Ernst Thälmann Reden und Aufsätze
Download 5.01 Kb. Pdf ko'rish
|
Kritik an literarischen Arbeiten
Ich nenne zunächst das Buch des Genossen Langner über den „Politischen Massenstreik“. Dieses Buch enthält neben vielem wertvollem Material und fleißiger Arbeit einige ideologische Fehler. Kleinere „Schönheitsfehler“, wie das Vergessen des englischen Generalstreiks von 1926, brauchen wir hier nicht zu erwähnen. Aber zwei sehr ernste geschichtliche Fehler müssen festgenagelt werden. Der erste Fehler betrifft die Stellung Rosa Luxemburgs zur Frage des Massenstreiks. Genosse Langner gibt eine völlig ungenügende Kritik der Fehler des Luxemburgismus auf diesem Gebiet, auf der anderen Seite unterschiebt er Rosa Luxemburg Auffassungen, die sie nicht gehabt hat. Die Behauptung z.B., daß nach der Darstellung Rosa Luxemburgs politische Streiks nur aus den ökonomischen Streiks der Arbeiter entstehen, widerspricht der historischen Wahrheit. Gerade in dieser Frage der wechselseitigen Beziehungen der ökonomischen und politischen Streiks erhob sich Rosa Luxemburg während der bekannten Massenstreikdebatte in der deutschen Sozialdemokratie vor allem bis 1910, auf eine ziemlich hohe Stufe revolutionärer Klarheit und näherte sich mehr als in vielen anderen Fragen den klaren Formulierungen Lenins und der Bolschewiki. Es entspricht nicht unserer Aufgabe, die revolutionäre Bedeutung Rosa Luxemburgs durch ungerechtfertigte Vorwürfe herabzumindern, während man auf der anderen Seite in der Kritik ihrer Fehler große Schwächen zeigt. Das trifft aber auch auf das Buch des Genossen Langner zu. Soweit Langner sich z.B. bezüglich der Rolle des Spartakusbundes während der Kriegszeit begnügt, einfach Lenins Kritik an der Junius-Broschüre Rosa Luxemburgs zu zitieren, gibt er gutes Material. Sobald er zu eigenen Schlußfolgerungen übergeht, zeigt er eine völlig ungenügende Kenntnis der tatsächlichen Vorgänge, eine abstrakte und leichtsinnige Stellung sowohl zu den Vorzügen wie den Schwächen der revolutionären Arbeit Liebknechts und Rosa Luxemburgs und ihrer Gruppe während des Krieges. So einfach darf man sich die Sache bei der Behandlung der Geschichte und Vorgeschichte unserer Partei, der Vorzüge und Schwächen sowie Fehler des Luxemburgismus keinesfalls machen. Man erschwert dadurch das wirkliche Verständnis der Schwächen des Luxemburgismus, die unsere Partei im langen Ringen ihrer Bolschewisierung überwinden mußte und zum Teil noch heute überwinden muß. Weit schlimmer noch als diese Schwächen des Langnerschen Buches ist jedoch die Unkenntnis von den entscheidenden Problemen der russischen Revolution, die sich in der Schrift Langners ausdrückt. Die gesamte Diskussion der Bolschewistischen Partei mit dem Trotzkismus scheint hier vergessen. Ja, die Frage des Überganges von der bürgerlichdemokratischen zur proletarisch- sozialistischen Revolution, das Umschlagen der bürgerlichen Revolution in die proletarische - darüber gibt der Genosse Langner kein richtiges Bild. Genosse Langner stellt als angebliche Auffassung Lenins für das Jahr 1915 in seinem Buch folgende Behauptung auf: „Das Ziel des Kampfes in Rußland ist die Revolution. Der Inhalt der Revolution ist die revolutionäre demokratische Diktatur des Proletariats und des Bauerntums.