Ernst Thälmann Reden und Aufsätze
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Auf welchen Hauptgebieten müssen wir unsere Arbeit entscheidend verbessern
Auf welchen Hauptgebieten müssen wir also unsere Arbeit wesentlich verstärken und verbessern? 1. in der Betriebsarbeit; 2. bei der Streikrüstung; 3. in der Arbeit der RGO im Betrieb und an der innergewerkschaftlichen Front; 4. in der Erwerbslosenarbeit; 5. in der kühnen Anwendung der Einheitsfrontpolitik; 6. in der Überwindung der rechtsopportunistischen und sektiererischen Fehler und Abweichungen. Das sind die Hauptgebiete unserer revolutionären Massenarbeit. Sie sind von allergrößter Bedeutung für die Partei und für die jetzige Tagung des Plenums unseres Zentralkomitees. Trotzdem werde ich bewußt zu diesen Fragen nur vom Standpunkt einiger Hauptgesichtspunkte sprechen. Ich glaube, daß es in der Diskussion darauf ankommen wird, ausführlicher zu diesen wichtigen Hauptgebieten der Praxis Stellung zu nehmen. Ich verweise zugleich auf unsere Resolution, die zu diesen Fragen eine Reihe von wichtigen Gesichtspunkten gibt, deren ernsthafte und gewissenhafte Durcharbeitung eine außerordentliche Belebung der Parteiarbeit in allen Bezirken bringen muß. Es wäre überflüssig, das, was in der Resolution angeführt ist, hier im Referat mündlich zu wiederholen. Ich will deswegen einige weitere Probleme anschneiden. Die Rolle der Tageskämpfe des Proletariats Die erste Frage ist die der Rolle der Tageskämpfe des Proletariats. Der III. Weltkongreß sagt in seinen taktischen Thesen zu dieser Frage: „Das revolutionäre Wesen der jetzigen Epoche besteht eben darin, daß die bescheidensten Lebensbedingungen der Arbeitermassen unvereinbar sind mit der Existenz der kapitalistischen Gesellschaft, daß darum der Kampf auch um die bescheidensten Forderungen sich auswächst zum Kampf um den Kommunismus.“ (S. 19) Was ergibt sich daraus? Das Wichtigste ist die Erkenntnis des politischen Charakters nahezu aller ökonomischen Kämpfe in der Epoche des niedergehenden Kapitalismus. Heute, wo wir in Deutschland auf Grund der zyklischen Krise im Rahmen der allgemeinen Krise des Kapitalismus und auf Grund des Versailler Systems eine besondere Verschärfung der Situation haben, gelten diese Feststellungen des III. Weltkongresses für uns in verstärktem Maße. Aber, Genossen, genügt es, daß wir die revolutionäre Bedeutung kennen und verstehen, die jeder Streik gegen Lohnabbau oder verschlechterte Arbeitsbedingungen hat? Nein, das Wichtigste ist, daß wir in den Massen ein solches Bewußtsein dafür schaffen, welche große, mächtige Waffe sie mit dem Streik im Klassenkampfe gegen die Bourgeoisie einsetzen können. Das, was wir wissen, und dag, was die Massen wissen, das ist leider manchmal, zweierlei. Genosse Stalin hat in seinem Buch „Probleme des Leninismus“ über die Leninsche Formulierung von dem „wechselseitigen Vertrauen zwischen der Avantgarde der Arbeiterklasse und der Arbeitermasse“ folgendes ausgeführt: „Das bedeutet erstens, daß die Partei für die Stimme der Massen ein feines Ohr haben muß, daß sie ihre Aufmerksamkeit auf den revolutionären Instinkt der Massen richten, daß sie die Praxis des Kampfes der Massen studieren muß, indem sie daran die Richtigkeit ihrer Politik kontrolliert, daß sie folglich nicht nur die Massen belehren, sondern auch von ihnen lernen muß. Das bedeutet zweitens, daß die Partei tagaus, tagein sich das Vertrauen der proletarischen Massen erobern muß, daß sie durch ihre Politik und ihre Arbeit die Unterstützung der Massen schmieden muß, daß sie nicht kommandieren darf, sondern vor allem überzeugen muß, indem sie den Massen auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen die Richtigkeit der Politik der Partei zum Bewußtsein bringt, daß sie folglich Leiter, Führer, Lehrer ihrer Klasse sein muß.