Ernst Thälmann Reden und Aufsätze
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4. März 1928 ein Referat, in dem er streng nach den Lehren des Faschismus den
„Ständestaat“ im Gegensatz zur Klassenorientierung, sowie die „Entproletarisierung der Arbeiterschaft“ proklamierte. Die deutsche Staatsführung müsse, so erklärte Stegerwald damals bereits, „ähnlich wie Mussolini in Italien das Wirtschaftsbewußtsein mit dem Volksbewußtsein verbinden“. Er wandte sich damals schon gegen die „Demokratie“ und polemisierte z. B. gegen Wirth, weil dieser „stark unter dem Einfluß der französischen demokratischen Gedankenwelt stände“. Ein Jahr später, kurz nach der Bildung der ersten Brüningregierung, sprach Stegerwald wiederum in Duisburg. Dort sagte er, daß eine Arbeitsgemeinschaft unbedingt notwendig sei, nicht für Lohnkämpfe, sondern um „den Hebel an der Gestaltung der Wirtschaftspolitik und der Umgestaltung der Wirtschaft“ anzusetzen. Er erklärte dann: „Heute wird man dem Gedanken näher treten müssen, daß die verschiedenen gewerkschaftlichen Verbände einen wirtschaftlichen Generalstab bilden, der auch weitgehend die Lohnbewegungen im ganzen zu regulieren hätte. … Daneben müßte der Vorstand des Reichswirtschaftsrates zum allgemeinen wirtschaftlichen Generalstab Deutschlands ausgebaut werden.“ Alle diese Formulierungen entsprechen vollkommen der faschistischen Ideologie und finden sich genau so in den Auslassungen der Nationalsozialisten. Diese ideologischen, wie die geschilderten organisatorischen Querverbindungen des Zentrums nach rechts sind somit charakteristische Symptome dafür, daß das Zentrum durch seine Struktur, wie durch seine Ideologie von vornherein dazu berufen war, die führende Rolle bei der Durchführung der faschistischen Diktatur in Deutschland zu übernehmen. Ein kleines Beispiel hierfür mag der Hinweis auf die Rolle der verschiedenen Zentrumsminister im Rahmen der Gesamtpolitik der Bourgeoisie in den letzten Jahren sein. In Preußen ist der Zentrumsmann Hirtsiefer seit Jahren Wohlfahrtsminister. Seine exponierte Rolle im Kampf gegen den Mieterschutz und beim Abbau der Sozialpolitik ist hinreichend bekannt. Hirtsiefer ist aus der christlichen Gewerkschaftsbewegung hervorgegangen, stammt aus der dortigen Metallarbeiterorganisation. Im Reich war es der Zentrumsminister Brauns, der als Reichsarbeitsminister die ersten schweren Anschläge der Bourgeoisie auf die Erwerbslosenunterstützung und die übrigen sozialpolitischen Rechte, die dem deutschen Proletariat vom November 1918 verblieben waren, durchführte. Brauns war Sekretär des Katholischen Volksvereins. Brüning wie Stegerwald stammen aus der christlichen Gewerkschaftsbewegung, deren direkter Führer bekanntlich Stegerwald war. Über ihre Politik bei der Durchführung der faschistischen Diktatur in Deutschland brauchen wir hier nicht ausführlicher zu sprechen. Diese Zentrumspolitik der letzten Jahre ist nur die Fortsetzung und Krönung ihrer Rolle seit dem November 1918. Als es sich im Jahre 1918 für die Bourgeoisie darum handelte, die kapitalistische Klassenherrschaft gegenüber dem ersten Ansturm der proletarischen Revolution zu sichern und zu verteidigen, bediente sich das Zentrum in ausschlaggebendem Maße der Sozialdemokratie. Mit der Festigung der politischen Macht der Bourgeoisie setzte es die Heranziehung der Deutschen Volkspartei und schließlich sogar der Deutschnationalen durch, wobei die SPD bis zu einem gewissen Grade zurückgedrängt wurde. Heute ist das Zentrum Träger der