Ensberg u.a. 2001, S. 109f.).
Bredels Biographie über Thälmann erschien 1948 zum ersten Mal. Ernst Thälmann ist hier beschrie-
ben als ein Kämpfer, der „heißen Herzens“ die Sozialistische Oktoberrevolution in Rußland begrüßte
(ebenda, S. 50), der 1923 „heroisch“ im Hamburger Arbeiteraufstand kämpfte (ebenda, S. 72) und
der als Parteivorsitzender mit Überlegenheit und klarem Kopf die politische Lage analysierte (ebenda
S. 73). In der Kerkerhaft zeigte sich seine wahre Stärke. Die Hitlerfaschisten glaubten, ihn nach el-
feinhalb Jahren seelisch und körperlich zerrüttet zu haben, „sie mußten jedoch erfahren, daß ihr Ge-
fangener an Geisteskraft und Seelenstärke sie titanenhaft überragte und daß seine charaktervolle Ge-
sinnungstreue auch durch die infamsten Foltermethoden nicht zu brechen war“ (ebenda, S. 154).
Bredel formulierte erstmals das sogenannte „Thälmannsche Vermächtnis“ (siehe Dokument B 2.a).
In dem Buch von Bredel finden sich ebenfalls ein Vorwort von Wilhelm Pieck und eine Gedenkrede
Walter Ulbrichts (gehalten am 18. August 1948). Pieck dankt Bredel für dessen „Gedenkschrift zu
Ehren Ernst Thälmanns“, die er „jedem deutschen Werktätigen, insbesondere der deutschen Jugend,
zum auf aufmerksamen Studium“ empfiehlt (Pieck, in Bredel 1951, S. 9). Pieck betitelt Thälmann als
„bedeutendsten Führer der deutschen Arbeiterbewegung in der Zeit der Weimarer Republik“, der
treu und standhaft, ehrlich und unerschrocken, unermüdlich, aufrichtig und selbstlos wie kein zweiter
gewesen sei (ebenda, S. 11).
1956: Rudolf Lindau: Ernst Thälmann: Leben und Kampf. Berlin.
Der Hamburger Rudolf Lindau (1888-1977) war KPD-Mitglied der ersten Stunde. Der Historiker
leitete in der DDR als erster Direktor die Parteihochschule „Karl Marx“, wurde aber auf Beschluß
der Partei 1950 abgesetzt (Leonhard 1955). Als die Biographie über Thälmann 1956 erschien, war
Lindau als wissenschaftlicher Assistent (mit Professorentitel) am Institut für Marxismus-Leninismus
des Zentralkomitees der SED (IML; bis 1956 Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut) tätig. Des öfteren
geriet er in Auseinandersetzung über historische Genauigkeiten mit Walter Ulbricht, der sich selbst
ebenso als Historiker verstand (Eberlein 2001, S. 362f.; Müller-Ensberg u.a. 2001, S. 527).
Lindaus Darstellung ist zwar chronologisch geordnet, weist aber in den Absätzen, in denen es um
Thälmanns politischen Weg geht, zeitliche Sprünge auf. Lindau kennzeichnet Thälmann als freund-
schaftlich mit den Linksradikalen verbunden. Deren „Organisationsschrullen“ habe er jedoch abge-
lehnt (Lindau 1956, S. 13f.). Insgesamt schlägt Lindau einen etwas kritischeren Ton als Bredel an.
So ist Thälmann hier „kein geborener Sozialist“ (ebenda, S. 7). Auch fehlen solch heroische Floskeln
wie „titanenhaft“, wie sie Bredel verwendet hatte. Mehrfach richtet sich Lindau mit kritischen Aus-
sagen gegen Rosa Luxemburg. (ebenda, S. 10, 20, 29). Diese negative Beurteilung entspricht einem
politischen Zeitgeist der SED, der von Stalin bereits seit Juni 1931 bestimmt wurde. Grund für die
Ablehnung Luxemburgs war deren Ablehnung des „Prinzips des demokratischen Zentralismus“, der
Form von Apparateherrschaft, wie sie die KPdSU und sodann auch KPD und schließlich die SED
praktizierten (Weber 1962, S. 81f.).
