Ernst Thälmann Reden und Aufsätze


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Perspektive der weiteren Verschärfung der Krise 
 
Dies  alles  zeigt  ganz  klar,  daß  sich  auch  für  die  vor  uns  liegende  Entwicklung  eine  weitere 
Verschärfung der Krise ergeben muß. Für die gegenwärtige Situation müssen wir feststellen, 
daß das Finanz- und Kreditsystem in Deutschland sich in heftigen Schwierigkeiten befindet. 
Trotz  einer  „Ersparnis“ von  etwa  3  Milliarden  Mark  an  den  Erwerbslosen,  den  Löhnen  und 
Gehältern der Staatsarbeiter, Angestellten und Beamten, haben wir einen Fehlbetrag von über 
2  Milliarden  in  den  Staatsfinanzen.  Das  Stillhalteabkommen  bezüglich  der  kurzfristigen 
Kredite läuft am 23. Februar ab, auch der Rediskontkredit der Reparationsbank in Basel für 
die  Reichsbank  über  420  Millionen  Mark  ist  fällig.  Zugleich  gehen  die  Steuereingänge  und 

Staatseinnahmen  immer  mehr  zurück.  Ganz  abgesehen  von  den  formellen 
Reparationskrediten  auf  Grund  des  Young-Plans,  die  bis  zum  Ablauf  des  Hoover-Plans 
gestundet sind, versucht die deutsche  Bourgeoisie allein zur Verzinsung  und Abzahlung der 
sogenannten „privaten“ Auslandsschulden eine jährliche Tributleistung von über 2 Milliarden 
Mark  aus  den  werktätigen  Massen  zu  erpressen,  um  sie  an  das  ausländische  Finanzkapital 
abzuführen. 
Zieht man weiter in Betracht, daß die Agrarkrise auf Grund der rückschrittlichen Entwicklung 
der  Landwirtschaft  immer  schärfere  Formen  annimmt  und  riesige  Summen  an  offenen  und 
versteckten Subventionen von der Bourgeoisie auf Kosten der Millionen werktätigen Massen 
an  die  Junker  und  Großbauern  bezahlt  werden,  so  ergibt  sich  eine  Perspektive,  die  auf  eine 
weitere  Verschärfung  der  Krise  hinausläuft.  Eine  ganze  Reihe  von  Tatsachen  deuten 
daraufhin, daß die Situation immer schwieriger für die Bourgeoisie werden wird. Damit rückt 
eine Frage erneut in den Vordergrund: Die Frage der Inflation! 
Was gibt es Neues in dieser Frage? 
 
Neue Inflationspläne 
 
Das Wichtigste ist zweifelsohne der Wagemann-Plan. Dieser Plan, der eine Doppelwährung 
schaffen will, das heißt eine an keine Goldwährung gebundene Papiermark, mit der die Löhne 
und  Gehälter  in  Deutschland  gezahlt  werden  sollen  und  eine  andere  Währung  für  den 
Geldverkehr mit dem Ausland, die nicht entwertet werden soll, ist im Grunde genommen nur 
die Neuauflage ähnlicher Vorschläge aus dem Lager der Hugenberg und Hitler, die schon im 
vergangenen  Sommer  anläßlich  des  Bankenkrachs  auftauchten.  Ich  glaube,  Genossen,  wenn 
wir  an  die  Harzburger  Konferenz  denken,  so  erinnern  wir  uns  daran,  daß  durch  den 
ehemaligen  Reichsbankpräsidenten  Schacht  dort  eine  ähnliche  Idee  vorgetragen  wurde,  die 
plötzlich  die  Öffentlichkeit  interessierte  und  überraschte.  Heute  sehen  wir  im  Laufe  des 
Ganges der Entwicklung, daß dieser Wagemann-Plan eine ernstere Bedeutung bekommt, weil 
hinter  dem  Plan  heute  schon  ein  solcher  Konzern  steht,  der  bis  jetzt  noch  nach  wie  vor  der 
gesündeste  Teil  des  deutschen  Finanzkapitals  ist,  der  Chemiekonzern.  Die  Tatsache,  daß 
nunmehr  auch  das  Chemiekapital  stärker  auf  die  Linie  der  inflationistischen  Politik 
einschwenkt,  wie  sie  Hugenberg  und  Hitler  für  die  Großagrarier  und  Montanindustrie  seit 
längerer  Zeit  vertreten,  ist  von  neuer  Bedeutung  und  kann  auch  für  die  gesamte  übrige 
Innenpolitik Deutschlands wichtige Konsequenzen zeitigen. 
Trotzdem bleibt für die deutsche Bourgeoisie eine wichtige Hemmung bestehen, die sie vor 
einer  Inflationspolitik  nach  dem  Beispiel  Englands  zurückschrecken  läßt:  Das  ist  die  Furcht 
davor, daß eine Inflation auf Grund der Erfahrungen des Jahres 1923 die Radikalisierung und 
Revolutionierung der Massen außerordentlich beschleunigen würde. Und diese Furcht vor der 
proletarischen  Revolution,  vor  der  revolutionären  Krise  im  Gefolge  der  Inflation  ist 
zweifelsohne  auch  die  Hauptursache,  weswegen  Brüning  und  Groener  nach  bestimmten 
Informationen  im  Augenblick  die  Durchführung  des  Wagemannschen  Plans  nicht  für 
zweckmäßig halten. 
 
