Ernst Thälmann Reden und Aufsätze


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Welche Bedeutung haben diese Manöver? 
 
Sie sind stets einerseits eine Aktion, die die SPD im eigenen Parteiinteresse unternimmt, um 
ihre verbrecherische Politik durch irgendeinen Massenbetrug vor den eigenen Anhängern zu 
verschleiern  und  sie  im  Kampf  gegen  die  Entlarvung  durch  uns  in  einem  günstigeren  Licht 
erscheinen zu lassen. 
Sie sind auch insofern Aktionen im eigenen Parteiinteresse der SPD, als sie der Konkurrenz 
des  „gemäßigten  Flügels  des  Faschismus“  gegenüber  den  anderen  Hilfstruppen  der 
Bourgeoisie,  den  Nazis  usw.  dienen.  So  will  sich  die  SPD  z.B.  mit  ihrer  „Eisernen  Front“ 
einen Apparat schaffen,  der nicht nur  für die Präsidentschafts- und Preußenwahlen, sondern 
auch bei anderen Anlässen zur Sicherung der SPD-Politik eingesetzt werden soll. 
Aber  andererseits  -  und  das  ist  das  Ausschlaggebende  -  sind  diese  sozialdemokratischen 
Betrugsmanöver  stets  auch  ein  notwendiger  Bestandteil  des  jeweiligen  Angriffs  der 
Bourgeoisie  gegen  die  Arbeiterklasse  und  die  Werktätigen.  Die  Bourgeoisie  könnte  ihre 
Politik nicht durchsetzen, wenn nicht die Sozialdemokratie mit ihren Massenbetrugsmanövern 
den Weg für die Aktionen der Bourgeoisie bereiten würde. Und man kann sagen, daß hiermit 
gerade die wichtigste Funktion der sozialdemokratischen Betrugsmanöver gekennzeichnet ist. 
Ja, man muß die Feststellung treffen: Bei dem Versuch der Bourgeoisie, die Krise auf Kosten 
der  Massen  abzuwälzen,  sind  die  sozialdemokratischen  Betrugsmanöver,  international  wie 
auch in Deutschland, ein untrennbarer Bestandteil der Politik der Bourgeoisie. 
Mehr  als  das:  Die  sozialdemokratischen  Betrugsmanöver  sind  oft  zugleich  die  eigenen 
Betrugsmanöver  der  Bourgeoisie.  Nehmen  wir  die  Frage  des  imperialistischen  Krieges,  als 
eines 
Werkzeugs 
zur 
kapitalistischen 
Überwindung 
der 
Krise. 
Ohne 
den 
Abrüstungsschwindel,  ohne  den  Völkerbundsschwindel,  ohne  den  pazifistischen  Schwindel 
der  II.  Internationale  und  auch  der  Bourgeoisie  selbst,  wäre  diese  räuberische  Politik  des 
imperialistischen Krieges für die Bourgeoisie viel schwerer, vielleicht überhaupt unmöglich. 
Unser Kampf um die Eroberung der Mehrheit des Proletariats, die Lösung dieser strategischen 
Hauptaufgabe, unser Kampf darum, die entscheidenden Schichten des Proletariats und die mit 
ihnen Verbündeten, von ihnen geführten Werktätigen gegen den kapitalistischen Weg aus der 
Krise und für den revolutionären Ausweg zu mobilisieren - diese strategische Hauptaufgabe 
kann nur gelöst werden, wenn wir es verstehen, die sozialdemokratischen Betrugsmanöver zu 

zerschlagen, wenn wir es verstehen, der Sozialdemokratie die Maske vom Gesicht zu reißen, 
wenn  wir  es  verstehen,  den  wirklichen  Charakter  der  bürgerlichen,  kapitalistischen, 
faschistischen Politik der SPD vor den Massen klar zu enthüllen. 
 
