Ernst Thälmann als Leitfigur der kommunistischen Erziehung in der ddr


III VERHÄLTNIS DER SED-FÜHRUNG ZU ERNST THÄLMANN


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III
VERHÄLTNIS DER SED-FÜHRUNG ZU ERNST THÄLMANN
1.
Die SED als Nachfolgepartei der Thälmannschen KPD
Im April 1946 wurde die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) gegründet. In der anfangs
als paritätisch verstandenen Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Kommunisten gewannen die
Vertreter der KPD immer mehr die Oberhand. Einen nicht unwesentlichen Anteil an dieser Politik
hatte Walter Ulbricht. Seine Bemerkung „Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in
der Hand haben“ (in Frank 2001, S. 181) verdeutlicht das Verständnis von Demokratie. Ulbricht
meinte die Einheit der Partei um so fester, „je mehr Kommunisten in der Leitung sitzen“ (Leonhard
1955, S. 429). Diese Form der Einheit wurde durch Ausschaltung andersdenkender Politiker über
sogenannte „Parteisäuberungen“ (Malycha 1997, S. 33-36; Spittmann 1987; Schroeder 1998) bereits
unmittelbar nach der Vereinigung erreicht, so daß letztlich tatsächlich die Kommunisten „alles in der
Hand hatten“ (Herbst/Stephan/Winkler 1997; Leonhard 1955).
Die SED stellte ihre eigene Politik dar als „Erbe und konsequenter Fortsetzer der Kämpfe und Lei-
stungen ganzer Generationen von proletarischen Revolutionären, von Kommunisten“ (Diehl u.a.
1978, S. 5; Programm der SED, S. 5). In dieser Tradition besann sie sich unmittelbar nach Gründung
der DDR auch auf das Werk von Ernst Thälmann. Als „Erzieher“ der führenden  Kader der SED
sollte er auch fortan beispielgebend sein.
Ernst Thälmann, der uns, seine engsten Mitarbeiter, im Geiste des Marxismus-Leninismus erzog, hat
durch seine Standhaftigkeit der Partei und der ganzen Arbeiterklasse das heroische Beispiel für ihren
großen Kampf um ein neues, antifaschistisch-demokratisches Deutschland gegeben. Heute, wo in West-
deutschland der deutsche Imperialismus und Faschismus wieder ihr Haupt erheben, sind die Lehren, die
uns Ernst Thälmann hinterlassen hat, seine Zielklarheit und Energie im Kampf gegen die imperialisti-
sche Kriegspropaganda, für die nationale Einheit und Unabhängigkeit Deutschlands, für die feste
Freundschaft zur Sowjetunion, ein Vermächtnis für alle Werktätigen unseres Vaterlandes. (Ulbricht
1953, S. 3)
Die Konzentration auf Thälmann ging soweit, daß der eigentliche Beginn der Kommunistischen Par-
tei Deutschlands von den SED-Geschichtsschreibern auf das Jahr 1925 (X. Parteitag der KPD) da-
tiert wurde. Erst mit der Leitung der KPD durch Thälmann sei die Partei zur Massenpartei geworden
(Diehl u.a. 1978, S. 48f.; Hortzschansky/Wimmer u.a. 1980, S. 250f., 255; Sassning 1985, S. 22f.).
Die Bildung des „Thälmannschen Zentralkomitees“ wäre ein Ereignis von herausragender Bedeutung
gewesen. Zugleich sah es die SED als Grundlage für alle weitere Arbeit der kommunistischen Partei,
die sie selbst fortzusetzen gedachte (Honecker 1981, S. 242; ZK der SED 1988, S. 21; Wimmer
1975). Mit dieser Blickrichtung auf die Bildung des Thälmannschen Zentralkomitees als Neuanfang
der Parteiarbeit wurden zugleich alle widersprüchlichen Entwicklungen vor 1925 in den Hintergrund
gerückt.
