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„Verhandlungen des Reichstags,
II. Wahlperiode 1924”, Bd. 381, S. 1025-1035. Zum Amnestieantrag der kommunistischen Reichstagsfraktion Rede im Reichstag 5. Januar 1925 Die kommunistische Reichstagsfraktion beantragt, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Reichstags ihre Amnestieanträge zwecks Freilassung der politischen Gefangenen zu setzen. Wir glauben, gerade heute um so mehr Berechtigung zu haben, diese Anträge schon in der nächsten Sitzung erörtern zu lassen, als bei der Beratung der Gesetze zum Londoner Abkommen der Reichsminister des Äußeren, Stresemann, eine allgemeine Reichsamnestie in Aussicht gestellt hat. Was ist seit dem August in dieser Angelegenheit geschehen? Wir haben gesehen, daß die Banditen, Strolche und Hochverräter, die Separatisten, freigelassen wurden, während die revolutionären Arbeiter, die im Ruhrgebiet gegen den französischen Imperialismus gekämpft haben, heute noch in den Gefängnissen weiterschmachten müssen. Wir haben ferner gesehen, daß der sozialdemokratische Reichspräsident Ebert, der im Magdeburger Prozeß seine konterrevolutionäre Rolle gezeigt hat, dem Hochverräter Jagow, der seinerzeit die geflohene Regierung stürzen wollte, das Licht der Freiheit gab, während die Arbeiter, die beim Kapp-Putsch gegen die Reaktion und für die Republik gekämpft haben, noch weiter in den Gefängnissen und Zuchthäusern schmachten müssen. Die bayerische Regierung ist dazu übergegangen - vielleicht im Einverständnis mit der Reichsregierung, vielleicht in Verbindung mit dem Reichspräsidenten, es sprechen auch noch andere Gründe mit, die man innerhalb einer Rede zur Geschäftsordnung nicht näher ausführen kann -, Hitler und Kriebel zu amnestieren und zu gleicher Zeit, um der Agitation für Fechenbach die Spitze abzubrechen, Fechenbach und vier revolutionäre Kämpfer mit herauszulassen, die in den Tagen nach der Räterepublik mit Festungshaft bestraft worden sind. Die Arbeiterschaft in den Betrieben ganz Deutschlands ist, wie die deutsche Regierung sehr wohl weiß, von dem revolutionären Willen beseelt, die Freilassung ihrer proletarischen Brüder zu verlangen. Weil die bayerische Regierung auch diese Empörung und Erregung in unserem Proletariat kennt, hat sie diese Beruhigungspille geschaffen und einige freigelassen, um in Zukunft um so schärfer gegen die anderen vorgehen zu können. Was sich gegenwärtig in der Weimarer Republik zeigt, ist geradezu ein Skandal, wie er vielleicht in der Geschichte noch nicht dagewesen ist. Von Woche zu Woche erhöht sich die Zahl der politischen Gefangenen - und das unter Führung eines sozial-demokratischen Reichspräsidenten und mit Unterstützung der Sozialdemokraten -, obgleich aus den Betrieben und den Gewerkschaften die Rufe überall immer lauter ertönen: Heraus mit unseren proletarischen Brüdern! Die Einkerkerung der politischen Gefangenen hat nicht nur im Inland, sondern auch bereits im Ausland Erregung hervorgerufen. Selbst in der Zeit Bismarcks, selbst zur Zeit der wilhelminischen Regierung war es nicht möglich, daß über siebentausend für ihre Ideale kämpfende Proletarier eingesperrt werden konnten. Und das geschieht, obwohl der Landesparteitag der SPD in Sachsen beschlossen hat, eine allgemeine Amnestie zu fordern. Allerdings hat die Sozialdemokratische Partei in Sachsen am 8. November