Der Schwindel mit dem „Staatskapitalismus“ 
 
Damit,  Genossen,  komme  ich  zu  einem  neuen,  großen,  internationalen  Manöver  der 
Sozialdemokratie in der letzten Zeit, mit dem wir uns etwas ausführlicher befassen müssen: 
Dem  Schwindel  mit  dem  Staatskapitalismus.  Ungefähr  zu  gleicher  Zeit  tischten  die 
Sozialdemokraten  in  verschiedenen  Ländern  diesen  neuen  Betrug  den  Massen  auf.  In 
Österreich  gab  Otto  Bauer  die  Losung  „Kampf  um  den  Staatskapitalismus“  aus.  In  der 
Tschechoslowakei war es ein tschechischer Sozialfaschist namens  Benesch, (der Bruder des 
Ministers  Benesch,  der  den  Staatskapitalismus  als  eine  „automatische  Sozialisierung“ 
verkündete, während ein anderer Sozialfaschist, Dr. Eugen Stern, den Staatskapitalismus als 
„Staatssozialismus“  forderte.  In  Deutschland  hat  sich  vor  allem  Naphtali  für  dieses 
Betrugsmanöver  mit  dem  Staatskapitalismus  ins  Zeug  gelegt,  indem  er  die  Losung  „Kampf 
um  staatliche  Wirtschaftsführung“  aufstellte,  während  zugleich  Hilferding  die  letzte 
Notverordnung  Brünings  als  „das  Ende  der  Herrschaft  des  Privat-  und  Finanzkapitals“  und 
„ein  Stück  Sozialismus“  feierte.  In  der  „Wiener  Arbeiterzeitung“  veröffentlichte  der 
österreichische  Sozialdemokrat  Otto  Leichter  einen  Artikel  unter  dem  Titel  „Kapitalistisch 
geht es nicht mehr“. Darin heißt es: 
 
„Deutschland  muß,  wenn  es  am  Leben  bleiben  will,  ein  Glied  der  europäischen,  ein  Glied  der 
Weltwirtschaft  bleiben.  Im  Herzen  Europas  ein  bolschewistisches  Eiland  zu  schaffen,  das  jeden 
Verkehr mit seinen kapitalistischen Nachbarn abbricht, ist bei den gegenwärtigen wirtschaftlichen und 
politischen Machtverhältnissen unmöglich. Das wäre der Untergang Deutschlands, das wäre der Krieg 
mitten in Europa. Darum ist in Deutschland im Augenblick der Staatskapitalismus die einzig mögliche 
Lösung.“ 
 
Erst  in  den  letzten  Tagen  hörten  wir  von  Aufhäuser  ähnliches,  der  sich  gleichfalls  mit  der 
Frage des Staatskapitalismus befaßt. Der „Vorwärts“ beginnt schon eine besondere Kampagne 
in  dieser  Frage  und  versucht  die  Arbeiterschaft  zu  betrügen  mit  dem  sogenannten 
„Wirtschaftsprogramm  der  Arbeiterschaft“.  Es  heißt  in  einem  Stampferschen  Artikel  vor 
einigen Tagen: 
 
„Mehr  Wirtschaftsmacht  dem  Staate!  Mehr  bewußtes  Wollen,  vom  Staate  aus  in  die  Anarchie  der 
kapitalistischen Wirtschaft planend und regelnd einzugreifen! Mehr sozialistischen Willen und stärkere 
Entschlossenheit,  diesen  sozialistischen  Willen  zum  Staatswillen  werden  zu  lassen,  das  ist  die 
Forderung der Stunde.“ 
 
Eine neue Diskussion über die Sowjetunion 
 
Das  ist  die  eine  Seite  dieser  neuen  staatskapitalistischen  Propaganda  der  Sozialdemokratie. 
Die  andere  Seite  ist  die  neuerdings  entbrannte  Diskussion  über  die  Sowjetunion.  Diese 
Diskussion  erfüllt  die  theoretischen  Zeitschriften  der  deutschen  und  österreichischen 
Sozialdemokratie.  Den  Anfang  machte  Otto  Bauer  mit  einem  Artikel  im  Wiener  „Kampf, 
worin er das Eingeständnis von sich gab, daß in der Sowjetunion der Sozialismus aufgebaut 
wird,  deshalb  müßten  die  russische  Sozialdemokratie  und  die  II.  Internationale  ihre  Taktik 
gegenüber  der  Sowjetunion  ändern.  Zu  dem  Artikel  Bauers  nahm  Fritz  Adler  Stellung,  der 
von  den  russischen  Menschewisten  gegenüber  der  Sowjetmacht  und  den  Bolschewiki 
gegenüber eine Tolerierungspolitik verlangte. Nunmehr antworteten Dan und Abramowitsch, 
die  Führer  der  russischen  Menschewisten,  in  zwei  verschiedenen  Artikeln,  die  -  der  eine  in 
der  Februarnummer  der  Hilferdingschen  „Gesellschaft“,  der  andere  im  Wiener  „Kampf“  - 