“ Genosse Langner versucht, die Auffassung, wonach Lenin als Aufgabe der bolschewistischen Partei lediglich die bürgerlich-demokratische Revolution in Rußland hingestellt habe, mit eigenen Worten Lenins zu begründen. Er bringt zum Beweis ein Zitat aus dem Aufsatz Lenins während des Krieges, der unter dem Titel „Einige Thesen“ am 13. Oktober 1915 im Genfer „Sozialdemokrat“ erschienen ist. Langner zitiert die fünfte These dieses Artikels, die als Inhalt der nächsten Revolution in Rußland die revolutionäre demokratische Diktatur des Proletariats und des Bauerntums bezeichnet. Er erweckt hierdurch die Auffassung, als ob Lenin damit tatsächlich seine ganze Auffassung über die bevorstehende russische Revolution ausgedrückt habe. Trotzki hat im Vorwort zu seinem Buch „1905“ die verleumderische Behauptung aufgestellt, Lenin habe nach der Februarrevolution 1917 „umgerüstet“. Was ist damit gemeint? Die Trotzkisten behaupten, die Bolschewiki hätten nur die bürgerlich-demokratische Revolution mit dem Ziel der revolutionären demokratischen Diktatur der Arbeiterklasse und des Bauerntums ins Auge gefaßt und hätten erst nach dem Sturz des Zarismus, nach der Februarrevolution von 1918 „umrüsten“ müssen, mit anderen Worten: Dann Trotzkis Programm der proletarisch-sozialistischen Revolution übernommen. Wenn Langner mit der Art, wie er Lenins Standpunkt im Herbst 1915 darstellt, recht hätte, dann wäre Trotzki kein Verleumder Und Geschichtsfälscher. Genosse Langner scheint nicht zu wissen, daß die Losung „revolutionäre demokratische Diktatur des Proletariats und des Bauerntums“ die bolschewistische Losung in der bürgerlich- demokratischen Revolution ist. Er scheint nicht zu wissen, daß die Bolschewiki für die proletarisch-sozialistische Revolution die Losung „Diktatur des Proletariats bei Sicherung der Unterstützung seitens der Dorfarmut“ aufgestellt hatten. Wie kommt es nun, daß Langner seinen Standpunkt scheinbar mit einem Zitat Lenins begründet? Die Erklärung hierfür ist sehr leicht. Hier sehen wir eine leichtfertige Art, in der Genosse Langner aus jenem Lenin-Artikel eine These halb aus dem Zusammenhang herausreißt, nämlich die fünfte These, während er die sechste These, die erst den Zusammenhang und damit die vollständige Auffassung Lenins über den Charakter der bevorstehenden russischen Revolution gibt, einfach verschweigt. Diese Art ermöglicht es Langner, eine so irreführende Darstellung der Auffassungen Lenins zu geben. Denn wie lautet die sechste These? Sie heißt: „6. Es ist die Aufgabe des russischen Proletariats, die bürgerlichdemokratische Revolution in Rußland zu Ende zu führen, zu dem Zweck (diese Worte hat Lenin selbst gesperrt), die sozialistische Revolution in Europa zu entfachen.“ Niemand kann demnach behaupten, daß Lenin das unausbleibliche Umschlagen der bürgerlich-demokratischen in die proletärisch-sozialistische Revolution nicht mit voller Klarheit erkannt und auch für die Taktik der bolschewistischen Partei zugrunde gelegt hätte. In einem weiteren Artikel Lenins aus dem Genfer „Sozialdemokrat“ vom 20. November 1915, also vier Wochen später, der direkt gegen Trotzki polemisierte, heißt es gleichfalls mit völlig unzweideutiger Klarheit: „Und diese Befreiung des bürgerlichen Rußland vom Zarismus, von der Herrschaft der Gutsbesitzer über den Boden, wird das Proletariat unverzüglich ausnützen, nicht um die wohlhabenden Bauern in ihrem Kampf gegen die Landarbeiter zu unterstützen, sondern um die sozialistische Revolution im Bunde mit den Proletariern Europas durchzuführen.“ Aber Lenin hat diese Auffassung über das Umschlagen der bürgerlich-demokratischen Revolution in Rußland in die proletarisch-sozialistische nicht etwa erst 1915, sondern genau ebenso während der gesamten russischen Revolution von 1905 bis 1907 vertreten. Ja, er hat seinen Standpunkt in dieser Frage bereits mit aller Klarheit im Jahre 1894 in seiner damaligen Schrift „Wer sind die Freunde des Volkes?