Ernst Thälmann Reden und Aufsätze


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Die Rolle der Angestellten im Produktionsprozeß 
 
Aber etwas ausführlicher möchte ich mich mit einer Frage beschäftigen, die in letzter Zeit als 
Diskussionsfrage in der RGO und auch in Berlin eine gewisse Rolle gespielt hat und die unter 
den Verhältnissen des kapitalistischen Deutschland keine untergeordnete Bedeutung hat: Mit 
der Frage der Angestellten. 
Wie  steht  es  damit,  Genossen?  In  der  erwähnten  Diskussion  waren  einige  Genossen  nicht 
damit  einverstanden,  daß  man  die  Angestellten  nicht  zum  eigentlichen  Proletariat  rechnen 
könne,  sondern  als  eine  außerhalb  des  eigentlichen  Proletariats  stehende  besondere  Schicht 
betrachten  muß.  Nachdem  diese  Frage  so  lebhaft  diskutiert  wurde,  ist  es  notwendig,  den 
marxistisch-leninistischen  Standpunkt  zu  diesem  Problem  unzweideutig  herauszuarbeiten. 
Welchen Standpunkt finden wir in den Werken von Marx, Engels und Lenin in dieser Frage? 
Marx  spricht  von  den  Angestellten  als  von  kommerziellen  Lohnarbeitern,  bisweilen  auch 
merkantilen  Lohnarbeitern. Sowohl im „Kapital“ wie in den „Theorien über den Mehrwert“ 
gibt es eine Reihe von Stellen, in denen Marx die Rolle dieser kommerziellen Lohnarbeiter in 
der Gesellschaft beleuchtet. 
Ganz  klar  ergibt  sich  daraus,  daß  vom  Standpunkt  ihrer  Rolle  im  Produktionsprozeß  die 
Angestellten  sowohl  eine  große  Übereinstimmung  mit  dem  industriellen  Proletariat 
aufweisen,  als  auch  ein  wesentlicher  Unterschied  sich  ergibt.  Welches  ist  die 
Übereinstimmung?  Es  ist  die  Tatsache,  daß  Millionen  von  ihnen  Lohnarbeiter,  daß  sie 
Ausgebeutete  sind,  die  ihre  Arbeitskraft  als  Ware  verkaufen  müssen.  Welches  ist  der 
Unterschied?  Es  ist  die  Tatsache,  daß  der  eigentliche  Proletarier  durch  seine  Arbeitskraft 

Mehrwert erzeugt, während dies im allgemeinen beim Angestellten nicht der Fall ist. Ich will 
einige Sätze von Marx aus dem 3. Band des „Kapital“ zu dieser Frage zitieren: 
 
