Das Lächeln der Frauen


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Das Lächeln der Frauen

Temps des Cerises auch lieber gewesen, aber das konnte ich natürlich nicht
sagen.)
»Er liebt die Coupole?« Man spürte förmlich ihre Irritation.
»Nun ja, er ist Engländer«, sagte ich. »Er findet die Coupole ganz
großartig. Er sagt, diese Brasserie mache ihn immer so ... fröhlich, weil sie
so lebendig und bunt ist.«
»Aha«, war alles, was Mademoiselle Bredin dazu sagte.
»Außerdem ist er ein absoluter Fan des Fabuleux Curry d'Agneau des
Indes, fügte ich hinzu und fand mich sehr überzeugend.
»Das berühmte indische Lammcurry?« wiederholte Mademoiselle
Bredin. »Das kenne ich gar nicht. Ist es denn wirklich so gut?«
»Keine Ahnung«, entgegnete ich. »Das könnten Sie als Köchin sicher
besser beurteilen als jeder andere. Robert Miller war jedenfalls beim
letztenmal absolut davon hingerissen. Nach jedem Bissen sagte er
›delicious, absolutely delicious‹. Aber die Engländer sind ja auch nicht
gerade verwöhnt, was die Küche angeht - fish and chips, Sie wissen schon.
Ich glaube, die sind schon völlig außer sich, wenn jemand etwas Curry und
ein paar Kokosraspeln ins Essen tut, hahaha.« Ich hätte mir gewünscht, daß
Adam Goldberg mich jetzt hätte hören können.
Aurélie Bredin lachte nicht. »Ich dachte, Robert Miller liebt die
französische Küche.« Offenbar fühlte sie sich in ihrer Köchinnen-Ehre
gekränkt.
»Nun, das alles können Sie ihn dann ja selbst fragen«, entgegnete ich, um
die kulinarischen Vorlieben meines Autors nicht weiter ausdiskutieren zu
müssen. Ich kritzelte mit dem Kugelschreiber eine Leiste aus kleinen
Dreiecken in meinen Terminkalender.
»Hat Monsieur Miller Ihren Brief denn eigentlich inzwischen
bekommen?«
»Ich denke, ja. Eine Antwort habe ich allerdings noch nicht, falls es das
ist, was Sie wissen wollten.« Es klang ein wenig gereizt.


»Er wird Ihnen schon schreiben«, beeilte ich mich zu sagen. »Spätestens,
nachdem er Sie am Freitag persönlich kennengelernt hat.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Daß Sie eine ganz bezaubernde junge Frau sind, deren Charme sich kein
Mann auf Dauer entziehen kann - nicht einmal ein weltvergessener
englischer Schriftsteller.«
Sie lachte. »Sie sind schlimm, Monsieur Chabanais, wissen Sie das?«
»Ja, ich weiß«, entgegnete ich. »Schlimmer, als Sie denken.«


 
9
Post Nubila Phoebus. Leise flüsterte ich die Inschrift, die auf dem weißen
Findling eingraviert war, und berührte zärtlich die Buchstaben mit meinen
Fingern »Nach Wolken die Sonne«.
Es war das Motto meines Vaters gewesen, der - was man bei seinem
Beruf vielleicht nicht unbedingt vermutete - ein humanistisch gebildeter
Mann gewesen war, der im Gegensatz zu seiner Tochter sehr viel gelesen
hatte. Auf Regen folgt Sonnenschein - wie weise er doch gewesen war!
Ich stand auf dem Friedhof Pere Lachaise, über mir trieben in schneller
Folge weiße Wolken am Himmel, und wenn die Sonne zum Vorschein kam,
wärmte sie sogar ein wenig. Seit Allerheiligen war ich nicht mehr an Papas
Grab gewesen, aber heute hatte ich das starke Bedürfnis gehabt,
hierherzukommen.
Ich trat einen Schritt zurück und legte den bunten Strauß aus Astern und
Chrysanthemen auf die dafür vorgesehene quadratische Steinplatte des mit
Efeu bewachsenen Grabes.
»Du kannst dir gar nicht vorstellen, was alles passiert ist, Papa«, sagte
ich. »Du würdest staunen.«
Die Woche hatte so unglücklich begonnen, und nun stand ich hier auf
dem Friedhof und war auf eine seltsame Weise glücklich und aufgeregt.
Und vor allem war ich sehr gespannt auf den morgigen Abend.
Die Sonne, die nach dem regnerischen und trüben Wetter der letzten Zeit
am Dienstag so heiter in mein Schlafzimmer schien, war wie ein Vorbote
gewesen. Mit einemmal hatte sich alles zum Guten gewendet.
Nachdem ich am Dienstag meine Einkäufe im Restaurant abgeladen, mit
Jacquie drei mögliche vorweihnachtliche Menus durchgesprochen und dann
doch noch einige Male an den roten Mantel und seine Trägerin gedacht
hatte, war ich am Nachmittag noch einmal nach Hause gegangen und hatte
mir vorgenommen, diesen nicht gerade glanzvollen Tag in meinem Leben
mit einer ebensowenig glanzvollen Tätigkeit zu füllen, bis ich abends
wieder ins Restaurant zurückkehren würde.