“ formuliert. In dieser Schrift, die bisher in der deutschen Gesamtausgabe noch nicht veröffentlicht ist, heißt es: „Wenn erst ihre (der Arbeiterklasse) vorgeschrittenen Vertreter sich die Gedanken des wissenschaftlichen Sozialismus angeeignet haben, den Gedanken der historischen Rolle des russischen Arbeiters, dann wird der russische Arbeiter, nachdem er sich an die Spitze aller demokratischen Elemente gestellt hat, den Absolutismus stürzen und das russische Proletariat (neben dem Proletariat aller Länder) den geraden Weg des offenen politischen Kampfes zur siegreichen kommunistischen Revolution führen… Der Arbeiter braucht die Verwirklichung der allgemeinen demokratischen Forderungen nur zur Freimachung des Weges, der zum Siege über den Hauptfeind der Werktätigen, die ihrer Natur nach rein demokratische Institution, das Kapital, führt… Die Arbeiter müssen wissen, daß sie ohne den Sturz dieser Stützen der Reaktion keine Möglichkeit zum erfolgreichen Kampf gegen die Bourgeoisie haben werden…“ Selbstverständlich veränderte sich Lenins konkrete Einschätzung der Schwierigkeiten für das Umschlagen der bürgerlichen in die proletarische Revolution entsprechend der Lage. 1905 waren diese Schwierigkeiten größer als z.B. 1917. Aber die Grundlinie waren stets die gleiche. Was bleibt also von den Darstellungen Langners übrig? Nichts als die Feststellung, daß er Lenins Standpunkt unbewußt entstellt wiedergibt. Wir haben hier wieder einen Beweis großer Leichtfertigkeit auf dem Gebiet der theoretischen Arbeit und großer Verworrenheit in entscheidenden Fragen der Leninschen Theorie zu verzeichnen. Der Genosse Langner hat bereits in einer Erklärung an das Sekretariat seine Fehler anerkannt. Wir können diesen Schritt des Genossen Langner nur begrüßen. Ich komme zu einem anderen Buch, dem Buch des Genossen David über den „Bankrott des Reformismus“. Ich will hier nicht über die positiven Seiten des Buches sprechen, das zweifelsohne eine Fülle von schlagenden Argumenten, Tatsachen, Ziffern und Zitaten zur Widerlegung der Theorien und Argumente der Reformisten bringt, ferner eine brauchbare Auseinandersetzung mit vulgär-ökonomischen Theorien und eine ernsthafte Darstellung des Marx’schen Verelendungsgesetzes an Hand der kapitalistischen Entwicklung Deutschlands. Daneben enthält das Buch von David jedoch eine Reihe von groben Fehlern, die zeigen, daß Genosse David die luxemburgistischen Eierschalen keineswegs abgestreift hat. Ich will hier nur die wesentlichen Punkte anführen. Ein großer Mangel des Davidschen Buches, der keineswegs zufälligen Charakter hat, ist der völlige Verzicht auf jede Auseinandersetzung mit der Akkumulations- und Zusammenbruchstheorie Rosa Luxemburgs. Noch gefährlicher werden die Fehler und Abweichungen im zweiten Teil des Davidschen Buches, der sich mit den Voraussetzungen der Streiks in der Periode der allgemeinen Krise des Kapitalismus beschäftigt. Im vierten Kapitel wird dort zum Teil die Theorie aufgestellt, daß unter den Bedingungen der allgemeinen Krise des Kapitalismus jeder Streikkampf eine offensive Handlung gegen die Grundlage des kapitalistischen Systems ist. David geht, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, wo er sich selbst gewissermaßen korrigiert, von der Auffassung aus, daß alle Streiks der Vorkriegszeit Defensivkämpfe gewesen seien, während in der Nachkriegszeit jeder Streik vom Gesichtspunkt der Strategie einen Offensivkampf darstellt. Genossen, wie steht es mit dieser „Theorie“. Zunächst muß man feststellen, daß David eine falsche Einstellung zu den Streiks der Vorkriegszeit hat. Er verzichtet darauf, die Fehler zu kritisieren, die Rosa Luxemburg in der Massenstreikdebatte der alten Sozialdemokratie in der Frage des politischen Massenstreiks, vor allem vom Jahre 1910 ab, begangen hat. Bekanntlich näherte sich damals der Standpunkt Rosa Luxemburgs in der Frage des politischen Massenstreiks stellenweise der zentristischen Stellungnahme Kautskys. In Wirklichkeit gab es auch vor dem Krieg bereits Streiks von offensivem Charakter. Davids Fehler in dieser Frage rührt also von einer ungenügenden Kritik des Luxemburgismus und der zentristischen Auffassungen in der Massenstreikdebatte her. Die letzteren werden z.B. in seinem Buch überhaupt nicht