Bürgerliche Historiker und Publizisten suchen die Tätigkeit des von Ernst Thälmann geleiteten Zentral-
komitees herabzusetzen, indem sie verleumderisch von ihm behaupten, es habe die KPD in ein „Instru-
ment Moskaus“ verwandelt. In Wahrheit trug das marxistisch-leninistische Zentralkomitee – das sich im
unablässigen Kampf der Kommunistischen Partei für die sozialen und nationalen Interessen des Volkes,
im schweren Kampf gegen den deutschen Imperialismus und Militarismus herausgebildet hatte – den
Marxismus-Leninismus zielstrebig in die deutsche Arbeiterklasse und entwickelte die KPD systematisch
als marxistisch-leninistische Massenpartei. Dies waren grundlegende Voraussetzungen für die Wieder-
herstellung der Einheit der Arbeiterklasse und den Zusammenschluß aller demokratischen Kräfte, und
das wiederum war notwendig, wenn der deutsche Imperialismus gestürzt, eine revolutionäre Volksmacht
errichtet und der Übergang zum Sozialismus vollzogen werden sollte. Daher war die Schaffung des
marxistisch-leninistischen Zentralkomitees der KPD von gewaltiger nationaler Tragweite. (IML 1966,
Bd. 4, S. 103)


Zwei politische Orientierungen der KPD unter Thälmanns Führung charakterisieren auch die SED.
Zum ersten ist das die Gegnerschaft zur SPD. Zum zweiten ist es die Orientierung auf das sowjeti-
sche Vorbild der KPdSU.
1.1 
Die Beziehung der Kommunisten zu den Sozialdemokraten
Mit Ernst Thälmann machte die KPD, welche sich als Arbeiterpartei verstand, einen „echten Proleta-
rier“ zum Parteiführer. Die Mehrheit der Arbeiter in Deutschland sympathisierte dessen ungeachtet
weiter mit der SPD. Dies zu verändern war erklärtes Ziel der KPD in der Weimarer Republik. Die
Arbeiterschaft sollte daher aufgeklärt werden über die „verräterische Politik der Sozialdemokraten“,
die angeblich mit Illusionen ihre Anhänger korrumpierten. In Wahrheit paktierten sie, so die KPD-
Führung, mit den Faschisten und seien daher nicht viel besser als diese. Ab 1929 (XII. Parteitag der
KPD) verdeutlichten die Kommunisten ihren Vorwurf. Die Sozialdemokraten bezeichneten sie als
„Sozialfaschisten“ (Weber 1962, S. 57-60, 1981). Grundlage für derartige Behauptungen war Stalins
„Theorie der Zwillinge“. Er kennzeichnete die Sozialdemokraten als „objektiv gemäßigten Flügel des
Faschismus“ und sah Sozialdemokraten und Faschisten als politische „Zwillinge“.
Der Faschismus ist eine Kampforganisation der Bourgeoisie, die sich auf die aktive Unterstützung der
Sozialdemokratie stützt. Die Sozialdemokratie ist objektiv der gemäßigte Flügel des Faschismus. Es
liegt kein Grund zu der Annahme vor, die Kampforganisation der Bourgeoisie könnte ohne die aktive
Unterstützung durch die Sozialdemokratie entscheidende Erfolge in den Kämpfen oder bei der Verwal-
tung des Landes erzielen. Ebensowenig liegt Grund zu der Annahme vor, die Sozialdemokratie könnte
ohne die aktive Unterstützung durch die Kampforganisation der Bourgeoisie entscheidende Erfolge in
den Kämpfen oder bei der Verwaltung des Landes erzielen. Diese Organisationen schließen einander
nicht aus, sondern ergänzen einander. Das sind keine Antipoden, sondern Zwillingsbrüder. (Stalin 1924,
in Weber 1973, S. 181)
Die KPD-Führer, so auch Thälmann, griffen diese Argumentation auf (Weber 1973, S. 182-186).
