Ernst Thälmann als Leitfigur der kommunistischen Erziehung in der ddr


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Kernpunkte des Thälmann-Bildes
Im Thälmann-Bild der SED ist ein Schema erkennbar, das sich an ganz bestimmten Kernpunkten der
Biographie orientiert. Diese Kernpunkte stützen quasi als biographische Eckpfeiler das gesamte Bild
von Ernst Thälmann. Als Schlagworte angelegt, dienen sie der knappen Charakterisierung Thäl-
manns. Dabei geht es weniger um die Kennzeichnung der persönlichen Eigenschaften Thälmanns als
vielmehr um die Darstellung seines kommunistischen Werdegangs bis an die Spitze der KPD und
seine hervorragende Rolle als Führer, seiner unbeugsamen Haltung während der Haft und die Be-
gründung des Märtyrertodes zugunsten einer nachfolgenden sozialistischen Generation.
Im einzelnen sind es folgende Kernpunkte. Die Kinder und Jugendjahre Thälmanns sind mit dem Be-
griff Sohn seiner Klasse erfaßt. In diesem Zusammenhang wird das Leben des Hamburger Jungen
Ernst erzählt, der schon in jungen Jahren fleißig arbeiten mußte. Das Elternhaus hinter sich lassend,
fand der kaum erwachsene Thälmann den Weg in die gewerkschaftliche und politische Aktivität. Das
Studium der Schriften des Marxismus-Leninismus auf der einen Seite und die werktätige Beziehung
zu den Arbeitern prägten den Charakter von Teddy, wie ein Kosename Thälmanns lautete. In politi-
schen Auseinandersetzungen - in wichtigem Maße im Hamburger Arbeiteraufstand 1923 - reifte
Thälmann zum Führer seiner Klasse heran. Dieser Kernpunkt beschreibt Thälmann als den scheinbar
bedeutendsten Parteiführer der Arbeiterklasse. Darin eingebunden ist auch die Beschreibung seiner
Rolle als angeblich bester Freund der Sowjetunion. Dieser Punkt steht in den biographischen Ab-
handlungen mitunter auch als eigene Episode. Unter dem Motto Unbeugsam hinter Kerkermauern
thematisierte die SED Thälmanns Opfermut in über elf Jahren Einzelhaft. Die Ermordung Thälmanns
ist der Kernpunkt, mit dem die feigen Machenschaften der Nationalsozialisten beschrieben werden.
Daran angebunden ist der Kernpunkt Thälmann ist niemals gefallen. Mit diesem Schlagwort be-
schwor die SED das geistige Weiterleben Thälmanns in der DDR, deren sozialistische Gesellschaft


die Partei als gesellschaftliche Inkarnation der Thälmannschen Gedanken auffaßte. Frau und Tochter
Thälmanns halfen der SED-Führung, das Thälmann-Bild in der DDR als (über)lebende Verwandte zu
bekräftigen. Ihnen ist hier ein eigenes Kapitel gewidmet.
2.1
„Sohn seiner Klasse“
Die Beschreibung der politischen Situation in Hamburg am Ende des 19. Jahrhunderts umrahmt in
den Biographien Thälmanns die Nennung seiner Geburt am 16. April 1886 (Bredel 1951, S. 25-29;
Hortzschansky/Wimmer u.a. 1980, Teil 1, Kapitel 1). Ernst Thälmann war kein „geborener Sozia-
list“, eher ein „ehrbarer Kaufmannssohn“ (Lindau 1956, S. 6f.). Seine Eltern Johannes und Maria-
Magdalena betrieben eine Gaststätte, später unterhielten sie einen kleinen Gemüseladen. Der Vater
war, so schrieb es Wilhelm Pieck, ein „Kämpfer für die Sache des werktätigen Volkes und trat der
illegal arbeitenden Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei. Das war zu der Zeit des Bismarck-
schen Sozialistengesetzes, als jede sozialdemokratische Organisation verboten und eine Betätigung
für eine solche Organisation unter Strafe gestellt war. Die Polizei jagte die illegalen Sozialdemokra-
ten, wie heute in Westberlin und in Westdeutschland Friedenskämpfer gejagt werden. Doch den Va-
ter Ernst Thälmanns focht das nicht an. Er arbeitete für seine Partei, unterstützte sie in jeder Weise
bis ihn die Polizei wegen seiner Tätigkeit als Agitator und Werber für die große sozialistische Idee
verhaftete. Das geschah im Jahre 1888, als sein Sohn Ernst zwei Jahre alt war“ (Pieck 1950, S. 5f.).
Diesen Schilderungen schließt sich Bredel an, wenn er den „Genossen Jan“ als „Opfer der Polizei-
willkür“ beschreibt: „Es ist unklar geblieben, ob durch einen Spitzel oder durch Zufall die Polizei
dahinterkam, daß der ‘Gastwirt Johannes Thälmann den von der Polizei verfolgten Leuten Begünsti-
gung erwiesen hatte’, jedenfalls wurde ihm die Gastwirtskonzession entzogen und er ins Gefängnis
geworfen. Schwere Tage kamen für Mutter Thälmann und ihren kleinen Sohn. Sie mußte arbeiten
gehen, und der kleine Ernst wurde bei Verwandten untergebracht“ (Bredel 1951, S. 32).