erwähnt. Wie steht es aber mit Davids Theorie bezüglich der gegenwärtigen Periode? Statt die „objektiv revolutionäre Rolle“ des Streiks entsprechend den Thesen des II. Weltkongresses zu konkretisieren, statt von den unzweifelhaft richtigen Beschlüssen des X. und XI. Plenums des EKKI, die alle die Notwendigkeit der Verbindung des wirtschaftlichen und politischen Kampfes betonen, und das „Ineinandergreifen“ des wirtschaftlichen und politischen Kampfes im Leninschen Sinne klarzustellen, erfindet Genosse David seine „Offensivtheorie“. Jeder Streik ist bei David - wenigstens nach einigen Formulierungen seines Buches - von vornherein ein Offensivkampf. Damit wird die Aufgabe der Kommunisten und der RGO, diese komplizierte und schwere Aufgabe der revolutionären Strategie und Taktik, mit einem Schlage aus der Welt geschafft. Wenn alle Streiks von vornherein Offensivkämpfe gegen den Bestand des kapitalistischen Systems sind, dann haben wir es furchtbar einfach, Genossen. Was brauchen wir uns noch den Kopf zu zerbrechen darüber, von der Defensive in die Offensive überzugehen. Was brauchen wir noch nachzudenken über die Politisierung der Wirtschaftskämpfe? Lenin, die Komintern, die RGI und wir alle haben uns ganz unnötige Kopfschmerzen gemacht. Genosse David kommt und beweist uns, daß ohnehin jeder Streik ein Offensivstreik ist. Genossen, man kann fast sagen, das ist eine Art von Erneuerung der Kautskyschen Ermattungsstrategie aus der Vorkriegszeit. Das ist in der Praxis eine vollständige Herabsetzung und Verkleinerung der gewaltigen Aufgaben und Schwierigkeiten, die das revolutionäre Proletariat im Klassenkampf lösen und bewältigen muß. Mit anderen Worten: Die praktische Auswirkung einer solchen linksopportunistischen Theorie ist die Erziehung zur Passivität, versteckt durch einen scheinbar „linken“ und „radikalen“ Standpunkt. Genosse David will sicherlich diese Wirkung nicht erzielen. Aber hier steckt eine Hauptschwäche seines Buches. Es ist zum Teil ein etwas akademisches Buch, das nicht immer in genügendem Maße von den Erfordernissen der Praxis des revolutionären Klassenkampfes ausgeht. Gerade deshalb kann David in seinen theoretischen Erörterungen zu so schwerwiegenden Fehlern gelangen und in die Plattheiten des Ökonomismus abgleiten, der von Lenin so scharf bekämpft wurde. Die wegweisende Bedeutung des Briefes des Genossen Stalin an die Zeitschrift „Proletarische Revolution“ Was ergibt sich aus dem Vorkommen so schwerer Fehler und Abweichungen in unserer theoretischen Literatur? Die unzweideutige Notwendigkeit, eine viel größere Wachsamkeit an der theoretischen Front zu entfalten. Was wir brauchen, ist jene bolschewistische Unversöhnlichkeit und Unduldsamkeit gegenüber allen Einflüssen der Sozialdemokratie und auch die Überwindung aller in unseren Reihen noch vorhandenen Überreste aus der sozialdemokratischen oder luxemburgistischen Vergangenheit unserer Partei. Der Brief des Genossen Stalin an die Zeitschrift „Proletarische Revolution“ ist deshalb für die deutsche Partei eine außerordentlich entscheidende und wegweisende politische Direktive. Er ist ein Appell für uns, den schärfsten Kampf gegen alle fremden Einflüsse, gegen alle antileninistischen Strömungen und gegen jedes Versöhnlertum ihnen gegenüber in unserer gesamten theoretischen und praktischen Arbeit zu entfalten. Schärfster Kampf gegen die Überreste des Luxemburgismus Ich will nur zwei Fragen in diesem Zusammenhang kurz behandeln: Die erste Frage ist die des Luxemburgismus. Was ist dazu zu sagen? Wir denken nicht daran, die Bedeutung Rosa Luxemburgs, Karl Liebknechts, Franz Mehrings und der übrigen Genossen, die den linksradikalen Flügel in der Vorkriegssozialdemokratie bildeten, abzuschwächen. Wir denken nicht daran, diese wahrhaft revolutionären Kämpfer und Führer und ihre guten