Das Lächeln der Frauen


Download 1.37 Mb.
Pdf ko'rish
bet23/70
Sana10.02.2023
Hajmi1.37 Mb.
#1186387
1   ...   19   20   21   22   23   24   25   26   ...   70
Bog'liq
Das Lächeln der Frauen

»Das Lächeln der Frauen.
»Gut ... gut ... gut.« Sie bewegte ihre Finger über die Tastatur. »Aha«,
sagte sie dann. »Hier haben wir es: »Robert Miller, Das Lächeln der
Frauen!« Sie lächelte triumphierend, und ich hielt den Atem an.
»Robert Miller in den Éditions Opale ... ach Mist, da kommt man nur auf
die Verlagsseite ... Und das hier ... ist die Seite von Amazon, aber auch nur
für die französische Ausgabe ... Merkwürdig, irgendwo müßte doch auch
das englische Original zu finden sein.« Sie betätigte wieder ein paar Tasten,
dann schüttelte sie den Kopf. »Nichts zu machen«, sagte sie. »Hier steht nur
noch was zu Henry Miller, Das Lächeln am Fuße der Leiter - ein gutes
Buch übrigens -, aber das ist definitiv nicht unser Mann.«
Sie klopfte sich mit dem Zeigefinger nachdenklich an die Lippen. »Kein
Hinweis auf eine Internetseite, kein Facebook - Mister Miller bleibt ein
Geheimnis, jedenfalls im World Wide Web. Wer weiß, vielleicht ist er so
old fashioned, daß er jede moderne Technik ablehnt. Trotzdem merkwürdig,
daß ich das englische Buch nicht finden kann.« Sie klappte ihren Computer
zu und sah mich an.
»Ich fürchte, da kann ich dir nicht helfen.«
Ich lehnte mich enttäuscht zurück. Angeblich konnte man doch
heutzutage alles mit Hilfe des Internets herausfinden.
»Und was machen wir jetzt?« fragte ich.
»Jetzt machen wir uns einen kleinen Salat mit Ziegenkäse
beziehungsweise du machst uns einen schönen salade au chèvre.


Irgendeinen tieferen Sinn muß es ja haben, daß ich eine Köchin zur
Freundin habe, meinst du nicht?«
Ich seufzte. »Fällt dir sonst nichts ein?«
»Doch«, sagte sie. »Warum rufst du nicht den Verlags-Zerberus an und
fragst ihn, ob Robert Miller eine Internetseite hat und wieso du die
englische Originalausgabe seines Romans nicht finden kannst?« Sie stand
von ihrem Schreibtisch auf und ging in die Küche.
»Nein, ruf nicht an«, rief sie, als sie die Kühlschranktür aufmachte.
»Schick dem armen Mann lieber eine Mail.«
»Ich habe gar nicht seine E-Mail-Adresse«, entgegnete ich unwillig und
folgte Bernadette in die Küche. Sie schloß den Kühlschrank und drückte
mir einen Kopf Eichblattsalat in die Hand.
»Meine Liebe, das ist ja nun wirklich kein Problem.«
Ich starrte mißmutig auf den Salatkopf, der auch nichts dafür konnte.
Bernadette hatte recht. Natürlich war es kein Problem, E-Mail-Adressen
von so uninteressanten Leuten herauszubekommen wie André Chabanais,
dem Cheflektor der Editions Opale.


 
6
»So, so, das finden Sie seltsam«, murmelte ich und studierte noch einmal
die E-Mail, die ich mir nachmittags im Verlag ausgedruckt hatte. »Meine
liebe Mademoiselle Aurélie, dies alles ist mehr als seltsam.«
Seufzend legte ich die Mail zur Seite und nahm dafür wieder den Brief
zur Hand, den ich mittlerweile schon auswendig konnte und der mir
wesentlich besser gefiel als diese unverbindliche und wenig charmante
Anfrage.
Die Dinge fingen an, sich zu verkomplizieren, dennoch konnte ich nicht
umhin, darüber zu staunen, daß ein und dieselbe Person in der Lage war, so
unterschiedliche Briefe zu verfassen. Ich lehnte mich in meinem alten
Ledersessel zurück, zündete mir eine Zigarette an und ließ das
Streichholzbriefchen aus dem Deux Magots achtlos auf den Beistelltisch
fallen.
Ich hatte schon einige Male versucht, mit dem Rauchen aufzuhören - das
letzte Mal nach der Buchmesse, als der größte Streß vorüber zu sein schien
und mein Leben in angenehm ruhige Bahnen zurückfand.
Ich hatte Carmencita, einer heißblütigen Lizenzdame aus Portugal, die
mich schon seit drei Jahren auf unseren Terminen mit ihren schwarzen
Augen anfunkelte und die mich diesmal zunächst zu einem Abendessen und
danach in ihr Hotel eingeladen hatte, am nächsten Morgen klarmachen
können, daß mein Bedarf an Frauen, denen ich Halsketten schenken konnte,
für den Augenblick gedeckt war. Als Carmencita endlich schmollend abzog
(nicht ohne mir das Versprechen abzuringen, daß ich sie nächstes Jahr zum
Essen einladen würde), dachte ich, die größte Herausforderung für den Rest
des Jahres würde nun darin bestehen, all der Manuskripte Herr zu werden,
die ich in der Messe-Euphorie angefordert hatte.
Doch seit letzten Dienstag waren die kleinen blauen Päckchen mit den
gesundheitsgefährdenden Glimmstengeln wieder meine ständigen Begleiter.
Die ersten fünf Zigaretten rauchte ich, als Adam nicht zurückrief. Als er
sich am Donnerstag endlich meldete, legte ich die Zigaretten in die oberste


Schublade meines Schreibtischs und beschloß, ihre Existenz zu vergessen.
Dann tauchte abends wie vom Himmel gefallen dieses Mädchen mit den
grünen Augen vor meinem Büro auf, und meine Gefühle gerieten in das
heftigste Durcheinander, das ich jemals erlebt hatte. Ich befand mich in
einem schönen Traum, der zugleich ein Alptraum war. Ich mußte die
hartnäckige Mademoiselle Bredin loswerden, bevor sie die Wahrheit über
Robert Miller herausfand, und wollte nichts lieber, als die Frau mit dem
hinreißenden Lächeln wiedersehen.
Nachdem Mademoiselle Bredin am Ende des Flurs verschwunden war,
hatte ich mir eine Zigarette angezündet. Dann war ich in das Sekretariat
gestürzt, in dem tagsüber Madame Petit herrschte, und hatte mein grünes
Plastikfach durchwühlt, bis ich ein längliches weißes Kuvert fand, das an
den »Schriftsteller Robert Miller« adressiert war. Ich hatte noch einmal kurz
den Kopf durch die Tür gesteckt und gelauscht - nicht daß Mademoiselle
noch einmal zurückkam und mich dabei erwischte, wie ich fremde Post
öffnete -, und dann riß ich hastig und ohne den Brieföffner zu benutzen
jenen handgeschriebenen Brief auf, der nun schon seit ein paar Tagen an
den unterschiedlichsten Stellen in meiner Wohnung gelegen hatte und
immer wieder gelesen worden war.

Download 1.37 Mb.

Do'stlaringiz bilan baham:
1   ...   19   20   21   22   23   24   25   26   ...   70




Ma'lumotlar bazasi mualliflik huquqi bilan himoyalangan ©fayllar.org 2024
ma'muriyatiga murojaat qiling