SPD-Führer und Nazis für die Inflation 
 
Der  Wagemann-Plan  ist  noch  in  einer  anderen  Beziehung  innenpolitisch  aufschlußreich: 
Einerseits  stieß  dieser  Plan  auf  den  begeisterten  Beifall  der  Nationalsozialisten,  die  sofort 
erklärten, daß er von ihnen gestohlen sei. In bürgerlichen Kreisen wird der Wagemann-Plan 
direkt als eine Visitenkarte für eine etwa kommende Hitlerregierung angesehen. Andererseits 
haben  sich  die  Sozialdemokratie  und  die  reformistische  Gewerkschaftsbürokratie  sofort 
ebenso  sehr  begeistert  mit  dem  Wagemann-Plan  solidarisiert.  Es  ist  uns  bekannt,  daß  das 
theoretische  Organ  der  reformistischen  Gewerkschaftsbürokratie  „Die  Arbeit“  Wagemann 

aufgefordert  hat,  über  seinen  Plan  zu  schreiben.  Auch  hier  haben  wir  also  eine  wachsende 
Zustimmung  für  die  inflationistischen  Tendenzen  der  Bourgeoisie.  Dabei  spielt  es  keine 
Rolle, wenn diese Sozialfaschisten ihre schändliche Politik hinter dem Schwindel verbergen, 
der  Wagemann-Plan  sei  gar  kein  Inflationsplan,  deute  nicht  hin  auf  eine  Inflationspolitik, 
sondern sei gewissermaßen eine Politik, die die Vergangenheit der deflationistischen Politik 
ignorieren und gewissermaßen eine andere Form der Belebung der Wirtschaft schaffen will. 
Daß auf der Bundesausschußsitzung des ADGB der Vorsitzende Leipart sich mit diesem Plan 
beschäftigt  hat,  ist  nur  ein  Beweis  dafür,  wie  man  versucht,  systematisch  eine  Ideologie  für 
diese Entwicklung zu schaffen. 
Es ist klar, daß in dem aller Reserven beraubten und von der Krise unendlich geschwächten 
kapitalistischen  Deutschland,  das  die  Erfahrungen  von  1923  hinter  sich  hat,  die  Schaffung 
einer Doppelwährung unfehlbar dazu führen müßte, daß die ohne Golddeckung  geschaffene 
Binnenwährung  durch  allgemeine  „Flucht“  aus  dieser  Binnenmark  völlig  entwertet, 
gewissermaßen in den Abgrund stürzen und dann die andere Währung mit sich reißen würde. 
Nehmen  wir  zum  Beispiel  die  englische  Bourgeoisie:  Sie  konnte  die  Entwertung  des  Pfund 
Sterling auf einer gewissen Stufe festhalten, weil sie noch bestimmte Reserven zur Verfügung 
hat,  mit  denen  sie  zu  einem  gewissen  Termin  die  Inflationspolitik  an  einer  Grenze  von  20 
Prozent  Währungsverlust  des  englischen  Pfund  Sterling  stellte.  Die  Reserven  des  deutschen 
Finanzkapitals auf diesem Gebiete, wo sind sie? Natürlich kann man eine Zeitlang eine solche 
Politik  dieser  beiden  Wege  eines  Systems  der  Doppelwährung  durchführen,  ohne  daß 
vielleicht  schon  im  Anfangsstadium  die  offene  Inflation  da  ist.  Aber  der  Kurs  der 
Entwicklung  muß  zur  Entwertung  der  Mark  in  Deutschland  fuhren.  Die  Gefahren,  die  ein 
inflationistischer  Kurs  in  der  Währungspolitik  der  deutschen  Bourgeoisie  mit  sich  bringen 
muß, nämlich die Gefahren des Heranreifens einer revolutionären Krise, sind also sehr groß. 
 