“ (Band I, S. 30) Und an anderer Stelle der „Probleme des Leninismus“ sagt Genosse Stalin: „Unter diesen Bedingungen führen heißt, es verstehen, die Massen von der Richtigkeit der Politik der Partei zu überzeugen, heißt, solche Losungen aufstellen und durchführen, die die Massen dem Standpunkt der Partei näherbringen und ihnen auf Grund ihrer eigenen Erfahrung das Verständnis für die Richtigkeit der Politik der Partei erleichtern, heißt, die Massen bis zum Niveau des Bewußtseins der Partei zu erheben und sich somit die Unterstützung der Massen, ihre Bereitschaft zum 4- entscheidenden Kampf sichern.“ Genossen! Können wir von uns behaupten, daß wir diese Fähigkeit, ein feines Ohr für die Stimme der Massen zu haben und diese Fähigkeit, den Massen durch ihre eigenen Erfahrungen das Verständnis für unsere Politik zu erleichtern, schon in unserer Politik besitzen? Das wäre eine zu kühne Behauptung. Ich sage weiter, Genossen: Ohne uns diese Fähigkeit zu erwerben, ohne auf diese Art zum wirklichen Führer der Massen zu werden, der nicht kommandiert, sondern berät, hilft und leitet, der im Leninschen Sinne führt, wird unsere Partei niemals die Rolle voll und ganz erfüllen können, wird unsere Partei niemals die Kämpfe der Massen in dem Grade zur Entfaltung bringen, wie es den objektiven Möglichkeiten entspricht. Das ist der erste Gedanke, den ich zu den vorstehenden Problemen entwickeln wollte. Das Verhältnis von politischen Massenstreiks und ökonomischen Kämpfen Eine zweite Frage: Das Verhältnis von politischen Massenstreiks und ökonomischen Kämpfen. Auf dem Weddinger Parteitag und auf dem XI. Plenum im Bericht der deutschen Partei haben wir einige Hauptpunkte in der Frage des politischen Massenstreiks formuliert. Obwohl das der Bericht der KPD war, wäre es doch eine Unwahrheit, wenn wir behaupten wollten, daß diese nicht unwichtigen Feststellungen in der deutschen Partei praktisch genügend beachtet und ausgewertet worden wären. Und doch ist der politische Massenstreik nach wie vor die wichtigste und entscheidende Waffe für den Kampf des Proletariats in der gegenwärtigen Etappe der Entwicklung. Diese These des X. Plenums und des Weddinger Parteitags besteht noch immer zu Recht. Wir haben in Deutschland zweifelsohne einige positive Erfahrungen mit politischen Massenstreiks in der letzten Zeit gehabt. Braunschweig ist dank der guten Politik unserer Bezirksleitung in Niedersachsen ein glänzendes Beispiel. Aber, ist das alles genug? Das glatte Gegenteil trifft zu; und was ist die Ursache? Ich glaube, Genossen, die Unterschätzung der ökonomischen Kämpfe und ihres politischen Charakters ist auch vom Standpunkt der Führung des politischen Massenstreiks die Hauptursache unserer Schwächen. Genosse Lenin schrieb über die politischen Massenstreiks in der „Revolution von 1905/07“ u.a.: „Die Arbeiterklasse tritt beim politischen Streik als die führende Klasse des gesamten Volkes auf. Das Proletariat spielt in diesen Fällen nicht einfach die Rolle einer der Klassen der bürgerlichen Gesellschaft, sondern des Hegemons, das heißt, des Führers, Leiters, der Avantgarde. Die politischen Ideen, die in der Bewegung zum Ausdruck kommen, tragen einen gesamtnationalen Charakter, das heißt, sie berühren die grundlegenden und entscheidenden Bedingungen des politischen Lebens des gesamten Landes… Andererseits läßt sich die Masse der Werktätigen nie dazu bringen, sich einen allgemeinen „Fortschritt“ des Landes vorzustellen ohne ökonomische Forderungen, ohne unmittelbare und sofortige Verbesserung ihrer Lage. Die Masse wird in die Bewegung hineingezogen, nimmt an ihr energischen Anteil, weiß sie zu schätzen und entwickelt Heroismus, Selbstlosigkeit, Beharrlichkeit und Ergebenheit für die große Sache nur dann, wenn auch die ökonomische Lage des Arbeitenden gebessert wird… Im Kampf um die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen schwingt sich die Arbeiterklasse gleichzeitig zu einem höheren geistigen, moralischen und politischen Niveau empor, wird sie fähiger, ihre großen Befreiungsziele zu verwirklichen.