Einen wesentlich neuen Aspekt offenbarte demgegenüber die große IML-Biographie. Der Vater wie
auch die Mutter seien im März 1892 vom Landgericht Hamburg zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt
worden, „weil sie - laut Gerichtsurteil - entwendete Waren gekauft oder für Schulden in Zahlung
genommen hatten“ (Hortzschansky/Wimmer u.a. 1980, S. 15). Der Grund für die Verhaftung war
also nicht „politische Tätigkeit“, sondern Hehlerei. Eine Auseinandersetzung mit den falschen Be-
hauptungen Piecks wie auch Bredels unterbleibt in den Schilderungen des IML. Im Gegenteil be-
zweifeln die Autoren die Wahrhaftigkeit des Urteils. „Die Höhe der Strafe stand in einem krassen
Mißverhältnis zum tatsächlichen Vergehen“ (ebenda). Was dieses „tatsächlich“ gewesen war, klärt
sich im Text nicht auf. Der sechsjährige Ernst und seine Schwester verbrachten 1 ½ Jahre in einer
Pflegefamilie - in der IML-Biographie ist das lediglich „einige Zeit“ (ebenda, S. 14).
Diese Fakten werden in keiner anderen Darstellung weiter erwähnt. Auch die „Kleine Biographie“
verschweigt die Vorfälle (Hortzschansky/Wimmer 1988, S. 5-8). Die Eltern waren dieser Schilde-
rung nach lediglich bemüht, „eine bescheidene selbständige Existenz aufzubauen und zu sichern“
(ebenda, S. 5). Dabei mußte der Sohn kräftig mit anpacken. Die harte Arbeit im elterlichen Geschäft
bestimmte den Charakter des jungen Ernst Thälmann. Schon am frühen Morgen, lange vor Beginn
der Schule, mußte er helfen, die Waren für das Geschäft vom Markt zu holen.
Die Erziehung war zeitgemäß patriarchalisch. Auch von Prügel des Vaters schrieb Ernst Thälmann
als seien sie normal gewesen (E. Thälmann, in Kuratorium 1977/94, S. 15). Die Deutlichkeit seiner
eigenen Worte verklärt sich in den Erinnerungen der Tochter Irma (I. Thälmann 1984, S. 56-60).
Anders dagegen im Kinderbuch Als Thälmann noch ein Junge war (Küchenmeister/Küchenmeister/
Koepp 1988, S. 52), in dem Thälmanns selbstverfaßte biographische Skizze zitiert wird.
Mit der „geliebten Mutter“ hatte der Sohn Ernst mehrere Auseinandersetzungen, was an ihrer stren-
gen Religiosität lag. Ihre christliche Weltsicht sei von Ernst Thälmann schon früh in Frage gestellt
worden. So läßt Irma Thälmann aus dem Munde ihres Großvaters wissen: „’Ernst liebte seine Mutter


sehr, aber er hatte viele Auseinandersetzungen mit ihr. Sie war sehr fromm. Als sie Ernst einmal mit
in die Kirche nehmen wollte, fragte er sie: ‘Ist das vom lieben Gott richtig, daß so viele Kinder mei-
ner Schule im Winter ohne Mantel gehen müssen? Ist es richtig, daß die Kinder hungrig sind? Wie
viele haben in meiner Schule nur trockenes Brot oder auch gar keins. Sie müssen hungern und frie-
ren. Das tut doch sehr weh. Die Kinder der reichen Leute brauchen nicht zu hungern und zu frieren’“
(I. Thälmann 1984, S. 57). Das Infragestellen dieses „ungerechten Gottes“ schildert auch die Ge-
schichte „Die Antwort“ (in Chowanetz 1977, S. 6ff.).
Trotz der Arbeiten für seine Eltern war Thälmann ein sehr guter Schüler. Die letzte Klasse der
Volksschule absolvierte er in der Begabtenstufe, der Selekta. Er las sehr gerne. Das mußte er aller-
dings immer heimlich tun, da es ihm der Vater verboten hatte: „Wenn er sich für sein Taschengeld
ein Buch kaufte und es in der Nacht lesen wollte, dann machten ihm Mutter oder ich das Licht aus.
Wir waren der Auffassung: Das Lesen ist nicht so wichtig, die Arbeit kommt an erster Stelle, und in
der Nacht muß man schlafen. Aber Ernst ließ sich nicht beirren. Trotz aller Schwierigkeiten und Hin-
dernisse las und lernte er in jeder freien Minute“ (I. Thälmann 1984, S. 59).
„Aber was ich las“, vermerkt Thälmann selbst, „waren nicht Marx und Engels oder sozialistische
Literatur, sondern Schiller, Kleist, Herder, Goethe und besonders die Geschichte der Germanen und
ihrer Kämpfe, wie auch die Geschichte der karolingischen, sächsischen, fränkischen und hohenstaufi-
schen Kaiser. Das größte Interesse erweckten bei mir die Wikinger- und Hanseatenzeit und Störte-
bekers ‘See- und Räuberleben’, Erzählungen wie ‘Nibelungensage’, ‘Andreas Hofer’, ‘Archibald
Douglas’, ‘Hermannschlacht’ fesselten mich ganz besonders“ (E. Thälmann, in Kuratorium
1977/1994, S. 15).