gleichzeitig  erschienen  sind.  Beide  beklagen  sich  bitter  darüber,  daß  Otto  Bauer  und  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  auch  Fritz  Adler  den  russischen  Menschewisten  gewissermaßen  die 
Existenzgrundlage absprechen. Beide bekennen sich in kaum verschleierter Form zur Politik 
der konterrevolutionären Intervention, wobei diese Gauner zugleich in heuchlerischer Weise 
beteuern,  daß  sie  einen  gewaltsamen  Sturz,  der  Sowjetmacht  durch  eine  imperialistische 
Intervention niemals gewünscht hätten. 
Was  haben  wir  zu  diesen  Diskussionen  im  Lager  des  Sozialfaschismus  zu  sagen? 
Selbstverständlich  sind  die  verschiedenen  Führer  der  II.  Internationale,  ob  sie  nun  Dan  und 
Abramowitsch  heißen  oder  Otto  Bauer  und  Fritz  Adler,  alle  gleichermaßen  Anhänger  und 
Träger der konterrevolutionären Interventionspolitik. Der Unterschied besteht lediglich in der 
Methode.  Die  russischen  Menschewisten  vom  Schlage  Dan  und  Abramowitsch,  die  auf 
keinerlei Stimmungen irgendwelcher proletarischer Anhänger Rücksicht zu nehmen brauchen, 
weil  sie  keine  Anhänger  mehr  haben,  bekennen  sich  fast  ebenso  offen  zu  ihrer 
konterrevolutionären  Politik,  wie  der  schamlose  Kriegshetzer  Kautsky,  oder  wie  Noskes 
neuerster Bundesgenosse, Herr Leo Trotzki. 
Bauer  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  Adler  versuchen  demgegenüber  ihren 
Antibolschewismus mit „linken“ Phrasen zu maskieren. Warum geschieht das? Es geschieht, 
weil  die  Wirklichkeit  der  beiden  Systeme,  des  Sozialismus  in  der  Sowjetunion  und  des 
Kapitalismus  in  allen  übrigen  Ländern,  eine  allzu  deutliche  Sprache  auch  für  die 
sozialdemokratischen und alle Arbeiter zu sprechen beginnt. Mit dem alten Schwindel einer 
einfachen  Leugnung  der  Erfolge  des  sozialistischen  Aufbaues,  mit  dem  Kautskyschen 
Geschwätz  über  eine  „Hölle“  in  der  Sowjetunion  kann  man  angesichts  des  gewaltigen 
Siegeszuges  der  Sowjetmacht  unmöglich  mehr  auch  nur  einen  lahmen  Hund  hinterm  Ofen 
vorlocken, geschweige denn einen sozialdemokratischen Arbeiter bei der Stange halten. 
Also  wird  man  diplomatisch.  Also  macht  man  „Eingeständnisse“.  Also  fängt  man  an,  die 
Sowjetunion zu „loben“. Nicht nur Otto Bauer manövriert so, sondern im Verlag der Wiener 
Sozialdemokratie  ist  z.B.  ein  Büchlein  über  „Fünfjahrplan  und  Sozialismus“  von 
L. Birkenfeld  erschienen,  worin  dieser  österreichische  Sozialdemokrat  „begeistert“  den 
Fünfjahrplan  begrüßt  und  seinen  Haß  gegen  den  sozialistischen  Aufbau  in  der  Sowjetunion 
außerordentlich demagogisch und geschickt verbirgt. 
Warum diese plötzliche Methode? Auf diese Art hofft man, die Sympathien der Arbeiter aller 
kapitalistischen Länder für den Sozialismus in der Sowjetunion, die unausgesetzt wachsen, in 
ein ungefährliches Fahrwasser ablenken zu können. Man hofft, diesen Arbeitern weismachen 
zu  können,  daß  die  Anerkennung  der  Sowjetunion  zu  keinen  praktischen  Konsequenzen 
verpflichtet, daß das, was in der Sowjetunion geschieht, für das deutsche Proletariat oder das 
Proletariat Österreichs usw. nicht in Frage käme. Mit anderen Worten: Wir haben es lediglich 
mit einer Art von diplomatischem Antibolschewismus zu tun, die heimtückischer, verlogener 
und konterrevolutionärer der Vorbereitung des Interventionskrieges dienen soll als der offene 
Antibolschewismus der Kautsky, Dan und Abramowitsch. 
Dabei steht dieser neue „linke“ Schwindel in Sachen der Sowjetunion in engster Verbindung 
mit dem Betrugsmanöver in Sachen des Staatskapitalismus. Die wachsende Sympathie für die 
Sowjetunion und damit für den Sozialismus als Ausweg aus dem kapitalistischen Elend ist ja 
auch  die  Basis,  auf  der  die  Sozialfaschisten  ihre  „Theorie“  über  den  Staatskapitalismus  zu 
verzapfen beginnen. 
Wir haben es hier mit einem ernsten Betrug der II. Internationale an den Massen zu tun, auf 
den unsere Partei nur antworten kann, wenn wir ihr die entsprechenden Waffen dafür liefern. 
Welches ist der Sinn und der Hintergrund dieses Betrugsmanövers? 
 