“ („Über Gewerkschaften“, S. 37/38) Diese Worte Lenins bedeuten für uns die Lehre, daß die Entfaltung aller ökonomischen Kämpfe in stärkstem Ausmaß eine Voraussetzung dafür ist, den politischen Kampf, sei es mit der Waffe des politischen Massenstreiks oder in anderen Formen, der Demonstrationsstreiks und der Massenaktionen, zu steigern. Haben wir genügende Fundamente in den Betrieben? Eine dritte Frage: Das Problem der Betriebsarbeit. Kann man Politik machen, Genossen, ohne genügend organisatorische Fundamente in den Massen zu haben? Alle Erfahrungen der Kommunistischen Internationale und vor allem ihrer kleineren Sektionen widerlegen eine solche Auffassung. Haben wir genügende Fundamente in den Betrieben? Es wäre leichtfertig, diese Frage zu bejahen. Unsere Verankerung in den Großbetrieben vor allem ist vollkommen ungenügend. Es gibt eine ganze Reihe von Aufgaben, die gelöst werden müssen, um diese Schwächen der Betriebsarbeit zu liquidieren. Unsere vorliegende Resolution zeigt den Weg dazu. Aber die Hauptsache, Genossen, ist, daß wir in der Grundlinie, in der Grundmethode unserer Arbeit und Politik eine vollkommene Wendung vollziehen. So scharf muß man diese Frage stellen. Unsere bisherige Politik war keine Politik der Partei, die in den Betriebszellen ihre wichtigsten Organe erblickt. Wir haben das in Worten anerkannt, daß die Betriebszellen die entscheidenden Organe der Partei seien, aber wir haben keine praktischen Konsequenzen daraus gezogen. Ich sage ganz offen, Genossen, wir haben dieses entscheidende Problem bis heute überhaupt noch nicht in seiner großen Bedeutung begriffen. Aber wir müssen es begreifen! Wir müssen unsere Konsequenzen daraus ziehen. Und was bedeutet das? Das bedeutet, daß in Zukunft die Betriebszelle das Zentrum der Partei sein muß. Das bedeutet, daß in den Betriebszellen das Schwergewicht unserer Arbeit liegen muß. Und zwar nicht nur auf dem Papier, nicht nur in Phrasen, sondern in der Tat, der täglichen Praxis unserer Arbeit. Es darf fast kein Mitglied einer Parteileitung oder einer RGO-Leitung geben, das nicht in einer Betriebszelle arbeitet. Es darf keinen Beschluß der Partei geben, keine Resolution, keinen Plan bei einer Kampagne, bei deren Ausarbeitung die betreffenden Genossen sich nicht als Erstes die Frage vorlegen: Welche Bedeutung hat dieser Beschluß für die Betriebszellen und ihre Arbeit? Welche Aufgaben ergeben sich aus diesem Beschluß für die Betriebszellen? Welche Möglichkeit kann man bei dieser Frage den Betriebszellen einräumen? Genossen, das ist eine der wichtigsten Lebensfragen für unsere Partei, daß wir eine solche Einstellung von oben bis unten schaffen. Das klingt sehr einfach, ist aber keine Kleinigkeit, sondern eine sehr große und entscheidende Sache. Wenn wir in dieser Frage eine Wendung schaffen, dann werden wir damit einen Schlüssel in die Hand bekommen, mit dem wir uns das Tor zu den Betrieben, zu den Großbetrieben, zu den Zentren der kapitalistischen Produktion öffnen können. Dann werden wir den wichtigsten Schritt in der Linie der Liquidierung unserer Hauptschwächen auf dem Gebiet der Betriebsarbeit und Streikrüstung vorwärts getan haben. Dazu gehört unter anderem auch, daß wir den wichtigen Beschluß des Weddinger Parteitages in der Frage des revolutionären Vertrauensleutekörpers endlich erfüllen, daß wir in der Frauenarbeit das Arbeiterinnen- Delegiertensystem ausbauen, daß wir die Arbeit der Betriebsgruppen der RGO verstärken, und daß wir bei der Schaffung vorbereitender Kampfausschüsse in den Betrieben eine wirkliche breite politische Einheitsfrontpolitik anwenden. Die RGO und unsere innergewerkschaftliche Arbeit Eine vierte Frage: Die Frage der RGO und der innergewerkschaftlichen Arbeit. Zu diesem wichtigen