Karl Marx über die Frage der Angestellten 
 
„Wie verhält es sich mit den kommerziellen Lohnarbeitern, die der kaufmännische Kapitalist, hier der 
Warenhändler,  beschäftigt?  Nach  einer  Seite  hin  ist  ein  solcher  kommerzieller  Arbeiter  Lohnarbeiter 
wie  ein  anderer.  Erstens,  insofern  die  Arbeit  gekauft  wird  vom  variablen  Kapital  des  Kaufmanns… 
Zweitens,  sofern  der  Wert  seiner  Arbeitskraft  und  daher  sein  Arbeitslohn  bestimmt  ist  wie  bei  allen 
anderen  Lohnarbeitern  durch  die  Produktions-  und  Reproduktionskosten  seiner  spezifischen 
Arbeitskraft,  nicht  durch  das  Produkt  seiner  Arbeit.  Aber  es  muß  zwischen  ihm  und  den  direkt  vom 
industriellen  Kapital  beschäftigten  Arbeitern  derselbe  Unterschied  stattfinden,  der  zwischen  dem 
industriellen  Kapital  und  dem  Handelskapital  und  daher  zwischen  dem  industriellen  Kapitalisten  und 
dem Kaufmann stattfindet. Da der Kaufmann als bloßer Zirkulationsagent weder Wert noch Mehrwert 
produziert…, so können auch die von ihm in denselben Funktionen beschäftigten merkantilen Arbeiter 
unmöglich unmittelbar Mehrwert für ihn schaffen… Die unbezahlte Arbeit dieser Kommis, obgleich sie 
nicht Mehrwert schaffen, schafft ihm aber Aneignung von Mehrwert, was für dies Kapital dem Resultat 
nach ganz dasselbe; sie ist also für es Quelle des Profits… 
Der  eigentlich  kommerzielle  Arbeiter  gehört  zu  der  besser  bezahlten  Klasse  von  Lohnarbeitern,  zu 
denen, deren Arbeit geschickte Arbeit ist, über der Durchschnittsarbeit steht. Indes hat der Lohn die 
Tendenz  zu  fallen,  selbst  im  Verhältnis  zur  Durchschnittsarbeit,  im  Fortschritt  der  kapitalistischen 
Produktionsweise,  teils  durch  Teilung  der  Arbeit  innerhalb  des  Kontors…  Zweitens,  weil  die 
Vorbildung.  Handels-  und  Sprachkenntnisse  usw.  mit  dem  Fortschritt  der  Wissenschaft  und 
Volksbildung  immer  rascher,  leichter,  allgemeiner,  wohlfeiler  reproduziert  werden,  je  mehr  die 
kapitalistische  Produktionsweise  die  Lehrmethoden  usw.  aufs  Praktische  richtet.  Die 
Verallgemeinerung  des  Volksunterrichts  erlaubt  diese  Sorte  aus  Klassen  zu  rekrutieren,  die  früher 
davon ausgeschlossen, an schlechtere Lebensweise gewöhnt waren. Dazu vermehrt sie den Zudrang 
und  damit  die  Konkurrenz.  Mit  einigen  Ausnahmen  entwertet  sich  daher  im  Fortgang  der 
kapitalistischen Produktion die Arbeitskraft dieser Leute; ihr Lohn sinkt, während ihre Arbeitsfähigkeit 
zunimmt.“ 
(Marx: „Kapital“, 3. Band, I, S. 276 bis 285)
 
 
Soweit  die  Feststellungen  von  Marx.  Aus  ihnen  ergibt  sich  ganz  deutlich,  daß  man  die 
Angestellten nicht einfach zum Proletariat rechnen kann. Andererseits zeigt Marx aber auch, 
wie  sich  die  Unterschiede  hinsichtlich  Schulung,  Qualifikation  der  Arbeit  der  Angestellten 
und ihrer Sonderstellung im Prozeß der kapitalistischen Entwicklung allmählich vermindern. 
 
Lenin über die Frage der Angestellten 
 
Was ergibt sich aus den Schriften Lenins zur Frage der Angestellten? Lenin hat sich trotz der 
Verhältnisse  im  kapitalistischen  Rußland,  wo  unter  den  Verbündeten  des  Proletariats  vor 
allem  die  ungeheuren  Millionen  der  Landbevölkerung,  Dorfarmut,  Mittelbauern  usw.  eine 
ausschlaggebende Rolle spielten, mehrfach mit dem Angestelltenproblem beschäftigt. Für uns 
in  Deutschland  und  in  den  meisten  kapitalistischen  Ländern  spielen  die  Angestellten  eine 
größere  Rolle.  Wir  finden  in  den  Schriften  Lenins  eine  Reihe  völlig  unzweideutiger  und 
glänzender Formulierungen. Ich will hier nur zwei Stellen herausgreifen. In einem Artikel aus 
dem Jahre 1912 über „Ökonomischer und politischer Streik“ schreibt Lenin: 
 
