Ernst Thälmann Reden und Aufsätze


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  der  Umstand,  daß  sie  vor  den  Gefahren  zurückschrecken, 
die  die  Inflation  durch  weitere  Zuspitzung  der  Klassengegensätze  und  Revolutionierung  der 
Massen für die kapitalistische Klassenherrschaft bringt. 
Indem  das  Zentrum  die  Politik  dieser  Schichten  betreibt,  wird  es  zum  Hauptträger  jener 
Außenpolitik  der  deutschen  Bourgeoisie,  die  auf  Vereinbarungen  mit  dem  ausländischen 
Finanzkapital  hinausläuft  und  entsprechende  Zugeständnisse  an  den  französischen  und 
amerikanischen  Imperialismus  zu  machen  bereit  ist.  Es  ist  klar,  daß  das  Zentrum  diese 
Außenpolitik, die Erfüllungspolitik, reibungsloser durchzuführen vermag, als z. B. Deutsch-
nationale und Nationalsozialisten. 
Viertens: Das Zentrum ist durch seine starken Positionen in Süddeutschland und durch seine 
Verbindung  mit  der  Bayerischen  Volkspartei,  die  am  stärksten  die  partikularistischen 

Tendenzen  repräsentiert,  diejenige  Partei  der  deutschen  Bourgeoisie,  die  einen  Ausgleich 
zwischen  den  partikularistischen  Ländertendenzen  und  den  Interessen  der  Reichsgewalt 
verkörpert.  Diese  Position  des  Zentrums  unterscheidet  sich  z.  B.  deutlich  von  der 
gegenwärtigen  Rolle  der  Sozialdemokratie  und  ihrer  Politik.  Im  Mittelpunkt  der  gesamten 
sozialdemokratischen  Politik,  auch  in  den  Ländern  und  im  Reichsmaßstabe,  steht  heute  die 
Erhaltung  ihrer  Positionen  in  der  Preußenregierung.  Ihre  Reichspolitik  stellt  -  nicht  in  ihrer 
Gesamtlinie,  die  ja  durch  das  Interesse  der  Bourgeoisie  bestimmt  ist  -  wohl  aber  in  ihren 
einzelnen Maßnahmen und taktischen Schritten teilweise nur Anhängsel ihrer Preußenpolitik 
dar. 
Fünftens: Auch in Preußen verfügt das Zentrum über die entscheidende Schlüsselstellung und 
ist  dadurch  diejenige  Partei,  die  vom  Standpunkt  der  Gesamtbourgeoisie  am  besten  die 
Ausnutzung  der  Sozialdemokratie  als  der  sozialen  Hauptstütze  der  Bourgeoisie  für  die 
Diktatur der Bourgeoisie sichert und ermöglicht. 
Sechstens:  Umgekehrt  befindet  sich  das  Zentrum  durch  seine  engen  Verbindungen  zu  den 
rechtsradikalen  Wehrorganisationen  und  durch  seine  ideologische  Verwandtschaft  mit  der 
faschistischen Ideologie, auf die wir noch ausführlicher eingehen werden, auch gegenüber den 
übrigen  bürgerlichen  Parteien,  vor  allen  den  Hitler-Hugenberg-Gruppen,  in  einer  gewissen 
Schlüsselstellung. Das Zentrum verschafft sich somit in immer stärkerem Maße die Funktion, 
die Hugenberg sich, bzw. den Deutschnationalen zugedacht hatte: nämlich die Funktion, die 
Hitler-Partei als die neue faschistische Massenpartei im Sinne der Diktatur der Bourgeoisie zu 
„kanalisieren“, d. h. zu erziehen und in die richtige Bahn zu lenken. 
Siebentens: Das Zentrum verfügt über die stärksten organisatorischen Fundamente innerhalb 
der Jugend. Während die SAJ nach offiziellen Angaben über 54000 Mitglieder verfügt, was 
zweifelsohne erheblich zu hoch angegeben ist, während die Hitlerjugend ihre Stärke offiziell 
mit  etwa  20000  beziffert  -  auf  einer  Groß-Berliner  Funktionärkonferenz  wurde  jedoch  nur 
eine  Zahl  von  6000  im  Reichsmaßstabe  genannt  -,  verfügt  das  Zentrum  über 
Jugendorganisationen  für  männliche  und  weibliche  Jugend  mit  etwa  1¼  Millionen 
Mitgliedern.  Diese  Millionenorganisation  der  Zentrumsjugend  ist  nun  keine  direkte 
Kampforganisation,  wie  die  vorgenannten  anderen  faschistischen  oder  sozialfaschistischen 
Jugendorganisationen, aber sie hat sich nichtsdestoweniger als eine besonders feste Stütze des 
Brüningsystems erwiesen. 
Ihre  große,  von  unserem  Standpunkt  außerordentlich  schwerwiegende  Bedeutung  liegt  vor 
allem darin, daß sie  eine führende Rolle bei der  faschistischen Erziehung der Jugend spielt. 
Im  Vordergrund  ihrer  Arbeit  stehen  weltanschauliche,  kirchliche  Fragen.  Der  größte  Wert 
wird  auf  die  Aktivierung  gegen  die  revolutionäre  Arbeiterschaft,  gegen  den  Bolschewismus 
gelegt.  Ihrer  sozialen  Zusammensetzung  nach  umfaßt  die  katholische  Jugendbewegung 
Arbeiterjugend,  Bauernjugend,  städtischen  Mittelstand,  Studenten  und  Teile  der  Jugend  der 
Bourgeoisie.  Eine  besondere  Führerorganisation,  die  sich  vorwiegend  aus  Priestern 
zusammensetzt, leitet diese Jugendbewegung. 
Es ist klar, daß dieser feste Einfluß auf breiteste Schichten der Jugend die Rolle des Zentrums 
bei der Durchführung der Diktatur der Bourgeoisie und bei der Faschisierung in den Formen 
dieser Diktatur außerordentlich verstärkt. 
Achtens:  Die  konterrevolutionäre  Holle  des  Zentrums  in  Deutschland,  wie  der  katholischen 
Kirche und des Vatikans im internationalen Maßstabe, wirkt sich gleichfalls in der Richtung 
aus,  daß  die  Bedeutung  des  Zentrums  als  führender  Partei  der  deutschen  Bourgeoisie 
gesteigert wird. Die Tatsache, daß das Zentrum in besonderem Maße für den „Kampf gegen 
den  Bolschewismus“  befähigt  ist,  das  heißt  für  die  faschistische  Unterdrückung  der 
revolutionären Arbeiterschaft im Innern und für das Vorgehen gegen die Sowjetunion in der 
Außenpolitik, diese Tatsache zählt unzweifelhaft zu den wichtigsten Faktoren, aus denen sich 
die beherrschende Stellung des Zentrums und die Rolle der Brüningregierung ergibt. 