Auch in der Beschreibung Lindaus ist Thälmann „der große Sohn des deutschen Volkes, der aus der
Masse der Arbeiter hervorgewachsene Führer seiner Klasse“. Er steht als „Inbegriff all dessen, was
die Arbeiterklasse befähigt, ihre große menschheitsbefreiende Mission zu erfüllen“ (ebenda, S. 35).
Die Biographie von Lindau wurde laut Scheer (2000, S. 42) zeitweilig aus dem Verkehr gezogen.
Ein Grund dafür mag die oben beschriebene Kritik an Luxemburg gewesen sein, die von der SED im


Zuge der Entstalinisierung in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre zurückgenommen wurde. Lu-
xemburgs politische Stellung wurde in der Folgezeit „korrigiert“, das heißt ihre Kritik wurde umin-
terpretiert (Weber 1962, S. 81f.; als Beispiel solcher Art der Interpretation steht Bartel 1961).
1961, im Jahr des 75. Geburtstages von Ernst Thälmann, erschienen zwei Monographien. Das war
zum einen die Biographie von Walter Bartel und zum anderen die Textsammlung verschiedener Au-
toren unter dem Titel „Deutschlands unsterblicher Sohn“ (IML 1961, 1963).
1961: Walter Bartel: Ein Held der Nation: Aus dem Leben Ernst Thälmanns. Berlin.
Walter Bartel (1904-1992) war Mitglied der KJVD und der KPD. Wegen „Vorbereitung zum Hoch-
verrat“ wurde er verurteilt und mußte ab 1933 27 Monate im Zuchthaus (Brandenburg-Goerden)
absitzen. 1935 emigrierte er in die Tschechoslowakei und wurde daraufhin „wegen Feigheit“ aus der
Partei ausgeschlossen. 1939 geriet er erneut in Gefangenschaft und war bis Kriegsende im Konzen-
trationslager Buchenwald inhaftiert. Maßgeblich beteiligte er sich an der Leitung des „illegalen La-
gerkomitees“. Der Historiker Walter Bartel war in der DDR als Vizepräsident des „Internationalen
Buchenwaldkomitees“ aktiv. Über Ernst Thälmann verfaßte er neben der hier genannten Biographie
zahlreiche weitere Schriften (Bartel, 1961, 1986, in Holtz-Baumert 1971).
Die Biographie von Bartel ist der neu herangewachsenen Generation gewidmet, die Thälmann und
seine Zeit aus eigenem Erleben nicht mehr kennt. So heißt es im Klappentext: „Das große Kämpfer-
leben dieses bedeutenden Sohnes und Führers der deutschen Arbeiterklasse, das von der Bismarck-
schen Sozialistenverfolgung bis zum Untergang der faschistischen Diktatur reicht, ist besonders an-
getan, der jungen Generation ein Vorbild zu geben und sie mit den revolutionären Traditionen der
Arbeiterbewegung bekannt zu machen“.
Kritik an Rosa Luxemburg, wie sie der Text von Lindau aufweist, gibt es bei Bartel nicht mehr. Im
Gegenteil, Luxemburg wird hier sinnstiftend arrangiert. Sie tritt auf als Kritikerin und Aufklärerin
über den „falschen und verräterischen Weg der rechten sozialdemokratischen Führung“ (Bartel 1961,
S. 20, 43). Als „tapferer Friedenskämpfer“ steht sie neben Karl Liebknecht, Wilhelm Pieck und Ernst
Thälmann. So formuliert Bartel (S. 49): „Der große Lenin sagte über Karl Liebknecht und Rosa Lu-
xemburg: ‘Die ‘Spartacusgruppe’ betreibt ihre revolutionäre Propaganda immer intensiver. Der Na-
me Liebknecht, des unermüdlichen Kämpfers für die Ideale des Proletariats, wird in Deutschland mit
jedem Tag immer volkstümlicher’“. Bartel schließt Luxemburg in das Zitat von Lenin ein, obwohl
sich dieser im Grunde nur auf Karl Liebknecht bezieht. Daß Lenin sich wirklich auf seine kritische
Kontrahentin bezogen hat, ist eher unwahrscheinlich (Weber 1962, S. 8).