„Wenn die Liberalen (und die Liquidatoren) den Arbeitern sagen: ihr seid stark, wenn ihr Sympathien 
in der ‚Gesellschaft’ habt, so sagt der Marxist den Arbeitern etwas anderes: ihr habt Sympathien in der 
‚Gesellschaft’,  wenn  ihr  stark  seid.  Unter  Gesellschaft  sind  in  diesem  Fall  alle  möglichen 
demokratischen Bevölkerungsschichten  zu  verstehen: die  Kleinbourgeoisie, die  Bauern, die mit dem 
Arbeiterleben in Berührung kommenden Intellektuellen, die Angestellten usw.“ 
 
Hier  ist  völlig  klar  zum  Ausdruck  gebracht,  daß  Lenin  die  Angestellten  nicht  zum 
eigentlichen  Proletariat  zählt.  Das  ergibt  sich  auch  aus  zahlreichen  anderen  Stellen  seiner 
Werke.  Schon  im  Jahre  1903  schreibt  er  in  einer  Art  Rundschreiben  über  die  Angestellten 

unter  folgender  Überschrift:  „Verbindungen  und  Tätigkeit  mit  anderen  Schichten  der 
Bevölkerung  außerhalb  der  Arbeiterklasse“,  d.h.  er  reiht  sie  mit  den  Beamten  unter  diese 
Schichten außerhalb der Arbeiterklasse ein. Noch klarer und deutlicher ist eine Formulierung 
aus den Thesen Lenins über die Hauptaufgaben des II. Weltkongresses der Kommunistischen 
Internationale.  Dort  wird  als  Aufgabe  für  die  proletarische  Diktatur,  und  zwar  nicht  nur  für 
die Sowjetunion, sondern ganz allgemein ausgesprochen: 
 
„Die  dritte  Aufgabe  besteht  darin,  daß  man  die  unvermeidlichen  Schwankungen  jener,  in  allen 
vorgeschrittenen Ländern noch ziemlich zahlreichen, wenn auch eine Minderheit darstellenden Klasse 
der  kleinen  Eigentümer  in  der  Landwirtschaft,  der  Industrie,  dem  Handel,  sowie  der  ihnen 
entsprechenden Schicht der Intelligenz, der Angestellten usw., - daß man die Schwankungen dieser 
Klasse  zwischen  der  bürgerlichen  Demokratie  und  der  Sowjetmacht  neutralisiert  oder  unschädlich 
macht.“ 
 
In  dieser  These  Lenins  werden  die  Angestellten  also  als  zugehörig  zur  kleinbürgerlichen 
Klasse aufgefaßt, wobei Lenin aber mit meisterhafter Dialektik hervorhebt, daß sie nicht etwa 
mit  den  Kleinproduzenten  einfach  auf  eine  Stufe  gestellt  werden  dürfen,  sondern  eine  den 
Kleinproduzenten  „entsprechende  Schicht“  darstellen.  Der  Ausdruck  „Halbproletarier“,  der 
z.B.  in  der  „Internationale“  vom  Genossen  Hirsch  gebraucht  wurde,  ist  deshalb  theoretisch 
nicht einwandfrei. 
 