Politik einer wechselseitigen Ausnutzung der Sozialdemokratie und der Nationalsozialisten für die Diktatur der Bourgeoisie. Einstweilen liegt dabei das Schwergewicht selbstverständlich bei der Sozialdemokratie. Und das wird sicherlich, klassenmäßig betrachtet, auch in Zukunft für Deutschland bis zur proletarischen Revolution der Fall sein. Aber diese Tatsache steht durchaus nicht in Widerspruch zu einer möglichen Entwicklung, durch die die Sozialdemokratie hinsichtlich der formellen Ausschaltung von der Ausübung der Regierungsgewalt, noch einen weiteren Fußtritt seitens der Bourgeoisie, den Verlust auch ihrer preußischen Regierungspositionen, erleiden würde, während die Nationalsozialisten in die Reichsregierung einrücken können. Denn die Rolle der Sozialdemokratie als sozialer Hauptstütze der Bourgeoisie, beruht ja vor allein auf der klassenmäßigen Struktur ihrer Anhängerschaft, auf der Tatsache, daß sie die wichtigste Kraft im Dienste der Bourgeoisie darstellt, die die proletarischen Massen an das System der bürgerlichen Diktatur kettet. Ob dies in der Form einer Regierungsbeteiligung, sei es im Reichs- oder Ländermaßstabe, oder auch nur unter dem Deckmantel einer Scheinopposition geschieht, ist nicht von entscheidender, sondern nur von taktischer Bedeutung. Es wäre deshalb ein verhängnisvoller Fehler, wenn man aus der heutigen Absage der Brüningregierung an die Nationalsozialisten in der Frage ihrer Teilnahme an der Reichsregierung irgendwelche Schlüsse hinsichtlich der weiteren Perspektive ziehen wollte. Ob die Bourgeoisie die Nationalsozialisten im Reichsmaßstabe in die Regierung beruft, hängt einstweilen von einer Reihe vor allem außenpolitischer, aber auch innenpolitischer Fragen ab, die noch nicht geklärt sind. Das Eine aber steht, insbesondere auf Grund des Beispiels von Hessen, fest: prinzipiell ist das Zentrum zu einer solchen Berufung der Nationalsozialisten und gemeinsamen Regierungsbildung durchaus bereit und durchaus befähigt. Nicht zuletzt sind es gerade die christlichen Gewerkschaften, die, wie wir sahen, eine solche Entwicklung besonders erleichtern können. Es ist kein Zufall, daß z. B. das Organ der christlichen Gewerkschaftsbewegung „Der Deutsche“ schon vor Monaten in der Behandlung eines Leitartikels des nationalsozialistischen Führers Gregor Straßer, der unter dem Titel „Brüning und Hitler“ im „Völkischen Beobachter“ erschienen war, erklärte: „Die Nationalsozialisten werden allerdings durch ihre ganze zukünftige Haltung beweisen müssen, daß sie auch ernstlich gewillt sind, die Voraussetzungen zu schaffen, die eine Zusammenarbeit auch mit den christlichen Gewerkschaften ermöglichen. Gegenwärtig sind die Verhältnisse im Lager der NSDAP noch (! E. Th.) recht unklar.“ Auf diesen Ton ist die Zentrumspresse, einschließlich der Presse der christlichen Gewerkschaften, seither durchweg gestimmt. Die momentane Wendung der Brüningregierung ist also eine rein taktische Stellungnahme des Zentrums, wie es sich ja auch aus den hessischen Regierungsverhandlungen zwischen Zentrum und Nazis ergibt. Auf der anderen Seite ist es die besondere Aufgabe des Zentrums, durch seinen mächtigen Einfluß auf die Sozialdemokratie, diese samt den reformistischen Gewerkschaften für immer offenere Formen der Koalition, auch mit den Nationalsozialisten, reif zu machen. Das geschieht sowohl durch den Einfluß des Zentrums in Preußen, als auch durch die Zusammenarbeit mit der SPD im Reichsbanner, und vor allem durch den Einfluß der christlichen