revolutionären Traditionen zu verleugnen, oder gar den sozialfaschistischen, SAP-istischen oder brandleristischen Leichenschändern zu überlassen. Rosa Luxemburg und die anderen gehören zu uns, gehören der Kommunistischen Internationale und der KPD, an deren Gründung sie mitgewirkt haben. Aber bedeutet dies eine Abschwächung der notwendigen Aufklärung unserer Partei über die Fehler Rosa Luxemburgs und der übrigen Linksradikalen? Eine solche Kritik an den Fehlern des Luxemburgismus ist unerläßlich vom Standpunkt der Bolschewisierung der Partei. Der Weg der Linksradikalen aus der Vorkriegssozialdemokratie führte unter den Bedingungen der Kriegszeit teilweise zum Kommunismus, aber nur insoweit, wie sich diese Gruppen von den halbmenschewistischen Fehlern ihrer Ideologie zu befreien und in der Richtung zum Bolschewismus, zur Politik Lenins und der bolschewistischer Partei entwickelten. Heute, wo die Komintern besteht, wo in der Sowjetunion unter der proletarischen Diktatur des Sozialismus verwirklicht wird, würde jeder Versuch zur Erneuerung des Luxemburgismus und jeder Überrest des Luxemburgismus niemals eine Brücke zum Marxismus-Leninismus bilden können, sondern stets einen Übergang zum Sozialfaschismus, zur Ideologie der Bourgeoisie, wie wir es am besten bei den Brandleristen sehen. Wir müssen also mit aller Klarheit aussprechen: in all den Fragen, in denen Rosa Luxemburg eine andere Auffassung als Lenin vertrat, war ihre Meinung irrig, so daß die ganze Gruppe der deutschen Linksradikalen in der Vorkriegs- und Kriegszeit sehr erheblich an Klarheit und revolutionärer Festigkeit hinter den Bolschewiki zurückblieb. Diese Erkenntnis gibt uns erst das Verständnis dafür, warum es in Deutschland verspätet zur Spaltung zwischen dem Revolutionären Marxismus und den kleinbürgerlichen Opportunisten oder ihren zentristischen Helfershelfern innerhalb der Arbeiterbewegung kam. Rosa Luxemburgs Fehler in der Akkumulationstheorie, in der Bauernfrage, in der nationalen Frage, in der Frage des Problems der Revolution, in der Frage der proletarischen Diktatur, in der Organisationsfrage, in der Frage der Rolle der Partei bzw. der Spontaneität der Massen - das alles ergibt ein System von Fehlern, die Rosa Luxemburg nicht zur vollen Klarheit eines Lenin aufsteigen ließen. Wenn heute ein Slutzki den Versuch machte, Lenins Kampf gegen den Zentrismus in der Vorkriegsperiode abzuleugnen, um damit die internationale Rolle des Bolschewismus in der II. Internationale der Vorkriegszeit zu vertuschen, so haben wir deutschen Genossen besonders die Pflicht, einer derartigen Auffassung mit äußerster Schärfe entgegenzutreten. Die gesamte Praxis der bolschewistischen Partei widerlegt diesen konterrevolutionären Anwurf. An und für sich brauchen wir also Lenin wahrhaftig nicht zu verteidigen. Der Entwurf eines Briefes Lenins an August Bebel Ich möchte in diesem Zusammenhang jedoch noch ein für uns besonders interessantes historisches Dokument erwähnen, das für die kritische Stellung Lenins gegenüber den deutschen Linksradikalen in der Vorkriegssozialdemokratie und damit für unsere Parteigeschichte äußerst bezeichnend ist. Im Jahre 1905 hatte sich Bebel angeboten, als unparteiischer Schiedsrichter in dem Streit zwischen den beiden gespaltenen Teilen der russischen Sozialdemokratie, den Bolschewiki und Menschewiki, zu fungieren. Der menschewistische Parteirat hatte den Vorschlag Bebels akzeptiert und seinerseits Kautsky und Klara Zetkin als Vertreter für das Schiedsgericht benannt. Die Bolschewiki lehnten den Vorschlag ab. Lenin schrieb einen Brief an August Bebel. Ein Teil dieses Briefes, wie ihn Lenin entworfen hatte, wurde von ihm selbst durchgestrichen und gelangte nicht zur Absendung. Da das Manuskript aber erhalten blieb, können wir aus dem durchgestrichenen Teil des Briefentwurfes