Die Schichten der Angestellten in Deutschland 
 
Natürlich können wir uns nicht einfach damit begnügen, an Hand dieser Zitate von Marx und 
Lenin  festzustellen,  daß  die  Angestellten  kein  direkter  Bestandteil  des  Proletariats  sind. 
Unsere Aufgabe besteht vielmehr darin, mit der Methode der marxistischen Dialektik konkret 
an  die  Rolle  und  Lage  der  Angestelltenschichten  in  Deutschland  heranzugehen,  wobei  die 
Formulierungen von Marx und Lenin eine große Anleitung für uns sein können. 
Und was ergibt sich bei einer solchen Untersuchung? 
Einmal die Feststellung, daß es überhaupt unmöglich ist, von der gesamten Angestelltenschaft 
als einer einheitlichen Masse zu sprechen. Ihre unteren Schichten unterliegen in der modernen 
kapitalistischen  Wirtschaft  einem  direkten  Proletarisierungsprozeß.  Man  braucht  nur  an  die 
Warenhäuser und Großbanken zu denken, wo die Angestellten zu Hunderten und Tausenden 
zusammengepfercht sind, wo also in ihrer Arbeitsweise eine ähnliche Zusammenballung und 
Mechanisierung  Platz  greift  wie  beim  Proletariat.  Andererseits  ergibt  sich  auch  hinsichtlich 
ihrer sozialen Abstammung ein solcher in der gleichen Linie laufender Prozeß, wie ihn Marx 
und  Engels  vorausgesagt  haben.  Während  früher  die  Angestellten  sich  vorwiegend  ihrer 
sozialen  Herkunft  nach  aus  der  eigentlichen  Kleinbourgeoisie,  den  Beamten-  und 
Angestelltenschichten  selbst  rekrutieren,  ist  bei  den  jüngeren  Jahrgängen  in  immer 
steigenderem  Maße  ein  solcher  Prozeß  zu  verzeichnen,  daß  der  Anteil  von  Arbeitersöhnen 
und Arbeitertöchtern steigt. 
Aber  dieser  Proletarisierungsprozeß  muß  von  uns  dialektisch  betrachtet  werden.  Auch  die 
andere Tendenz, die dieser Annäherung der unteren Angestelltenschichten an das Proletariat 
entgegenwirkt,  beruht  auf  den  Bedingungen  ihrer  Arbeitsweise.  Sie  müssen  noch  immer 
hinsichtlich  ihrer  Kleidung,  ihrer  Umgangsformen  usw.  bestimmten  Anforderungen  der 
Bourgeoisie  Rechnung  tragen,  und  es  ist  klar,  daß  das  auf  ihre  Ideologie  abfärbt.  Ein 
Transportarbeiter  z.B.  kann  Hamburger  Platt  sprechen,  aber  ein  Bankangestellter  muß  die 
Bourgeoisie auf Hochdeutsch bedienen. 
Wenn wir also beide Seiten dieses Prozesses betrachten, so ergibt sich die Schlußfolgerung, 
daß diese Millionen unteren Angestellten, die dem Proletariat am nächsten stehende Schicht 
darstellen,  also  eine  Schicht,  die  neben  der  Dorfarmut  den  wichtigsten  Verbündeten  für  das 
Proletariat, ja, zum Teil sogar schon beinahe mehr als nur einen bloßen Verbündeten darstellt. 

Wir  haben  dann  eine  weitere  breite  Schicht  der  Angestellten,  die  unmittelbar  zur 
Kleinbourgeoisie zu zählen sind (Personalchefs, Abteilungsleiter, Kontrolleure), die z.B. das 
Recht haben, ihrerseits Entlassungen von Arbeitern und Angestellten vorzunehmen. 
Und schließlich die schmale oberste Schicht der Angestellten, wie Direktoren usw., die, auch 
wenn sie formell Gehalt beziehen, doch unmittelbar Anteilhaber an der Verteilung des Profits 
sind und direkt zur Bourgeoisie gehören. 
 