Problem will ich nur kurz sprechen. Wir haben mit dem Genossen Dahlem vereinbart, daß er in der Diskussion mit verlängerter Redezeit ausführlicher zu den Problemen der RGO Stellung nimmt. Zunächst zur Frage der innergewerkschaftlichen Arbeit an der Front der reformistischen Verbände. Gerade in der Zeit nach dem letzten Mai-Plenum des ZK wurden große Fehler in der Richtung einer Vernachlässigung der Arbeit in den reformistischen und christlichen Verbänden begangen. Solche überspitzten und rein abstrakten Losungen, wie „Zerstörung des ADGB“, schematische Losungen der Beitragssperre, falsche Gründung von lebensunfähigen, künstlich geschaffenen kleinen Verbändchen -, das alles zeigt, wie wenig manche Genossen den Kurs der Partei, der Komintern und der RGI auf Verstärkung der innergewerkschaftlichen Arbeit ernst nehmen. Ich sage zu dieser Frage das eine: Genossen, in Zukunft werden wir es uns nicht mehr gefallen lassen, wenn Genossen sich einfach über die Linie und die Beschlüsse der Partei hinwegsetzen, als ob wir diese Beschlüsse nur zum Vergnügen gefaßt hätten. Was die allgemeine Arbeit der RGO und der Roten Verbände anbelangt, so stellen wir in der Resolution „ein ernstes Zurückbleiben hinter der objektiven Situation“ fest. Vergleichen wir einmal, mit welchem Raffinement die Bourgeoisie und Sozialdemokratie den ADGB und die christlichen und sonstigen Gewerkschaften bei der Durchsetzung ihrer politischen und ökonomischen Ziele einsetzen, und demgegenüber die Rolle der RGO -, so müssen wir ernsthaft sagen: Die RGO ist heute noch kein genügender Massenfaktor. Um sie zu einer wirklich selbständigen Rolle als Zentrum der revolutionären Gewerkschaftsbewegung Deutschlands zu bringen, muß vor allem durch eine dauernde ernste Fraktionsarbeit der Partei in der RGO die Führung durch die Partei gesichert werden. In dem Aufbau dieser Führung, in ihrer Festigung, müssen wir eine der dringendsten Aufgaben der nächsten Zeit erblicken. Das gleiche wie für die RGO gilt nicht weniger für die Roten Verbände. Es ist eine Tatsache, Genossen, daß die Entwicklung der RGO und der Roten Verbände im allgemeinen unbefriedigend ist. Das zeigt sich ganz besonders jetzt bei der Bilanz der Januarbewegung gegen die vierte Notverordnung. Wenn wir bei dieser Gelegenheit zum Beispiel Proben einer Selbstkritik gesehen haben, die in Wahrheit nicht zur Klärung der Probleme, sondern eher zu einer weiteren Verwirrung beiträgt, so muß man daraus Konsequenzen in der Richtung einer starken Verbesserung der Fraktionsarbeit in der RGO ziehen. Ich nehme hier nur den falschen Standpunkt des Genossen Saefkow, der die Mängel in der Streikführung im Ruhrgebiet auf eine „Überpolitisierung“ zurückführte. Das heißt in der Konsequenz nichts anderes, als die Aufstellung politischer Losungen für den ungenügenden Erfolg bei der Streikmobilisierung verantwortlich machen. Auch in einem Artikel des Genossen Schubert standen fehlerhafte Formulierungen zur Frage der Auswertung politischer Losungen bei Wirtschaftskämpfen. Solche Abweichungen und falsche Auffassungen verdunkeln die Klarheit der Erfahrungen aus den Streiks und hinter uns liegenden Kämpfe. Für die RGO und die Roten Verbände besteht, ähnlich wie für die Partei, die dringende Notwendigkeit, den Kurs auf die Betriebe zu nehmen. Dieses Problem, „vom Betrieb als politisch-organisatorischer Einheit“ (Piatnitzki) auszugehen, ist auch für die RGO und für die Roten Verbände eine Lebensfrage. Unsere Arbeit unter dem Millionenheer der Erwerbslosen Eine fünfte Frage: Die Arbeit unter den Millionen von Erwerbslosen. Ich glaube, Genossen, hier liegt unsere größte Schwäche. Wenn auf dem Gebiet der Streikrüstung und Betriebsarbeit bestimmte tatsächliche, objektive Schwierigkeiten überwunden werden müssen, so ist die Lage bei den Erwerbslosen schon wesentlich anders. Hier sind bestimmt objektiv die