Das Reparations- und Schuldenproblem 
 
Andererseits steht das Inflationsproblem in einer engen Verbindung zu der Frage, die neben 
dem  Kreditproblem  einen  besonders  zugespitzten  Charakter  für  Deutschland  hat:  Das 
Reparations- und Schuldenproblem, das Problem des Versailler Systems. Wir müssen hier im 
ZK  diesen  Zusammenhang  zwischen  Krise  und  Versailler  System  in  der  Entwicklung 
Deutschlands klar und konkret herausarbeiten. Unsere Resolution sagt darüber: 
 
„Aus  dem  Zusammenfall  und  der  gegenseitigen  Durchdringung  der  Krise  und  der  Versailler 
Knechtschaft (Young-Sklaverei) ergibt sich ein Prozeß, der für das kapitalistische Deutschland in den 
Fesseln  des  Versailler  Systems  ein  verschärftes  Stadium  des  Fäulnisprozesses  der 
monopolkapitalistischen Entwicklung hervorruft.“ 
 
Was  wollen  wir  damit  sagen?  Lenin  hat  die  Entwicklung  des  Kapitalismus  im  Zeitalter  des 
Imperialismus,  des  Monopolkapitalismus  allgemein  als  einen  Prozeß  des  Niedergangs,  des 
sterbenden,  verfaulenden  Kapitalismus  gekennzeichnet.  Für  Deutschland  unter  den 
Bedingungen  der  Nachkriegsentwicklung  haben  wir  nun  nicht  bloß  diesen  einfachen 
Verfaulungsprozeß des monopolistischen Kapitalismus, sondern dieser Prozeß wird durch den 
Zusammenfall von Krise und Versailles außerordentlich verschärft. Die Fäulniserscheinungen 
in  der  kapitalistischen  Wirtschaft  Deutschlands,  die  parasitären  Erscheinungen  des 
Monopolkapitalismus nehmen höhere Formen an als in den meisten anderen kapitalistischen 
Ländern. 
Ich  verweise  nur  auf  die  Frage  der  Überfremdung,  wie  sie  sich  darin  ausdrückt,  daß  der 
industrielle  Aufbau  in  den  Jahren  der  kapitalistischen  Rationalisierung  vorwiegend  mit 
ausländischem  Kapital  durchgeführt  wurde.  Ich  verweise  auf  die  Lage  der  deutschen 
Landwirtschaft,  in  der  die  Bunker-  und  Großbauernwirtschaften  künstlich  aufrechterhalten 
werden. 