Unsere Angestelltenarbeit 
 
Je mehr wir bei der Behandlung dieses Problems differenzieren, je konkreter wir herangehen, 
desto  einwandfreier  vom  Standpunkt  des  Marxismus-Leninismus  wird  unsere  theoretische 
Analyse sein. Desto erfolgreicher werden wir auch in der Lage sein, die richtigen Methoden 
für unsere Politik gegenüber den Angestellten zu finden. Denn das, Genossen, muß man mit 
aller Entschiedenheit unterstreichen: Eine Verbesserung unserer Arbeit unter den Angestellten 
kann  nicht  dadurch  erzielt  werden,  daß  wir  plump  und  obendrein  falsch  erklären:  Die 
Angestellten  sind  auch  Proletarier,  sondern  nur  dadurch,  daß  wir  eben  die  Besonderheiten 
dieser  Schicht  und  zugleich  ihre  enge  Verbundenheit  mit  dem  Proletariat  klar  und  präzise 
aufzeigen  und  daraus  die  richtigen  entsprechenden  Methoden  für  die  Arbeit  unter  ihnen 
ableiten.  Man  darf  also  weder  eine  solche  Abweichung  dulden,  als  wenn  alle  Angestellten 
vom  revolutionären  Standpunkt  unzuverlässig  wären  und  als  „Stehkragenproletarier“ 
angesprochen  und  angesehen  werden  müssen,  noch  darf  man  den  entgegengesetzten  Fehler 
durchgehen lassen, als ob die Angestellten mit dem eigentlichen  Industrieproletariat einfach 
gleichgestellt werden können. 
Im  ganzen  genommen  gilt selbstverständlich für  die Frage der Angestellten das  gleiche wie 
für  die  Verbündeten  des  Proletariats  überhaupt.  Genosse  Stalin  beschäftigte  sich  in  den 
„Problemen  des  Leninismus“  mit  der  Frage  des  Klassenbündnisses  unter  der  proletarischen 
Diktatur. Er zitiert zunächst einige Sätze von Lenin, darunter den Satz: 
 
„Jene Klasse, die die politische Herrschaft in ihre Hände nahm, nahm sie mit dem Bewußtsein, daß 
sie sie allein nimmt. Das liegt im Begriff der Diktatur des Proletariats.“ 
 
Stalin führt dann aus, daß dadurch das Klassenbündnis mit den werktätigen und ausgebeuteten 
Massen der anderen Klassen keineswegs ausgeschlossen wird, und fährt fort: 
 
„Was  ist  das  für  eine  besondere  Form  des  Bündnisses  und  worin  besteht  sie?  Widerspricht  nicht 
dieses Bündnis mit den  werktätigen Massen der anderen nichtproletarischen  Klassen überhaupt der 
Idee der Diktatur der Klasse? 
Diese besondere Form des Bündnisses besteht darin, daß die führende Kraft dieses Bündnisses das 
Proletariat ist. Diese besondere Form des Bündnisses besteht darin, daß der Führer des Staates, der 
Führer im System der Diktatur des Proletariats eine einzige Partei ist, die Partei des Proletariats, die 
Partei der Kommunisten, die die Führung mit anderen Parteien nicht teilt und nicht teilen kann.“ 
(Stalin: 
„Probleme des Leninismus“, I. Band, Seite 19)
 
 
Was hier für die proletarische Diktatur gesagt ist, gilt mit den entsprechenden Abänderungen 
in  der  Linie  auch  für  den  revolutionären  Klassenkampf  des  Proletariats  vor  der 
Machteroberung,  im  Kampf  gegen  die  kapitalistische  Diktatur.  Deshalb  die  Notwendigkeit, 
bei  der  Anwendung  der  Losung  Volksrevolution  jede  Unklarheit  bezüglich  der  Frage  der 
proletarischen  Hegemonie  zu  beseitigen,  falsche  Losungen  und  Formulierungen,  wie 
„Dreibund der Werktätigen“ zu korrigieren. Die Losung „Volksrevolution“ ist ein Synonym, 
eine  populäre  Formulierung  für  proletarischsozialistische  Revolution.  Der  Inhalt  unseres 
Kampfes  für  die  Volksrevolution  ist  die  Politik  der  Arbeiterklasse,  ist  der  Kampf  für  die 
Diktatur des Proletariats, das sich auf das Bündnis oder auf „Neutralitätsabkommen“ mit den 
übrigen Werktätigen stützt. 

Warum ist es so notwendig, das zu betonen? Weil die Klarheit über die  Politik der eigenen 
Klasse eine Voraussetzung für das Verständnis unserer gesamten Strategie und Taktik ist. 
 
