Das Lächeln der Frauen


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Das Lächeln der Frauen

clever, it's brillant! « äffte ich meinen Freund nach. Ja, das war in der Tat
die brillanteste Schnapsidee, die der clevere Adam je gehabt hatte, und nun
drohte alles aus dem Ruder zu laufen, und ich würde jede Menge Ärger
bekommen.
»Was mach ich nur, was mach ich nur?« murmelte ich und starrte wie
hypnotisiert auf den Bildschirmschoner, der sich inzwischen eingeschaltet
hatte und in stetem Wechsel Traumstrände der Karibik zeigte. Was hätte ich
jetzt dafür gegeben, ganz weit weg zu sein, in einem dieser weißen
Liegestühle unter Palmen zu liegen, mit einem Mojito in der Hand, und
einfach stundenlang in den leeren blauen Himmel zu schauen.
Es klopfte zögernd an der Tür.
»Was ist denn schon wieder«, rief ich unwirsch und setzte mich auf.


Mademoiselle Mirabeau trat vorsichtig ins Zimmer. Sie trug einen dicken
Stoß bedrucktes Papier vor sich her und sah mich an, als sei ich ein
Menschenfresser, der kleine blonde Mädchen zum Frühstück verspeist.
»Verzeihen Sie, Monsieur Chabanais, ich wollte Sie nicht stören.«
Himmel, ich mußte mich zusammenreißen!
»Nein, nein, Sie stören nicht ... kommen Sie nur!« Ich versuchte es mit
einem Lächeln. »Was gibt's denn?«
Sie trat näher und legte den Stapel auf meinen Schreibtisch. »Das ist
diese italienische Übersetzung, die Sie mir letzte Woche zum Lektorieren
gegeben haben. Ich bin jetzt fertig damit.«
»Schön, schön, ich schau's mir später an.« Ich nahm den Stapel und legte
ihn zur Seite.
»Es war eine sehr gute Übersetzung. Hat nicht viel Arbeit gemacht.«
Mademoiselle Mirabeau legte die Hände auf den Rücken und blieb wie
angewurzelt im Zimmer stehen.
»Das freut mich zu hören«, sagte ich. »Manchmal hat man eben Glück.«
»Ich hab auch schon mal versucht, die Klappentexte zu schreiben. Sie
liegen obendrauf.«
»Wunderbar, Mademoiselle Mirabeau. Danke. Vielen Dank.«
Ein zarter Rosaton zog sich über ihr feines herzförmiges Gesicht. Dann
sagte sie unvermittelt: »Es tut mir sehr leid, daß Sie so einen Ärger haben,
Monsieur Chabanais.«
Meine Güte, sie war wirklich süß! Ich räusperte mich.
»Halb so schlimm«, entgegnete ich und hoffte, daß es so klang, als hätte
ich alles im Griff.
»Scheint nicht ganz einfach zu sein mit diesem Miller. Aber Sie werden
ihn schon überzeugen.« Sie lächelte mir aufmunternd zu und ging zur Tür.
»Jede Wette«, sagte ich und vergaß für einen glücklichen Moment, daß
mein Problem nicht Robert Miller war, sondern die Tatsache, daß es ihn
überhaupt nicht gab.
Es war, wie ich es erwartet hatte. In dem Moment, als ich mein
Schinkenbaguette aus dem Papier gewickelt hatte und herzhaft hineinbiß,
klingelte das Telefon. Ich riß den Hörer an mich und versuchte den Bissen
unzerkaut in eine Backe zu schieben.
»Hm ... ja?« sagte ich.