Der Sinn des Betrugsmanövers mit dem „Staatskapitalismus“ 
 
Erstens: Die Massen, die immer stärker den Verfaulungsprozeß des sterbenden Kapitalismus 
auf  der  einen  Seite  und  die  Überlegenheit  der  sozialistischen  Wirtschaft  unter  der 
proletarischen Diktatur in der Sowjetunion auf der anderen Seite erkennen, beginnen sich in 
steigendem Maße darauf zu orientieren, auch ihrerseits den Weg der Sowjetunion, den Weg 
des  revolutionären  sozialistischen  Auswegs  aus  der  Krise  zu  beschreiten.  Dieser  Gefahr  für 
den Kapitalismus, die aus den wachsenden Sympathien der Werktätigen für die Sowjetunion 
erwächst, will die Sozialdemokratie begegnen. Darum verleumdet sie den Sozialismus in der 
Sowjetunion als angeblichen „Staatskapitalismus“. 
Das ist die erste Seite dieses Massenbetrugs. 
Zweitens:  In  dem  Augenblick,  in  dem  die  Offensive  der  Bourgeoisie  und  der  mit  ihr 
verbundenen  Sozialdemokratie  gegen  das  Proletariat  immer  skrupellosere  Formen  annimmt, 
reicht  das  einfache  Betrugsmanöver  des  sogenannten  „kleineren  Übels“  seitens  der 
Sozialdemokratie  zur  Besänftigung  der  Massen  nicht  mehr  aus.  Während  also  in  der 
Wirklichkeit das Übel immer  größer wird,  geht  die Sozialdemokratie dazu über, nicht mehr 
nur  den  Massen  vorzuschwindeln,  ihre  Politik  und  die  Politik  der  Bourgeoisie  bedeute  ein 
„kleineres Übel“, sondern in noch vergröberter  Auflage des  Betrugs  erklärt sie einfach: Die 
jetzigen  Verbrechen  der  Bourgeoisie  seien  ein  friedlicher  „Weg  zum  Sozialismus“,  nämlich 
der  Weg  über  den  Staatskapitalismus.  (Hilferdings  „organisierter  Kapitalismus“,  „Heran  an 
den Staat“ usw.) 
Früher  waren  Brünings  Notverordnungen  in  der  Demagogie  der  SPD  ein  „kleineres  Übel“, 
das man schlucken müsse, damit nicht Hitler käme. Heute,  wo die Notverordnungen immer 
reaktionärer und unerträglicher für die Massen werden, erklärt Hilferding, sie seien ein „Stück 
Sozialismus“. 
Das  sind  die  beiden  wichtigsten  Faktoren,  die  wir  erkennen  müssen,  um  dieses  neue 
sozialdemokratische Betrugsmanöver zu entlarven. 
Es ist jedoch notwendig, zum Problem des Staatskapitalismus in diesem Zusammenhang noch 
einige weitere Worte zu sagen: 
 