im Sächsischen Landtag diesen einstimmig gefaßten Beschluß der Landesbezirkskonferenz desavouiert und hat gegen unsere Amnestieanträge gestimmt. Immerhin zeigt der Beschluß des Landesparteitags, daß auch die SPD von dem Willen der Massen getrieben wird, die die Freilassung der politischen Gefangenen energisch fordern. Gerade wir Kommunisten haben ein Recht, die Freilassung der politischen Gefangenen zu fordern; denn wir sind es gewesen, die in aller Offenheit dem Außenminister Stresemann gesagt haben: Wenn Sie glauben, daß auf Grund der Londoner Abmachungen, die Sie getroffen haben, die Kölner Zone geräumt wird, so wird die Praxis am 10. Januar dem deutschen Proletariat und der deutschen Bevölkerung zeigen, daß die Ententeimperialisten auf diejenigen pfeifen, die sich in London feige benommen haben. Heute ist die Situation so, daß selbst die Deutschnationalen und die anderen, die dem Sachverständigengutachten mit zugestimmt haben, daran herumdoktern und versuchen, wie man aus der geradezu ungeheuerlichen Kalamität herauskommen kann. Ich will ferner darauf hinweisen, daß aus den verschiedensten Teilen Deutschlands die Betriebe Delegationen hierher entsandt haben. Es sind, soweit wir unterrichtet sind, bereits 300 Delegationen aus Deutschland von den Betrieben entsandt, außerdem sind mindestens 100 Telegramme beim Reichstag eingelaufen, ohne und mit Unterstützung der Kommunistischen Partei. Das eine steht fest, daß wir den ernsten Willen haben und in erster Linie verlangen, daß auf diesem Gebiete etwas getan wird. Wenn wir heute auf Grund unserer sachlichen Argumente verlangen, daß in der nächsten Sitzung des Reichstags unsere Anträge für die Amnestie zur Verhandlung und Erörterung kommen, so geschieht es, weil wir Ihnen sagen müssen: Wenn Sie etwa glauben sollten, daß wir schwach sind, so irren Sie sich. Wir werden darum kämpfen, und wenn Sie nicht wollen, dann werden wir selbst die Kerkertore im Interesse des gesamten Proletariats und der politischen Gefangenen in der gegebenen Situation öffnen. Es wird eine Zeit kommen, wo Ihre „Ruhe und Ordnung” zur Durchführung der Versklavung der werktätigen Bevölkerung Deutschlands uns die Gelegenheit gibt, einen Vorstoß zu unternehmen, um unsere Brüder zu befreien und um das ganze kapitalistische System als solches niederzuschlagen. In diesem Sinne beantragen wir, daß heute der Reichstag über unseren geschäftsordnungsmäßigen Antrag abstimmt, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung unsere Amnestieanträge zu setzen, weil das in der Linie der Willensmeinung des gesamten deutschen Proletariats liegt. „Verhandlungen des Reichstags, III. Wahlperiode 1924”, Bd. 384, S. 3/4. Von Kapp bis Luther Zum 5. Jahrestag der Niederschlagung des Kapp-Putsches Vor fünf Jahren, am 13. März 1920, marschierte die Ehrhardt-Brigade durch das Brandenburger Tor in das Regierungsviertel ein. Der Reichspräsident und die Regierung Bauer-Noske verließen in eiliger Flucht Berlin und retteten sich über Dresden nach Stuttgart. Ein Aufruf, der in ihrem Namen herausgegeben wurde, rief die gesamte Arbeiterschaft zum Kampfe gegen die monarchistischen Putschisten auf. Jetzt, nach fünf Jahren, ist es den schwarzweißroten Monarchisten möglich gewesen, auf legalem Wege die Regierungsgewalt zu übernehmen. Derselbe Geßler, der nach dem Kapp- Putsch im Juni 1920 zum Reichswehrminister