Was Luxemburg, Liebknecht und Pieck in Berlin, das habe Thälmann in Hamburg versucht: die Auf-
klärung der Massen. Bartel stellt Thälmanns Namen gleichrangig neben die der Kommunisten (da-
mals noch Spartakisten) (S. 30 bis 57). Scheinbar sollte dies den Eindruck von einer frühzeitigen
kommunistischen Gesinnung Ernst Thälmanns vermitteln, der zu der Zeit aber SPD- bzw. USPD-
Mitglied war. Bartel zitiert Worte von Thälmann, die in solche Richtung zielen (aus dem Jahr 1919)
„Wenn ich meinem Herzen nachginge, wäre ich schon längst in den Spartacusbund eingetreten“.
Als Motto der Biographie steht ein Spruch von Walter Ulbricht, in dem dieser Thälmann als populär-
sten Arbeiterführer nach August Bebel und Karl Liebknecht bezeichnet. Der Name August Bebel
taucht allerdings im Buch kein zweites Mal auf. Ulbricht bezeichnet Thälmann weiterhin als „einen
Volkstribun neuen Typus“.
Aus der Biographie von Walter Bartel ergab sich für die junge Lesergeneration der 1960er Jahre in
der DDR zusammengefaßt folgende Kennzeichnung Ernst Thälmanns.
Ernst Thälmann lebte in einer Zeit, die reich an stolzen Erfolgen war. Aber auch Rückschläge und Nie-
derlagen gab es. Bei diesen Ereignissen bewies er einen unerschrockenen Mut. In den Revolutionskämp-
fen hat er mehr als einmal sein Leben eingesetzt. Als Parteiführer hat er seine Person nie geschont, als
Redner und Agitator war Ernst Thälmann einer der populärsten Persönlichkeiten. Die Arbeiter jubelten


ihm zu. Er hat sich in Stunden des ungeheuerlichen Verrats an den Interessen und politischen Idealen der
Arbeiterbewegung durch die rechten sozialdemokratischen Führer das Vertrauen und die Liebe der Ar-
beitermassen erworben. Er schmeichelte ihnen nicht, sondern er sprach ungeschminkt die Wahrheit aus.
Dadurch erzog er die Werktätigen zum selbständigen politischen Denken und Handeln. Er selbst lernte
mit Vorliebe von ihnen. Noch in den letzten Tagen seiner Kerkerhaft vertraute er der unversiegbaren re-
volutionären Kraft der deutschen Arbeiterklasse und wies ihr den Weg. [...] Ernst Thälmann hatte das
Leben eines Arbeiterkindes kennengelernt und in seiner politischen Tätigkeit mit der Schaffung von Ju-
gendsektionen in den Gewerkschaften begonnen. In seiner ihm eigenen, so temperamentvollen Art blieb
er stets aufs engste mit der Jugend verbunden. (Bartel 1961, Klappentext).
1961: Institut für Marxismus-Leninismus (Hrsg.): Deutschlands unsterblicher Sohn - Erinnerungen
an Ernst Thälmann (2. Aufl.). Berlin.