Die vorstehenden Faktoren bilden die Hauptgrundlage für die heutige Rolle des Zentrums, die 
in der Brüningdiktatur ihren Ausdruck findet. Aus dieser Rolle ergibt sich der Charakter der 
Brüningpolitik, wie er sich sowohl auf der letzten Zentrumstagung, wie auch besonders in der 
neuen  Notverordnung,  dem  faktischen  Belagerungszustand  und  der  Brüningrede  aus  Anlaß 
der Notverordnung offenbarte. 
 

 
Die  zweite  Aufgabe,  die  wir  uns  in  unserer  Untersuchung  stellen  müssen,  ist  die 
Beantwortung  der  Frage,  inwiefern  das  Zentrum  zu  den  aufgezeigten  Funktionen  in  der 
gegenwärtigen  Politik  der  deutschen  Bourgeoisie  und  damit  seiner  heutigen  Rolle  als 
führende  Partei  der  deutschen  Bourgeoisie  gekommen  ist.  Zur  Beantwortung  dieser  Frage 
müssen  wir  uns  in  die  Vorgeschichte,  in  die  geschichtliche  Entwicklung  dieser  Partei 
vertiefen. 
Wie  und  wann  ist  das  Zentrum  entstanden?  Die  eigentliche  Zentrumspartei  wurde  1870 
gegründet.  Sie  war  ursprünglich  eine  preußische  Schöpfung  und  stellte  eine  Abwehr  der 
katholischen  Kreise  gegen  den  in  Preußen  vorherrschenden  Protestantismus  und  gegen  den 
Liberalismus  dar.  Durch  die  Reichsgründung  im  Jahre  1871  im  Anschluß  an  den  deutsch-
französischen  Krieg  entwickelte  sich  das  Zentrum  zu  einer  Reichspartei,  die  sowohl 
klassenmäßig, wie ihren politischen Tendenzen nach, zunächst bunt zusammengewürfelt war. 
Ihre  führenden  Elemente  waren  konservativ  und  zu  einem  erheblichen  Teil  antipreußisch, 
antibismärckisch  eingestellt.  Insbesondere  von  Süddeutschland  her  kamen  in  der 
Zentrumspartei sehr starke Tendenzen zum Partikularismus, d. h. zur Unabhängigkeit von der 
zentralen  Reichsgewalt  zum  Durchbruch.  Andererseits  ergaben  sich  gerade  hier  auch  unter 
den katholischen Elementen Süddeutschlands und der Kleinstaaten bestimmte Gruppierungen, 
getragen  von  Handwerkern,  Kleingewerbetreibenden,  Bauern  und  Arbeitern,  die  gegen  das 
Junker-Preußen als Hort der Reaktion eingestellt waren. 
Die  Führung  und  Finanzierung  der  Partei  lag  schon  zu  jener  Zeit  ausschließlich  in  den 
Händen  des  schlesischen  und  westfälischen  Feudaladels,  der  neben  seinen  riesigen  Gütern 
starke schwerindustrielle Interessen (Kohle, Eisen, Hütten) hatte. Von diesen Kreisen wurde 
auch  die  „Germania“  im  Jahre  1871  gegründet,  die  heute  noch  das  Zentralorgan  der 
Zentrumspartei ist. 
In der Zeit nach 1871, bis etwa zum Jahre 1878, kam es zum „Kulturkampf“ Bismarcks gegen 
das  Zentrum.  In  diesem  Kulturkampf  wurde  die  bis  dahin  uneinheitliche  Zentrumspartei 
infolge  ihrer  Bedrückung  und  Verfolgung  verhältnismäßig  stark  zusammengeschweißt. 
Bismarck  stützte  sich  beim  Kulturkampf  vornehmlich  auf  den  Liberalismus,  d.  h.  auf  die 
junge  kapitalistische  Bourgeoisie  Deutschlands.  Infolgedessen  arbeitete  das  Zentrum  bei 
seiner  Abwehr  mit  einer  gewissen  antikapitalistischen  und  Sozialen  Demagogie.  Gerade 
dadurch vermochten sich der katholische Klerus und die Zentrumspartei feste Positionen unter 
der katholischen Arbeiterschaft, vor allem im Westdeutschland, zu sichern. 
Lenin schreibt über den „Kulturkampf“ Bismarcks gegen das Zentrum: 
 