ernannt wurde, wird jetzt von den Kapp- Parteien als künftiger Reichspräsident in Aussicht genommen. Er hat es verstanden, mit Hilfe der Sozialdemokratie, mit Hilfe derselben Leute, die zum Kampf gegen Kapp aufgerufen hatten, den Kapp-Leuten zum Siege zu verhelfen. In jeder Krise riefen die bürgerlichen Parteien nach einer entscheidenden Tat durch die Reichswehr. Sie waren dieser „republikanischen” Schutztruppe völlig sicher. Sie half gemeinsam mit der SPD die Krise 1923 durch Arbeitermord überwinden, sie half - gemeinsam mit der SPD - die Luther- Regierung in den Sattel heben. Diese fünf Jahre seit der Niederschlagung des Kapp-Putsches durch das Proletariat, diese fünf Jahre der legalen Auslieferung der Regierungsgewalt an die Monarchisten, diese fünf Jahre der ständig wachsenden politischen und sozialen Reaktion dürfen nicht nur Jahre des Leidens und der Verelendung der werktätigen Massen, sondern müssen Jahre der Lehre für die kommenden notwendigen Auseinandersetzungen sein. Immer und immer wieder, bei jeder großen Krise der deutschen Bourgeoisie haben sich die breiten Volksmassen irreführen und vertrösten lassen, durch das Parlament und durch die Regierung würde allen Wünschen Rechnung getragen werden. Vor allem gelang es den Führern des ADGB und der SPD, im entscheidenden Moment durch Anbahnung von Verhandlungen den Vormarsch des Proletariats zum Stillstand zu bringen und die proletarische Kampffront zu sprengen. So fand die Gegenaktion der Arbeiter-klasse im Ruhrgebiet gegen das Kapp-Abenteuer ihr Ende im Bielefelder Abkommen 20 , das den blutigen Rachefeldzug der Truppen des Generals Watter möglich machte. Keiner von den siebzehn Punkten dieses unter Severings Führung festgelegten Abkommens ist erfüllt worden. Im Gegenteil, gerade diese siebzehn Punkte bildeten die Grundlage für den Vormarsch der Reaktion auf allen Gebieten. Dasselbe Ergebnis hatte die große Gewerkschaftsaktion anläßlich des Rathenau-Mordes. Wie seiner Zeit in Bielefeld versprochen worden war, wenn die siebzehn Punkte nicht angenommen würden, sollten die Parteien zum Kampfe aufrufen, so vertrösteten die Führer des ADGB die kampfentschlossenen Massen Anfang Juli mit ihren zwölf Punkten: die Gewerkschaften seien zum äußersten bereit und würden bei Nichterfüllung ihrer Forderungen vor der Anwendung auch des letzten Kampfmittels nicht zurückschrecken! Die Durchführung des Ruhrkrieges und die durch Verbindung mit dem Abbruch des passiven Widerstandes verstärkte Krise fanden die SPD und die Gewerkschaftsbürokratie wiederum aktiv auf seiten der Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse. Beim Sturz der Cuno-Regierung, 20 Ein zwischen dem Beauftragten der Reichsregierung, Severing (SPD) und den Vertretern der Arbeiterorganisationen des Ruhrgebiets geschlossenes, 17 Punkte umfassendes Abkommen, das am 25. März 1920 in Bielefeld unterzeichnet wurde. Mit dem Bielefelder Abkommen, das die Einstellung, der bewaffneten Kämpfe der Arbeiter durch eine Reihe von Versprechungen herbeiführen sollte, fiel die rechte sozialdemokratische Führung den kämpfenden Ruhrarbeitern in den Rücken, verriet sie und lieferte sie der Konterrevolution aus, die am Ruhrproletariat blutige Rache nahm. für den die SPD unter dem Druck des Großberliner Streiks und der Massenbewegung im Reiche mit eintrat, verstand sie es wiederum, durch den Eintritt