Nicht ein Erzähler, sondern 67 Autoren
*
 beschreiben in der zweiten Thälmann-Biographie von 1961
ihre Erinnerungen an Ernst Thälmann (IML 1961, auch 1963 = 3. Auflage). Allesamt sind sie „her-
vorragende Partei- und Staatsfunktionäre und Veteranen der Arbeiterbewegung“. In den Schilderun-
gen ihrer „kleinen Erlebnisse mit einem großen Menschen“ (Heymann 1961) berichten sie stolz von
persönlichen Erlebnissen mit „Teddy“. Beispielsweise formuliert Opitz (1961) so: „Ich hatte die Eh-
re, die vom Genossen Ernst Thälmann durchgeführten, die Massen aufwühlenden Kundgebungen [...]
mitverantwortlich zu leiten“ (S. 372), „In bester Erinnerung bleibt mir auch ...“ (S. 373), „Auch mir
schlug das Herz höher, wenn ich [...] Genossen Ernst Thälmann, mit dem Blick auf die unübersehba-
re begeisterte Menge, das Wort erteilen konnte“ (S. 375), „Mir war es vergönnt, in jenen sturmbe-
wegten Tagen, als die Wolken am politisch braun und schwarz verhangenen Himmel immer dunkler
wurden, mit dem Genossen Ernst Thälmann Stunden ernster Arbeit, aber auch Stunden der Freude
zu erleben“ (S. 379).
Die Autoren bekräftigen allesamt den überragenden Klassencharakter des Genossen Thälmann. Die
wichtigsten Aussagen der Aufsätze sind meist parolenmäßig in deren Titeln enthalten. So ist Thäl-
mann das „Gold der deutschen Partei“ (Janaschek 1961); er ebnete den Genossen den Weg (Peschke
1961) und war ihnen „Lehrer, Freund und Vater“ (Berg-Andrej 1961), aus seinen Worten hörte man
das gute Herz (Gräf 1961), er überredete nicht, sondern überzeugte (Herholz 1961), „er wußte im-
mer, was die Arbeiter dachten und fühlten“ (Warnke 1961), auch war er immer „am Puls der Arbei-
terklasse“ (Bartel 1961).
In diesen „Erinnerungen“ sah die SED eine „wesentliche Bereicherung“ der parteigeschichtlichen
Kenntnisse (IML 1961, S. 6). Im Vorwort heißt es dazu: „Die Erinnerungen schildern eindrucksvoll
und lebendig die Entwicklung Ernst Thälmanns vom Hamburger Transportarbeiter zum Vorsitzenden
der Kommunistischen Partei Deutschlands, die als einzige politische Partei in der Weimarer Republik
konsequent die Interessen der Arbeiterklasse wie die nationalen Interessen des deutschen Volkes
vertrat“ (ebenda, S. 5). Die Widmung der Biographie gilt Thälmann als „dem hervorragenden Sohn
und Patrioten“ des Volkes, dem „konsequenten Kämpfer gegen den deutschen Imperialismus und
Militarismus“, dem „Symbol des antifaschistischen Kampfes in Deutschland und in der ganzen Welt“.
In seiner Person verkörperten sich, so die SED, „alle Eigenschaften eines vorbildlichen Kämpfers für
die Interessen des Volkes“ (IML 1961, S. 5f.). In späteren biographischen Abhandlungen tauchen
Passagen aus diesem Buch ganz oder in Auszügen immer wieder auf (u.a. Haferkorn/Kücklich 1975;
Zentralrat FDJ 1986).
*
 Abusch, Apelt, Bartel, Bathke, Behnke, Berg-André, Biering, Boulanger, Buchmann, Dahlem, E. Daub, P. Daub,
Deter, Dettmann, Dünninghaus, Dünow, Eggerath, Einicke, Esche, Fink, Fleischer, Fomferra, Franke, Gäbler, Geffke,
Glückauf, Gräf, Gropper, H. Grosse, L. Grosse, Gundelach, Gyptner, Hahn, Heinks, Herholz, Heymann, Jannack,
Jendretzky, Kaßner, Kluczynski, Koenen, Kroh, Lehmann, Lindau, Mahle, Melis, Neddermeyer, Opitz, Overlach,
Peschke, Peterson, Pieck, Rau, Reimann, Reutter, Scheiber, Schumann, Selbmann, Switalla, R. Thälmann, Ulbricht,
Vieregg, Vogt, Warnke, Weinert, Werner, Wiesner, Willmann, Wloch - alle 1961; Dünow 1963.