„Durch diesen Kampf festigte Bismarck nur den streitbaren Klerikalismus der Katholiken, schädigte er 
nur die Sache der wirklichen Kultur, denn er rückte statt der politischen Trennungen die religiösen in 
den  Vordergrund  und  lenkte  so  die  Aufmerksamkeit  gewisser  Schichten  der  Arbeiterklasse  von  den 
dringenden  Aufgaben  des  Klassen-  und  Revolutionskampfes  in  der  Richtung  eines  ganz 
oberflächlichen und bürgerlich verlogenen Antiklerikalismus ab.“ 
 
Die  weitere  Entwicklung  der  Zentrumspartei,  die  sie  aus  einer  Oppositionspartei  gegen  das 
Bismarcksche  Preußen-Deutschland  zu  einer  festen  Stütze  des  sich  entfaltenden  deutschen 
Imperialismus machte, hatte verschiedene Wurzeln. Bismarcks Kulturkampf endete mit einer 
Schlappe.  Nachdem  er  ungefähr  1875  seinen  Höhepunkt  erreicht  hatte,  wurde  der 

Kulturkampf  im  Rahmen  der  Bismarckschen  Politik  1878  mit  dem  Erlaß  des 
Sozialistengesetzes durch den Kampf gegen die Sozialdemokratie abgelöst. Der erstarkenden 
kapitalistischen Bourgeoisie trat eine erstarkende Arbeiterbewegung, vor allem auf Grund der 
Vereinigung  der  beiden  Richtungen  der  Lassalleaner  und  Eisenacher  auf  dem  Gothaer 
Vereinigungsparteitag,  entgegen.  Diese  Entwicklung  trieb  die  liberale  Bourgeoisie,  wie  sich 
das im Rahmen der 48er Revolution schon einmal, wenn auch in anderen Formen, abgespielt 
hatte, immer stärker in die Arme des feudalen und konservativen Adels. 
Im  Kampf  gegen  das  Proletariat  mußten  sich  die  verschiedenen  inneren  Reibungsflächen 
zwischen  den  Teilen  der  Bourgeoisie  abschleifen.  Wie  für  die  Kapitalistenklassen  und  den 
Feudaladel, so traf das auch auf die Differenzen konfessioneller Natur zu und bewirkte eine 
Annäherung  der  katholischen  kapitalistischen  Partei  an  die  übrige  Bourgeoisie  und  an  den 
absolutistischen Machtapparat. 
Andererseits  fand  sich  das  Zentrum  auf  Grund  der  Interessen  des  katholischen  Feudaladels 
mit  den  Konservativen  in  der  gemeinsamen  Front  des  Kampfes  um  die  Hochschutzzölle. 
Während  noch  der  Kulturkampf  am  heftigsten  tobte,  näherte  sich  das  Zentrum  in  der  Frage 
der  Zollpolitik  bereits  den  Konservativen  und  Nationalliberalen.  So  entstanden  die  ersten 
Ansätze für den späteren Zollblock der drei kapitalistischen Parteien. 
In der weiteren Entwicklung wurden die Nationalliberalen durch die Abspaltung ihres liberal-
kleinbürgerlichen Flügels endgültig zur großkapitalistischen Partei. Sodann beherrschte dieses 
Dreigespann  der  Konservativen,  Nationalliberalen  und  des  Zentrums  bis  zum  Weltkrieg  die 
Politik des kaiserlichen Deutschlands in dessen ganzer Entwicklung zum Imperialismus. Von 
1893  an  deckte  das  Zentrum  endgültig  und  auf  der  ganzen  Linie  die  Wehr-  und 
Rüstungspolitik des wilhelminischen Deutschlands. Das gleiche galt von der Kolonialpolitik 
und, wie bereits ausgeführt, von der Zollpolitik. 
In  dieser  Entwicklung  des  Zentrums  sind  die  Voraussetzungen  für  eine  jetzige  Rolle  als 
führender Partei bei der Ausübung der Diktatur der Bourgeoisie in Deutschland erwachsen. 
 