Wir sehen das Gegenteil einer Entwicklung zum „Staatskapitalismus“ 
 
Eine  erste  Frage:  Ist  das,  was  sich  heute  in  den  meisten  kapitalistischen  Ländern  vollzieht, 
tatsächlich  Entwicklung  zum  Staatskapitalismus?  So  wurde  es  nämlich  auch  in  einigen 
kommunistischen  Zeitungen,  wenn  auch  nicht  in  Deutschland,  hingestellt.  Wir  müssen  die 
Frage entschieden verneinen. 
Was  sich  gegenwärtig  vollzieht,  vor  allem  in  Deutschland,  aber  auch  in  anderen 
kapitalistischen  Ländern,  ist  keineswegs  Entwicklung  zum  Staatskapitalismus,  eher  das 
gerade  Gegenteil.  Die  Bourgeoisie,  die  den  Parlamentarismus  abbaut,  beseitigt  umgekehrt 
gerade  jene  Erscheinungen  von  Kontrolle  und  Aufsicht  seitens  der  bürgerlich-
parlamentarischen Öffentlichkeit, die vorher noch vorhanden gewesen sind. Im Interesse des 
kapitalistischen  Auswegs  aus  der  Krise  geht  sie  dazu  über,  die  Schulden  der  Banken  und 
Trusts  von  diesen  privaten  Unternehmungen  auf  die  Staatskasse,  das  heißt,  auf  die 
werktätigen Massen abzuwälzen. 
Mit anderen Worten: Die Banken und Fabriken bleiben in den Händen der Kapitalisten, aber 
ihre Schulden werden nationalisiert. Ich will hier nur auf die Vorgänge mit der Danatbank und 
Dresdner  Bank  als  besondere  Beispiele  hinweisen.  Ist  das  etwa  Entwicklung  zum 
Staatskapitalismus? 
Das ist das Gegenteil davon. 
Weiter,  Genossen,  der  kapitalistische  Staat  baut  seine  Verpflichtungen  gegenüber  den 
Arbeitern  und  Angestellten  ab.  Er  schränkt  die  kommunalen  Betriebe  ein  und  treibt  die 

Gemeinden in den Bankrott. Die kommunalen Betriebe werden dann für einen Pappenstiel an 
die Privatindustrie verschachert. 
Ist das Entwicklung zum Staatskapitalismus? Ganz im Gegenteil. 
Die wirkliche Entwicklung, die wir sehen, besteht darin, daß die Finanz-Oligarchie, die kleine 
führende  Oberschicht  des  Finanzkapitals  immer  schrankenloser  und  skrupelloser  den 
kapitalistischen  Staatsapparat  für  ihre  privaten  Profitinteressen  einsetzt  und  alle  seine 
Machtmittel,  die  Staatsfinanzen,  die  Steuerkasse  usw.,  zu  ihren  Gunsten  benutzt,  ohne  auch 
nur  im  mindesten  an  ihre  privaten  Monopole  und  Trusts  tasten  zu  lassen.  Die  Antwort  auf 
unsere erste Frage, ob es in Deutschland eine Entwicklung zum Staatskapitalismus tatsächlich 
gibt, muß also verneinend lauten. 
 
Das Proletariat und der „Staatskapitalismus“ 
 
Eine  zweite  Frage:  Welche  Stellung  müßte  das  Proletariat,  müßten  die  kommunistischen 
Parteien einnehmen, wenn der Staatskapitalismus tatsächlich auf der Tagesordnung stände? 
Hierzu ist es nötig, auch theoretisch jeder Verwirrung auf diesem Gebiet Vorzubeugen, sich 
mit den Feststellungen  Lenins über die  Frage des Staatskapitalismus zu beschäftigen.  Lenin 
hat über den Staatskapitalismus geschrieben, und zwar sowohl während des Krieges, als die 
Bourgeoisie  in  einer  Reihe  kriegführender  Länder,  ganz  besonders  in  Deutschland,  zu 
Methoden  einer  bestimmten  Organisierung  der  Wirtschaft  unter  staatlicher  Kontrolle  im 
Interesse ihrer Kriegführung überging, als auch in der  Zeit vor dem Oktober 1917, also vor 
der proletarischen Revolution, als es sich darum  handelte, den Massen den Ausweg  aus der 
Katastrophe  klarzumachen,  wie  er  sich  unter  den  besonderen  Verhältnissen  der  russischen 
Revolution  ergab.  Was  sagt  Lenin  nun  zunächst  über  den  angeblichen  „Staatskapitalismus“ 
unter der Herrschaft der Bourgeoisie? Er schreibt zum Beispiel: 
 