Unser Kampf gegen SPD und NSDAP 
 
Nehmen  wir  unseren  Kampf  gegen  die  beiden  wichtigsten  konterrevolutionären 
Massenparteien: Die Sozialdemokratie und die Nationalsozialisten. Betrachten wir die vor uns 
liegenden  Preußenwahlen,  wobei  das,  was  für  die  Preußenwahlen  gilt,  auch  schon  für  die 
Präsidentschaftswahlen  zutrifft.  Die  Sozialdemokratie  versucht  den  Massen  einzureden,  ihre 
Politik  und  die  Preußenregierung  seien  ein  „kleineres  Übel“  gegenüber  der  Politik  der 
Nationalsozialisten und gegenüber einer etwaigen späteren Hitler-Regierung. So schreibt z.B. 
das „Hamburger Echo“: 
 
„Genau  wie  die  französische  Sozialdemokratie  für  die  kommenden  Wahlen  die  Taktik  beschlossen 
hat,  die  dazu  führt,  den  Kandidaten  der  ausgesprochenen  Reaktion  zu  schlagen,  so  wird  auch  die 
deutsche  Sozialdemokratie  ihre  Taktik so  wählen,  daß  die  Reaktion  aufs  Haupt  geschlagen  wird.  In 
dem  Kampf  zwischen  Hindenburg  und  einem  Vertreter  der  Harzburger  Front  ergibt  sich  unter 
obwaltenden  Umständen  ihre  Stellung  von  selbst.  Daß  die  Reaktion  mit  allen  Mitteln  versucht,  die 
Kandidatur Hindenburgs zu torpedieren, ist der Beweis dafür, daß sie erkennt, daß dieser Mann trotz 
seiner konservativen Grundeinstellung für Staatsstreiche und ähnliche Dinge nicht zu haben ist.“ 
 
Wir müssen den breitesten Massen klarmachen, daß dies ein Betrug ist. Wir müssen Klarheit 
darüber schaffen, daß man die Hitlerpartei nicht schlagen kann, ohne den Masseneinfluß der 
SPD insbesondere im Proletariat niederzuringen. Wir müssen Klarheit darüber schaffen, daß 
man eine spätere Hitler-Regierung nicht bekämpfen kann, ohne rechtzeitig den Hauptstoß zur 
Gewinnung der wichtigsten Schichten der Arbeiterklasse gegen die SPD gerichtet zu haben, 
denn  sie  ist  es,  die  breite  Schichten  der  Arbeiterklasse  für  die  Bourgeoisie  einfängt,  bzw. 
gefangen hält und dadurch dem Klassenkampf entzieht oder direkt gegen den Klassenkampf 
einsetzt. 
 
Warum müssen wir den Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie richten? 
 
Unsere  Strategie,  die  den  Hauptstoß  gegen  die  Sozialdemokratie  lenkt,  ohne  dadurch  den 
Kampf  gegen  den  Hitlerfaschismus  abzuschwächen,  unsere  Strategie,  die  gerade  durch  den 
Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie überhaupt erst die Voraussetzungen für eine wirksame 
Bekämpfung des Hitlerfaschismus schafft - diese Strategie ist nicht verständlich, wenn man 
die Rolle der proletarischen Klasse als der einzigen bis zu Ende revolutionären Klasse nicht 
klar verstanden hat. 
In  dem  Vorwort  zu  seinem  Buch  „Auf  dem  Wege  zum  Oktober“  hat  Genosse  Stalin  die 
revolutionäre Strategie des Leninismus in klassischer Weise formuliert. Er bezeichnet als die 
grundlegende strategische Regel des Leninismus die Erkenntnis: 
 
„1.  daß  die  gefährlichste  Stütze  der  Feinde  der  Revolution  in  der  Periode  der  herannahenden 
revolutionären Entscheidung die Kompromißlerparteien sind; 
2.  daß  es  unmöglich  ist,  ohne  Isolierung  dieser  Parteien  den  Feind  (den  Zarismus  oder  die 
Bourgeoisie) zu stürzen; 
3.  daß  infolgedessen  das  stärkste  Feuer  in  der  Periode  der  Vorbereitung  der  Revolution  auf  ihre 
Isolierung,  auf  die  Loslösung  der  breiten  Massen  der  Werktätigen  von  diesen  Parteien  gerichtet 
werden muß.“ 
 