1975: Zeno Zimmerling: Ernst Thälmann - Leben und Kampf: Ein Dokumentarbericht (2. Aufl.).
Berlin.
Für die Jugend geschrieben ist die Biographie von Zimmerling, die vor der Buchpublikation in der
FDJ-Zeitung „Junge Welt“ 1973 abgedruckt war. Zimmerling war dort als Redakteur tätig (Wimmer
1975a, S. 28). Mit dem Untertitel „Ein Dokumentarbericht“ erschien das Buch erstmals 1974 in der
Reihe „Wissenswertes für junge Leute“ des Verlags Neues Leben. Die Einleitung kommt einer Inter-
pretationsvorgabe gleich. Formuliert in der ersten Person Plural unterstreicht sie den gesellschaftli-
chen Charakter des Werkes und gibt dem Leser vorab die wesentliche Zusammenfassung.
Dieses Buch verfolgt erregend den mutigen Lebensweg des 1925 zum Vorsitzenden der KPD gewählten
Hamburger Arbeiters Ernst Thälmann. Wir spüren die Hingabe, mit der der dem Elternhaus entflohene
17jährige als SPD-Mitglied und Gewerkschafter den Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung auf-
nimmt. Wir empfinden die Konsequenz, mit der er seinen Weg weitergeht, der ihn in die KPD und fest
an die Seite Lenins führt. Wir folgen seinen Gedanken als Theoretiker, der früh die Gefahr des Faschis-
mus erkennt und den Kampf gegen sie organisiert. Dies und seine enge Massenverbindung lassen seine
tiefe Menschlichkeit und seine Kraft gebende Kämpfernatur spüren, die auch elf Jahre faschistischer
Kerker nicht zu brechen vermochten. (Zimmerling 1975, S. 1).
1973//1976: Werner Horn: Ernst Thälmann - Führer der deutschen Arbeiterklasse Berlin 1973;
bzw. unter dem Titel „Ernst Thälmann zum 90. Geburtstag“ Berlin 1976.
Beide Darstellungen von Horn, der Dozent und Anfang der 70er Jahre auch Leiter der SED-
Parteihochschule „Karl Marx“ war, enthalten fast identische Texte. Die erstgenannte Biographie aus
dem Jahr 1973 wurde vom Zentralrat der FDJ herausgegeben; die zweite, um ein Schlußkapitel er-
weitert, von der Parteihochschule. In dieser Weise waren beide Arbeiten erwartungsgemäß keine
solcherart populären Darstellungen wie alle übrigen hier untersuchten Monographien.
Im Vorwort der Publikation von 1973 begründet der Verfasser das Anliegen der Arbeit: sie „soll
allen Pionieren, FDJlern, den Mädchen und Jungen unserer Republik Hilfe sein, sich noch bewußter
als bisher zu bemühen, das Vermächtnis unseres Ernst Thälmanns in ihren Worten und Taten leben-
dig zu halten und in seinem Geiste als sozialistische Patrioten und proletarische Internationalisten zu
handeln und vor allem die feste Freundschaft und Liebe zur Sowjetunion als Prüfstein für jeden jun-
gen Menschen anzusehen“ (Horn 1973, S. 3). Gleich einem Lehrbuchtext ist Horns Schilderung
über Thälmann verfaßt. Die grundlegende politische Bedeutung des Arbeiterführers ist mit Hilfe von
fett gedruckten Sätzen hervorgehoben. Dokument B 1.a. faßt diese Sätze zusammen.
Horns Arbeit von 1976 war als Agitations- und Propagandamaterial für SED-Mitglieder bestimmt.