Kommunist sein hieß demnach „Todfeind des Sozialfaschismus“ zu sein (Thälmann, in Weber 1973,
S. 186ff.). Thälmann hielt die These bis 1930 aufrecht, sodann korrigierte er seine Meinung: „Zwar
ist der Sozialfaschismus der Waffenträger der faschistischen Diktatur, der Sozialfaschismus ist aber
nicht nur eine Theorie, sondern praktisches politisches Leben, wo neben einer konterrevolutionären
Führerschaft, Betriebsfunktionäre und sozialdemokratische Arbeiter nach verschiedenen Eigentüm-
lichkeiten der Verhältnisse im Betrieb, bei den Erwerbslosen usw. zu beobachten sind“ (Thälmann
1956, S. 379). Solche, nach Thälmanns Worten, „neuesten ‘Theorien’ über den Sozialfaschismus“
bedeuteten keine Änderung der politischen Linie, sie richteten sich nur gegen Auswüchse, die sich im
Gebrauch der Behauptungen bei den führenden Genossen der KPD eingeschlichen hätten. Noch
1932 (und insgesamt bis 1933 – alles in allem sehr widersprüchlich) argumentierte Thälmann in sol-
cher Weise. So auch in der Rede auf der Tagung des Zentralkomitees des Kommunistischen Jugend-
verbandes Deutschland (KJVD) am 14./15.11.1932 in Prieros.
SPD bleibt die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie
In Deutschland zeigt sich, daß, nachdem in der Periode der kapitalistischen Stabilisierung die Sozialde-
mokratie stärker in den kapitalistischen Verwaltungs- und Staatsapparat einbezogen wurde, nunmehr,
mit Eintritt des Endes der kapitalistischen Stabilisierung, bei Verschärfung der kapitalistischen Krise,
die Bourgeoisie sich in stärkerem Maße auf die faschistischen Elemente, auf die Träger des faschisti-
schen Terrors stützt und die Sozialdemokratie in steigendem Maße aus den Verwaltungs- und Staatspo-
sitionen verdrängt.
Diese Entwicklung bedeutet jedoch nicht, daß sich am Charakter der Sozialdemokratie als der sozialen
Hauptstütze der Bourgeoisie etwas Grundlegendes geändert hat. Im Gegenteil, mit der weiteren Ent-
wicklung der faschistischen Diktatur vollzieht sich auch eine höhere Phase der Faschisierung der deut-
schen Sozialdemokratie. So, wie die Bourgeoisie eine Verschärfung ihrer Herrschaftsmethoden vor-
nimmt, um die revolutionäre Kraft des Proletariats und der arbeitenden Jugend zu unterdrücken und zu
zerschlagen, so muß die SPD als eine Partei, die das kapitalistische System unterstützt und verteidigt,
eine weitere verschärfte Entwicklung zu einer höheren Phase des Sozialfaschismus vollziehen. [...]


Der Sozialfaschismus ist der gemäßigte Flügel des Faschismus, und Genosse Stalin sagte einmal mit
Recht, daß Faschismus und Sozialfaschismus Zwillingsbrüder seien. Aber ebenso, wie sich natürliche
Zwillingsbrüder nicht immer ähnlich sehen, ebenso besteht auch zwischen Faschismus und Sozialfa-
schismus keine absolute Ähnlichkeit. Die Struktur der Sozialdemokratie, ihre Basis und ihre Taktik sind
andere wie die der Nationalsozialisten. Wir dürfen daher unserer Taktik im Kampfe gegen Faschismus
und Sozialfaschismus nicht die gleichen Methoden und Kampfesformen anwenden; wir müssen ver-
schiedenartige Kampfesformen wählen. (Thälmann 1930, S. 4f., Hervorhebungen im Original)
Mit der Sozialdemokratie stand auch die SED in politischer Gegnerschaft. In den Jahren 1948 bis
1954 fanden mehrfach Überprüfungen der Partei „von oben“ statt. Sich daran anschließende „Säube-
rungen“ reichten bis zum Ausschluß von Parteimitgliedern – das betraf vorwiegend ehemalige Sozi-
aldemokraten (Herbst/Stephan/Winkler 1997, S. 520; Leonhard 1955). Zum anderen stellten die füh-
renden Kommunisten in der SED „die SPD-Führer“ rückwirkend als Urheber für das Scheitern er-
folgreicher revolutionärer Situationen dar, angefangen vom Hamburger Arbeiteraufstand bis zum
Machtantritt Hitlers in den SED-Geschichtsdarstellungen (IML 1966).