»Da ist irgend so eine Dame dran. Sie sagt, es geht um Robert Miller -
soll ich die jetzt durchstellen oder nicht?« Es war Madame Petit,
unverkennbar immer noch eingeschnappt.
»Ja, ja, natürlich«, würgte ich hervor und versuchte, das Baguettestück
irgendwie hinunterzubringen. »Das ist Goldbergs Assistentin, stellen Sie
durch, stellen Sie durch!« Manchmal konnte Madame Petit wirklich nicht
zwei und zwei zusammenzählen.
Es knackte in der Leitung, und dann hörte ich eine weibliche Stimme
etwas atemlos fragen: »Spreche ich mit Monsieur André Chabanais?«
»Am Apparat«, entgegnete ich, befreit vom letzten Rest Baguette. Adams
Assistentinnen hatten immer sehr angenehme Stimmen, fand ich. »Schön,
daß Sie so schnell zurückrufen konnten, ich muß dringend mit Adam
sprechen. Wo steckt er denn überhaupt?«
Die lange Pause am anderen Ende der Leitung irritierte mich. Plötzlich
wurde mir eiskalt, und ich mußte an diese schreckliche Geschichte im
letzten Herbst denken, wo ein amerikanischer Agent auf dem Weg zur
Buchmesse im Flur seines Treppenhauses mit einem Gehirnschlag
zusammengebrochen war.
»Es ist doch alles in Ordnung mit Adam, oder?«
»Ah ... Also ... Dazu kann ich leider gar nichts sagen.« Die Stimme klang
ein wenig ratlos. »Ich rufe eigentlich wegen Robert Miller an.«
Offenbar hatte sie meine E-Mail an Adam gelesen. Adam und ich hatten
damals ausgemacht, daß wir niemandem von unserem kleinen Geheimnis
erzählen würden, und ich hoffte, er hatte sich daran gehalten.
»Und genau deswegen muß ich ja unbedingt mit Adam reden«, sagte ich
vorsichtig. »Robert Miller soll nämlich nach Paris kommen, wie Sie
wahrscheinlich wissen.«
»Ach«, sagte die Stimme erfreut. »Das ist ja ganz wunderbar! Nein, das
wußte ich nicht. Sagen Sie ... haben Sie meinen Brief bekommen? Ich hoffe,
es ist in Ordnung, daß ich ihn einfach so eingeworfen habe. Und würden Sie
ihn dann freundlicherweise an Robert Miller weiterleiten? Es ist furchtbar
wichtig für mich, wissen Sie!«
Ich kam mir allmählich vor wie Alice im Wunderland bei ihrer
Begegnung mit dem weißen Kaninchen.
»Was für einen Brief? Ich habe keinen Brief bekommen«, erklärte ich
verwirrt. »Sagen Sie - Sie sind doch von der Agentur Goldberg
International, oder nicht?«


»Oh, nein. Hier spricht Aurélie Bredin. Keine Agentur. Ich glaube, man
hat uns falsch verbunden. Ich würde gerne mit dem zuständigen Lektor für
Robert Miller sprechen«, sagte die Stimme mit freundlicher Bestimmtheit.
»Am Apparat.« Allmählich hatte ich das Gefühl, daß das Gespräch sich
zu wiederholen begann. Ich kannte keine Aurelie Bredin. »Nun, Madame
Bredin. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe gestern abend einen Brief für Robert Miller bei Ihnen
eingeworfen, und ich wollte nur sichergehen, daß er auch angekommen ist
und weitergeleitet wird.«
Endlich fiel bei mir der Groschen. Diesen Presseleuten konnte es auch nie
schnell genug gehen.
»Ah, jetzt weiß ich ... Sie sind die Dame vom Figaro, richtig?« Ich lachte
gequält.
»Nein, Monsieur.«
»Ja, aber ... wer sind Sie dann?«
Die Stimme seufzte. »Aurélie Bredin, ich sagte es bereits.«
»Und weiter?«
»Der Brief«, wiederholte die Stimme ungeduldig. »Ich möchte, daß Sie
meinen Brief an Monsieur Miller weiterleiten.«
»Von was für einem Brief reden Sie? Ich habe keinen Brief bekommen.«
»Das kann nicht sein. Ich habe ihn gestern doch persönlich
vorbeigebracht. Ein weißes Kuvert. Adressiert an den Schriftsteller Robert
Miller. Sie müssen den Brief doch bekommen haben!« Die Stimme ließ
nicht locker, und nun war ich es, der allmählich die Geduld verlor.
»Hören Sie, Madame, wenn ich sage, hier ist kein Brief, dann können Sie
mir das schon glauben. Vielleicht kommt er ja noch, dann leiten wir ihn
gerne weiter. Können wir so verbleiben?«
Mein Vorschlag schien auf keine große Begeisterung zu stoßen.
»Wäre es denn möglich, daß ich die Adresse von Robert Miller
bekomme? Oder hat er vielleicht eine E-Mail-Anschrift, unter der man ihn
erreichen kann?«
»Tut mir leid, wir geben grundsätzlich keine Adressen von Autoren
heraus. Die haben ja nun auch ein Anrecht auf Privatsphäre.« Meine Güte,
was stellte diese Frau sich eigentlich vor?
»Könnten Sie nicht einmal eine Ausnahme machen? Es ist wirklich
wichtig.«