Im Schlußkapitel mit dem Titel „Die SED setzt das Werk der Kommunistischen Partei Deutschlands,
das Werk Ernst Thälmanns fort“ betont Horn die Absicht der SED, Leben und Kampf Thälmanns
„und die heroischen Traditionen“ der KPD weiter „mit großen“ Anstrengungen zu propagieren.
Das Zentralkomitee unserer Partei unternahm nach dem VIII. Parteitag große Anstrengungen, um Leben
und Kampf Ernst Thälmanns und die heroischen Traditionen der KPD zu propagieren. Diese Arbeit half
wesentlich, allen Mitgliedern unserer Partei, der Arbeiterklasse, der Jugend und allen Bürgern der so-
zialistischen Deutschen Demokratischen Republik bewußtzumachen, daß die SED das Werk der Kom-
munistischen Partei fortsetzt und eine Partei des proletarischen Internationalismus ist. (Horn 1976, S. 6)
1980: Günter Hortzschansky, Walter Wimmer und andere Autoren des IML: Ernst Thälmann - Eine
Biographie (Zwei Bände) (2. Aufl.). Berlin.
1979 erschien die bis dato umfangreichste biographische Arbeit über Ernst Thälmann. Unter Leitung
von Günter Hortzschansky und Walter Wimmer erarbeiteten die Historiker Lothar Berthold, Heinz
Karl, Horst Neumann, Stefan Weber sowie Katja Haferkorn, Rainer Holzer, Erika Kücklich und


Hans Vieillard die Thälmann-Biographie. Diese Biographie sollte den Worten der Autoren des ML
zufolge dazu beitragen, „den reichen Erfahrungsschatz dieses Kämpferlebens zu vermitteln. Es wird
versucht, die Entwicklung Ernst Thälmanns vom klassenbewußten Arbeiter, vom Hamburger Partei-
und Gewerkschaftsfunktionär zum Vorsitzenden der KPD und zu einem führenden Funktionär der
Kommunistischen Internationale nachzuzeichnen, Thälmann als Verkörperung des im Klassenkampf
gereiften, vom Marxismus-Leninismus durchdrungenen Arbeiterführers darzustellen“ (ebenda, S. 5).
Auf 800 Seiten ist das Leben Thälmanns in fünf Zeitabschnitte unterteilt: 1886-1920, 1921-1925,
1925-1933, 1933-1944. Diese Aufteilung mag die Meinung der SED unterstreichen, daß mit der
Führung Thälmanns ein neues Kapitel in der Parteigeschichte begonnen habe. Mit diesem „Neube-
ginn“, so läßt sich vermuten, wollte die SED ebenso eine deutliche Abgrenzung zur bisherigen Par-
teigeschichte verdeutlichen. Mit Thälmann an der Parteispitze seien alsdann alle, wie Lenin es nannte,
„Kinderkrankheiten“ der Partei, überwunden gewesen (Bathke 1961). Der Leninsche Ausdruck der
Kinderkrankheiten bezieht sich in der KPD vor allem auf parteiinterne Auseinandersetzungen mit den
„Ultralinken“, in erster Linie mit Ruth Fischer und Arkadi Maslow. Jene betrieben der SED-
Interpretation zufolge „unfruchtbares Gezänk“, „Cliquenwirtschaft“ und „leeres Geschwätz“. Mit
ihrem „Geschrei“ wollten sie die Partei angeblich in die Irre führen (Hortzschansky/Wimmer u.a.
1980, S. 249). Ernst Thälmann dagegen wendete „klar und einfach“ die „Leninistischen Normen“ an
und verurteilte das „Sektierertum“ der Ultralinken wie auch ihre „Abweichungen vom Marxismus-
Leninismus und proletarischen Internationalismus“ (ebenda, S. 249f.).