Die Gründung der SED – ein Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und des
gesamten Volkes – war ein Sieg des Marxismus-Leninismus in der deutschen Arbeiterbewegung . Damit
wurde der Kampf der KPD und Ernst Thälmanns um die Einheit der Arbeiterklasse – trotz des Wider-
standes der rechten SPD-Führer – in einem großen Teile Deutschlands von Erfolg gekrönt. (SED, The-
sen zum 35. Jahrestag der KPD 1918-1953, in Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut 1955, S. 225, Her-
vorhebung von mir, R.B.)
Die opportunistischen Führer der deutschen Sozialdemokratie waren erbitterte Gegner der revolutionä-
ren Umgestaltung der Gesellschaft auf dem Wege der Errichtung der politischen Herrschaft der Arbei-
terklasse. In den Jahren der Weimarer Republik enthielten die Programme ihrer Partei ein formelles Be-
kenntnis zum Sozialismus; tatsächlich jedoch als Gegner des Sozialismus, Ausdruck ihrer konterrevolu-
tionären Positionen, die sie mit Phrasen von Demokratie und Sozialismus tarnten, war ihr blindwütiger
Antisowjetismus. Die rechten sozialdemokratischen Führer bekannten sich offen zur Weimarer Republik
und halfen, diesen Staat als Machtinstrument des Monopolkapitalismus auszubauen. (Diehl u.a. 1978,
S. 45)
Seit 1930 habe die KPD-Spitze der SPD mehrfach eine gemeinsame „Antifaschistische Aktion“ (auch
„Einheitsfront“) angeboten. Dieser Vorschlag wäre von seiten der sozialdemokratischen jedoch nicht
angenommen worden. In der SED-Geschichtsagitation sind die kommunistischen Bestrebungen so
sehr betont, daß gar kein Zweifel daran aufkommt, daß die KPD, und hier namentlich Ernst Thäl-
manns, nicht schon immer die herannahende Gefahr eines Krieges erkannt hätte und dagegen ange-
gangen sei (Horn 1973, S. 22; Meyers Neues Lexikon, Band VIII, S. 25; Diehl u.a. 1979, S. 403).
Der Thälmann-Biograph Lindau schrieb 1956 (S. 26f.) hierzu: „Nur die Kommunisten haben durch
den Mund Ernst Thälmanns das deutsche Volk gewarnt und zum Kampf gegen den herannahenden
Krieg aufgerufen. Die KPD bekämpfte die von der Bourgeoisie und den rechten Führern der SPD
und der Gewerkschaften verbreiteten Illusionen über dauerhafte Stabilisierung der kapitalistischen
Wirtschaft sowie die sozialdemokratischen Theorien vom ‘organisierten Kapitalismus’ und der ‘Wirt-
schaftsdemokratie’, die die Massen vom Kampf gegen erhöhte Ausbeutung und für höhere Löhne
abhalten sollten. Die SPD wandte sich heftig gegen den Vorschlag der KPD, einen Volksentscheid
zur Enteignung der dem Volke einst geraubten Fürstenvermögen durchzuführen. Die rechten SPD-
Führer fürchteten eine Störung ihrer Politik der Klassenzusammenarbeit mit der Bourgeoisie. Aber
die KPD, die unter Ernst Thälmanns Führung gelernt hatte, eine breite elastische Massenpolitik zu
betreiben, zwang die rechten SPD-Führer durch Massendruck, beim Volksentscheid mitzumachen,
der 14 ½ Millionen Werktätiger vereinigte. Das wahre Gesicht der rechten SPD-Führer zeigte sich in
dem Verbot aller lokalen Einheitsveranstaltungen für den Volksentscheid, in der Unterstützung der
deutschen Aufrüstung und ihrer Kriegshetze gegen die Sowjetunion“ (Lindau 1956, S. 26f.). In glei-
cher Weise argumentiert Grübel annähernd dreißig Jahre später: „Doch die rechten Führer der Sozi-
aldemokratie und der Gewerkschaften hielten an ihrem verhängnisvollen Kurs des Antikommunismus
fest. Dem bürgerlichen Parlamentarismus verschworen und sich noch jetzt an die gar nicht mehr exi-


stierende ‘Rechtsstaatlichkeit’ klammernd, suchten sie ein Zusammengehen ihrer Mitglieder mit den
Kommunisten, also auch die Hinwendung zum revolutionären Kampf zu verhindern. So ihren eige-
nen politischen Selbstmord vorbereitend, luden sie die historische Verantwortung für die schwerste
Niederlage der deutschen Arbeiterklasse auf sich. (Grübel 1983, S. 112f.).