allergünstigsten Voraussetzungen gegeben. Aber ich frage: Haben wir die Möglichkeit genügend ausgeschöpft? Nicht im entferntesten! Man kann als eine positive Erscheinung unserer Erwerbslosenarbeit die Tatsache bezeichnen, daß wir kaum einen einzigen Fall in ganz Deutschland haben, wo bei Streiks die Erwerbslosen Streikbrecherarbeit geleistet hätten. Stets handelt es sich um organisierten Streikbruch der Reformisten oder der Nazis. Die Erwerbslosen von sich aus sind der Arbeiterschaft nicht in den Rücken gefallen. Das ist zweifelsohne ein großes und wichtiges Ergebnis unserer revolutionären Arbeit, die das Klassenbewußtsein und die Klassensolidarität unter den Erwerbslosen wachgehalten hat. Das ist schon sehr viel; aber ist das genug? Keinesfalls! Ich will auf einige hauptsächliche Dinge hinweisen, ohne der Diskussion in dieser Frage vorzugreifen: 1. Die riesige Zahl der Erwerbslosen von über 6 Millionen erhöht selbstverständlich das Gewicht dieser gewaltigen Armee des Proletariats für den Klassenkampf. Man kann zum Beispiel sagen, wenn es nur eine Million Erwerbslose gäbe, wäre ihre Rolle für den Klassenkampf nicht so bedeutungsvoll. Heute, bei mehr als 6 Millionen, ist ihre Bedeutung in einem höheren Maße gestiegen als ihre Ziffer. Das wissen auch unsere Klassenfeinde schon richtig einzuschätzen. Diese Millionenarmee ist für uns ein gewaltiges Reservoir bei unserem Kampfe um die Eroberung der Mehrheit des Proletariats. Das muß die Partei in seiner ganzen Bedeutung erfassen. 2. Ich habe schon bei der Behandlung des Problems des Staatskapitalismus auf die Tendenzen der Bourgeoisie hingewiesen, den kapitalistischen Staat aller Verpflichtungen gegenüber den Arbeitslosen zu entbinden. Wir stehen wirklich vor einer solchen Tatsache, daß die Bourgeoisie nicht damit zufrieden ist, 6 Millionen Menschen aufs Straßenpflaster zu werfen, nicht damit zufrieden ist, an den Unterstützungen dieser Erwerbslosen ungeheuerliche „Ersparungen“ vorgenommen zu haben, sondern daß sie dazu übergehen will, das System der Unterstützung der Erwerbslosen überhaupt abzubauen. Dieser Prozeß soll auch weiterhin stufenweise durchgeführt werden. Eine Verschlechterung nach der anderen soll kommen, bis der radikale Abbau der gesamten Erwerbslosenversicherung gelungen ist. Welche großen revolutionären Pflichten erwachsen uns aus dieser Tatsache? Es ist selbstverständlich, daß wir den zähesten und umfassendsten Kampf um die Verteidigung aller Schichten der Erwerbslosen gegen jede Verschlechterung ihrer Existenzbedingungen und für ihre positiven Forderungen führen müssen. Wir müssen es verstehen, in der konkretesten Form überall die Verteidigung der Lebensinteressen der Erwerbslosen zu betreiben, indem wir nicht mit schematischen und allgemeinen Parolen arbeiten, sondern überall lebendig von der wirklichen Praxis ausgehen. Wo es sich darum handelt, die Barunterstützung der Erwerbslosen abzubauen oder einzuschränken und durch sogenannte Naturalverpflegung zu ersetzen, müssen wir die Erwerbslosen zum Kampf gegen eine derartige Verschlechterung zusammenschweißen. Andererseits dort, wo Erwerbslosenküchen bereits bestehen, dürfen wir nicht aus einer falsch verstandenen „Prinzipienreiterei“ beiseite stehen. Im Gegenteil, wo diese Bedingungen gegeben sind, müssen wir die Erwerbslosen organisieren, zusammenfassen und ihre Kampfkraft einsetzen, um bestimmte Verbesserungen ihrer Lebenslage zu erkämpfen. Hier steht die Frage der Küchenkommissionen, der Kontrolle, der bestimmten Verbesserungsforderungen und anderer Anlässe, aus denen sich Bewegungen der Erwerbslosen ableiten lassen. Nur wenn wir es lernen, keine allgemeine Politik, sondern eine praktische konkrete, von den speziellen Nöten der Erwerbslosen in jedem Ort, an jeder Stempelstelle, an den Wohlfahrtsämtern usw. ausgehende Arbeit zu leisten, wird es uns gelingen, wirkliche große Massenaktionen der Erwerbslosen zustande zu bringen. 