Wir  haben  schon  die  Frage  des  Kreditsystems  und  des  Finanzwesens  betrachtet,  wo 
gleichfalls  der  drohende  Finanzkrach  wie  die  Schwüle  eines  Gewitters  über  der 
kapitalistischen  Wirtschaft  Deutschlands  schwebt.  Ich  will  noch  auf  die  für  uns  besonders 
wichtige  Tatsache  des  immer  mehr  wachsenden  Massenelends  hinweisen.  Die  Lohnsumme 
der  deutschen  Arbeiterklasse  war  im  Jahre  1931  um  58  Prozent  niedriger,  als  das  vom 
Reichsarbeitsministerium auf Grund der bürgerlichen Statistik festgesetzte Existenzminimum. 
Nehmen wir weiter die über 6 Millionen Erwerbslosen und die vielen Millionen Kurzarbeiter. 
Nehmen wir die Tatsache, daß die zahllosen ruinierten Existenzen aus den Mittelschichten in 
Stadt und Land ebenso wie die nach Hunderttausenden zählenden erwerbslosen Angestellten 
und breite Schichten der erwerbslosen Arbeiterschaft unter dem Kapitalismus in Deutschland 
überhaupt keine Existenzmöglichkeit mehr haben, überhaupt keine  Hoffnung darauf,  wieder 
in den Produktionsprozeß zurückkehren zu können. Für diese immer umfangreicher werdende 
Masse aus den kleinbürgerlichen Schichten, aus den Angestelltenmassen, aus den Kreisen der 
Intelligenz  und  aus  dem  Proletariat  selbst,  vollzieht  sich  in  einem  unerhörten  Tempo  eine 
starke  Pauperisierung.  Diese  Erscheinung  drückt  infolge  ihres  noch  nie  dagewesenen 
massenmäßigen  Charakters,  infolge  ihres  in  der  Geschichte  der  kapitalistischen  Länder 
besonderen  Ausmaßes  am  deutlichlichsten  die  außerordentliche  Verschärfung  des 
Fäulnischarakters der kapitalistischen Wirtschaft Deutschlands in den Fesseln des Versailler 
Systems aus. 
 
Wir Bolschewiki glauben nicht an Wunder 
 
Alle  Hoffnungen  der  deutschen  Bourgeoisie  auf  eine  Lockerung  der  Versailler  Fesseln  sind 
fehlgeschlagen. Von den Vorstößen der deutschen Bourgeoisie in den  Fragen der  Zollunion 
ist  heute  nur  noch  die  Tatsache  übrig  geblieben,  daß  der  französische  Imperialismus  in 
Österreich nicht einmal mehr Herrn Schober als Minister duldet, weil dieser für die Deutsch-
Österreichische  Zollunion  eingetreten  ist.  Der  Hoover-Plan  von  dem  die  Bourgeoisie  den 
Massen  vorschwindelte,  er  sei  ein  Vorstoß  des  amerikanischen  Imperialismus  gegen 
Frankreich und für Deutschland, hat sich  gleichfalls als das entlarvt, was wir Kommunisten 
gegen  alle  bürgerlichen  Parteien,  einschließlich  der  SPD  und  der  Nazis,  von  Anfang  an 
feststellten,  als  eine  Aktion,  bei  der  der  amerikanische  und  der  französische  Imperialismus 
gemeinsam  das  Young-System  verteidigen  und  auf  seiner  Aufrechterhaltung  bestehen.  Die 
Lausanner Konferenz, von der deutschen Bourgeoisie mit besonderen Erklärungen eingeleitet, 
daß Deutschland nicht mehr zahlen wolle und zahlen könnte, ist auf unbestimmte Zeit vertagt. 
Immer  schärfer  erweist  es  sich,  daß  die  gesamte  Bourgeoisie  einschließlich  der 
Sozialdemokratie und der Nazis völlig außerstande ist, irgendeine andere Politik zu betreiben 
als die Erfüllungspolitik, die Politik der Kapitulation vor dem französischen Imperialismus. 
Die  Tributsklaverei  auf  Grund  des  Versailler  Systems  und  des  räuberischen  Young-Plans 
besteht  ja  keineswegs  nur  in  der  Bezahlung  politischer  Reparationsschulden.  Vielmehr  sind 
die  sogenannten  „privaten“  Schulden  in  Wirklichkeit  genauso  Tribute  an  das  internationale 
Finanzkapital,  die  auch  die  Millionen  Werktätigen  zu  zahlen  haben,  wie  die  eigentlichen 
Reparationszahlungen. 
Ich  will  hierbei  an  die  Prognose  erinnern,  die  Genosse  Stalin  auf  dem  XVI.  Parteitag  der 
KPSU bezüglich des Young-Plans gegeben hat: 
 