 
Die  dritte  Frage,  der  wir  unsere  Aufmerksamkeit  zuwenden  wollen,  ist  das  Problem  des 
Massenanhangs der Zentrumspartei. Die Führung des Zentrums und der von ihm abhängigen 
Massenorganisationen liegt völlig in den Händen der Großbourgeoisie. Bezeichnend ist, daß 
noch  immer  ein  ausschlaggebender  Einfluß  des  rheinisch-westfälischen  und  schlesischen 
Feudaladels  mit  seinen  sowohl  großagrarischen  wie  schwerindustriellen  Interessen  in  der 
Zentrumspartei  besteht.  Dieser  Einfluß  drückt  sich  besonders  drastisch  in  den 
Besitzverhältnissen der Aktien der „Germania“ aus, die sich seit der Gründung dieser Zeitung 
- also seit mehr als 60 Jahren - nur wenig verändert haben. Die Mehrheit dieser Aktien wird 
bekanntlich  von  jenem  Herrn  v.  Papen  vertreten,  der  seit  Jahren  am  aktivsten  für  den 
Rechtskurs  des  Zentrums  tätig  ist.  Nach  dem  Aktionärverzeichnis  von  1927  gehörten  noch 
folgende  Vertreter  des  Feudaladels  unter  Führung  v.  Papens  zu  den  Aktionären  der 
„Germania“:  Graf  Ballestrem,  Fürsten  Löwenstein,  von  Savigny,  Freiherr  von  Frankenstein, 
Graf  Henckel-Donnersmarck,  Graf  Praschma,  Graf  Rechberg,  Frhr.  v.  Haxthausen,  Frhr.  v. 
Ketteier, Frhr. v. Twickel, Graf Gahlen, Frhr. v. Heeremann, Fürst Waldburg-Wolfegg, Frhr. 
v. Wendt. 
Als entscheidende Vertreter der Schwerindustrie selbst in der  Leitung des Zentrums sind zu 
nennen:  Klöckner,  Generaldirektor  ten  Hompel,  Rechtsanwalt  Lammers,  als  Vertreter  der 
Großbanken Louis Hagen aus Köln (früher Levy). 
Wie  ist  es  zu  erklären,  daß  eine  so  ausgesprochen  großbürgerliche  Partei  wie  das  Zentrum 
unter einer solchen Führung trotzdem - im Gegensatz zur Volkspartei, teilweise auch zu den 
Deutschnationalen  -  doch  über  eine  verhältnismäßig  stabile  Massenbasis  verfügt?  Eine 
entscheidende  Rolle  dabei  spielt  zweifelsohne  die  religiöse  und  kirchliche  Bindung  der 