Die Parität der beiden Arbeiterparteien war bereits im Parteiprogramm der SED von 1963 aufgeho-
ben, in dem der Name Otto Grotewohl  (als sozialdemokratischer Vertreter) nicht mehr aufgeführt ist
(Berthold/Diehl 1967, S. 226).
1.2 
Die Beziehung der SED zur Sowjetunion
Bereits auf dem II. Parteitag der SED kündigte sich an, daß ein „besonderer deutscher Weg zum
Sozialismus“ (Ackermann, in Herbst/Stephan/Winkler 1997, S. 547-552) immer unwahrscheinlicher
werden würde. Der „ideologische Kompaß“ schlug verstärkt Richtung Osten aus. Die laut Leonhard
(1955) bereits „als Russenpartei verschriene“ SED huldigte öffentlich der KPdSU-Führung. Das be-
gann mit dem wörtlichen Abdruck von Reden der sowjetischen Parteiführer in den eigenen Parteior-
ganen (Leonhard 1995, S. 152, 157) oder eigenständigen Publikationen (Malenkow 1949). Eine zu-
nehmende „Sowjetisierung“ zeigte sich auch in der Übernahme von politischen Symbolen, Stilmitteln
und Inszenierungsformen, die dem politischen Habitus der sowjetischen Großmacht entlehnt waren.
Vor allem sind hier jene Gesten zu nennen, in denen Stärke, Erfolg und Überlegenheit demonstriert
werden: rhetorisch (auf Plakaten) und rituell (Massenveranstaltungen) (Danyel 1997, S. 74). Die
Adaption des sowjetischen Vorbildes orientierte sich dabei auf die Person J. W. Stalins, den die SED
übermäßig verehrte: „der große Wissenschaftler des Marxismus-Leninismus, der weise Führer der
Werktätigen im Kampfe um den Sozialismus, der geniale Feldherr des Großen Vaterländischen Krie-
ges des Sowjetvolkes, der überragende Kämpfer für die Erhaltung und Festigung des Friedens in der
Welt“ (ZK der SED 1953, in Herbst/Stephan/Winkler 1997, S. 601). Auf diese Weise führte die SED
eine weitere Tradition der KPD fort; denn auch Thälmann hatte in der Frage der Stellung zur So-
wjetunion die entscheidende politische Frage gesehen.
Die entscheidende Frage für die internationale Arbeiterbewegung ist die Stellung zur proletarischen
Diktatur in der Sowjetunion. Hier scheiden sich die Geister, und sie müssen sich scheiden! Die Stellung
zur Sowjetunion entscheidet auch über die Frage, zu welchem Lager man in den Fragen der deutschen
Politik gehört. (Thälmann 1955, S. 435, original 1926)
Die Sowjetunion war für die KPD mit Thälmann an der Spitze zum endgültigen Vorbild geworden.
Dem Sowjetland sollte jede Unterstützung zukommen (Weber 1973, S. 23 und die dort aufgeführten
Quellentexte 32, 33, 35, 36, 37). Die Orientierung der KPD erfolgte auch hier – verstärkt ab 1929 –
auf die Person des Sowjetführers hin. Thälmann, den Weber als „Stalins deutsche Kopie“ bezeichnete
(1974, S. 38), habe keine Rede gehalten, in der er sich nicht auf die Sowjetunion bezogen hätte.
Thälmann sei „der große Verkünder der Wahrheit über die Sowjetunion“ gewesen, so Walter Ul-
bricht (1950, S. 20). Tatsächlich verehrte der KPD-Vorsitzende den „Führer des Sowjetvolkes“.