Die praktische Anwendung dieser Strategie in Deutschland erfordert den Hauptstoß gegen die 
Sozialdemokratie.  Sie  ist  mit  ihren  „linken“  Filialen  die  gefährlichste  Stütze  der  Feinde  der 
Revolution.  Sie  ist  die  soziale  Hauptstütze  der  Bourgeoisie,  sie  ist  der  aktivste  Faktor  der 
Faschisierung,  wie  das  XI.  Plenum  sehr  richtig  aussprach,  und  sie  versteht  zugleich  in  der 

gefährlichsten  Art,  als  „gemäßigter  Flügel  des  Faschismus“  die  Massen  durch  ihre 
Betrugsmanöver  für  die  Diktatur  der  Bourgeoisie  und  für  ihre  faschistischen  Methoden 
einzufangen. 
Die Sozialdemokratie schlagen, das ist gleichbedeutend damit, die Mehrheit des Proletariats 
zu erobern und die wichtigste Voraussetzung für die proletarische Revolution zu schaffen. 
Aber es genügt nicht, daß wir diese Erkenntnis haben. Es genügt nicht, daß wir diese richtige 
Strategie  theoretisch  anerkennen.  Wir  müssen  vielmehr  in  der  Praxis  unsere  Konsequenzen 
daraus ziehen. Dazu gehört vor allem, neben vielen anderen Fragen, die richtige Bekämpfung 
der sozialdemokratischen Betrugsmanöver. 
 
Die Politik des größten Übels für die Arbeiterklasse 
 
Das  Hauptmanöver  der  Sozialdemokratie  für  eine  ganze  Periode  ist  der  Schwindel  mit  dem 
sogenannten „kleineren Übel“. Diese Feststellung des XI. Plenums hat für uns in Deutschland 
allergrößte  Bedeutung.  Ich  habe  schon  auf  die  Preußenwahlen  hingewiesen,  wo  ebenso  wie 
bei  der  Reichs-Präsidentenwahl  die  SPD  zweifelsohne  von  neuem  in  stärkster  Weise  den 
Schwindel mit dem „kleineren Übel“ auftischen wird, ich will nur auf einen Punkt hinweisen, 
der  bei  unserer  Entlarvung  dieses  Betrugsmanövers  von  ausschlaggebender  Bedeutung  ist. 
Wir sprechen oft von der Politik des „kleineren Übels“ der Sozialdemokratie. Ich glaube, daß 
diese Formulierung für diesen Begriff irreführend und unzweckmäßig ist. Die Politik, die die 
SPD  betreibt,  ist  ja  in  Wirklichkeit  keineswegs  eine  Politik  des  „kleineren  Übels“,  sondern 
gerade die Politik des größten Übels für die Arbeiterklasse. Das ist es, was wir den Massen zu 
zeigen  haben.  Die  Sozialdemokratie  führt  jeweils  soviel  Anschläge  im  Dienste  der 
Bourgeoisie  gegen  das  Proletariat  und  die  Werktätigen  durch,  wie  nur  vom  Standpunkt  des 
jeweiligen Reifegrades der Faschisierung durchgeführt werden können. 
Wenn ihre konterrevolutionären Taten bisweilen in einem oder dem anderen Punkt hinter dem 
zurückbleiben,  was  an  konterrevolutionären  Forderungen  von  dem  extremsten  Flügel  des 
Faschismus, von Hugenberg und Hitler aufgestellt wird, so geschieht das nicht deshalb, weil 
die SPD besser wäre als Hitler und Hugenberg, weil ihre Politik wirklich ein „kleineres Übel“ 
wäre,  sondern  nur  deshalb,  weil  eben  mehr  an  Ausplünderung  und  Unterdrückung  der 
Arbeiter unter den gegebenen Verhältnissen nicht durchgesetzt werden kann. 
„Kleineres Übel“ - das ist also nichts als der Betrug, mit dem die SPD ihre tatsächliche Politik 
des  jeweils  größten  Übels  für  die  deutsche  Arbeiterklasse  verschleiert.  Diese  Feststellung 
müssen wir bei der Entlarvung der Politik der Sozialdemokratie in unserer gesamten Agitation 
und Propaganda stets mit dem größten Nachdruck hervorheben. 
 