„Das  eigenartige  Verhältnis,  das  sich  zwischen  den  Siegerstaaten  und  Deutschland  herausbildete, 
könnte man als eine Pyramide darstellen, auf deren Spitze Amerika, Frankreich, England usw. thronen 
mit  dem  Young-Plan  in  Händen,  auf  dem  geschrieben  steht:  „Zahle!“,  während  unten  Deutschland 
darniederliegt, das seine Kräfte erschöpft und gezwungen ist, zu verbluten, um den Zahlungsbefehlen 
von  Milliardenkontributionen  nachzukommen.  …  Zu  glauben,  daß  ein  solcher  Zustand  für  den 
internationalen Kapitalismus ohne Folgen bleiben kann, würde bedeuten, vom Leben überhaupt nichts 
zu  verstehen.  Zu  glauben,  daß  die  deutsche  Bourgeoisie  imstande  sein  wird,  in  den  nächsten  zehn 
Jahren 20 Milliarden Mark zu zahlen, und daß das unter dem doppelten Joch der „eigenen“ und der 

„fremden“  Bourgeoisie  lebende  deutsche  Proletariat  es  ohne  ernste  Kämpfe  und  Erschütterungen 
zulassen  wird,  daß  man  aus  seinen  Adern  diese  20  Milliarden  herauspreßt,  heißt  den  Verstand 
verlieren. Mögen deutsche oder französische Politiker sich den Anschein geben, an dieses Wunder zu 
glauben. Wir Bolschewiki glauben nicht an Wunder.“ 
 
Diese  vor  anderthalb  Jahren  getroffene  Feststellung  des  Genossen  Stalin  ist  heute 
vollkommen  bestätigt.  Der  Young-Plan  und  das  Versailler  System,  die  einerseits  von  der 
faschistischen Reaktion als Hemmnis der revolutionären Entwicklung, als Voraussetzung für 
den  Erfolg  der  nationalsozialistischen  Demagogie  und  Politik  ausgenutzt  werden,  fördern 
andererseits die revolutionäre Entwicklung m dem Maße, wie ihre inneren Widersprüche sich 
zuspitzen und zu ihrer Erschütterung führen. Es hängt eine solche revolutionäre Orientierung 
der Massen davon ab, ob wir es verstehen, die nationale Demagogie des Hitlerfaschismus, der 
sich  neuerdings  auch  die  SPD  in  stärkerem  Maße  bedient,  zu  entlarven  und  ihr  unsere 
revolutionäre Freiheitspolitik entgegenzustellen. 
 
Der faschistische Kurs der Brüning-Regierung 
 
Ich komme nun zur Frage der Faschisierung. Der Prozeß der Durchführung der faschistischen 
Diktatur  durch  die  Brüning-Regierung,  wie  wir  ihn  vor  einem  Jahr  auf  dem  Januar-Plenum 
1931  analysiert  haben,  hat  innerhalb  der  vergangenen  zwölf  Monate  die  heftigsten  Formen 
angenommen.  Ich  will  nicht  Einzelheiten  anführen,  da  ja  die  verschiedenartigsten 
Unterdrückungsmaßnahmen  gegen  die  Arbeiterklasse:  Streikverbote,  staatlicher  Lohnraub, 
Abbau  der  sozialen  Leistungen,  Terror  des  Hitlerfaschismus,  Faschisierung  der 
Sozialdemokratie,  zur  Genüge  bekannt  sind.  Niemand  wird  heute  mehr  daran  zweifeln,  daß 
wir  es  bei  dem  Kurs  der  Brüning-Groener-Regierung  im  Reich  und  ihrer  Braun-Severing-
Filiale in Preußen mit einem faschistischen Kurs zu tun haben, daß wir recht hatten, als wir im 
Dezember  1930  von  einer  ausreifenden,  noch  nicht  ausgereiften  faschistischen  Diktatur 
sprachen. 
Bei der Durchführung dieses faschistischen Kurses finden wir bis zum heutigen Tage in der 
Politik der deutschen Bourgeoisie das eigenartige System der wechselseitigen Ausnutzung der 
Sozialdemokratie und der Hitlerpartei, wobei das Schwergewicht nach wie vor bei der SPD 
als der sozialen Hauptstütze der Bourgeoisie liegt. Das Zentrum ist momentan die Partei, die 
für diese wechselseitige Ausnutzung der SPD und der Nazis durch das Finanzkapital in den 
Vordergrund gerückt ist. Das Zentrum plus Sozialdemokratie führt momentan die Politik des 
Finanzkapitals in Deutschland durch. 
 