in die Regierung Stresemann die Arbeitermassen zu verwirren und die Bildung einer roten Kampffront zum endgültigen Sturz der Bourgeoisie zu hintertreiben. Das Proletariat bekommt jeden Tag die Bilanz dieser fünf Jahre von Kapp bis Luther vorgerechnet: Die Beseitigung des Achtstundentages, die Senkung des Reallohnes, die brutale Verschärfung des Antreibersystems, die Maßregelung von Zehntausenden revolutionärer Kollegen, der Abbau von Hunderttausenden von Beamten, Angestellten und Arbeitern aus den Reichs-, Staats- und Gemeindebetrieben, die Einkerkerung von Tausenden proletarischer Kämpfer, die dauernde Verschärfung der Kommunistenverfolgungen -, sie sind das Gegenstück zu der vollständigen Auslieferung der Verwaltung, der Reichswehr und der Polizei, der Justiz und der Schule an die größten Scharfmacher der Schwerindustrie. Die Millionengeschenke an die Schieberkonzerne Barmat-Kutisker-Michael 21 und an die Ruhrindustriellen sind Beweise dafür, in welch hohem Maße die „demokratische Republik” für die „Nöte” der „Alt- und Neureichen” empfänglich ist und wie die bürgerlichen Parteien von den Deutschnationalen bis zur SPD die „Volksrechte” zu wahren verstehen. Die Politik der Auslieferung des Proletariats an die Bourgeoisie findet ihren doppelten Abschluß in der Annahme des Dawesplans im Reichstag durch die Einheitsfront von den Deutschnationalen bis zu den Sozialdemokraten und in der Einsetzung der monarchistischen Luther-Regierung durch Ebert. Die täglich wachsende Ausbeutung und Not und die Präsidentenwahl am 29. März zwingen das werktätige Volk, über diese fünf Jahre ernsthaft nachzudenken und die Konsequenz aus der Bilanz zu ziehen. Der gegenwärtige Eisenbahnerstreik 22 ist ein Ausdruck dafür, daß auch die mit dem Dawesplan verbundenen Illusionen zerstieben; es kommt darauf an, daß die Ausgebeuteten in den Fabriken, in den Kontoren, in den Amtsstuben und auf dem Lande erkennen, wie es möglich war, daß trotz aller Kämpfe die Bourgeoisie eine Position nach der anderen für sich erobern und verstärken konnte. Dazu müssen sie neben dem deutschen das russische Beispiel sehen und aus ihm lernen. Am 12. März war der Jahrestag des Sturzes der Zarenregierung. Am 12. März konnten die russischen Arbeiter und Bauern die Bilanz von acht Jahren ziehen und feststellen, daß die Bourgeoisie nicht nur ihre Macht nicht wiederherstellen konnte, sondern daß die internationale Bourgeoisie gezwungen wurde, die proletarische Revolution anzuerkennen. Auf den 12. März war der 7. November gefolgt (wie in Deutschland umgekehrt auf den 9. November der 13. März). Die russischen Arbeiter und Bauern haben unter Führung der Bolschewiki der Bourgeoisieherrschaft ein Ende bereitet, indem sie rücksichtslos den Staatsapparat zerbrachen und an seine Stelle den proletarischen Staat setzten. Die acht Jahre russischer Revolution und die fünf Jahre deutscher Reaktion von Kapp bis Luther geben allen Ausgebeuteten die Möglichkeit, auf Grund von Tatsachen zu entscheiden: 21 Die skrupellosen Geschäftemacher Brüder Barmat, Iwan Kutisker und Jakob Michael ergaunerten sich in der Zeit der Inflation und der nach folgenden Stabilisierung der Rentenmark durch Spekulationen und Wucher größten Ausmaßes Millionenvermögen. Ihre Schiebergeschäfte wurden begünstigt durch von ihnen korrumpierte hohe Staatsbeamte und Politiker. Im Prozeß „in Sachen des Konzerns der Gebrüder Barmat” zu Beginn des Jahres 1925 wurden prominente Führer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands mit Wels an der Spitze entlarvt. Sie hatten vom Konzern große Bestechungsgelder erhalten und Mittel des Konzerns und mit ihm verbundener Banken während der Reichstagswahlen im Dezember 1924 für den Kampf gegen die Kommunistische Partei Deutschlands verwendet. 