Der junge Ernst Thälmann war ein „feinfühliger und guter Kamerad“, schreibt seine Tochter (I.
Thälmann 1984, S. 57). Die oben geschilderte Ungerechtigkeit des „lieben Gottes“ versuchte er
durch eigene Gerechtigkeit wieder auszugleichen. So überlieferte Irma Thälmann auch folgende Ge-
schichte von ihrem Vater, die sie wiederum vom Großvater erfährt.
Großvater erzählte weiter: „Ich muß heute noch lachen, mit welcher List Ernst jeden Morgen um gut
belegte Brote kämpfte. Seine Schwester bekam manchen Puff wenn sie ihm nicht gab, was er forderte.
Aufmerksam stand er da und verlangte: ‘Gib mir noch eines mehr, leg noch eine Scheibe Wurst darauf!’
Jeden Morgen war es dasselbe.
Als ich ihn einmal fragte: ‘Was machst du nur mit so viel Brot?’, da antwortete er: ‘Weißt du, Vater,
Mutter versteht nicht, daß ich die Brote meinen Schulkameraden, die hungrig sind, mitbringe.’ Er hatte
immer einige seiner Kameraden bei sich, wenn im Hafen Kohlen ausgeladen wurden, damit die Jungen
für die Eltern einige Kohlen verdienen konnten.“ (I. Thälmann 1984, S. 58).
Ostern 1900 geriet der knapp 14jährige Ernst Thälmann durch Zufall in eine Schulentlassungsfeier
der SPD. „Hier wird er zum ersten Mal mit sozialistischen Gedanken bekannt gemacht“, schreibt
Chowanetz (1977, S. 61). Bei Küchenmeister/Küchenmeister/Koepp (1988, S. 50f.) ist diese Feier
im Originaltext Thälmanns festgehalten. Dieser schreibt von einem „selbstgesuchten Erlebnis“, das
ihn stark beeindruckte (E. Thälmann, in Kuratorium 1977/1994, S. 16ff.). Obwohl es zu dieser Zeit
bereits die Jugendweihe gab, scheint die Auslegung von Lindau „Thälmann ging zur Jugendweihe“
(Lindau 1958, auch in Holtz-Baumert 1971, S. 15-22) verwirrend, denn Thälmann war nicht Teil-
nehmer, sondern nur zuhörender Gast.
Der ihm zugedachten Übernahme des elterlichen Geschäfts entzog sich der jugendliche Thälmann,
indem er mit 16 Jahren das Elternhaus verließ und „sich in die Arbeiterklasse einreihte“ (IML 1977,
S. 5). Deutlich ist dieser Weggang bei Zimmerling (1975) beschrieben. Dort findet sich folgende,
faktisch von Thälmann selbst gegebene Begründung (vgl. Kuratorium 1977/1994, S. 20).
Die fortdauernde Lohnknauserei des Vaters ist schließlich der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen
bringt. Umsonst hat Ernst den Vater um mehr Lohn gebeten. Nun geht er. Er hatte es angekündigt, jetzt
macht er es wahr. Ein Arbeitsanzug auf dem Leib und drei Mark in der Tasche sind sein ganzes Vermö-


gen. Der Abschiedskuß der Mutter - der Vater ist gerade unterwegs - und das Versprechen, den Eltern
niemals Schande zu machen und nicht als verlorener Sohn mit hängenden Schultern nach Hause zurück-
zukehren, sind ihm für lange Zeit die letzte Erinnerung an das Elternhaus (Zimmerling 1975, S. 12).
Anfangs fand er keine Arbeit, „hungert sich durch“ (Hortzschansky/Wimmer 1988, S. 8). In der
Nachfolgezeit war er dann in verschiedenen Berufen tätig, zumeist als Transportarbeiter. Diese Be-
rufsbezeichnung - wichtig erscheint der Begriff „Arbeiter“ - findet sich in den kürzesten Biographien.
“Es gab keine Arbeiterschicht von einiger Bedeutung, deren Arbeitsbedingungen er nicht kannte, an
deren Kämpfen er nicht direkt oder mittelbar teilgenommen hatte, in der er den Arbeitern nicht als
aufrechter, selbstloser, energischer Klassengenosse bekannt war“ (Lindau 1956, S. 9; in ähnlicher
Selbstformulierung bei E. Thälmann 1961, S. 74).
Ein „ausgeprägter Gerechtigkeitssinn“ und ein „scharfer Blick für die sozialen und politischen Ver-
hältnisse“ waren Thälmann eigen (Hortzschansky/Wimmer 1988, S. 8). Seine eigenen Erlebnisse „der
kapitalistischen Ausbeutergesellschaft“ bestätigten diesen Charakterzug.
In dem Arbeiterviertel, wo Thälmanns wohnten, traf schon der kleine Ernst mit Hunger- und Notleiden-
den zusammen. Der niedrige Lohn der Väter und Mütter reichte nicht zum Lebensunterhalt der Famili-
en. Ernst lernte Jungen und Mädchen kennen, die morgens vor der Schule Zeitungen oder Brötchen aus-
trugen, oder täglich in die Fabrik gingen, um ein paar Groschen mitzuverdienen.