katholischen Massen an den katholischen Klerus und damit zugleich an das Zentrum. Darüber 
hinaus  stützt  sich  das  Zentrum  jedoch  auf  eine  Reihe  von  Massenorganisationen,  die  der 
Partei und dem mit ihr verbundenen katholischen Klerus ihre Massenbasis verschaffen. 
Hierbei handelt es sich sowohl um kirchliche, wie um berufsständische Organisationen. Diese 
besonderen Transmissionsriemen bewirken das eigenartige Verhältnis zwischen dem Zentrum 
und  den  Massen.  Es  ist  klar,  daß  gerade  für  die  Kommunistische  Partei  und  ihren  Kampf 
gegen das Zentrum diese Fragen von besonderer Bedeutung sind. 
Entsprechend  der  sozialen  Struktur  des  Zentrums,  das  als  großbürgerliche  Partei  seine 
Anhängermassen  aus  dem  Proletariat  und  allen werktätigen  Schichten  rekrutiert  und  sie  mit 
Hilfe  des  Katholizismus  an  die  großbürgerliche  Politik  bindet,  ist  sowohl  die  Ideologie  wie 
die  Organisation  der  Zentrumspartei  darauf  eingestellt,  den  Klassencharakter  der 
kapitalistischen Gesellschaft zu vertuschen. Diesem Ziel dient in ideologischer Hinsicht unter 
heißt  die  konfessionelle  Bindung.  Aus  demselben  Grunde  ist  anderem  ihr  Charakter  als 
sogenannte  „weltanschauliche“  Partei,  das  es  für  das  Zentrum  notwendig,  im  Aufbau  seiner 
Organisationen  zusammengehörige  Klassen  zu  zerreißen  und  mit  ihnen  klassenmäßig 
feindlichen  Schichten  zusammenzukoppeln.  Diesem  Prinzip  dient  der  Aufbau  der 
Zentrumsorganisationen  nach  berufsständischen  Grundsätzen.  Hierin  drückt  sich  bereits  die 
Annäherung an die faschistischen Phrasen vom Ständestaat aus. 
Welches  sind  die  wichtigsten  Massenorganisationen  des  Zentrums,  die  wichtigsten 
Transmissionsriemen der Zentrumspartei zu den verschiedenen Schichten der Arbeiterklasse 
und der Werktätigen? 
1.  Die Arbeiter-, Angestellten- und Beamtengewerkschaften. 
2.  Der Volksverein für das katholische Deutschland. 
3.  Die katholischen Arbeiter- und Gesellenvereine. 
4.  Die Frauen-, Jungfrauen-, Jungmännervereine, Jugend- und Kinderorganisationen. 
5.  Die Schulorganisationen (Lehrer-, Eltern-, Schüler- und Studenten-Organisationen). 
6.  Die  berufsständischen  Interessenvereinigungen,  wie  Katholische  kaufmännische 
Vereinigung, Beamtenvereine (die nichts mit christlichen Gewerkschaften zu tun haben), 
Forschungs-  und  Vereinigungen  zur  Erfassung  der  Intellektuellen,  Wissenschaftler  und 
Künstler, 
Handwerker- 
und 
Gewerbetreibendenvereine, 
Bauern- 
und 
Winzervereinigungen. 
7.  Die katholischen Wohlfahrts- und Fürsorgevereinigungen und Organisationen. 
8.  Die  vielen  Sport-,  Wehrsport-,  Wander-,  Kultur-,  Geselligkeits-,  Buch-,  Lichtspiel-  und 
Theatervereinigungen, -organisationen und -verbände. 
9.  Die  religiösen  Orden,  Klöster,  Missionsgesellschaften,  Erziehungsanstalten,  riesigen 
Verlagsorganisationen  für  Zeitungen,  Bücher,  Broschüren,  Traktate  usw.  -  die  eine 
großzügige kapitalistische Massenausbeutung betreiben. 
10. Die  Kirche  selber  mit  70000  bis  80000  staatlich  und  aus  Massensteuern  besoldeten 
Priestern, die mit riesigen religiösen und gesetzlichen Machtvollkommenheiten gegenüber 
den Gläubigen ausgestattet sind. 
Das berufsständische Prinzip in den Zentrumsorganisationen ist lediglich in den christlichen 
Gewerkschaften durchbrochen, weil gegenüber dem Proletariat auf Grund der kapitalistischen 
Entwicklung  andere  Methoden  der  Massenerfassung  als  die  durch  eine  christliche 
Klassenorganisation versagen müssen. Der Verzicht auf das berufsständische Prinzip und die 
Anwendung  des  klassenmäßigen  Prinzips  bei  den  christlichem  Gewerkschaften  war  jedoch 
selbstverständlich  nur  eine  erzwungene  Konzession  an  die  gegebenen  Tatsachen.  Die 
Entstehung der christlichen Gewerkschaften in Deutschland fällt etwa ein Vierteljahrhundert 
später als die Gründung der Zentrumspartei. Sie erfolgte um die Mitte der neunziger Jahre des 
vergangenen  Jahrhunderts.  Sowohl  in  ihrem  Aufbau  wie  in  ihrer  Propaganda  stellten  die 
christlichen  Organisationen  eine  ausgesprochene  Konkurrenzerfindung  gegen  die  Freien 