22 Es handelt sich um den Streik der deutschen Eisenbahner im Februar und März 1925, der durch die Verwirklichung von Bestimmungen des Dawesplans verursacht wurde. Die Eisenbahner forderten eine 25prozentige Lohnerhöhung, den Achtstundentag und die Wiedereinstellung der Entlassenen. Die reformistischen Führer des Deutschen Eisenbahner-Verbandes unterstützten aktiv die Verwirklichung des Dawesplans, verrieten die Eisenbahner und brachen den Streik ab. Mit Hilfe der bürgerlichen Demokratie und ihrer monarchistischen Institutionen wurde in Deutschland das Proletariat geknechtet und geknebelt, wurde die KPD mit schlimmsten zaristischen Methoden verfolgt. Der Weg von Kapp bis Luther ist ein einziger Leidensweg. In jedem Kampfe steht die SPD gegen das Proletariat, versucht sie die Klassenfront zu sprengen. Darum: Nieder mit der Bourgeoisie! Nieder mit der bürgerlichen Demokratie! Nieder mit der Luther-Regierung! Nieder mit der Sozialdemokratie, der Agentin der politischen und sozialen Reaktion! Dagegen zeigt das Beispiel der Sowjetunion acht Jahre vergeblicher Bemühungen der nationalen und internationalen Bourgeoisie, ihre Macht zurückzuerobern. Die Sowjets und die Rote Armee als Grundpfeiler der proletarischen Diktatur haben in diesem „rückständigen” Lande die Diktatur der Bourgeoisie zunichte gemacht und den Boden für den Aufbau des Sozialismus bereitet. Darum gilt es für die Werktätigen Deutschlands, sich an den russischen Arbeitern und Bauern ein Beispiel zu nehmen. Schließt euch zusammen in Gewerkschaften und Betrieben! Schafft das Kampfbündnis der Arbeiter und Bauern! Bildet die rote Klassenfront unter Führung der Kommunistischen Partei! Der Eisenbahnerstreik gibt Gelegenheit, praktisch an der Bildung der roten Kampffront zu arbeiten. Unterstützt die kämpfenden Eisenbahner! Eisenbahner, verbreitert die Kampffront! Ihr Arbeiter und Beamten aller Berufe, in allen Betrieben, in allen Gewerkschaften: Der 29. März, der Tag der Präsidentenwahl, gibt Gelegenheit, der deutschen Bourgeoisie und ihren sozialdemokratischen Helfershelfern zu zeigen: Die Werktätigen Deutschlands haben aus den fünf Jahren von Kapp bis Luther gelernt, wie sie gelernt haben aus den acht Jahren, vom .12. März 1917 bis zum Jahre 1925. Der 29. März muß zum Tag der Abrechnung mit der Bourgeoisie werden, ein Bekenntnis zum Kampfe für den Sturz der Luther-Regierung und für die Errichtung der proletarischen Diktatur, für den Kampf nach dem Beispiel der russischen Revolution unter Führung der KPD! „Die Rote Fahne” vom 13. März 1925. Zum Blutbad in Halle Wie sich die Bluttat der Schupo in Wirklichkeit abspielte 1. Die Meldungen des größten Teiles der bürgerlichen und der sozialdemokratischen Presse über den Mord in Halle sind falsch und erlogen. 2. Die Polizei hat die Provokationen vorbereitet. Schon vor den Versammlungen, in denen 8000 bis 10000 Teilnehmer waren, war ein verstärktes Schupoaufgebot aufmarschiert. 