Bald erfuhr von mutigen Männern, Frauen und Kindern, die gegen ihre Unterdrücker, die Kapitalisten,
kämpften, und auch von Karl Marx, dem großen Lehrer und Führer der Arbeiter, der die Kinder beson-
ders liebte. (Kögel 1969, S. 9, Hervorhebung von mir, R.B.)
Das „Bald“ ist hier als großzügig eingesetzter Begriff zu sehen. Tatsächlich begann Thälmann mit
dem Studium, frühestens nach 1908 (E. Thälmann, in Kuratorium 1977/1994, S. 25; ähnlich in Kü-
chenmeister/Küchenmeister/Koepp 1988, S. 58).
Mit siebzehn Jahren trat er der SPD bei (25.05.1903). Ein knappes Jahr darauf wurde er Mitglied in
der Gewerkschaft (1.Februar 1904). Thälmann genoß das Vertrauen seiner Arbeitskollegen (Hortz-
schansky/Wimmer 1988, S. 8-14). Er avancierte mit 22 Jahren zum Gewerkschaftsfunktionär. In
dieser Funktion „schlug er sich fortgesetzt mit den Gewerkschaftsbeamten herum und erlebte aus
unmittelbarere Nähe, wie sie bei Lohnbewegungen mit taschenspielerischem Geschick ihre wirt-
schaftsfriedliche Praxis durchsetzen und sich durch Beschränkung der Organisationsdemokratie im-
mer mehr vor den Gewerkschaftsmitgliedern verschanzten“ (Lindau 1956, S. 9).
In den meisten biographischen Darstellungen schmilzt die Kindheit und Jugend Thälmanns auf weni-
ge Sätze zusammen. Wesentliches Kriterium ist seine harte Arbeit im elterlichen Geschäft, die nicht
als Kinderarbeit sondern als Notwendigkeit für das Überleben der Familienmitglieder dargestellt ist:
„Die Not zwang auch uns, unseren eigenen Jungen auszubeuten“ (I. Thälmann 1984, S. 59).
Diese schwere Arbeit formte den Charakter des heranwachsenden Thälmann, der sich als junger
Mann dem „seemännischen Proletariat“ zuwandte. Lindau (1956, S. 6) formuliert hierzu: „und wie es
sich zeigen sollte, hatte der Klasseninstinkt den ehrbaren Kaufmann auch [...] erfolgreich geleitet“.
„All das Schwere, das dein Vater in seiner Kindheit erlebte“, läßt sich Irma Thälmann vom Großvater
erzählen, „hat dazu beigetragen, ihn zu dem Kämpfer zu machen, der er heute ist“ (I. Thälmann
1984, S. 60).
Die Hervorhebung dieses schweren Arbeitens ist der bedeutsame Aspekt in den Erzählungen vom
jungen Ernst Thälmann. Selbstverständlich war er das Kind seiner Eltern. Deren Erziehung aber war
alles andere als sozialistisch, wie Thälmann selbst meinte: „Die Einstellung meiner Eltern mußte ei-
gentlich im antisozialistischen Sinne erzieherisch auf mich einwirken, aber vergebens, meine geistige
Vorstellung bildete und festigte sich immer stärker aus den Erfahrungen, Erlebnissen, aus der Wirk-
lichkeit des täglichen Volkserlebens. Die historische Verpönung, wie sie heute üblich und Mode ge-
worden, daß die geistige Erziehung der Kommunisten auf anderen Ursachen basiert, trifft mich eben-


sowenig wie so viele andere deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen“ (E. Thälmann, in Kuratorium
1977/1994, S. 15).
Die kommunistischen Charaktereigenschaften Thälmanns wurden, so die SED, erst in durch seine
Auseinandersetzung mit der Arbeiterklasse gefestigt. Thälmann sei, so Grübel (1983, S. 114), der „in
der in der Arbeiterklasse gewachsene, zu ihr gehörende proletarische Führer“. In der Arbeiterklasse
wurde er quasi noch einmal neu geboren: „Er ist in ihrem Schoß geboren und wurde zu einem ihrer
größten Helden“ (Matern 1951, S. 6). Die Beschreibungen des jungen Thälmann laufen darauf hin-
aus, ihn als „Sohn seiner Klasse“ darzustellen. Thälmann selbst kennzeichnete das so: „Ich bin Blut
vom Blute und Fleisch vom Fleische der deutschen Arbeiter und bin deshalb als ihr revolutionäres
Kind später ihr revolutionärer Führer geworden (E. Thälmann 1961, S. 73). Von den SED-
Historikern wurde dies vereinfacht als „Ich bin Blut vom Blute der deutschen Arbeiterklasse und bin
deshalb ihr Kind“ (Grübel 1983, S. 114).
Bereits der erste Teil des DEFA-Films „Ernst Thälmann- Sohn seiner Klasse“ von 1954 hatte Thäl-
mann so dargestellt (auch Bredel/Tschesno-Hell 1953). Die Handlung des Films setzte mit der No-
vemberrevolution 1918 ein. Somit gelang diese Inszenierung des „Sohnes“ ohne Probleme. Sein Na-
me wurde fortan mit diesem Etikett ebenso wie kurz danach mit dem vom „Führer seiner Klasse“ im
Bewußtsein der Bevölkerung verankert.