Die Auseinandersetzungen in der Partei hätten, so die Historiker des ILM weiter, die „Aufrichtigkeit
und Gerechtigkeit“ Thälmanns Wesen bewiesen. Damit und auch durch seinen „revolutionären Opti-
mismus“ habe er sich das „Vertrauen des revolutionären deutschen Proletariats erworben“ (Hortz-
schansky/Wimmer u.a. 1980, S. 251). Daß es vielleicht doch mehr das Vertrauen von Stalin war, das
er gewann und mit seiner Unterstützung an die Spitze der Partei befördert wurde - so ist es zum Bei-
spiel bei Matern 1951 zu lesen -, kommt hier nicht zur Sprache. In dieser Beziehung macht auch die-
se Biographie keine Ausnahme vor den anderen biographischen Abhandlungen aus der Zeit nach
1956. Stalins Name taucht im ganzen Buch neun Mal auf, kein einziges Mal jedoch im direkten Be-
zug zu Thälmann. Das Anfang der 50er Jahre von Bredel beschriebene enge Verhältnis zu Stalin ist
hier tabu. Es bleibt lediglich Lenin, an dem sich Thälmann orientierte.
Kontinuierlich hatte Thälmann sich in den Reihen der KPD als proletarischer Klassenkämpfer und Be-
rufsrevolutionär entwickelt und sich in zahlreichen Klassenschlachten  bewährt. Sein konsequent inter-
nationalistischer Standpunkt hatte sich weiter gefestigt; er ging konsequent von der Erkenntnis aus: Die
deutsche Arbeiterklasse kann nur im Bunde mit der Sowjetunion, ihre Partei kann nur auf dem von Le-
nin und der Partei der Bolschewiki gewiesenen Wege im Kampf gegen den Imperialismus bestehen.
Ernst Thälmann hatte reiche Kampferfahrungen erworben, sich mit großem Fleiß umfangreiche Kennt-
nisse angeeignet, sich als erfahrener Marxist-Leninist erwiesen und sich unter den deutschen Kommuni-
sten am entschlossensten dafür eingesetzt, die KPD zu einer starken und schlagkräftigen marxistisch-
leninistischen Massenpartei zu schmieden. Im Kampf für den Sturz der imperialistischen Ausbeuterord-
nung und für die Schaffung der neuen, sozialistischen Gesellschaft, der sein Leben bestimmte, suchte er
am kühnsten nach neuen Wegen, die reformistisch beeinflußten Arbeiter für eine revolutionäre Klassen-
politik zu gewinnen. (Hortzschansky/Wimmer u.a. 1980, S. 250f.)
Als Begründung für das relativ späte Erscheinen solch einer umfassenden Biographie gaben die Hi-
storiker des IML an, daß erst die derzeitige Quellenlage hinreichende Grundlage für eine wissen-
schaftliche Erarbeitung der Biographie Thälmanns böte (ebenda, S. 8).
Im Vordergrund der IML-Biographie steht selbstredend das politische Handeln Ernst Thälmanns,
was wiederum, so die SED, untrennbar mit seiner „faszinierenden Persönlichkeit“ verbunden sei..
Beides zusammen habe ihn zum „großen Sohn und Führer der deutschen Arbeiterklasse“ werden
lassen (ebenda, S. 6f.). Solcherart Vorbild fixiert die Publikation und paßt sich in genau das Schema
der Geschichtsvermittlung ein, wie es von Margot Honecker auf dem IX. Parteitag propagiert wor-
den ist: „Wir wollen nicht, daß die jungen Menschen die Geschichte wie ein Denkmal bestaunen. Wir


wollen, daß sie Achtung vor den großen historischen Leistungen der Menschen haben, vor dem, was
die Arbeiterklasse geschaffen hat, und vor denen, die im Kampf für die menschlichste Sache der Welt
seit Generationen vorangegangen sind, vor den Kommunisten“ (M. Honecker, in Protokoll 1976,
Band 1, S. 292). Die Thälmann-Biographen konkretisieren die allgemeinen Aussagen von Honecker
für den Fall Thälmann durch folgende Zitate von Lenin und Franz Dahlem.