Gewerkschaften auf den ADGB. Im Reichsbanner, wo die sozialdemokratischen Arbeiter in besonders schrankenloser Form mit der faschistischen Ideologie der Volksgemeinschaft gefüttert und vergiftet werden, wird der Boden für die „ganz große Koalition“ von Severing bis Hitler vorbereitet. Ebenso entspricht es der Doppelrolle der christlichen Gewerkschaften, daß sie einerseits engste Verbindungen zu den Nazis aufrecht erhalten, andererseits den stärksten ideologischen Einfluß auf die reformistischen Gewerkschaften ausüben, um diese auf ihre Rolle als Bollwerk auch für eine eventuelle Brüning-Hitler-Regierung vorzubereiten. Dieser beherrschende Einfluß des Zentrums und der christlichen Gewerkschaftsbewegung auf den ADGB drückte sich nicht nur in dem Auftreten Stegerwalds auf dem Frankfurter ADGB- Kongreß aus, sondern vor allem auch in den Einigungsverhandlungen, die in letzter Zeit zwischen den reformistischen, christlichen und Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften stattgefunden haben. Das Ziel dieser Verhandlungen war die verschärfte und endgültige Faschisierung der reformistischen Gewerkschaften im Zusammenhang mit ihrer Verschmelzung mit den Christen und Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften. Auch wenn diese organisatorische Verschmelzung noch nicht zustande gekommen ist, so zeigte sich doch bei der gesamten Pressediskussion, die anläßlich dieser Verhandlungen stattfand, vor allem in dem berüchtigten Artikel Leiparts, des ADGB-Vorsitzenden, daß dieser Prozeß ideologisch bereits die höchsten Stufen erreicht hat. Auch hierin drückt sich die Bedeutung des Zentrums für die Faschisierung der Herrschaftsmethoden der deutschen Bourgeoisie aus. * Die fünfte Frage ist die besondere Bedeutung des Zentrums vom Standpunkt des konterrevolutionären Terrors gegen das deutsche Proletariat und der imperialistischen Kriegshetze gegen die Sowjetunion. Wir wollen nur einige besonders charakteristische Tatsachen anführen. Es ist kein Zufall, daß derselbe Jesuitenpater Muckermann, der bei der antibolschewistischen Kriegshetze eine besonders berüchtigte Rolle spielt, heute als Vertrauensmann des Zentrums und der christlichen Gewerkschaften Geheimverhandlungen mit den Nationalsozialisten betreibt, wie es in Essen vor wenigen Wochen festgestellt wurde. In der gleichen Linie liegt aber die gesamte Politik der Nationalsozialisten. Wenn Muckermann in einem Artikel in der Zentrums-„Tremonia“ nach dem „Schwert gegen die Ordnungsstörer“ ruft, so ist das Zentrum nicht bei Worten stehen geblieben. Im Herbst 1931 ist das Zentrum vielmehr dazu übergegangen, für den „wehrhaften Kampf gegen den Kommunismus“ zur Bildung einer geheimen Terrororganisation überzugehen. Diese Organisation, die mit dem Stahlhelm in militärischen Fragen Fühlung genommen hat, wurde in Trier auf einer Geheimkonferenz des Zentrums unter dem Namen „Liga zur Verteidigung des Glaubens“ gegründet. Ausdrücklich wurde dabei betont, daß man nach der katholischen Moral „bei der Verteidigung des Eigentums bis zur Tötung gehen“ dürfe. Ähnliche Nachrichten wie aus Trier liegen inzwischen noch aus anderen Teilen Deutschlands vor. Diese Schaffung von Terrororganisationen mit dem Ziel, im Namen des Christentums die „Tötung von Kommunisten“ zu betreiben, liegt in der gleichen Linie, wie die gesamte Pogromhetze des Zentrums und der katholischen Organisationen. In der „Germania“ erschien am 12. November 1931 ein Artikel über die Ergebnisse der Kampagne des „Volksvereins für