2.2
„Teddy“ und der Hamburger Arbeiteraufstand 1923
Der Kosename „Teddy“ gehörte in der DDR zu Ernst Thälmann wie sein Faustgruß und seine
Schiffermütze. Mit diesem Namen arbeiteten daher auch die Biographen (Zimmerling 1975, Kapitel
„Sie nannten ihn Teddy“, S. 34-43; Schumann 1961). Vor allem betitelten die Kinderbuchautoren
ihre Beschreibungen Thälmanns in dieser Weise: Rotfront, Teddy (Dähnhardt 1977), Teddy. Aus-
künfte über Ernst Thälmann (Greim 1986), Teddy und seine Freunde (Kögel 1969), Paul und Janni
finden Teddy (Rodrian 1978).
Eine eindeutige Herkunft des Namens konnte hier nicht ermittelt werden. Wesentlicher aber als die
Ableitung aus dem Familiennamen (Teddy, eigentlich die Koseform für „Theodor“, also vielleicht
auch für Thälmann) erscheint eine solche aus der körperlichen Erscheinung Ernst Thälmanns. „Sein
Anblick hatte etwas Gesundes, Starkes, ja eigentlich sehr Sympathisches“ erinnert Margarete Buber-
Neumann ihren ersten Eindruck von Thälmann. „Er sah genauso aus, wie man sich den Hamburger
Hafenarbeiter vorstellte: Breitschultrig, ungelenk in den Bewegungen, mit einem gutmütigem Prole-
tengesicht“ (Buber-Neumann 1974). Auch Bredel hebt diesen Habitus hervor. Thälmann sei „über-
mittelgroß, stämmig, von athletischem Körperbau“ und ebenso „polternd und bärbeißig“ gewesen
(Bredel 1951. S. 78). Seine Rhetorik schien das zu unterstreichen: erruptiv hervorgestoßene Phrasen
mit einer Stimme, die immer lauter werden wollte (ebenda). Der Name „Teddy“ mag somit Thäl-
manns Ausstrahlung verdeutlichen: Stärke und sympathische Brummigkeit.
Die körperliche Stärke ist im Kinderbuch von Rodrian (1978, Kapitel 1) das Argument für den Na-
men: „Die Arbeiter haben ihn Teddy gerufen, weil er so stark war wie ein Bär“. Betrachtet man Bil-
der, die Thälmann nicht gerade in der enggegürtelten RFB-Uniform zeigen, so wird die körperliche
Bedeutung des Namens deutlich (in Hortzschansky/Wimmer 1988, S. 96/13 unten, ebenfalls in
Wimmer/Wimmer 1986, S. 116). Seine Kraft wußte Thälmann, glaubt man den folgenden Schilde-
rungen von Dettmann (1961), sinnvoll einzusetzen.
Er studierte die Werke von Karl Marx und Friedrich Engels gemeinsam mit einem Genossen, der eben-
falls auf der Werft als Transportarbeiter beschäftigt war. Ernst Thälmann, groß, stark und an harte Ar-
beit von Jugend auf gewöhnt, übernahm die Tätigkeit des anderen Genossen, der klein, schwächlich und
in körperlicher Arbeit ungeübt war. Ernst stand am Waggon und nahm die Eisenhieven des Kranes an.
Der andere Genosse las aus marxistischen Werken vor, und beide diskutierten ständig über Probleme
der deutschen Revolution. Unsere Scherze über die seltsame Arbeitsweise wies Ernst Thälmann mit


heiter gelassener Miene zurück und fragte, ob andere Transportkolonnen mehr Waggons verladen hät-
ten. (Dettmann 1961, S. 50)
In einer anderen Auslegung ist „Teddy“ als Deckname erklärt, den Thälmann in den Zeiten annehmen
mußte, als die KPD (z.B. 1923) verboten worden war. Im illegalen Auftreten habe Thälmann dabei
auf Tarnungen zurückgreifen müssen: als Kutscher, als „Herr“ mit steifem Homburger Hut aber auch
als „Seebär“ mit Vollbart (Zimmerling 1975, Kapitel „Sie nannten ihn Teddy“, speziell S. 39).
Dabei zeigt sich, daß Thälmann diesen Namen anfangs gar nicht gut fand. Sprach ihn jemand so an,
wurde er wütend. Unwirsch antwortete er auf Platt: „Ich heet Ernst, markt juch dat“ oder „Ich bün
för jeden immer noch Ernst“ (Hortzschansky/Wimmer u.a. 1980, S. 196). Doch mußte er sich an die
Bezeichnung gewöhnen, den Arbeitern gefiel das Kosewort. Sie nannten ihn „ihren Teddy“ (Schu-
mann 1961; Lehmann 1961, S. 257). Bredel sieht den Kosenamen als Ausdruck für die „Liebe und
Herzlichkeit und das Vertrauen der Arbeiter“ gegenüber Thälmann aus (Bredel 1951, S. 78). Später
hatte sich Thälmann wohl an den Namen gewöhnt, er unterzeichnete sogar mit diesem Kürzel (IML
1986c, S. 114).