3. Die Versammlungsleitung war entgegen den bürgerlichen Meldungen über das Sprechverbot für ausländische Redner von keiner polizeilichen Instanz informiert worden. 4. Der Polizeileutnant Pietzker hat auch keine Einwendungen gegen das Reden der ausländischen Genossen erhoben. Erst als ein Genosse das Wort zur Übersetzung ergriff, erschien der Leutnant mit gezogenem Revolver links im Saale und brüllte unverständliche Worte in die Versammlung. 5. Durch das plötzliche provokatorische Auftreten des Leutnants und den dadurch erzeugten Lärm war es der Versammlungsleitung und den Anwesenden unmöglich, die Worte des Leutnants verstehen zu können. 6. Trotzdem gelang es der Versammlungsleitung für kurze Momente, die Teilnehmer zu beruhigen. Der Versammlungsleiter wandte sich an den Leutnant mit dem Ersuchen, seine Wünsche mitzuteilen, was aber ohne Erfolg blieb. 7. Um die Gewähr für einen ruhigen Verlauf der Versammlung zu leisten, verzichtete der Versammlungsleiter auf weitere Übersetzung der Reden der ausländischen Genossen und erteilte dem Unterzeichneten das Wort. 8. Der Polizeileutnant verlangte trotzdem die sofortige Räumung des Saales. 9. Da bei der Überfüllung der Versammlung das Herausgehen der Massen nur langsam vor sich gehen konnte, verlangte der Offizier von der ihm unterstellten Schupo schärferes Vorgehen. 10. Unmittelbar darauf, nach wenigen Sekunden, kam der Befehl zum Feuern. 11. Blindlings wurde in die zusammengedrängte Masse mit Revolvern und Maschinenpistolen geschossen. Schon wälzten sich einige Frauen und Männer in ihrem Blute. 12. Der Teilnehmer bemächtigte sich eine unbeschreibliche Verwirrung. Darauf wurde der Feuerbefehl in kurz hintereinander folgenden Abständen noch zweimal wiederholt, wobei wiederum neue Tote und Verwundete zu verzeichnen waren. 13. Das unerhörte Vorgehen der Schupo hatte eine unbeschreibliche Panik zur Folge. Die auf den Galerien Versammelten stürmten zum Ausgang. Unter diesem Anprall brach das Geländer, was wieder neue Opfer kostete. 14. Unmittelbar nach den geschilderten Vorgängen sprach Unterzeichneter in einer der beiden Parallelversammlungen. Mitten in seiner Rede erschien der Leutnant Pietzker und forderte die sofortige Räumung auch dieses Lokals. Hier gelang es ihm nicht, ein zweites Blutbad anzurichten. 15. Die Richtigkeit dieser meiner Angaben kann von der Masse der Versammlungsteilnehmer - mit Ausnahme der anwesenden Spitzel, die sich aus allen polizeilichen Kreisen zusammensetzten-bestätigt werden. Berlin, 14. März. gez.: Ernst Thälmann „Hamburger Volkszeitung” vom 16. März 1925. Denkt an das Beispiel der Kommune Die deutschen Nachahmer der Galliffet und Thiers 23 sind eifrig an der Arbeit, um den Arbeitern die großen Lehren der Pariser Kommune lebendig ins Gedächtnis zu rufen. Was sind die wichtigsten Lehren, die das internationale Proletariat mit Hilfe der Schriften von Marx und Lenin aus den Kämpfen der Kommunarden gezogen hat? Erstens, daß das Proletariat den bürgerlichen Staatsapparat nicht übernehmen und auf demokratischem Wege in den proletarischen Staatsapparat verwandeln kann, sondern daß die proletarische Revolution den bürgerlichen Staat zerschlagen und durch den proletarischen Machtapparat ersetzen muß, durch die Räte, die die beschließenden und ausführenden Organe der Arbeiterklasse sind. Zweitens, daß das Proletariat rücksichtslos, brutal die Bourgeoisie