das katholische Deutschland“ gegen den Bolschewismus. Danach wurden in der Zeit vom Januar 1930 bis Juni 1931 über 1750 Konferenzen, Schulungsabende und Versammlungen gegen den Kommunismus abgehalten. In der ersten Oktoberhälfte 1931 wurde für die Steigerung dieser konterrevolutionären Kampagne im jetzigen Winter an 22000 katholische Geistliche Redematerial versandt. In der letzten Oktoberhälfte wurde ein Flugblatt gegen den Bolschewismus in 680000 Exemplaren verschickt und am Christkönigstag in Stadt und Land „eine einheitliche Bewegung gegen den Bolschewismus durch geführt“. In dem Artikel wird weiter mitgeteilt, daß eine besondere Forschungsstelle über Bolschewismus und Freidenkertum gegründet worden ist, sowie eine Informationsstelle in Berlin „mit einem eigenen russischen Dolmetscher“. Auch Schritte „zur Schaffung einer internationalen Arbeitsgemeinschaft über Bolschewismus“ seien eingeleitet. Es ist bekannt, mit welchen skrupellosen Fälschungen, schmutzigen Verleumdungen und Lügen im Rahmen dieser katholischen Aktion der Kriegshetze und der konterrevolutionären Hetze gegen das revolutionäre Proletariat gearbeitet wird. Von der „Sozialisierung der Frau“ in Sowjetrußland und ähnlichen Erfindungen bis zur Fälschung von Leninzitaten gibt es kein Mittel, das den Herren für ihre schmutzigen Zwecke zu schmutzig wäre. Neben der II. Internationale als einer Agentur für die Vorbereitung des Krieges gegen die Sowjetunion kann man heute längst auch von einer katholischen Internationale sprechen, die sich die gleiche Aufgabe gestellt hat. Unser Kampf gegen das Zentrum gewinnt also eine besondere Bedeutung auch aus Gründen internationaler Natur. Der Frieden zwischen dem Vatikan und Mussolini in Italien, die Rolle des katholischen Klerus in Spanien und in Mexiko als starke Bollwerke der Konterrevolution, die Rolle Seipels und der Christlichsozialen in Österreich sollen hier nur als Beispiel erwähnt werden. Vor allem aber ist ja die Hetzkampagne der katholischen Kirche und des Vatikans zum Kriege gegen die Sowjetunion, die in Deutschland vom Zentrum weitgehend aufgegriffen wurde, der beste Beweis dafür, daß wir es hier mit einem Todfeind der proletarischen Klasse, nicht nur im deutschen, sondern im internationalen Maßstabe zu tun haben. Faschistischer Terror im Innern zur Niederhaltung des Proletariats, Kriegshetze nach außen für den Interventionskrieg der Imperialisten, für ihren Kreuzzug gegen die Sowjetunion - das ist ein politisches Programm, das dem Zentrum die volle Möglichkeit gibt, aufs engste sowohl mit der konterrevolutionären sozialdemokratischen Führerschaft, als auch mit den Nationalsozialisten, der Partei der Arbeitermorde, der faschistischen Galgen und Schafotte, zusammenzuarbeiten. Zusammenfassend ergibt sich also: Es ist anzunehmen, daß die Ausübung der Diktatur der Bourgeoisie - gleichviel mit welchen Methoden und besonders, wenn es sich um faschistische Methoden handelt - vorerst und auf längere Sicht in starkem Maße in den Händen des Zentrums liegen wird. Eine solche Feststellung schließt selbstverständlich nicht aus, daß sich das Zentrum einmal vorübergehend an einer Regierung formell nicht beteiligen könnte. Welche Schlußfolgerungen können wir aus unserer vorstehenden Untersuchung über die Rolle des Zentrums ziehen? Diese Schlußfolgerungen sind, wie ich eingangs feststellte, zweifacher Natur. Erstens: Unsere gesamten Feststellungen über das Zentrum erhärten die Analyse der Partei hinsichtlich der Klassenkräfte der