Auch die SED-Führer verehrten Stalin; dessen Reden und Schriften waren in der ersten Hälfte der
50er Jahre Pflichtlektüre für die deutschen Genossen, sollten „direkte Anleitung für das Handeln“
sein (Petzold 2000, S. 312). Die SED betitelte Stalin als „Lenin von heute“ (Malenkow 1949). Als
Stalin 1953 starb, würdigte ihn das Zentralkomitee als „großen Freund und immer bereiten Berater
und Helfer unseres Volkes“, der schon in den Jahren der Weimarer Republik, „als in Deutschland der
Kampf um die Herausbildung einer marxistisch-leninistischen Arbeiterpartei begann“, „unserem un-
vergeßlichen Ernst Thälmann mit Rat und Tat zur Seite [stand], mit dem ihn enge Freundschaft ver-
band“ (ZK der SED 1953, in Herbst/Stephan Winkler 1997, S. 601f.). Der Einfluß Stalins sei so be-
deutend gewesen, daß Thälmann erst durch ihn zum Arbeiterführer geworden sei (ebenda).
Das intensive Studium des Marxismus-Leninismus, die Ausnutzung der Hinweise und Ratschläge des
Genossen Stalin für die Arbeit der Kommunisten in Deutschland waren die Grundlagen, auf denen Ernst
Thälmann zu der großen Gestalt des Führers der Kommunistischen Partei und eines Volkstribuns neuen


Typus im Kampf gegen Faschismus und Krieg heranwuchs. Für ihn waren die Lehren von Marx, En-
gels, Lenin und Stalin nicht nur eine Sache theoretischer Untersuchungen, sondern eine scharfe Waffe
für den Kampf des deutschen Volkes. Er erzog eine ganze Generation konsequenter Marxisten in dem
Lenin-Stalinschen Geist, die Massen zu lehren und von den Massen zu lernen. (Pieck 1950, S. 10)
In den Ehrenreden der SED-Staatsmänner für Ernst Thälmann bis 1956 wird sich immer auch auf die
Rolle Stalins bezogen (Pieck 1950; Ulbricht 1950, 1951, 1953). Die Reden enthalten, neben Selbst-
verpflichtungen, das Vermächtnis Thälmanns zu erfüllen, immer auch Gelöbnisse „unverbrüchlicher
Freundschaft“ zur Sowjetunion.
Die Sozialistische Einheitspartei wird in engster Freundschaft mit der Kommunistischen Partei der So-
wjetunion (Bolschewiki) und den Arbeiterparteien der anderen Länder das Werk vollenden, für das un-
ser Ernst Thälmann seine ganze Kraft einsetzte und sein Leben hingab. Die Führung und die Mitglieder
der großen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands werden von der gleichen tiefen Freundschaft zu
Genossen Stalin, zu dem weisen Führer und Lehrer der Sowjetunion und der fortschrittlichen Mensch-
heit erfüllt sein, wie es Ernst Thälmann war. [...]
Wir geloben im Geiste Ernst Thälmanns unermüdlich zu wirken für die unverbrüchliche Freundschaft
der deutschen Arbeiterschaft und des deutschen Volkes mit der Sowjetunion und allen friedliebenden
Kräften in der Welt! (Ulbricht 1950, S. 24f., Hervorhebungen im Original)
1955 erschien in Vorbereitung des 70. Geburtstages von Thälmann ein großzügig angelegter Bild-
band, herausgegeben vom Marx-Engels-Institut beim ZK der SED (MEL), das 1953 in Marx-Engels-
Lenin-Stalin-Institut umbenannt wurde. In diesem Buch leitet ein großes Porträt von Stalin das Ka-
pitel der DDR-Geschichte der DDR nach der Befreiung durch die Sowjetarmee ein.