niederschlagen, ihre Truppen entwaffnen, seine eigene bewaffnete Macht aufrichten muß, weil die Bourgeoisie, wenn man ihr nur wenige Tage Zeit läßt, um sich zu sammeln, zu organisieren, zu bewaffnen, ihre Macht rücksichtslos gebraucht und an der Arbeiterschaft, die ihre Ansprüche als Klasse anmeldete, grausam blutige Rache nimmt. Drittens, daß der Gegensatz zwischen den Nationalisten und Militaristen der verschiedenen Nationen selbst im Kriege völlig verschwindet, wenn es gilt, den gemeinsamen Feind, das revolutionäre Proletariat, niederzuschlagen. Diese Lehren, die die Pariser Arbeiter 1871 mit ihrem Blute erkauften, sind leider von den deutschen Arbeitern in ihrer Revolution nicht beachtet worden. Das hat die deutsche Arbeiterklasse bis zum heutigen Tage mit unzähligen Opfern, mit vielen schweren Niederlagen bezahlen müssen. Es ist an der Zeit, daß wir diesen 18. März, den Gedenktag der Kommune, dazu benutzen, diese Lehren an Hand unserer eigenen jüngsten Erfahrungen den Arbeitern Deutschlands eindringlich aufzuzeigen. Die Präsidentenwahl wird von den Sozialdemokraten wiederum in der Weise für ihre Parteizwecke ausgenutzt, daß sie den Arbeitern einzureden versuchen, alles würde sich in Deutschland zum Besseren wenden, wenn nur an der Spitze des Staates der richtige Mann, der für den ersten Wahlgang Otto Braun, für den zweiten voraussichtlich Marx heißen soll, gestellt würde. Ganz abgesehen davon, daß Braun sowenig wie Marx ein Arbeitervertreter ist, dem man auch nur den ehrlichen Willen zubilligen könnte, an der Stelle, an der er durch das Vertrauen der Arbeiter steht, sein Bestes für das Proletariat zu tun, ganz abgesehen davon ist klar, daß der beste Arbeitervertreter an der Spitze dieses Staates nichts Ernsthaftes für die Arbeiterklasse tun könnte, wenn diese sich nicht anschickt, den ganzen Staat von Grund auf umzuwälzen. Die sogenannten demokratischen Arbeiterregierungen in Sachsen und Thüringen haben gezeigt, daß die Rechte der Weimarer Verfassung null und nichtig sind, sobald sie der Bourgeoisie gefährlich zu werden drohen. Würde zum Beispiel der Vertreter der Kommunistischen Partei zum Präsidenten der Republik gewählt werden, die nächste Folge wäre die Rebellion der monarchistischen Reichswehr und der Bürokratie, die sich gewiß weigern würden, den Interessen des Proletariats zu dienen. An diesem Beispiel muß jedem Arbeiter deutlich werden, daß wir für die Befreiung der Arbeiterklasse aus ihrer gegenwärtigen Not und Unterdrückung nichts tun können, wenn wir nicht dem Beispiel der Kommune und der russischen Oktoberrevolution folgen und den Kampf für die Beseitigung des bürgerlichen Staates, für die Staatsmacht der Räte der Arbeiter und der werktätigen Bauern aufnehmen. Die zweite Lehre der Kommune, daß das Proletariat gegen seinen Klassenfeind so wenig Schonung kennen darf, so wenig wie die Bourgeoisie im Kampfe gegen das Proletariat 23 Galliffet, Gaston de (1830-1909), französischer General, Führer der Armee der Versailler, blutiger Unterdrücker und Henker der Pariser Kommune. Thiers, Louis-Adolphe (1797-1877), französischer Staatsmann und Historiker, rücksichtsloser Vertreter der Klasseninteressen der Bourgeoisie, Schlächter der Pariser Kommune. Sentimentalität und Rücksicht kennt, ist uns durch die Ereignisse der letzten Tage wieder eindringlich eingebleut worden. Bei den Dezemberwahlen