Gewerkschaften der Sozialdemokratie dar, die damals noch in stärkerem Maße  als nach der 
Jahrhundertwende Klassenkampforganisationen waren. 
Aus diesen Gründen des Wettbewerbes mit den sozialdemokratischem Gewerkschaften ergab 
sich  die  Notwendigkeit  sowohl  des  klassenmäßigen  Prinzips  im  Aufbau,  wie  der  formellen 
Bejahung des „Kampfprinzips“ und des „Streiks“. Naturgemäß erfolgte diese nur in Phrasen 
und  bedeutete  in  den  Taten  keinerlei  Hemmung  für  die  übelste  Liebedienerei  vor  dem 
Unternehmertum  und  den  schrankenlosen  Verrat  der  christlichen  Arbeiterinteressen  an  die 
Kapitalisten. 
In  welchem  Ausmaß  die  Preisgabe  des  berufsständischen  Prinzips  im  Fall  der  christlichen 
Gewerkschaften  nur  eine,  durch  die  Tatsachen  erzwungene,  demagogische  Konzession  des 
Zentrums darstellte, durch die man proletarische Massen um so stärker an die großbürgerliche 
Politik fesseln wollte - das ergibt sich aus der gesamten Behandlung der  Organisationsfrage 
im  Lager  des  Katholizismus.  In  einem  Sammelbuch  über  „Die  soziale  Frage  und  der 
Katholizismus“  schreibt  der  christliche  Gewerkschafter  Rudolf  Greß  unter  anderem  in  einer 
Untersuchung der Geschichte der christlichen Gewerkschaften: 
 
„Aus dieser Tatsache (Greß meint die Gefahr, daß schon die bloße klassenmäßige Organisation das 
Klassenbewußtsein  oder  doch  den  Klasseninstinkt  der  organisierten  Arbeiter  zu  erwecken  droht.  E. 
Th.)  erklärt  sich  die  dauernde  tiefe  Abneigung  des  christlichen  Ethos  gegen  jegliche  auf  dem 
Klassengedanken  aufbauende  Organisation  und  die  enge  innere  Berührung  dieses  Ethos  mit  dem 
berufsständischen Organisationsprinzip.“ 
 
Wie  weit  diese  „Abneigung“  geht,  das  zeigt  die  Tatsache,  daß  als  Konkurrenz  zu  den 
christlichen  Gewerkschaften  von  den  führenden  katholischen  Schichten  selbst  der  „Verband 
katholischer  Arbeitervereine“  aufgezogen  wurde,  der  auch  formell  jedes  „Kampfprinzip“ 
gegenüber  dem  Unternehmertum  ablehnte  und  offen  gegen  jede  Verteidigung  auch  nur  der 
geringsten ökonomischen Interessen und statt dessen für den „inneren Ausgleich“ eintrat. 
Alle  übrigen  Massenorganisationen  des  Zentrums,  wenn  man  von  den  christlichen 
Gewerkschaften  absieht,  sind  deshalb  auch  völlig  auf  dem  berufsständischen  Prinzip 
aufgebaut. 
Die  christlichen  Gewerkschaften,  deren  offizieller  Name  bekanntlich  Christlich-nationale 
Gewerkschaften  ist,  sind  im  DGB  (Deutschen  Gewerkschafts-Bund)  zusammengeschlossen. 
Die  Mitgliederzahl  der  christlichem  Organisationen  Ende  1930  betrug  1370793;  das  sind 
6,4 Prozent  der  Gesamtzahl  der  Arbeiter  und  Angestellten.  Diese  1,37  Millionen  Mitglieder 
verteilen  sich  auf  die  im  DGB  vereinigten  Arbeiter-,  Angestellten-  und 
Beamtengewerkschaften in der Weise, daß zu den Arbeitergewerkschaften 778863 Mitglieder 
gehören. Hier ist jedoch der christliche Gesamtverband der Verkehrs- und Staatsbediensteten 
eingerechnet, dem auch Zehntausende von Beamten angehören. 
Der  christlich-nationale  „Gesamtverband  Deutscher  Angestellten-Gewerkschaften“  (Gedag) 
umfaßt  13  Berufsverbände,  zu  denen  der  Deutschnationale  Handlungsgehilfenverband  mit 
380000 Mitgliedern und der Verband der weiblichen Handels- und Büroangestellten mit etwa 
90000 Mitgliedern gehört. Wir werden später noch auf die Bedeutung zurückkommen, die der 
Zugehörigkeit  solcher,  unter  deutschnationaler,  teilweise  nationalsozialistischer  Führung 
stehender  Verbände,  wie  z.  B.  des  Deutschnationalen  Handlungsgehilfenverbandes,  zu  den 
christlichen  Organisationen  für  die  allgemeine  ideologische  Entwicklung  des  Zentrums  und 
seiner Massenorganisationen zukommt. 
In  diesem  Zusammenhang  wollen  wir  nur  auf  die  auch  zahlenmäßig  große  Bedeutung  der 
christlichen  Gewerkschaften  hinweisen.  Unter  den  Angestellten,  den  Landarbeitern  usw. 
spielen die christlichen Organisationen zum Teil eine gleichwertige und größere Rolle als die 
freien Gewerkschaften der Reformisten. Aber auch unter anderen Schichten des Proletariats, 
unter der Industriearbeiterschaft der katholischen Gebiete haben sie bedeutende, in einzelnen 
Betrieben  den  reformistischen  Organisationen  zahlenmäßig  nahekommende  oder  sogar 