Andere Betrugsmanöver der SPD-Führer 
 
Die  verlogene  „Theorie“,  der  Betrug  des  „kleineren  Übels“,  ist  gewissermaßen  die 
Hauptachse  des  Systems  der  sozialdemokratischen  Massenbetrugsmanöver.  Aber  es  ist 
notwendig, die Vielseitigkeit und Mannigfaltigkeit dieser Manöver klar zu erkennen. Ich will 
nur einige Beispiele aus der letzten Zeit anführen, um zu zeigen, wie die SPD ständig immer 
neue betrügerische Tricks und Gaunerstückchen  ausheckt, die manchmal  nur für einige Tag 
und  Wochen  ihrer  Agitation  und  Propaganda  Verwendung  finden,  um  dann  sang-  und 
klanglos zu verschwinden und einem neuen Schwindel Platz zu machen. 
Ein  solches  Manöver  war  das  sogenannte  „Einheitsfrontangebot“  Breitscheids  in  seiner 
Darmstädter  Rede,  das  vom  „Vorwärts“  und  der  übrigen  SPD-Presse  sofort  aufgegriffen 
wurde und heute schon wieder längst vergessen ist, weil wir es rasch und radikal entlarvten. 
Ich erinnere hierbei an ähnliche Betrugsmanöver der französischen Reformisten. 
Ein solches Manöver ist das Gerede vom „Generalstreik“ im Falle einer kommenden Hitler-
Regierung,  die  zugleich  mit  der  offenen  faschistischen  Diktatur  infiziert  wird.  Dadurch  soll 

selbstverständlich nur der Kampf  gegen die tatsächliche Diktatur der Bourgeoisie, die heute 
durch die Brüning-Severing-Regierungen ausgeübt wird, abgeschwächt werden. 
Ein  solches  Manöver  ist  umgekehrt  die  sozialfaschistische  These,  wie  sie  Breitscheid  in 
Emden vertreten hat, ein Eintritt der Hitlerpartei in die Regierung sei ganz günstig, weil sich 
dadurch die Nazis „abwirtschaften“ würden und die weitere Behauptung, eine Brüning-Hitler-
Regierung sei immer noch ein „kleineres Übel“ gegenüber einer bloßen Hitlerregierung. 
Ein  solches  Manöver  der  Sozialdemokratie  und  Bourgeoisie  ist  der  Schwinde  mit  dem 
Preisabbau,  der  angeblich  einen  Ausgleich  für  die  Lohnsenkungen  bringen  soll.  Dieser 
Preisabbauschwindel  wurde  nun  schon  drei-  oder  vermal  immer  von  neuem  aufgetischt, 
jedesmal mit kleinen Veränderungen der Form nach, aber stets mit dem gleichen verlogenen 
Grundinhalt. 
Ein solches Manöver war der sogenannte Hilferuf der „Einheitsfront der Gewerkschaften“ zur 
Sicherung des Tarifwesens gegen Hitler und Hugenberg. 
Ein  solches  Manöver  ist  der  neue  Schwindel  des  ADGB  in  Sachen  der  Arbeitsbeschaffung. 
Dabei haben wir es einfach mit ihrem Hauptwahlmanöver zu tun, in dessen Dienst auch der 
geplante „Krisenkongreß“ des ADGB stehen soll. 
Ein solches Manöver ist die Bildung der „Eisernen Front“. 
Ein solches Manöver macht die SPD gegenwärtig bei der Reichspräsidentschaftswahl, indem 
sie die Hindenburgfront als „kleineres Übel“ darstellt. 
 

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