Das Lächeln der Frauen
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Das Lächeln der Frauen
»Calm down, my friend«, sagte er. »Alles wird gut. Jetzt beruhige dich
erst mal. Und welche deiner Fragen soll ich jetzt zuerst beantworten?« Ich knurrte in den Hörer. »Also ... ich war ein paar Tage in NewYork und habe Verlagsbesuche gemacht, Carol hat mich begleitet und Gretchen hatte dummerweise zeitgleich eine Muschelvergiftung, weswegen letztendlich keiner in der Agentur war. Meine Familie hat die Gelegenheit genutzt und ist zur Grandma nach Brighton gefahren Emma hatte das private Mobiltelefon dabei, aber das Aufladegerät vergessen. Und mein Handy spinnt zur Zeit, vielleicht war auch der Empfang einfach zu schlecht, jedenfalls kam deine Nachricht so bruchstückhaft und verzerrt an, daß ich nicht verstanden habe, was überhaupt los ist. Murphys Gesetz - ganz klassisch.« »Murphys Gesetz?« fragte ich. »Was ist das wieder für eine Ausrede?« »Keine Ausrede. Was schiefgehen kann, geht schief«, sagte Adam. »Das ist Murphys Gesetz. Aber mach dir nicht ins Hemd, Andy! Erstens: Du wirst nicht deine Kartons packen. Und zweitens: Wir kriegen das schon hin.« »Du meinst: Du kriegst das schon hin«, erwiderte ich. »Du mußt nämlich deinem netten Zahnarzt-Bruder verklaren, daß er hier in Paris antanzen darf, um für zwei Tage Robert Miller zu spielen. Schließlich war die Sache mit dem Photo deine Idee. Ich wollte gar kein Photo, erinnerst du dich? Aber du konntest ja den Hals nicht vollkriegen mit deinen ganzen blöden Details. Photo, Hund, Cottage, Humor.« Ich unterbrach mich einen Moment selbst. »Lebt mit seinem kleinen Hund Rocky in einem Cottage. Rocky!« Ich spie das Wort förmlich aus. »Wer kommt schon auf die Idee, seinen Hund Rocky zu nennen? Das ist doch völlig gaga!« »Für einen Engländer ist das ganz normal«, behauptete Adam. »Aha. Nun ja! Bon. Wie ist er denn überhaupt so drauf, dein Bruder? Ich meine ... versteht er Spaß? Kann er sich ausdrücken? Denkst du, er schafft es überhaupt, überzeugend aufzutreten?« »Oh ... well ... ich denke schon ...«, erklärte Adam, und ich hörte ein leises Zögern in seiner Stimme. »Was ist?« hakte ich nach. »Jetzt sag nicht, daß dein Bruder inzwischen nach Südamerika ausgewandert ist.« »Oh, nein! Mein Bruder würde niemals ein Flugzeug besteigen.« Adam schwieg wieder, aber es klang nicht so entspannt wie sonst. »Ja ... und?« bohrte ich nach. »Well«, sagte er. »Es gibt nur dieses eine winzige Problemchen ...« Ich stöhnte auf und fragte mich, ob unser englischer Nicht-Autor inzwischen das Zeitliche gesegnet hatte. »Er weiß nichts von dem Buch«, sagte Adam ruhig. »Was?« schrie ich, und in einem Roman wären die Buchstaben mindestens in einer Schriftgröße von hundertfünfundzwanzig Punkt erschienen. »Du hast es ihm gar nicht gesagt? Ich meine - soll das ein Witz sein oder was?« Ich war außer mir. »Nein, kein Witz«, sagte Adam knapp. »Aber du hast mir doch erzählt, daß er how very funny gesagt hat. How very funny - das waren seine Worte!« »Nun ja - um ehrlich zu sein, das waren meine Worte«, erklärte Adam zerknirscht. »Es gab ja damals gar keinen Grund, ihm schon alles zu erzählen. Das Buch ist in England nie erschienen. Und selbst wenn ... mein Bruder liest sowieso nie. Höchstens Fachbücher über den neuesten Stand der Technik in bezug auf Implantate.« »Meine Güte, Adam«, sagte ich. »Du hast vielleicht Nerven! Und was ist mit dem Photo? Ich meine, es ist immerhin sein Bild.« »Ach, das! Weißt du, Sam trägt inzwischen einen Bart - niemand hätte ihn auf diesem Photo erkannt.« Adam hatte sich wieder gefangen. Ich jedoch nicht. »Na, großartig! How very funny!« schrie ich erregt. »Und jetzt? Kann er sich diesen Bart wieder abnehmen? Wenn er überhaupt bereit ist, dieses ganze Spiel mitzumachen. Nachdem du ihm vorher kein Sterbenswörtchen erzählt hast? Oh, Mann! Oh, Mann! C'est incroyable! Tja. Das war's dann wohl. Fini! Am besten pack ich hier gleich alles zusammen.