3. Die große Bedeutung der Organisierung einer Erwerbslosenbewegung ergibt sich u.a. auch vom Standpunkt unserer Gewerkschaftsarbeit. Wenn man die Statistiken nachliest, welcher Prozentsatz von Mitgliedern der reformistischen Gewerkschaften heute erwerbslos ist (Baugewerksbund etwa 86 Prozent), wenn man andererseits berücksichtigt, wie die SPD und die reformistische Bürokratie mit den Erwerbslosen Schindluder getrieben hat und treibt, so ergibt sich daraus, daß wir mit unserer Arbeit unter den Erwerbslosen größte Möglichkeiten haben, um auch in unserer Arbeit an der innergewerkschaftlichen Front größere Fortschritte zu erzielen. 4. Eine besondere Rolle bei der Bearbeitung der Erwerbslosen spielt die Frage der jugendlichen Erwerbslosen. Ihr Los ist besonders unerträglich. Die Angriffe der Bourgeoisie und der Sozialdemokratie wie der Hitler-Partei gegen die jugendlichen Erwerbslosen haben bereits ein solches Maß von Brutalität angenommen, daß man sagen kann, sehr viel kann ihre Lage nicht mehr verschlimmert werden. Es ist klar, daß sich hier für den Jugendverband wie auch für die Partei große Möglichkeiten und eine gewaltige Verantwortung ergeben. 5. Eine besondere Frage im Zusammenhang mit der Erwerbslosigkeit ist das Problem der Nazis. Wenn es den Nazis im allgemeinen nicht gelungen ist, in die Betriebe einzudringen, so kann man das von den Stempelstellen leider nicht bedingungslos behaupten. Viele Anhänger unter den erwerbslosen Proletariern hat die Hitler-Partei auch heute noch nicht. Aber ein gewisses Eindringen ist zu verzeichnen. Und wenn wir nicht zum Gegenangriff übergehen, könnten wir unangenehme Überraschungen erleben. Wir müssen deshalb bei unserer Arbeit unter den Erwerbslosen den Hitler-Faschismus schonungslos entlarven als den Verfechter der niederträchtigsten, gegen die Erwerbslosen gerichteten Anschläge, als aktivsten Vorkämpfer der Militarisierung der Erwerbslosen, der Arbeitsdienstpflicht usw. Indem wir die Erwerbslosen zum Kampf gegen diese Militarisierungs- und Arbeitsdienstpflichtmaßnahmen mobilisieren, schlagen wir zugleich die nationalistische Propaganda. 6. Unsere Arbeitsbeschaffungsforderungen waren eine Zeitlang so gut wie ganz vergessen. Jetzt unternimmt der ADGB seinen Arbeitsbeschaffungsschwindel. Mit diesem Betrugsmanöver will die SPD ihren Wahlkampf bestreiten. Wie antwortet zum Beispiel unsere Presse darauf? Antwortet sie auf den reformistischen Schwindel mit der konkreten Waffe unserer Arbeitsbeschaffungsforderungen? Keineswegs! Die Redaktion der „Roten Fahne“ ist jedenfalls nachlässig genug, mit keiner Silbe unsere Arbeitsbeschaffungsforderungen zu erwähnen. Wozu arbeitet das Zentralkomitee ein solches Dokument aus? Damit unsere Genossen auf längere Sicht eine Waffe in der Hand haben. Aber die Presse, eine unserer wichtigsten Waffen zur Aufklärung und Orientierung in den Massen, vereitelt das. Wir müssen gestützt auf dieses Dokument des Zentralkomitees, überall konkret die Fragen der Erwerbslosen und ihres Kampfes für Arbeitsbeschaffung aufrollen. Mit anderen Worten: diese Arbeitsbeschaffungsforderungen der Partei müssen in den einzelnen Bezirken, Orten und Städten konkretisiert und zum Ausgangspunkt des Massenkampfes gemacht werden, wobei unsere Kommunalfraktionen gemeinsam mit den Erwerbslosenausschüssen aktive Unterstützung leisten müssen. Das zur Frage der Erwerbslosen. Ich betone nochmals mit besonderem Nachdruck, daß jede Vernachlässigung der Arbeit unter dieser Sechs-Millionen-Armee (das sind mit ihren Angehörigen ungefähr 16 bis 18 Millionen), die bei einer einigermaßen guten Arbeit der Partei zum größten Teil mit uns marschieren müßte, ein unverzeihlicher Fehler vom Standpunkt der proletarischen Revolution wäre. Download 5.01 Kb. Do'stlaringiz bilan baham: |
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