„Das  staatliche  Monopol  ist  in  der  kapitalistischen  Gesellschaft  nur  ein  Mittel  zur  Erhöhung  und 
Festigung  der  Einkünfte  der  vor  dem  Bankrott  stehenden  Millionäre  des  einen  oder  des  anderen 
Industriezweiges.“ 
 
Und über jene Regulierung des Wirtschaftslebens während des imperialistischen Krieges, die 
in  Deutschland  vor  allem  nach  den  Plänen  Rathenaus  durchgeführt  wurde,  sagt  Lenin  in 
seiner  Schrift  aus  dem  Jahre  1917  „Die  drohende  Katastrophe  und  wie  man  sie  bekämpfen 
soll“, folgendes: 
 
„Sowohl  Amerika  wie  Deutschland  „regulieren  das  Wirtschaftsleben“  so,  daß  für  die  Arbeiter  (und 
teilweise  für  die  Bauern)  ein  Militärzuchthaus,  für  die  Bankiers  und  Kapitalisten  aber  ein  Paradies 
dabei  herauskommt.  Diese  Regulierung  besteht  darin,  daß  man  den  Arbeitern  den  Brotkorb  höher 
hängt,  dem  Kapitalisten  aber  (insgeheim  auf  reaktionärbürokratischem Wege)  höhere  Profite  sichert 
als vor dem Kriege.“ 
 
Aus  allen  diesen  Feststellungen,  die  durch  die  Wirklichkeit  und  Praxis  bestätigt  werden, 
ergibt  sich  die  Stellung  der  Kommunisten  in  den  kapitalistischen  Ländern  zur  Frage  des 
Staatsmonopols, sobald diese akut wird. 
Ist  zum  Beispiel  die  Berliner  Verkehrs  AG  oder  die  Reichseisenbahn  vom  Standpunkt  des 
Proletariats  etwas  Besseres  als  irgendein  privatkapitalistischer  Trust?  Die  Verkehrsarbeiter 
und Eisenbahner würden uns auslachen, wenn wir das behaupten wollten. Deshalb ziehen wir 
Staatsmonopole und staatliche Trusts keineswegs den privatkapitalistischen vor, solange die 
Macht in Händen des Finanzkapitals bleibt. 
Wir  treten  also  unter  keinen  Umständen  für  die  Schaffung  solcher  Staatsmonopole  oder  für 
die  Beteiligung  des  Staates  an  den  privaten  Monopolen  und  Trusts  ein,  wenn  dies  in 
irgendeiner  Form  auf  der  Tagesordnung  steht.  Im  Gegenteil:  Wir  bekämpfen  solche 
Maßnahmen,  weil  sie  die  Macht  des  kapitalistischen  Staates  als  Vollzugsorgan  der 

herrschenden  Klasse  steigern  und  weil  sie  das  Risiko  der  Kapitalisten  auf  die  Massen 
abwälzen,  ohne  den  Profit  der  Kapitalisten  irgendwie  zu  schmälern.  Darum  haben  wir  zum 
Beispiel  gegen  die  Einführung  des  Zündholzmonopols  gekämpft,  wo  es  verschiedene 
Schwankungen  in  einzelnen  Teilen  der  Partei  gab.  Darum  werden  wir  -  und  damit  ist  auch 
diese  zweite  Frage  beantwortet  -  gegen  jeden  Schritt  der  Bourgeoisie  kämpfen,  der  den 
Deckmantel  des  angeblich  fortschrittlichen  Staatskapitalismus  benutzt,  um  faktisch  die 
Verhältnisse  für  die  Arbeiterklasse  noch  mehr  nach  dem  Muster  der  Kriegszeit  in  eine  Art 
Militärzuchthaus zu verwandeln. 
 