Bourgeoisie, die zugleich die Grundlage für unsere revolutionäre Strategie abgibt. Sie erhärten unsere Politik, die die Massen zum Kampf gegen die Diktatur der Bourgeoisie, für die Diktatur des Proletariats sammelt. Unsere Politik, die die Massen in erster Linie gegen die heutige Form der bürgerlichen Diktatur, gegen die Brüning- Braun-Severing-Diktatur, zu mobilisieren und in den Kampf zu führen versucht, weil dies zugleich die Hauptform eines wirklichen Kampfes gegen eine drohende Brüning-Hitler- oder Hitler-Diktatur darstellt. Unsere Politik, die deshalb den Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie, als die soziale Hauptstütze der bürgerlichen Diktatur, und gegen ihren Massenbetrug, die sogenannte Theorie des „kleineren Übels“ führt. Zweitens: Unsere Feststellungen beweisen zugleich, daß die Partei ihre bisherige Vernachlässigung des Kampfes gegen das Zentrum unter allen Umständen überwinden muß. Es ist klar, daß es sich bei dieser Schwäche um ein schädliches Erbe der gesamten sozialistischen Arbeiterbewegung handelt. In dieser Frage haben wir bedauerlicherweise gerade gewisse schlechte Traditionen aus der Vorkriegssozialdemokratie in unseren Reihen konserviert. Eine wichtige praktische Frage für die Verstärkung unseres Kampfes gegen das Zentrum und gegen die christliche Gewerkschaftsbürokratie besteht darin, daß wir diesen Kampf nicht unter besonderer Hervorkehrung der religiösen Frage, die die christlichen Arbeiter von uns trennt, sondern auf der Linie der Anknüpfung an die Klassenfrage zur Gewinnung der christlichen Arbeiter für den gemeinsamen Klassenkampf gegen den Kapitalismus führen müssen. Das gilt auch für die übrigen katholischen Werktätigen in Stadt und Land, unter denen wir unsere Arbeit für den Kampf unter proletarischer Hegemonie entfalten müssen, um sie, je nach den gegebenen Möglichkeiten, entweder als Verbündete zum Proletariat herüberzuziehen oder doch wenigstens zu neutralisieren. Selbstverständlich bedeutet diese Stellungnahme nicht die leiseste Konzession an die Theorien des „religiösen Sozialismus“, nicht die leiseste Preisgabe unserer Auffassung des dialektischen Materialismus. Aber wir sind im Sinne Lenins verpflichtet, die noch vorhandenen religiösen Bindungen christlicher Arbeitermassen unter keinen Umständen als eine trennende Mauer zu betrachten, die uns hindern könnte, mit diesen Klassengenossen gemeinsam, Schulter an Schulter, für die proletarischen Klasseninteressen und Klassenforderungen zu kämpfen. Diese Linie muß auch in der Arbeit der revolutionären Freidenker eingehalten werden, die sich in der Vergangenheit oft - wenn auch nur an einzelnen Stellen - plumper Methoden bedienten und das religiöse Gefühl von christlichen Arbeitern, Arbeiterinnen und anderen Werktätigen verletzten, wodurch vom Standpunkt des revolutionären Klassenkampfes eine schädliche Wirkung eintrat. Die Freidenkerbewegung, die in der ideologischen Erziehung des Proletariats eine bedeutsame Stellung einnimmt, steht vor der Aufgabe, solche Fehler zu überwinden, ihre Arbeit nach den konkreten Verhä1tnissen der verschiedenen Bezirke und Arbeiterschichten zu spezialisieren und neue Methoden herauszuarbeiten. Es ist klar, daß die Methoden der revolutionären Freidenkerarbeit sogar unter sozialdemokratischen oder schon mit der KPD sympathisierenden Arbeitern in Berlin oder Hamburg einen anderen Charakter tragen müssen als unter christlichen Zentrumsarbeitern in Rheinland-Westfalen oder katholischen Landarbeitern in