Die Rolle der Deutschnationalen im Faschisierungsprozeß 
 
Bei  der  Behandlung  der  Disposition  der  Kräfte  im  Lager  der  Bourgeoisie  tritt  noch  ein 
anderes  Problem  auf,  das  schon  des  öfteren  von  uns  erörtert  wurde.  Ich  denke  an  die 
überragende Rolle der Hugenberg-Partei, der Deutschnationalen, als des klassenbewußtesten 
Teils in der Front der Bourgeoisie, im System der Politik des Finanzkapitals. Wir haben schon 
früher  mehrfach  darauf  hingewiesen,  daß  Hugenberg  mit  seiner  Politik,  die  äußerlich 
betrachtet  zwar  organisatorisch  zu  einer  Schwächung  der  Deutschnationalen  Volkspartei 
führte,  sich  gerade  erst  die  Möglichkeit  verschafft  hat,  gestützt  auf  die  Massenbasis  der 
Nationalsozialisten, zum eigentlichen Einpeitscher und Antreiber der gesamten faschistischen 
Politik des kapitalistischen Deutschland zu werden. Wir können heute mit Recht feststellen, 
daß es Hugenberg gelungen ist, außerhalb der Regierung stehend, durch seine Beeinflussung 
der  Politik,  am  rücksichtslosesten  die  Durchführung  des  Kurses  des  Finanzkapitals  zu 
betreiben  und  sein  politisches  Programm  weitgehend  durchzusetzen.  Das  wird  gerade  jetzt 
besonders  durch  den  neuen  Erlaß  Groeners  unterstrichen,  nunmehr  auch  offiziell 
Nationalsozialisten in die Reichswehr aufzunehmen. Ganz klar ist aber weiter in dieser Frage 

die  Mitwirkung  der  Braun-Severing-Regierung,  ohne  deren  Einverständnis  die  führende 
Reichswehrgruppe  Groener-Schleicher  diesen  Erlaß  nicht  herausgegeben  hat.  Im  übrigen 
zeigen die in der letzten  Zeit erfolgten  Übertritte aus der  Landvolk-Partei, Wirtschaftspartei 
und  Deutschen  Volkspartei  zu  den  Deutschnationalen  -  Übertritte  von  Abgeordneten  der 
Länderparlamente  und  andere  -,  daß  die  Hugenberg-Partei  auch  organisatorisch  nicht  mehr 
zurückgeht. 
Eine solche richtige Einschätzung der Kräfte ist um so notwendiger und wichtiger, als sie die 
alleinige Voraussetzung dafür schafft, einen richtigen Standpunkt gegenüber der Hitlerpartei 
einzunehmen.  Nichts  wäre  verhängnisvoller,  als  eine  opportunistische  Überschätzung  des 
Hitlerfaschismus. Wollten wir uns darauf einlassen, gegenüber dem riesigen Anschwellen der 
Hitlerbewegung  unseren  richtigen  klassenmäßigen  Maßstab  zu  verlieren  und  uns  in  eine 
ähnliche  Panikstimmung  drängen  zu  lassen,  wie  sie  die  Sozialdemokratie  künstlich  in  den 
Massen zu erzeugen versucht, so müßte das zwangsläufig zu einer falschen Fragestellung in 
unserer  praktischen  Politik  sowohl  gegenüber  den  Nazis,  wie  vor  allem gegenüber  der  SPD 
führen. 
Wir  müssen  in  der  nationalsozialistischen  Bewegung  mit  Recht  im  besonderen  die 
Massenbasis  Hugenbergs  und  der  Deutschnationalen  erblicken,  so  wie  andererseits  die 
Brüning-Regierung  bei  der  Durchfühlung  der  Notverordnungsdiktatur-Politik  die 
Sozialdemokratie  als  stärkste  Massenbasis  benutzt.  Wir  müssen  bei  unserer  klassenmäßigen 
Analyse erkennen, daß der riesige Aufschwung des Hitlerfaschismus in erster Linie aus den 
kleinbürgerlichen Massen und den ihnen entsprechenden Angestellten- und Beamtenschichten 
herrührt,  während  ihnen  der  Einbruch  in  das  Industrieproletariat  im  allgemeinen  nicht 
gelungen ist. 
Nur wenn wir dies erkennen, werden wir in der Partei völlige Klarheit über die Rolle der SPD 
als der sozialen Hauptstütze der Bourgeoisie schaffen können. Nur dann wird es uns möglich 
sein, für unsere Strategie, deren Hauptstoß sich gegen die Sozialdemokratie richten muß, das 
erforderliche  Verständnis  bei  allen  Kommunisten  und  darüber  hinaus  bei  den  breitesten 
proletarischen Massen zu schaffen. Denn es ist eben nach wie vor und bleibt nach wie vor die 
Sozialdemokratie, die für den faschistischen Kurs der Bourgeoisie die wichtigste Massenbasis 
in der Arbeiterklasse darstellt. 
 