»Wie meinen Sie das - wichtig? In welcher Beziehung stehen Sie denn zu
Robert Miller?« fragte ich mißtrauisch. Es war in der Tat ganz schön
merkwürdig für mich, solch eine Frage zu stellen, aber die Antwort, die
jetzt kam, war noch merkwürdiger.
»Tja, wenn ich das so genau wüßte ... Wissen Sie, ich habe sein Buch
gelesen ... wirklich ein großartiges Buch ... und da stehen einige Dinge drin,
die ... nun ja ... ich würde dem Autor gern ein paar Fragen stellen ... und
mich bedanken ... er hat mir ja sozusagen das Leben gerettet ...«
Ich starrte ungläubig in den Hörer. Ganz klar, diese Frau war nicht ganz
richtig im Kopf. Wahrscheinlich eine von diesen überdrehten Leserinnen,
die einem Autor gnadenlos auf die Pelle rücken und in ihrem übersteigerten
Enthusiasmus Sachen schreiben wie »Ich möchte dich unbedingt
kennenlernen!«, »Du denkst genau wie ich!« oder »Mach mir ein Kind!«
Gut, ich gebe zu, daß solche Sätze in den Leserbriefen, die an Robert
Miller - also an mich - gingen, bisher noch nicht gefallen waren. Aber es
hatte schon einige begeisterte Zuschriften gegeben, die ich »weitergeleitet«
hatte. Mit anderen Worten, ich hatte sie gelesen, und da ich mich in einer
gewissen Eitelkeit nicht dazu entschließen konnte, sie einfach
wegzuwerfen, hatte ich sie anschließend in die hinterste Ecke meines
Stahlschranks gestopft.
»Nun«, sagte ich. »Das freut mich wirklich außerordentlich. Aber Millers
Adresse kann ich Ihnen trotzdem nicht geben. Da müssen Sie schon mit mir
vorliebnehmen. Anders geht es nicht.«
»Aber Sie sagten, Sie hätten meinen Brief gar nicht bekommen. Wie
können Sie ihn da weiterleiten?« fragte die Stimme in einer Mischung aus
Aufsässigkeit und Verzagtheit.
Ich hätte die Stimme gern geschüttelt, aber Stimmen am Telefon haben
die Eigenart, daß sie sich leider nicht schütteln lassen.
»Madame - wie war noch gleich Ihr Name?«
»Bredin. Aurélie Bredin.«
»Madame Bredin«, sagte ich und versuchte ganz ruhig zu bleiben.
»Sobald dieser Brief in meinem Postkorb liegt, werde ich ihn weiterleiten,
einverstanden? Vielleicht nicht sofort heute oder morgen, aber ich kümmere
mich darum. Und jetzt muß ich dieses Gespräch leider beenden. Ich habe
nämlich noch andere Dinge zu tun, die zwar zugegebenermaßen bestimmt
nicht so wichtig sind wie Ihr Brief, aber sie müssen doch gemacht werden.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«


»Monsieur Chabanais?!« rief die Stimme rasch.
»Immer noch am Apparat«, entgegnete ich mürrisch.
»Aber was machen wir, wenn der Brief verlorengegangen ist?« Die
Stimme zitterte ein wenig.
Ich fuhr mir entnervt durch die Haare. Vor meinem Auge erschien eine
ältere Dame mit wirrem Haar und viel Zeit, die mit arthritischen Fingern
Zeile um Zeile aufs Papier kritzelte und dabei leise vor sich hin kicherte.
»Dann, meine liebe Madame Bredin, schreiben Sie einfach einen neuen
Brief. In diesem Sinne: Bonne journée.«
Von mir aus schreiben Sie auch hundert, dachte ich grimmig, als ich den
Hörer auf die Gabel knallte. Keiner wird sein Ziel je erreichen.
Kaum hatte ich aufgelegt, öffnete sich die Tür zu meinem Büro, und
Madame Petit steckte den Kopf herein. »Monsieur Chabanais!« sagte sie
vorwurfsvoll. »Monsieur Goldberg hat schon zweimal versucht, Sie zu
erreichen, und bei Ihnen ist ständig besetzt! Ich hab ihn jetzt gerade in der
Leitung, kann ich ...?«
»Ja!« rief ich. »Um Himmels willen ja!«
Mein Freund Adam war wie immer von einer buddhistischen
Gelassenheit.
»Das wird aber auch Zeit«, hatte ich ihn angeschnauzt, als er entspannt
sein »Hi-Andy-how-is-it-going?« in den Hörer rief.
»Wo steckst du überhaupt?! Hast du eine Ahnung, was hier los ist? Ich
dreh am Rad, und du meldest dich auf keinem deiner beknackten Apparate.
Wieso ist deine Agentur eigentlich nicht besetzt? Jeder macht mir Streß
wegen diesem blöden Miller. Wildgewordene alte Damen rufen hier an und
wollen seine Adresse. Monsignac will eine Lesung. Der Figaro will eine
Story. Und weißt du, was passiert, wenn der Alte rauskriegt, daß es keinen
Miller gibt?! Dann kann ich hier meine Kartons packen und gehen!«
Irgendwann mußte ich doch Luft holen, und Adam nutzte die
Gelegenheit, um auch etwas zu sagen.

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