wurde die Wahlagitation der Kommunisten durch die Aufhebung der Immunität und eine wüste Verfolgung der führenden Genossen erschwert. Diesmal greift die herrschende Klasse zu noch brutaleren Mitteln. Man begnügt sich nicht mit willkürlichen Verhaftungen der Parteiorganisatoren, die die Wahlkampagne leiten - wie in Stuttgart, Frankfurt am Main und Breslau -, mit willkürlichen Demonstrations-, Versammlungs- und Redeverboten, mit dem Diebstahl von Propagandamaterial, sondern die Bourgeoisie, ihre Regierung, ihre Polizei, tragen den weißen Terror in die Versammlungen. Durch blutige Gemetzel unter den versammelten Arbeitern, wie in Halle und Neukölln, sollen die Proleten von dem Besuch kommunistischer Versammlungen und Veranstaltungen abgeschreckt werden. Der Gewinn von ein paar Stimmen für ihren bürgerlichen Präsidentschaftskandidaten ist der Bourgeoisie wertvoll genug, daß sie demgegenüber ein Dutzend Arbeiterleben für nichts achtet. Arbeiter, die sich nicht widerstandslos als Arbeitsvieh und Kanonenfutter gebrauchen lassen, haben in den Augen der deutschen Galliffets keinen Wert. Mögen die Herren bedenken, was aus ihnen wird, wenn die kommende proletarische Gesellschaft mit ihnen nach ihrem Werte verfährt. Die deutsche Arbeiterschaft, die seit November 1918 Niederlage nach Niederlage erlitten hat, weil sie ihre Macht nicht rücksichtslos gebrauchte, wird die Lehren, die ihr die Polizei des Herrn Severing jetzt mit Pulver und Blei beibringt, zu beherzigen wissen. Und schließlich die dritte Lehre der Pariser Kommune, daß der nationalistische Schwindel beiseite fliegt, wenn es der gemeinsame Kampf gegen das revolutionäre Proletariat erfordert, kann sie besser illustriert werden als durch das Angebot des Sicherheitsvertrages durch die „nationale” Luther-Regierung? Das ist eine würdige Fortsetzung des Zusammenspiels zwischen Bismarck und Thiers, zwischen Degoutte und Lutterbeck. Für geheime Versprechungen, wahrscheinlich für das Versprechen, mehr Maschinengewehre, Minenwerfer und Kanonen gegen das deutsche Proletariat gebrauchen zu dürfen, erklärt sich die „nationale Regierung” bereit, die Grenzfestsetzung des Knechtschaftsvertrages von Versailles als endgültig anzuerkennen. Für die Gnade, in die Gesellschaft der Ententeräuber aufgenommen zu werden, bietet die deutsche Bourgeoisie ihre Landsknechtsdienste zum reaktionären Krieg gegen die Sowjetunion an. Doch dieser Schurkenstreich wird nicht gelingen. Trotz aller Verrätereien der Sozialdemokratie ist in den Massen des deutschen Proletariats das Vermächtnis der Kommune, die internationale Solidarität, noch lebendig. Die deutschen Proletarier werden sich nicht als Kanonenfutter gegen die russische Revolution gebrauchen lassen, so wenig wie unsere französischen Klassengenossen als willige Werkzeuge der Poincaré und Herriot gegen ein proletarisches Deutschland marschieren würden. Wir setzen dem Räuberbund der Imperialisten die Kraft der proletarischen Inter-nationale entgegen. Die Wahlen am 29. März sollen durch eine gewaltige Massendemonstration für die rote Arbeiterkandidatur zeigen, daß die Kommune in unseren Herzen lebt, daß keine Gewalt uns hindern wird, den nächsten Schritt zur Weltkommune zu tun durch die proletarische Revolution in Deutschland. Download 5.01 Kb. Do'stlaringiz bilan baham: |
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