Die Namensgebung taucht in der biographischen Darstellung zumeist im Umfeld der Ereignisse von
1923 auf. Der Hamburger Arbeiteraufstand im Oktober 1923 ist das große Thema in den Lebens-
schilderungen Thälmanns vor Antritt des Parteivorsitzes. Zur damaligen Zeit von der KPD uneinheit-
lich, von der SED dann aber einheitlich wurden die Hamburger Zustände im Sinne des Marxismus-
Leninismus interpretiert. So sei die ökonomisch-soziale Situation 1923 in der Hansestadt soweit zu-
gespitzt gewesen, daß ein revolutionärer Klassenkampf die Unterdrückung des Proletariats durch die
bürgerliche Demokratie hätte beseitigen können. Der Hamburger Aufstand wurde von der SED als
„akut revolutionäre Situation“ interpretiert (Hortzschansky/Wimmer 1988, S. 70-76)
Übereinstimmend ist Ernst Thälmann in allen SED-Quellen als Anführer des Hamburger Aufstandes
dargestellt. Seine Bewährung in diesem Kampf wird in den Biographien als Qualifizierung für den
späteren Parteivorsitz gewertet. In ähnlicher Weise wie Lenin in der Oktoberrevolution zeichnete
sich Thälmann im „Hamburger Oktober“ angeblich als theoretisch und praktisch versierter Anführer
aus. Die SED-Argumentationen greifen dabei immer auch auf Einschätzungen zurück, die Thälmann
als späterer Parteivorsitzender selbst von den Ereignissen gegeben hatte (E. Thälmann 1973/74; ori-
ginal 1925). Im folgenden Abschnitt wird die Bedeutung Ernst Thälmanns im Zusammenhang mit
dem Hamburger Aufstand nachgezeichnet, wie sie von der SED im Verlauf der gesamten DDR-
Geschichte dargelegt worden ist. Hierbei läßt sich zeigen, daß Thälmann eine kontinuierliche Front-
stellung zugewiesen wurde, auch noch, als in der großen Biographie des IML von 1980 eine leichte
Zurücknahme  dieser Zuweisungen zu erkennen war.
Bredel bezeichnet Thälmann „als leitenden Kopf“ des Aufstandes: „Er bestimmte die Kampftaktik. Er
leitete die militärischen Operationen. Und seiner überlegenen Führung gelang es, mehrere Tage ei-
nem an Zahl zehnfach, an Waffen noch weit überlegeneren Gegner erfolgreich Widerstand zu leisten.
Die Arbeiter kämpften heroisch; keiner von ihnen lief beim ersten Schuß davon [...] In dieser Situati-
on zeigte sich besonders die Überlegenheit Ernst Thälmanns; er verlor den kühlen Kopf nicht und
analysierte nüchtern die Gesamtlage. In bewundernswerter Ruhe und Sicherheit traf er seine Ent-
scheidungen“ (Bredel 1951, S. 72f.). Diese heroische Schilderung ist im ersten Teil des DEFA-
Filmes Ernst Thälmann - Sohn seiner Klasse wiederzufinden (Bredel/Tschesno-Hell 1954). In der
Originalfassung des Filmes bewahrheitet sich scheinbar Lenins Bemerkung „Thälmann ... In dem
steckt das Zeug zu einem großen Arbeiterführer!“ (ebenda, S. 79).
Bartel bezeichnet Thälmann als „Führer im Hamburger Arbeiteraufstand“. Dabei stützt er sich auf
Thälmanns eigene Beurteilung der Kämpfe (Bartel 1961, S. 61). Diese Einschätzungen vermerkt
auch Meyers Neues Lexikon (1966, Band 8, S. 26). Es betont die wichtigen Lehren, die Thälmann
aus dem Kampf gezogen habe, nämlich „hinsichtlich der Notwendigkeit, eine geschlossene, diszipli-
nierte marxistisch-leninistische Partei zu schmieden, eine leninistische Strategie und Taktik zu ent-
wickeln und die Massen zu gewinnen“.


In ähnlicher Weise wie Bredel 1951 berichtet Gundelach (1961, S. 62ff.) aus persönlicher Erfahrung.
Bei ihm engen sich die Kämpfe auf den Hamburger Ortsteil Barmbeck ein. Hier hätten die Kampf-
handlungen begonnen und seien am bedeutendsten gewesen. In der Weise hält es auch die Ge-
schichte der deutschen Arbeiterbewegung von 1966 fest: „In den Morgenstunden des 23. Oktober
stürmten die Kampftrupps der Arbeiter 17 von 26 im Aufstandsplan festgelegten Polizeireviere und
entwaffneten die völlig überraschten Polizisten. Eine halbe Stunde nach Beginn des Aufstandes hat-
ten die Arbeiter etwa 170 Gewehre und viel Munition erbeutet. Die erste Aufgabe des Planes - die
Überrumpelung des Gegners und die Selbstbewaffnung - wurde an vielen Stellen erfolgreich gelöst.