1956 distanzierte sich N. Chrustschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU von Stalins Herrschafts-
methoden. Daraufhin begann eine „Entstalinisierung“, die sich in unterschiedlicher Weise auch auf
die „Bruderstaaten“ übertrug. In der DDR verkündete Ulbricht im Neuen Deutschland die offizielle
Abkehr von Stalin (4. März 1956). Die Probleme des Stalinismus wurden weder in den Reihen der
Partei- und Staatsführung noch im Bereich der Geschichtswissenschaft diskutiert. Sie galten bis zum
Ende der DDR als Tabu. Die Freundschaft zur Sowjetunion war nach 1956 verstärkt auf die Person
W. I. Lenins fokussiert. Die Neubenennung des oben genannten Institutes als „Institut für Marxis-
mus-Leninismus“ (IML) nach 1956 unterstreicht die „Rückbesinnung“ auf den Klassiker. Bei den
Gedenkfeiern für Ernst Thälmann war dieser Bezug auf Lenin fortan maßgebend. Stalin-Verweise
wurden rückwirkend gestrichen (Pieck 1961; ganz deutlich auch im Vergleich der beiden Ausgaben
von I. Gabel-Thälmann 1955, S. 17 und 1984, S. 16) - oder wesentlich abgeschwächt (Ulbricht
1961). Ab sofort waren in den Texten  „Leninsche Losungen“ herausgestellt, denen sich Thälmann
verpflichtet gefühlt habe (ebenda, S. 15). Stalins Einfluß, wie überhaupt dessen Name verlor in späte-
ren Darstellungen immer mehr an Bedeutung.
Ernst Thälmann war seit Beginn der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution nicht nur glühender und
bedingungsloser Verehrer des ersten Arbeiterstaates der Welt, er verteidigte ihn nicht nur gegen alle An-
feindungen, er studierte auch ständig und unermüdlich die Erfahrungen der Großen Sozialistischen Ok-
toberrevolution und des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion und bemühte sich, von den Bol-
schewiki zu lernen. Ernst Thälmann studierte die Werke Lenins und zog aus ihnen die Lehren für die
deutsche Arbeiterbewegung. Es gibt keine Rede und keinen Aufsatz Ernst Thälmanns, in denen er nicht
immer wieder auf das Beispiel der Sowjetunion hingewiesen und die Lehren aus ihrer Entwicklung ge-
zogen hätte. Dieses Vertrauen Thälmanns zur Sowjetmacht, seine enge Verbundenheit mit der bolsche-
wistischen Bruderpartei hat bewirkt, daß er sich zu dem Führer der deutschen Werktätigen entwickelte,
den heute die Arbeiter aller Länder hoch verehren. (Ulbricht 1961, S. 20, original 1951)
Ende der 60er Jahre versuchte Ulbricht, für die DDR ideologische Sonderansprüche zu erreichen.
Mit einem eigenen Weg zum Sozialismus, dem „Modell DDR“, strebte er politische Selbständigkeit
an (Weber 2000, S. 75-79). Diese Abweichung führte im wesentlichen zum Machtwechsel an der
SED-Spitze. Diesen bestimmten in erster Linie die Parteiführer der KPdSU (Podewin 1996; Frank
2001).


Ulbrichts Nachfolger Honecker schwenkte wieder in die ursprüngliche politische Linie ein. Sein
Vertrauen zur Sowjetunion war allein schon aus persönlicher Sicht unerschütterlich (Honecker 1981,
S. 35). Nie habe er die Bedeutung der Roten Armee bei der Befreiung des deutschen Volkes verges-
sen können (Honecker, in Schroeder 1998, S. 722). Die Orientierung an der Sowjetunion, zu der die
deutschen Kommunisten bereits gehalten hätten, „als man dort noch in Bastschuhen lief“ war für
Honecker unantastbarer Grundsatz des Marxismus-Leninismus (Stephan 1994, S. 313). Diese Besin-
nung bestimmte auch die Politik unter seiner Führung. Die Freundschaft zur Sowjetunion, so stand
es in der DDR-Verfassung, sei „für immer und unwiderruflich“ „enges und brüderliches Bündnis“
(Verfassung der DDR 1975, Art. 6, Abs. 1). In seinem politischen Handeln besann sich Honecker
immer wieder auch auf die „Thälmannsche Tradition“, den proletarischen Internationalismus und die
unverbrüchliche Verbundenheit mit der KPdSU und der Sowjetunion (Sassning, S. 24).
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