Die SPD als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie 
 
Die SPD als Massenpartei in der Arbeiterklasse ist eine Tatsache, vor der wir unsere klaren 
Blicke  und  unsere  Erkenntnis  nicht  verschließen  dürfen.  Ihre  Bedeutung  ist  zwar  einerseits 
dadurch zurückgegangen, daß wir mit Erfolg gegen den Masseneinfluß der SPD angekämpft 
und  ihr  Millionen  von  Anhängern  im  Laufe  der  letzten  Jahre  entrissen  haben.  Aber  da  die 
Hitlerpartei eben im wesentlichen nicht über einen proletarischen Massenanhang verfügt, wie 
sich bei den Betriebsrätewahlen deutlich gezeigt hat und durch andere Faktoren bestätigt wird, 
da  mit  der  allgemeinen  Verschärfung  des  Klassenkampfes  die  Notwendigkeit  für  die 
Bourgeoisie  wächst,  die  Arbeiterklasse  zu  zersplittern,  die  Einheitsfront  des  Proletariats  für 
den revolutionären Klassenkampf zu vereiteln, so bleibt andererseits trotz ihres Rückganges 
die  Bedeutung  der  SPD  für  die  Erhaltung  und  Verteidigung  der  bürgerlichen 
Klassenherrschaft  und  ihrer  faschistischen  Politik  gegen  die  Arbeiterklasse  nach  wie  vor 
bestehen. 
Bedeutet das etwa, daß wir auf absehbare Zeit mit einer weiteren Regierungsbeteiligung der 
SPD in Preußen rechnen müssen? Es wäre unsinnig, sich heute auf  eine  solche Behauptung 
unbedingt festzulegen. Aber diese ganze Frage trifft auch nicht den Kern des Problems. Auch 
wenn  die  Sozialdemokratie  zu  dem  Fußtritt  für  die  Hermann-Müller-Regierung  im  Frühjahr 
1930  jetzt  noch  einen  zweiten  Fußtritt  für  die  Preußen-Regierung  bekäme,  würde  das  nicht 
bedeuten, daß sie aufhört, die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie zu sein. Auch dann würde 

unsere  Strategie  keineswegs  eine  Umkehrung  erfahren  müssen,  in  der  Richtung,  daß  der 
Hauptstoß sich plötzlich nicht mehr gegen die SPD richten müsse. Auch dann würde unsere 
Klassenlinie weiter von uns verlangen, daß wir den Hauptstoß in der Arbeiterklasse gegen die 
Sozialdemokratie richten, weil sie den Hauptstützpunkt für die Politik des Klassenfeindes im 
Proletariat  darstellt,  ob  sie  nun  innerhalb  oder  außerhalb  der  Regierungskonstellation  steht. 
Jede andere Betrachtensweise wäre parlamentarisch und klassenmäßig falsch gestellt. 
 

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