Vor allem in Barmbeck, wo die Leitung direkt in den Händen Ernst Thälmanns lag, hatten die
Kampftrupps im ersten Ansturm die gestellten Ziele erreicht“ (IML 1966, Band III, S. 430).
Ähnlich ist die Formulierung in der „Thälmann-Biographie“ vierzehn Jahre später. Nur ein wesentli-
cher Punkt unterscheidet die beiden. Es ist nicht mehr von Ernst Thälmann, sondern Hans Kippen-
berger als Anführer die Rede. Genau heißt es hier: „Am erfolgreichsten verliefen die Kämpfe in
Barmbeck. Hier war Hans Kippenberger der militärische Leiter“ (Hortzschansky/Wimmer u.a. 1980,
S. 182). Kippenberger (1898-1937) galt in der DDR unter Ulbricht als „politische Unperson“. Der
Name des bei den Stalinschen Parteisäuberungen umgekommenen KPD-Funktionärs taucht in den
SED-Geschichtsbüchern dieser Zeit nicht auf. 1979 ist er auf oben geschilderte Weise politisch reha-
bilitiert. Dies haben die Autoren im Text jedoch überhaupt nicht weiter erklärt (hierzu auch Hortz-
schansky/Weber 1984, S. 71f.). Dessen ungeachtet wurde Thälmann weiterhin als der eigentliche
politische Führer des Aufstands gesehen.
Die politische Leitung des Aufstandes lag in den Händen Ernst Thälmanns. Seine feste Verbindung mit
den Hamburger Arbeitern, seine Kenntnis ihrer Probleme, seine Einsatzbereitschaft, seine Fähigkeit,
rasch zu entscheiden, sein Mut wie sein großes Organisationstalent kam hier voll zur Geltung. [...] Ob-
gleich Tausende von Polizisten die Aufstandszentren eingeschlossen hatten, hielt Ernst Thälmann mit
der ihm eigenen Unerschrockenheit ständig Verbindung zu den Kämpfenden. Er ermunterte die Kämpfer
an den Barrikaden auf dem Barmbecker Marktplatz und an anderen Orten und gab ihnen Ratschläge.
Zumeist war er mit dem Fahrrad unterwegs, in grauer Windjacke, Arbeitshosen, Schaftstiefeln und mit
einer blauen Schirmmütze. (Hortzschansky/Wimmer u.a. 1980, S. 183f.)
Allein die zitierte Passage wird in der kleinen Thälmann-Biographie (Hortzschansky/Wimmer 1988,
S. 74f.) aufgenommen. Der Name Kippenbergers ist hier wie auch in anderen volksnahem Publika-
tionen erneut getilgt. Auf diese Weise fällt Ernst Thälmann die alleinige Führungsrolle zu. Die ange-
trengte Differenzierung in der großem Thälmann-Biographie ist damit hob die SED somit auf.
Im Grundriß der deutschen Geschichte von 1974 ist Thälmann „als maßgebender Führer“ genannt
(Zentralinstitut 1974, S. 406). Die 2. Auflage korrigiert das unwesentlich in „politischer Führer“ um
(Diehl u.a. 1979, S. 403). In gleicher Art bezeichnet ihn auch eine Agitationsbroschüre: „Im Oktober
1923, auf dem Höhepunkt der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland, erhoben sich die Ar-
beiter Hamburgs, an ihrer Spitze die Kommunisten, zum Kampf. Die politische Leitung des Hambur-
ger Aufstandes lag in den Händen von Ernst Thälmann. Zwei Tage trotzten die Arbeiter den zahlen-
mäßig stark überlegenen, gut ausgerüsteten Kräften des Gegners“ (IML 1977, S. 28).
In einer Ausbildungsschrift für Geschichtslehrer reden Ertmann u.a. 1986 von Thälmann als „Führer
des Hamburger Aufstandes“ (Ertmann u.a. 1986, S. 38). Diese Schilderung läßt sich im Lehrbuch
Geschichte der 9. Klasse noch 1989 nachweisen (S. 47). Auch die Autoren des „Wörterbuchs der
Geschichte“ interessieren die Erkenntnisse des IML von 1980 scheinbar nicht, wenn sie sich in den
Schilderungen der Hamburger Situation allein auf Thälmann konzentrieren.
Die Möglichkeit eines siegreichen Kampfes zum Sturz der Herrschaft des Monopolkapitals in
Deutschland im Herbst 1923 bewies der heroische, von der Parteiorganisation der KPD unter Ernst
Thälmann geleitete Aufstand der Hamburger Arbeiter [...] Es zeugte von der Bereitschaft der Arbeiter-
klasse, unter Führung einer marxistisch-leninistischen Partei geschlossen für die soziale und nationale
Befreiung des deutschen Volkes zu kämpfen. (Bartel u.a. 1984, S. 605)


In einer Festschrift zum 100. Geburtstag von Thälmann formuliert Sassning: „Über die Grenzen
Deutschlands hinaus wurde er berühmt als Führer des Hamburger Aufstandes im Oktober 1923“
(Sassning 1985, S. 19).