Schlesien. Sollen die revolutionären Freidenker nun etwa nur unter den vom Bann der Kirche schon losgelösten Arbeitern wirken und auf die Arbeit unter den christlichen Proletariern verzichten, um diese „nicht vor den Kopf zu stoßen“? Das wäre eine völlig falsche und unzulässige Auffassung. Es handelt sich vielmehr darum, daß auch die Freidenkerorganisationen bei ihrer Arbeit unter den christlichen Arbeitern die Rücksicht auf deren gefühlsmäßige, noch vorhandene religiöse Gebundenheit mit einer richtigen Anknüpfung an die Klassenfragen verbinden müssen. Dann wird es ihnen leichter gelingen, auch diesen Arbeitern das Verständnis für die Rolle der Kirche - sei es der katholischen oder evangelischen - und auch für die geschichtlich bedingte Rolle der Religion zu verschaffen. Unsere Richtschnur bei dieser Frage muß die Stellung sein, wie sie mit absoluter Klarheit von Friedrich Engels und von Lenin dargelegt wurde. Engels setzt sich im „Anti-Dührung“ mit dem scheinrevolutionären Vorschlag Dührings auseinander, die Religion in der sozialistischen Gesellschaft zu verbieten. Demgegenüber fordert Engels von der proletarischen Partei „die Fähigkeit, geduldig an der Organisierung und Aufklärung des Proletariats zu arbeiten, einer Sache, die zum Absterben der Religion führt, und sich nicht in das Abenteuer eines politischen Krieges gegen die Religion zu stürzen“. Den gleichen Standpunkt vertritt Lenin. In einem Artikel, der im Jahre 1909 anläßlich einer Rede des sozialistischen Abgeordneten Surkow in der Duma geschrieben wurde, führt Lenin u. a. aus: „Daraus folgt, daß die atheistische Propaganda der Sozialdemokratie (Bolschewiki!. E. Th.) ihrer Grundaufgabe untergeordnet sein muß, nämlich der Entfaltung des Klassenkampfes der ausgebeuteten Massen gegen die Ausbeuter.“ Lenin wählt sodann das Beispiel eines Streiks in einem beliebigen Gebiet oder Industriezweig, in dem neben einer fortgeschrittenen Schicht klassenbewußter sozialistischer Arbeiter ziemlich rückständige, religiös und kirchlich gebundene Arbeiter vorhanden sind, und schreibt dazu: „Der Marxist muß unbedingt den Erfolg der Streikbewegung in den Vordergrund rücken, muß entschlossen in diesem Kampfe einer Trennung der Arbeiter in Atheisten und Christen entgegenarbeiten, muß energisch eine solche Trennung bekämpfen. Atheistische Propaganda kann unter solchen Umständen nicht nur überflüssig, sondern schädlich sein. Der Prediger des Atheismus würde in einem solchen Moment und unter solchen Umständen nur den Pfaffen Vorschub leisten, die nichts sehnlicher herbeiwünschen, als, die Einteilung der Arbeiter nach ihrer Beteiligung am Streik durch eine solche nach ihrem Glauben an Gott zu ersetzen. … Wir müssen alle Arbeiter, die den Glauben an Gott noch bewahrt haben, zu der Sozialdemokratischen Partei (Bolschewistische Partei. E. Th.) nicht nur zulassen, sondern sie mit verdoppelter Energie heranziehen; wir sind unbedingt gegen die geringste Verletzung ihrer religiösen Überzeugung, aber wir wollen sie heranziehen, um sie im Geiste unseres Programms zu erziehen, nicht aber, damit sie aktiv gegen uns kämpfen.“ Lenin untersucht und beantwortet auch die Frage, wie diese Erziehung „Im Geiste unseres Programms“ durchgeführt werden muß: „Der Marxist muß Materialist sein, das heißt, ein Feind der Region, aber ein dialektischer Materialist, d. h. ein solcher, der den Kampf gegen die Religion nicht abstrakt, nicht auf dem Boden einer abstrakten, rein theoretischen, sich stets gleichbleibenden Propaganda stellt, sondern konkret, auf dem Boden des Klassenkampfes, der tatsächlich vor sich geht und der die Massen am meisten und am besten erzieht.