Ich setzte mich also an meinen Computer und machte mich daran, einen
Stapel längst überfälliger Rechnungen auf elektronischem Wege zu
überweisen.
Vorher jedoch warf ich einen kurzen Blick in meine Mails und fand einen
sehr freundlichen, ja, man kann sagen durchaus charmanten Brief von
André Chabanais vor, der darin nicht nur alle meine Fragen beantwortete,
sondern mir zu meiner großen Überraschung einen Vorschlag machte, der
mich sofort in freudige Aufregung versetzte:
Ich hatte die Gelegenheit, Robert Miller, wenn auch nur kurz,
kennenzulernen, denn Monsieur Chabanais traf sich mit dem Autor und lud
mich ein, zufällig dazuzukommen.
Natürlich nahm ich das Angebot an, und im Gegensatz zu meinem ersten
Telefonat mit dem bärtigen Cheflektor war dieses Gespräch sehr lustig und
fast schon ein kleiner Flirt, der mir in meiner Verfassung irgendwie gut tat.
Als ich Bernadette davon berichtete, zog sie mich natürlich sofort auf und
meinte, daß dieser Lektor ihr immer besser gefiele, und wenn sich
herausstellen würde, daß der Autor am Ende doch nicht ganz so wunderbar
sein sollte wie sein Roman, hätte ich ja noch eine Option.
»Du bist unmöglich, Bernadette«, sagte ich. »Immer willst du mich mit
irgendwelchen Männern verkuppeln. Wenn überhaupt, nehme ich gleich den
Autor - der sieht erstens besser aus und ist schließlich derjenige, der das
Buch geschrieben hat, schon vergessen?«
»Ist dieser Mann denn häßlich wie die Nacht?« wollte Bernadette wissen.
»Was weiß ich?« entgegnete ich. »Nein, wahrscheinlich nicht, ich hab
nicht so genau hingeguckt. André Chabanais interessiert mich nicht.
Außerdem hat er einen Bart.«
»Was ist daran so schlimm?«
»Jetzt hör auf damit, Bernadette! Du weißt, daß Männer mit Bart nicht
mein Ding sind. Die würdige ich grundsätzlich keines Blickes.«
»Ein Fehler!« warf Bernadette ein.
»Außerdem suche ich keinen Mann. Ich suche keinen Mann, hörst du?
Ich will einfach nur die Möglichkeit haben, mit diesem Schriftsteller zu
sprechen - aus den dir bereits bekannten Gründen. Und weil ich ihm sehr
dankbar bin.«
»Oh, göttliche Vorhersehung, schicksalhafte Verstrickungen, wohin man
schaut ...« Bernadette klang wie der Chor einer griechischen Tragödie.
»Genau«, sagte ich. »Du wirst schon sehen.«


Noch am gleichen Abend hatte ich Jacquie gesagt, daß ich am Freitag nicht
ins Restaurant kommen könnte. Ich hatte Juliette Meunier angerufen, eine
sehr gute und professionelle Servicekraft, die früher im Restaurant des

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