stellenweise überlegene Positionen. Wenn auch nicht im Reichsmaßstabe, so doch gerade in 
wichtigen  Zentren  der  Schwerindustrie  ergeben  sich  aus  dieser  Tatsache  besonders  für  die 
Arbeit der RGO außerordentlich wichtige Konsequenzen. 
Zusammenfassend  können  wir  feststellen,  daß  die  dargestellten  verschiedenartigen 
Transmissionsriemen  zwischen  dem  Zentrum  und  Massen  der  Arbeiterklasse  und  der 
Werktätigen in Stadt und Land ohne jeden Zweifel eine der entscheidenden Ursachen sowohl 
für die heutige Rolle dieser Partei, als auch für ihre verhältnismäßige Stabilität trotz Krise des 
Kapitalismus  und  trotz  revolutionären  Aufschwungs  bilden.  Aus  dieser  Feststellung  ergibt 
sich  naturgemäß  auch,  daß  unser  Kampf  gegen  das  Zentrum  diesem  komplizierten 
Verhältnissen  und  dieser  besonderen  organisatorischen  Struktur  des  sogenannten 
Zentrums„turmes“ Rechnung tragen muß. 
 

 
Die  vierte  Frage,  die  wir  in  unserer  Untersuchung  beantworten  wollen,  ist  die  nach  der 
besonderen  Rolle  des  Zentrums  für  die  Entwicklung  des  Faschismus  in  Deutschland.  Es  ist 
dabei  klar,  daß  das  Zentrum  als  führende  Partei  bei  der  Ausübung  der  Diktatur  der 
Bourgeoisie  zwangsläufig  auch  eine  entscheidende  Rolle  beim  Übergang  zu  faschistischen 
Formen  dieser  Diktatur  spielen  muß.  Im  Nachfolgenden  wollen  wir  jedoch  die  besonderen 
Ursachen  etwas  ausführlicher  beleuchten,  auf  Grund  deren  das  Zentrum  gerade  auch  für 
diesen  Wechsel  in  den  Herrschaftsformen,  den  Herrschaftsmethoden,  hervorragend  geeignet 
ist. 
Wir haben bereits das berufsständische Prinzip in der organisatorischen Struktur des Zentrums 
betrachtet, das eine enge Verwandtschaft mit der faschistischen Phraseologie vom Ständestaat 
aufweist.  Diese  faschistische  Note  findet  sich  überhaupt  in  der  gesamten  Ideologie  des 
Zentrums  als  einer  sogenannten  weltanschaulichen  Partei,  die  die  Klassengegensätze  der 
kapitalistischen  Gesellschaft  vertuschen  und  feindliche  Klassen  miteinander  versöhnen,  zu 
einer  „Harmonie“  vereinigen  will.  Wir  brauchen  nicht  erst  darauf  hinzuweisen,  daß  es  sich 
hier um die betrügerische Demagogie handelt, mit der die Massen an den Kapitalismus und 
die  bourgeoise  Klassenherrschaft  gefesselt  werden  sollen,  indem  man  ihnen  das  Wesen  des 
Kapitalismus und der bürgerlichen Klassenherrschaft zu verheimlichen sucht. 
Auch  die  Tatsache,  daß  in  der  Politik  der  Brüningregierung  der  äußerste  Kurs  der 
Sozialreaktion und der politischen Knechtung der Massen immer wieder mit den Phrasen von 
„Volksgemeinschaft“  und  dergleichen  mehr  verschleiert  wird,  entspricht  durchaus  der 
faschistischen Ideologie. Das alles sind bekannte Tatsachen. Das Problem jedoch, dem wir in 
diesem  Zusammenhang  unsere  Aufmerksamkeit  etwas  stärker  zuwenden  wollen,  sind  die 
besonderen  Verbindungen  des  Zentrums  zu  den  verschiedenen  anderen  Parteien  und 
Organisationen der Bourgeoisie aus dem extremen Lager des Faschismus. 
Durch den Feudaladel und die großagrarischen Interessen ist die enge Verbindung zwischen 
dem  Zentrum  und  dem  Landbund  -  und  damit  zwischen  dem  Zentrum  und  den 
Deutschnationalen  -  gegeben.  Durch  die  Abspaltung  des  gemäßigten  Flügels  der 
Deutschnationalen (Lambach, Westarp, Treviranus), der dem Zentrum besonders nahe stand, 
von  der  Hugenbergpartei,  ist  hierin  keine  Abschwächung  eingetreten.  Im  Gegenteil:  diese 
abgespaltene  Gruppe  mit  ihrer  engen  Verbindung  zur  Zentrumspartei  diente  gewissermaßen 
als Brücke für die weitere Faschisierung des Zentrums. 
Ähnlich  steht  es  mit  den  christlichen  Gewerkschaften.  Diese  Verbände,  die  wir  als  die 
wichtigsten  Transmissionsriemen  des  Zentrumspartei  zu  den  Massen  gekennzeichnet  haben, 
wirken sich zugleich als ein Hebel für die Faschisierung des Zentrums aus. Wir sahen, daß in 
der  Frage  der  Zentrumsgewerkschaften  unter  dem  Druck  der  Verhältnisse  das 
berufsständische  Prinzip  zugunsten  des  Prinzips  der  Klassenorganisation  verlassen  wurde. 