“ In einem anderen Artikel Lenins aus dem Jahre 1905 über „Sozialismus und Religion“ heißt es gleichfalls: „Es wäre unsinnig, zu glauben, daß man in einer Gesellschaft, die auf schrankenloser Unterdrückung und Verrohung der Arbeitermassen aufgebaut ist, rein propagandistisch die religiösen Vorurteile zerstreuen könne. Es wäre bürgerliche Beschränktheit, zu vergessen, daß der auf der Menschheit lastende Druck der Religion nur das Produkt und die Widerspiegelung des ökonomischen Druckes innerhalb der Gesellschaft ist. Durch keine Broschüren, durch keine Propaganda kann man das Proletariat aufklären, wenn es nicht durch seinen eigenen Kampf gegen die finsteren Gewalten des Kapitalismus aufgeklärt wird. Die Einheitlichkeit dieses wirklichen revolutionären Kampfes der unterdrückten Klasse für die Schaffung eines Paradieses auf Erden ist uns wichtiger als die Einheitlichkeit der Meinungen der Proletarier über das Paradies im Himmel … Das ist der Grund, warum wir den Proletariern, die noch diese oder jene Überbleibsel der alten Vorurteile bewahrt haben, die Annäherung an unsere Partei nicht verbieten und nicht verbieten dürfen. Die wissenschaftliche Weltanschauung werden wir immer propagieren, die Inkonsequenz irgendwelcher Christen zu bekämpfen ist für uns unerläßlich; aber das bedeutet keineswegs, daß man die religiöse Frage an die erste Stelle, die ihr durchaus nicht zukommt, rücken muß …“ Besteht etwa ein Widerspruch zwischen diesen Auffassungen Lenins und der anderen Forderung, wie sie Lenin nach der Machtergreifung beispielsweise im Jahre 1922 in einer Einführung des wissenschaftlichen Organs „Unter dem Banner des Marxismus“ aufstellte? Dort schrieb er: „Die atheistische Propaganda muß in der mannigfaltigsten Form in die Massen getragen werden. Sie müssen mit Tatsachen aus den verschiedensten Lebensgebieten bekannt gemacht werden, man muß an sie bald auf die eine, bald auf die andere Art herantreten, um ihr Interesse wachzurufen, sie aus dem religiösen Schlaf zu erwecken, sie von den verschiedensten Seiten her und mit den verschiedensten Methoden aufzurütteln und dergleichen mehr.“ Diese Forderung nach atheistischer Massenpropaganda stellt nicht nur keineswegs einen Widerspruch zu der vorher angeführten Stellung Lenins dar, sondern im Gegenteil: Beide Aufgabenstellungen sind unlöslich miteinander verbunden. Sie entsprechen unter verschiedenartigen konkreten Bedingungen und auf verschiedenen Stufen der geschichtlichen Entwicklung den Anforderungen des revolutionären Klassenkampfes. Das ist hierbei genau ebenso der Fall, wie etwa beim Kampf Lenins gegen das „Gottsuchertum“, gegen die Gruppe um Bogdanow im Jahre 1913 (siehe Lenin „Materialismus und Empiriokritizismus“, Sämtliche Werke, Bd. XIII). Auch für uns ist die atheistische Massenpropaganda in Verbindung mit dem Kampf gegen die Kulturreaktion ein wichtiger Faktor des Klassenkampfes. Der Beschluß der IPF über die Schaffung eines theoretischen Organs für diese Arbeit ist deshalb sehr zu begrüßen. Eine solche dialektische Fragestellung bei der Behandlung des Religionsproblems, wie wir sie mit den vorstehenden Zitaten von Engels und Lenin unterstreichen, ist für unseren Kampf gegen den Masseneinfluß des Zentrums und für die Gewinnung der christlichen Arbeiter eine unbedingte Voraussetzung. Würden wir diese Grundsätze des Marxismus-Leninismus