Ein Vergleich zwischen Rußland 1917 und Deutschland 1932 
 
Eine  dritte  Frage:  Könnten  wir  den  Staatskapitalismus  in  dem  Sinne,  wie  ihn  Lenin  für 
Rußland  1917  in  seiner  Schrift  „Die  drohende  Katastrophe“  forderte,  in  Deutschland  bei 
einem  weiteren  Herannahen  der  Voraussetzungen  der  revolutionären  Krise  als  einen 
Übergang zum Sozialismus betrachten und propagieren? 
Diese  Frage  ist  heute  zwar  noch  eine  theoretische  Frage,  aber  Klarheit  darüber  ist  die 
Voraussetzung  für  die  richtige  Abwehr  des  sozialdemokratischen  Betrugsmanövers  der 
Hilferding  und  Naphtali.  Wie  steht  es  also  damit?  In  Rußland  erwuchs  dem  Proletariat  die 
Aufgabe, in der Revolution von der kleinen Warenwirtschaft und dem privatwirtschaftlichen 
Kapitalismus  den  Weg  bis  zum  Sozialismus  zurückzulegen.  Das  war  unmöglich,  wie  Lenin 
sagte,  „ohne  das  zurückzulegen,  was  sowohl  dem  Staatskapitalismus  als  auch  dem 
Sozialismus gemeinsam ist.“ 
In allen Ländern, in denen der Kapitalismus sich noch nicht zum 
Imperialismus,  zum  Monopolkapitalismus  entfaltet  hat,  wird  es  deshalb  im  Falle  der 
Revolution  sowohl  für  die  proletarische  Diktatur  oder  auch  für  eine  revolutionär-
demokratische Regierung der Arbeiter und Bauern unmöglich sein, den Weg zum Sozialismus 
einzuschlagen,  ohne  zunächst  die  Etappe  des  Staatskapitalismus  zurückzulegen.  Aber 
selbstverständlich hat auch das in diesen Ländern als eiserne Voraussetzung, daß eben nicht 
mehr  Kapital  regiert,  nicht  mehr  die  Bourgeoisie  den  Staatsapparat  beherrscht,  sondern  daß 
entweder  die  proletarische  Staatsmacht  oder  wenigstens  die  demokratische  Diktatur  der 
Arbeiter und Bauern errichtet ist. 
Aber hat das alles eine Bedeutung für Deutschland? 
Nicht im mindesten. Für ein Land, in dem die Entwicklung zum Monopolkapitalismus, zum 
Imperialismus in einem so hohen Maße fortgeschritten ist, wie das in Deutschland der Fall ist, 
wird  die  proletarische  Revolution  nach  ihrem  Sieg  den  Staatskapitalismus  nur  in  ganz 
geringfügigem  Maße  in  einzelnen  Elementen  der  Wirtschaft  zulassen  und  im  wesentlichen 
den  direkten  Weg  zum  Sozialismus  einschlagen.  Während  in  der  Sowjetunion  erst  die 
Diktatur  des  Proletariats  gefestigt  und  dann  allmählich  die  kapitalistischen  Elemente 
überwunden  werden  mußten,  ehe  die  Sowjetunion  in  die  Periode  des  Sozialismus  eintreten 
konnte, wird es in Deutschland nach dem Sieg der Arbeiterklasse viel leichter möglich sein, 
den Aufbau des Sozialismus in Angriff zu nehmen. Abgesehen natürlich von den eventuellen 
Kämpfen des Bürgerkriegs und an der Kriegsfront mit den imperialistischen Mächten. 
Mit  anderen  Worten:  Die  monopolkapitalistische  Entwicklung,  die  hinsichtlich  der 
Vergesellschaftung  der  Wirtschaft  ein  bestimmtes  „nahes  Verhältnis“  zum  Sozialismus 
herbeiführt, ist für uns als Marxisten nur ein Anlaß, die Anstrengungen zur Durchführung der 
proletarischen Revolution zu verstärken. 
 

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