Der Hamburger Aufstand selbst wurde von der SED, trotz seiner Niederschlagung, immer als Erfolg
gedeutet. Dabei schlossen sich die Geschichtsschreiber den Wertungen Thälmanns an, der angeblich
aufgrund des isolierten Kampfes die Kampfhandlungen einstellen lassen mußte. Zwei Jahre nach dem
Aufstand resümierte er als Parteivorsitzender der KPD in der „Roten Fahne“ vom 23.10.1925 über
Ursachen und Lehren der Ereignisse des Oktober 1923 (in Thälmann 1973/74, S. 25-44). Seine eige-
ne Rolle kommt in keinem Satz zum Ausdruck. Die Arbeiter aber hätten „wie die Tiger“ gekämpft.
Man wäre zwar nicht Sieger aber trotzdem ungeschlagen (ebenda, S. 34). Diese eigenwillige Argu-
mentation wird von Thälmann fortgesetzt. So behauptet er „Wir, die Kommunisten, sind zwar ge-
schlagen worden und mit uns die ganze deutsche Arbeiterklasse“ - doch eine Entgegnung auf das
vorgebrachte „zwar“ unterbleibt (ebenda, S. 25). Unverständlich ist auch die Behauptung der „Dik-
tatur des Proletariats“ als genau formuliertes Programm (ebenda, S. 41). Die Arbeiter des „unsterbli-
chen Barmbeck“ sind die Helden von einst und werden als Ideal vorgeführt.
Sie standen drei Tage und drei Nächte. Sie schossen drei Tage und drei Nächte. Sie griffen an, sie fie-
len, sie wichen zurück, aber sie ergaben sich nicht. Sie retteten die Ehre der Kommunistischen Partei
Deutschlands. Sie waren die Preisverfechter der deutschen Arbeiterklasse. [...] Die proletarische Revo-
lution hat mehr als eine blutige Niederlage ertragen. Sie ist niemals daran verblutet. Sie ist stärker, stol-
zer, entschlossener weitergeschritten. [...] Auch Hamburg ist nicht tot, sondern Hamburg ist unbe-
sieglich. (E. Thälmann 1973/74, S. 34f.)
Die Rolle der Partei als Vortrupp, welche nicht nur mit Worten, sondern auch tätig den Weg weisend
und führte wird überdeutlich herausgestellt (ebenda, S. 41). Aufgabe der Partei für die Zukunft - die
„größte Lehre aus dem Aufstand“ - sei die Vorbereitung, Erziehung und Organisation des Proletari-
ats für die Revolution. Das sei, so gibt Thälmann zu, „jahrelange, ausdauernde Arbeit“.
So wie die Hamburger Oktoberkämpfer, das ist Thälmanns Quintessenz, müsse jeder Proletarier sein:
„kaltblütig, todesverachtend, der Sache der Arbeiterklasse grenzenlos ergeben, das Gewehr in der
Hand, vor sich die Barrikaden, zum Empfang des Feindes bereit und den Blick auf das einzige Ziel
gerichtet, auf das größte, stolzeste Ziel, das es für einen Kommunisten gibt: die Diktatur des Proleta-
riats“ (ebenda, S. 41).
Mit Thälmanns Worten argumentierten die SED-Historiker: Der Aufstand „gab ein Beispiel des He-
roismus der revolutionären deutschen Arbeiter im Kampf gegen Monopolkapital und Militarismus
sowie dafür, daß sich bewaffnete Arbeiter bei entschlossener Führung auch gegen eine vorzüglich
organisierte und stark bewaffnete konterrevolutionäre Staatsmacht zu behaupten vermögen“ (Bartel
u.a. 1984, S. 447).
Gerade in Büchern für den jüngeren Leserkreis steht Teddy immer in Zusammenhang mit den Ham-
burger Kämpfen. Seine Führungsrolle ist auch hier erwartungsgemäß unbestritten. So ist im Pionier-
buch Halstuch, Trommel und Fahne (Chowanetz 1978, S. 65ff.) neben dem Thälmann-Porträt eine
Zeichnung mit dem Untertitel „Barrikaden 1923 in Hamburg“ abgebildet. Im Text heißt es dazu:
„Als die Arbeiter, Bauern und Soldaten den Kaiser davonjagten, war Ernst Thälmann Mitglied des
Soldatenrates und organisierte den Kampf der Revolutionäre. 1923 stand er an der Spitze des Ham-
burger Aufstandes [...] Oft war er bei Streikkämpfen und Demonstrationen mit unter den Arbeitern,
die ihm fest vertrauten und liebevoll ‘Teddy’ nannten.“ In ähnlicher Weise ist das auch bei Dähnhardt
(1977, S. 128f.) nachzulesen. Rodrian (1978, Kapitel 3) läßt die Geschichte eine Lehrerin nacher-
zählen. Die Bücher von Meinck (1954, 1964) haben die Handlungen in Hamburg als Grundlage ihrer
Geschichten. Bei Meyer/Meyer (1976, S. 72f.) nimmt das bunt gemalte Bild vom Hamburger Auf-
stand den Platz von einer ganzen Seite ein. In ihren Ausführungen stützte sich das Autorenpaar auf
einen Text von Irma Thälmann an ihren Vater. Diese hatte in ihren Erinnerungen von den revolutio-
nären Ereignissen in Hamburg berichtet (I. Thälmann 1984, S. 9ff., 41).


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