Lenin schrieb: „Die Führer der Arbeiter sind keine Engel, keine Heiligen, keine Heroen, sondern Men-
schen wie alle.“ [...] Ganz und gar trifft das auch auf Thälmann zu. Er wuchs als Arbeiter unter Arbei-
tern heran und blieb ein Arbeiter auch dann, als er an der Spitze einer großen kommunistischen Partei
stand. Darin lag die entscheidende Quelle seiner Kraft: die enge Verbundenheit mit den Arbeitern, das
Vertrautsein mit den Problemen der werktätigen Menschen, das Verständnis für ihre alltäglichen Sorgen
und Nöte. Sein Mitkämpfer Franz Dahlem meint, daß gerade hier der entscheidende Zugang zum Ver-
ständnis der Persönlichkeit Ernst Thälmanns liegt: Er war und blieb der einfache, mit seiner Klasse
durch Denkungsart und Lebensgewohnheit fest verbundene klassenbewußte Arbeiter.
„Doch bei all den hervorragenden Eigenschaften und Fähigkeiten, die diese historische Persönlichkeit
prägten“, schreibt Franz Dahlem, „war und blieb er ein ganz normaler Mensch aus Fleisch und Blut mit
seinen Eigenheit und auch nicht frei von Schwächen. Schon gar nicht war er ein Wunderkind, dem schon
an der Wiege gesungen worden wäre, zum Parteiführer seiner Klasse berufen zu sein. Darin bestand ja
gerade die Stärke unserer Kommunistischen Partei, daß an ihrer Spitze Menschen aus dem Volk stan-
den, deren Verbindung zu ihrer Klasse und zu den werktätigen Massen stets lebendig blieb“. (Hortz-
schansky/Wimmer u.a. 1980, S. 6f.)
Deutlich zeigt das Zitat die typische Idealisierung Thälmanns in den 70er und 80er Jahren. Zwar
vermeidet die SED heroische Formulierungen und verweist auf das einfache Wesen Thälmanns, zu-
gleich aber hebt sie diese eine Person vor allen anderen Arbeitern deutlich hervor und kennzeichnet
sie schließlich als „Musterbeispiel“ für alle (ebenda, S. 780).
Dem DDR-Historiker Joachim Petzold zufolge fand diese Thälmann-Biographie allerhöchste Aner-
kennung und galt als „Volksbuch“ (Petzold 2000, S. 311). Petzold sagt jedoch nicht, wer es vor al-
lem anerkannte. Es ist anzunehmen, daß besonders Erich Honecker über das Buch erfreut war. Des-
sen persönliche Ambitionen spielten bei der Erarbeitung des Buches eine entscheidende Rolle. Auch
stand er den Historikern beratend zur Seite (siehe hierzu Teil III, 2.2).
In DDR-unüblicher Weise erschien diese Thälmann-Biographie in zwei verschiedenen Versionen.
Das eine war eine Ausgabe in Leinen mit Schutzumschlag (17,50 Mark). Preisgünstiger (8,80 Mark)
war die zweibändige Broschurausgabe. Bereits 1986 soll die Auflage von 800 000 Exemplaren er-
reicht worden sein („Neues Deutschland“ im August 1986, zit. nach Gabelmann 1996, S. 26). Ga-
belmann zitiert auch Politbüro-Anweisungen (vom 11. 09. 1979) zur Propagierung der Biographie,
welche in allen politischen Institutionen ausgiebig studiert werden sollte: „Diese Biographie soll hel-
fen, ‘die Kampfkraft unserer Partei zu stärken’“, sie „soll den ‘Werktätigen’ und vor allem der ‘jun-
gen Generation die Richtigkeit unserer revolutionären Ziele vermitteln, ihre Siegeszuversicht und
ihren kämpferischen Optimismus bei der Erfüllung der Beschlüsse des IX. Parteitages stärken’“ (Ga-
belmann 1996, S. 26f.).

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