interessante Details über die Stellung Lenins zu den deutschen Linken entnehmen. Ich will einige Sätze daraus vorlesen: „Vor einigen Monaten, als es vielleicht noch nicht zu spät war, als noch eine Spur von Hoffnung existierte, daß der III. Parteitag beide Fraktionen vereinigen und eine Partei wiederherstellen kann, - damals tat die deutsche Sozialdemokratie ihr möglichstes, um diesen Weg zu versperren. Kautsky suchte in der „Iskra“ den Wert der formellen Organisation zu schwächen. Die Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie verherrlichte die Desorganisation und die Treulosigkeit (Rosa Luxemburg in der „Neuen Zeit“) unter dem geistreichen und „dialektischen“ Vorwande, die Organisation sei nur ein Prozeß, nur eine Tendenz. Die Erbitterung darüber war in unserer Partei sehr groß. Genosse Rjadowoi, sehr einflußreiches Mitglied der Majorität, bestand darauf, daß Kautsky meine Antwort bringen wird. Ich wettete mit ihm um das Gegenteil davon. Meine „Abwehr“ war kurz und sachlich geschrieben und beschränkte sich darauf, tatsächliche Unwahrheiten zu berichtigen und faktische Erzählungen dem Spotte über unsere Partei gegenüberzustellen. Kautsky wies meinen Artikel zurück mit der famosen Motivierung, Angriffe auf uns habe die „Neue Zeit“ nicht, weil sie gegen uns gerichtet sind, sondern dessen ungeachtet gedruckt! Es war einfach ein Hohn. Die „Neue Zeit“ (und nicht sie allein) wollte also den deutschen Sozialdemokraten nur die Ansichten der Moritat bekannt machen. Die Erbitterung darüber war in unseren Reihen ungemein groß.“ Ich glaube, Genossen, dieses Dokument zeigt, wie lügnerisch die Behauptung der Slutzki und Konsorten ist, Lenin habe seinen Kampf gegen den Zentrismus erst während des Krieges begonnen. Was ist „Zentrismus“? Ich komme zu einer zweiten Frage, die mit dem Problem des Luxemburgismus in Verbindung steht: die Frage des Zentrismus. Es handelt sich in dieser Frage darum, ob der Zentrismus vor dem Kriege, während des Krieges oder in der ersten Nachkriegszeit eine besondere selbständige Richtung zwischen dem rechten und linken Flügel der internationalen Arbeiterbewegung dargestellt habe. Das ist falsch. Der Zentrismus war nichts als eine Spielart des Opportunismus, des Revisionismus oder Reformismus. Lenin spricht zum Beispiel über die Frage, welche Rolle die zentristischen Politiker in Deutschland und Frankreich spielen. Er sagt dabei: „...ein solcher Mensch begeht durch seine Charakterlosigkeit, seine Schwankungen und seine Unentschlossenheit den gleichen Verrat, wie ein direkter Verräter. In persönlicher Hinsicht ist der Unterschied zwischen einem Verräter aus Schwäche und einem Verräter aus Absicht und Berechnung sehr groß; in politischer Hinsicht besteht ein solcher Unterschied nicht, denn von der Politik hängt das tatsächliche Geschick von Millionen Menschen ab. Dieses Geschick aber ändert sich nicht, ob nun Millionen Arbeiter und armer Bauern von Verrätern aus Schwäche oder Verrätern aus Eigennutz verraten werden.“ Lenin zeigt also ganz deutlich, daß in politischer Hinsicht zwischen dem Reformismus und dem Zentrismus ein Unterschied prinzipieller Art nicht gemacht werden kann. Genosse Stalin hat am 19. November 1928 auf dem Plenum des ZK der KPSU in seiner Rede ähnlich den Charakter des Zentrismus aufgezeigt. Er führte aus: „Der Zentrismus ist eine der II. Internationale der Vorkriegszeit eigentümliche Erscheinung. Dort gab es Rechte (die Mehrheit), Linke (ohne Anführungszeichen) und Zentristen, deren ganze Politik darauf hinauslief, den Opportunismus der Rechten mit ihren linken Phrasen i schön zu färben, die Linken den Rechten zu unterwerfen.“ Download 5.01 Kb. Do'stlaringiz bilan baham: |
Ma'lumotlar bazasi mualliflik huquqi bilan himoyalangan ©fayllar.org 2024
ma'muriyatiga murojaat qiling
ma'muriyatiga murojaat qiling