« Mein Blick wanderte über die vollgestellten Bücherregale und über die Manuskriptstapel, die noch geprüft werden wollten. Über das große Ausstellungsplakat der letzten Bonnard-Ausstellung im Grand Palais, das eine heitere südfranzösische Landschaft zeigte. Über die kleine Bronzestatue auf meinem Schreibtisch, die ich mir einmal aus der Villa Borghese in Rom mitgebracht hatte und die den Augenblick der Verwandlung der schönen Daphne, welche gerade vor Apoll flieht, in einen Baum zeigt. Vielleicht sollte ich mich einfach auch in einen Baum verwandeln, dachte ich, auf der Flucht nicht vor einem Gott, sondern vor einem wutschnaubenden Jean-Paul Monsignac. »Sie haben gute Augen«, hatte er gesagt, als er mich einstellte. »So einen offenen, ehrlichen Blick. Eh bien! Ich mag Menschen, die einem in die Augen schauen können.« Mein Blick wanderte in Schwermut weiter zu dem hübschen kleinen Fenster mit den weißen Sprossen und den doppelten Scheiben, von dem aus ich über die Dächer der anderen Häuser hinweg die Spitze der Kirche von Saint-Germain sehen konnte und an frühlingshaften Tagen ein Stück blauen Himmel. Ich seufzte tief. »Jetzt mach dir nicht ins Hemd, Andre«, ertönte aus weiter Ferne die Stimme Adam Goldbergs. »Wir kriegen das schon hin.« »Wir kriegen das schon hin« war offenbar sein Lebensmotto. Meines nicht. Jedenfalls nicht in diesem Moment. »Sam schuldet mir eh noch einen Gefallen«, fuhr Adam fort, ohne mein Verstummen zu beachten. »Er ist ein wirklich netter Bursche, und er wird schon mitmachen, wenn ich ihn darum bitte, verlaß dich drauf. Ich werde ihn noch heute abend anrufen und ihm alles erklären, okay?« Ich wickelte schweigend das Telefonkabel um meinen Finger. »Wann wäre denn der Wunschtermin?« fragte Adam. »Anfang Dezember«, murmelte ich und betrachtete meinen eingewickelten Finger. »Na, dann haben wir doch noch mehr als zwei Wochen!« rief Adam erfreut, und ich konnte nur staunen. Für mich war die Zeit unerbittlich. Für ihn war sie eine Verbündete. »Ich melde mich, sobald ich meinen Bruder erreicht habe. Kein Grund, sich verrückt zu machen«, sagte er beschwichtigend. Und dann beendete mein englischer Freund das Gespräch mit einer kleinen Variation seines Lieblingssatzes. »Don't worry. Das kriegen wir locker hin!« Der Rest des Nachmittags verlief unspektakulär. Ich versuchte die Stapel auf meinem Schreibtisch abzuarbeiten und war nicht recht bei der Sache. Gabrielle Mercier kam irgendwann mit wichtiger Miene vorbei, um mich wissen zu lassen, daß Monsieur Monsignac nach der Lektüre des italienischen Eisdielenbesitzerromans (Anfang - Mitte - Schluß) keine Hoffnung sah, daraus jemals eine Donna Leon machen zu können. »Ein schreibender Eisdielenbesitzer, das soll wohl höchst originell sein, was?« hatte Monsignac verächtlich gesagt. »Wenn Sie mich fragen - Mittelstufenprosa. Und nicht mal spannend! Eine Frechheit, dafür so viel Geld zu verlangen. Ils sont fous, les Américains!« Das fand Madame Mercier dann auch, die seit ungefähr fünfundzwanzig Jahren einer Meinung mit dem Verleger war, und so hatte man sich gütlich darauf geeinigt, daß das Manuskript abgesagt werden konnte. Gegen halb sechs kam Madame Petit mit ein paar Briefen und Verträgen herein, die zu unterzeichnen waren. Dann wünschte sie mir gnädig einen schönen Abend und verabschiedete sich mit dem Hinweis, daß die Post von heute im Sekretariat liege. »Ja, ja«, sagte ich und nickte ergeben. An guten Tagen brachte Madame Petit meine Post und legte sie mir persönlich auf den Schreibtisch. Meistens fragte sie mich dann, ob ich einen schönen Kaffee haben wolle. (»Was halten Sie von einem schönen Kaffee, Monsieur Chabanais?«) Wenn sie mit mir böse war, so wie heute, kam ich selbstredend nicht in den Genuß dieses doppelten Privilegs. Madame Petit war nicht nur eine stattliche Sekretärin mit einem für Pariser Verhältnisse enormen Busen. Sie war eine Frau mit Prinzipien. In der Regel kam ich gegen zehn Uhr in den Verlag und blieb bis halb acht. Die Mittagspausen konnten recht ausgedehnt sein, vor allem, wenn ich mit einem Autor essen ging, konnte es schon mal drei Uhr werden. Download 1.37 Mb. Do'stlaringiz bilan baham: |
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