verletzen, so würden wir uns selbst unseren Kampf erschweren, wenn nicht gar zum Mißerfolg verurteilen. Daß dieser Kampf große Möglichkeiten für uns bietet, daß sich auch im Lager der christlichen Arbeiterschaft eine wachsende Radikalisierung bemerkbar macht, daran kann kein Zweifel sein. Diese Oppositionsströmungen auch in den eigenen Reihen des Zentrums spiegelten sich u. n. in der Stellungnahme einzelner Zentrumsblätter zu der damals noch bevorstehenden Notverordnung Brünings wider. In einer ähnlichen Art, wie die „linke“ SPD-Presse bisweilen eine Scheinopposition gegen die Politik ihrer Partei vortäuscht, weil der Druck und die Gärung unter der Mitgliedschaft ein solches Manöver notwendig machen, schrieb das offizielle Kölner Zentrumsblatt, der „Kölner Lokalanzeiger“, am 3. Dezember 1931 mit ziemlich scharfen Worten gegen die Politik des Lohnraubs und die trügerischen Versprechungen auf Preissenkung seitens der Regierung Brüning. Es heißt dort: „Sollte es wirklich so kommen, wie die vorläufig noch bestrittenen Angaben sagen, dann wird die große und breite Masse der Lohn- und Gehaltsempfänger allein als Opferträger übrigbleiben. Die Preissenkung wird auch deshalb nicht kommen, weil über kurz oder lang die in ihren Bezügen geschmälerten Gehalts- und Lohnempfänger wieder mit dem viel mißbrauchten Satz abgespeist werden: ‚die Wirtschaft hat ihre eigenen Gesetze, da läßt sich nichts erzwingen’.“ Dieses „Abrücken“ von der Brüningpolitik ist ohne Zweifel nur ein schäbiges Manöver, um die christlichen Arbeiter bei der Stange zu halten. Aber die Tatsache, daß solche Manöver notwendig sind, zeigt, daß unten in den Massen der christlichen Arbeiter eine Bewegung vorhanden ist, der wir vom Standpunkt unserer Klassenpolitik die notwendige Richtung geben müssen. Nicht anders steht es mit denjenigen katholischen Arbeitern und Werktätigen, die heute von der sogenannten Arbeiter- und Bauernpartei Vitus Hellers erfaßt sind. In der Führung dieser Organisation zeigen sich Tendenzen einer Annäherung an die faschistische Gruppe um Strasser und Kapitän Ehrhardt. Unter der Anhängerschaft wächst der Wille zum revolutionären Kampf gegen das kapitalistische System unter der Führung der KPD und der RGO. Unsere Aufgabe ist es, den christlichen Arbeitern den Weg zur roten Einheitsfront des kämpfenden klassenbewußten Proletariats unter Führung der Kommunistischen Partei zu zeigen. Unsere Aufgabe ist es, in den Betrieben und auf den Stempelstellen mit den christlichen Klassengenossen, wie mit den sozialdemokratischen und den anderen Arbeitern diese Front zu schließen. Unsere Aufgabe ist es, unter den Massen der katholischen Werktätigen in Stadt und Land vorzustoßen, die Dorfarmut und die Kleinbauern als Verbündete zum Proletariat für den gemeinsamen Kampf unter Führung der Arbeiterklasse herüberzuziehen, die katholischen Mittelbauern zu neutralisieren. Unsere Aufgabe ist es, unter den katholischen Handwerkern und Kleingewerbetreibenden unsere Agitation zu entfalten. Die bestehenden Schwächen müssen liquidiert werden, unser Kampf gegen das Zentrum muß im Rahmen unserer gesamten revolutionären Massenarbeit und Massenpolitik verbessert werden. Die Durchführung der Beschlüsse, die das Zentralkomitee in dieser Richtung gefaßt hat, ist deshalb eine wichtige Voraussetzung neben anderen, um den Weg für neue wachsende Erfolge des Kommunismus in Deutschland freizumachen! Download 5.01 Kb. Do'stlaringiz bilan baham: |
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