Das Lächeln der Frauen


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Bog'liq
Das Lächeln der Frauen

m'en fous!« Er lächelte. »Aber ich fürchte, in Ihrem Fall helfen weder
Voltaire noch Edith Piaf und die Canaille schon gar nicht. In Ihrem Fall,
mein lieber Freund, hilft nur noch eines: die Wahrheit. Und zwar die ganze
Wahrheit.« Er stand auf und trat an meinen Schreibtisch. »Folgen Sie
meinem Rat und schreiben Sie diese ganze Geschichte so auf, wie sie sich
zugetragen hat - vom ersten Moment, als Sie durch die Scheibe dieses
Restaurants geschaut haben, bis zu unserem Gespräch hier. Und dann lassen
Sie Ihrer Aurélie das Manuskript mit dem Hinweis zukommen, daß ihr


Lieblingsautor einen neuen Roman geschrieben hat und daß ihm sehr viel
daran liegt, daß sie das Manuskript als erste liest.«
Er klopfte mir auf die Schulter. »Das ist eine unglaubliche Geschichte,
André. Sie ist einfach großartig! Schreiben Sie sie auf, fangen Sie morgen
damit an, oder besser noch heute nacht! Schreiben Sie um Ihr Leben, mein
Freund. Schreiben Sie sich in das Herz dieser Frau, die Sie schon mit Ihrem
ersten Roman verführt haben.«
Er ging zur Tür und drehte sich dort noch einmal um. »Und egal, wie die
Sache ausgeht« - er zwinkerte mir zu - »da machen wir einen Robert Miller
draus!«


 
17
Es gibt Schriftsteller, die beschäftigen sich tagelang mit dem ersten Satz
ihres Romans. Der erste Satz muß stimmen, dann geht alles wie von selbst,
sagen sie. Ich glaube, es gibt mittlerweile sogar Untersuchungen über
Romananfänge, denn der erste Satz, mit dem ein Buch beginnt, ist wie der
erste Blick zwischen zwei Menschen, die sich noch nicht kennen.
Dann wiederum gibt es Schriftsteller, die einen Roman nicht anfangen
können, ohne den letzten Satz zu kennen. John Irving zum Beispiel wird
nachgesagt, daß er sich gedanklich vom letzten Kapitel vorarbeitet bis an
den Anfang seines Buches. Und dann erst beginnt er mit dem Schreiben.
Ich hingegen schreibe diese Geschichte auf ohne ihren Ausgang zu kennen,
ja ohne auch nur im geringsten Einfluß auf ihren Ausgang nehmen zu
können.
Die Wahrheit ist, daß es das Ende der Geschichte noch nicht gibt.
Denn den letzten Satz muß eine Frau schreiben, die ich an einem
frühlingshaften Abend vor etwa eineinhalb Jahren hinter dem Fenster eines
kleinen Restaurants mit rot-weiß gewürfelten Tischdecken sah, das sich in
der Rue Princesse in Paris befindet.
Es ist die Frau, die ich liebe.
Sie lächelte hinter der Scheibe - und ihr Lächeln bezauberte mich so über
die Maßen, daß ich es stahl. Ich lieh es mir aus.
Ich trug es mit mir herum. Ich weiß nicht, ob so etwas möglich ist - daß man
sich in ein Lächeln verliebt, meine ich. Jedenfalls inspirierte mich dieses
Lächeln zu einer Geschichte - einer Geschichte, an der alles erfunden war,
sogar der Verfasser derselben.
Und dann ist etwas Unglaubliches passiert. Ein Jahr später, an einem
wirklich gräßlichen Novembertag, stand die Frau mit dem schönen Lächeln
wie vom Himmel gefallen vor mir. Und das Wunderbare und zugleich
Tragische an dieser Begegnung war, daß sie etwas von mir wollte, das ich
ihr nicht geben konnte. Sie hatte nur einen Wunsch - sie war besessen davon


wie die Prinzessinnen im Märchen von der verbotenen Tür - und gerade
dieser Wunsch war unmöglich zu erfüllen. Oder doch?
Es ist viel passiert seither - Schönes und Schreckliches, und ich möchte
alles erzählen. Die ganze Wahrheit nach all den Lügen.

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