Was aber in der organisatorischen Struktur gewissermaßen „gesündigt“ worden war, wurde in 
der Ideologie dieser Organisationen um so stärker wieder wettgemacht. 
Auch in den christlichen Gewerkschaften ist die enge Verbindung zu den Deutschnationalen 
und  neuerdings  auch  teilweise  zu  den  Nationalsozialisten  gegeben.  Wir  sahen  bereits,  daß 
unter 
den 
Angestelltenverbänden, 
die 
dem 
christlich-nationalen 
Deutschen 
Gewerkschaftsbund  angehören,  die  führende  Organisation  der  Deutsch-nationale 
Handlungsgehilfenverband  darstellt.  Ebenso  ist  beim  Gesamtverband  der  Deutschen 
Beamtengewerkschaften  die  deutschnationale  Einstellung  vorhanden.  Auch  unter  den 
christlich-nationalen  Arbeitergewerkschaften  findet  sich  der  Zentralverband  der  christlichen 
Landarbeiter,  der  eine  ausgesprochen  Landbundorganisation  ist.  Die  sämtlichen,  in  der 
christlich-nationalen  Spitzenorganisation  zusammengefaßten  Gewerkschaften  sind  also 
durchaus  nicht  nur  reine  Zentrumsverbände,  zu  ihnen  gehören  vielmehr  teilweise  direkte 
deutschnationale  (oder  auch  stellenweise  nationalsozialistische),  teilweise  gemischte  und 
interkonfessionelle Organisationen. 
Diese  Verbindungen  mit  den  Deutschnationalen  und  zum  Teil  mit  den  Nationalsozialisten 
sind jedoch nur einer der Faktoren, auf Grund deren die christliche Gewerkschaftsbewegung 
zu einem Hebel und einer Stütze für die faschistische Politik des Brüning-Zentrums wird. Ein 
weiterer entscheidender Faktor ist die enge Verbindung der christlichen Gewerkschaften mit 
den Wehrverbänden, wie sie insbesondere durch Stegerwald seit langem betrieben wird. Hier 
bestehen  Beziehungen  zum  Jungdo,  zum  Werwolf,  zum  Bund  Oberland  und  teilweise  auch 
zum  Stahlhelm.  Gegenüber  dem  Stahlhelm  sind  diese  Beziehungen  naturgemäß  weniger 
entwickelt, weil auf Seiten des Stahlhelms selbst wegen seiner Verbundenheit mit den gelben 
Verbänden  Hemmungen  bestehen.  Wie  weitgehend  die  Bindungen  Stegerwalds  an  diese 
faschistischen  Wehrorganisationen  sind,  das  ergibt  sich  z.  B.  aus  der  seinerzeit  vom 
„Vorwärts“  festgestellten  Tatsache,  daß  bei  dem  berüchtigten  Fememörder  Schulz,  dem 
heutigen Naziführer, eine Photographie Stegerwalds mit sehr freundlicher Widmung gefunden 
wurde. 
Stegerwald, der heutige Reichsarbeitsminister und langjährige Führer der christlich-nationalen 
Gewerkschaften,  hat  seine  faschistische  Einstellung  bei  verschiedenen  ideologischen 
Auseinandersetzungen im Zentrum und in christlichen Gewerkschaften wiederholt bekundet. 
Bekanntlich  fand  im  Jahre  1928  eine  Auseinandersetzung  zwischen  Wirth  und  Stegerwald 
statt.  Stegerwald  hielt  auf  einer  Bezirkstagung  der  christlichen  Gewerkschaften  in  Duisburg 
am
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