Ernst Thälmann Reden und Aufsätze


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Auf welchen Hauptgebieten müssen wir unsere Arbeit entscheidend verbessern 
 
Auf  welchen  Hauptgebieten  müssen  wir  also  unsere  Arbeit  wesentlich  verstärken  und 
verbessern? 
1.  in der Betriebsarbeit; 
2.  bei der Streikrüstung; 
3.  in der Arbeit der RGO im Betrieb und an der innergewerkschaftlichen Front; 
4.  in der Erwerbslosenarbeit; 
5.  in der kühnen Anwendung der Einheitsfrontpolitik; 
6.  in  der  Überwindung  der  rechtsopportunistischen  und  sektiererischen  Fehler  und 
Abweichungen. 
Das  sind  die  Hauptgebiete  unserer  revolutionären  Massenarbeit.  Sie  sind  von  allergrößter 
Bedeutung  für  die  Partei  und  für  die  jetzige  Tagung  des  Plenums  unseres  Zentralkomitees. 
Trotzdem  werde  ich  bewußt  zu  diesen  Fragen  nur  vom  Standpunkt  einiger 
Hauptgesichtspunkte sprechen. Ich glaube, daß es in der Diskussion darauf ankommen wird, 
ausführlicher zu diesen wichtigen Hauptgebieten der Praxis Stellung zu nehmen. Ich verweise 
zugleich  auf  unsere  Resolution,  die  zu  diesen  Fragen  eine  Reihe  von  wichtigen 
Gesichtspunkten  gibt,  deren  ernsthafte  und  gewissenhafte  Durcharbeitung  eine 
außerordentliche  Belebung  der  Parteiarbeit  in  allen  Bezirken  bringen  muß.  Es  wäre 
überflüssig,  das,  was  in  der  Resolution  angeführt  ist,  hier  im  Referat  mündlich  zu 
wiederholen. Ich will deswegen einige weitere Probleme anschneiden. 
 

Die Rolle der Tageskämpfe des Proletariats 
 
Die erste Frage ist die der Rolle der Tageskämpfe des Proletariats. Der III. Weltkongreß sagt 
in seinen taktischen Thesen zu dieser Frage: 
 
„Das  revolutionäre  Wesen  der  jetzigen  Epoche  besteht  eben  darin,  daß  die  bescheidensten 
Lebensbedingungen  der  Arbeitermassen  unvereinbar  sind  mit  der  Existenz  der  kapitalistischen 
Gesellschaft,  daß  darum der Kampf auch um die bescheidensten Forderungen  sich auswächst  zum 
Kampf um den Kommunismus.“ (S. 19) 
 
Was ergibt sich daraus? Das Wichtigste ist die Erkenntnis des politischen Charakters nahezu 
aller ökonomischen Kämpfe in der Epoche des niedergehenden Kapitalismus. Heute, wo wir 
in  Deutschland  auf  Grund  der  zyklischen  Krise  im  Rahmen  der  allgemeinen  Krise  des 
Kapitalismus  und  auf  Grund  des  Versailler  Systems  eine  besondere  Verschärfung  der 
Situation  haben,  gelten  diese  Feststellungen  des  III.  Weltkongresses  für  uns  in  verstärktem 
Maße. 
Aber,  Genossen,  genügt  es, daß wir die revolutionäre Bedeutung kennen  und verstehen, die 
jeder  Streik  gegen  Lohnabbau  oder  verschlechterte  Arbeitsbedingungen  hat?  Nein,  das 
Wichtigste ist, daß wir in den Massen ein solches Bewußtsein dafür schaffen, welche große, 
mächtige  Waffe  sie  mit  dem  Streik  im  Klassenkampfe  gegen  die  Bourgeoisie  einsetzen 
können.  Das,  was  wir  wissen,  und  dag,  was  die  Massen  wissen,  das  ist  leider  manchmal, 
zweierlei. 
Genosse  Stalin  hat  in  seinem  Buch  „Probleme  des  Leninismus“  über  die  Leninsche 
Formulierung  von  dem  „wechselseitigen  Vertrauen  zwischen  der  Avantgarde  der 
Arbeiterklasse und der Arbeitermasse“ folgendes ausgeführt: 
 
„Das bedeutet erstens, daß die Partei für die Stimme der Massen ein feines Ohr haben muß, daß sie 
ihre  Aufmerksamkeit  auf  den  revolutionären  Instinkt  der  Massen  richten,  daß  sie  die  Praxis  des 
Kampfes der Massen studieren muß, indem sie daran die Richtigkeit ihrer Politik kontrolliert, daß sie 
folglich nicht nur die Massen belehren, sondern auch von ihnen lernen muß. 
Das bedeutet zweitens, daß die Partei tagaus, tagein sich das Vertrauen der proletarischen Massen 
erobern muß, daß sie durch ihre Politik und ihre Arbeit die Unterstützung der Massen schmieden muß, 
daß  sie  nicht  kommandieren  darf,  sondern  vor  allem  überzeugen  muß,  indem  sie  den  Massen  auf 
Grund ihrer eigenen Erfahrungen die Richtigkeit der Politik der Partei zum Bewußtsein bringt, daß sie 
folglich Leiter, Führer, Lehrer ihrer Klasse sein muß.“ (Band I, S. 30) 
 
Und an anderer Stelle der „Probleme des Leninismus“ sagt Genosse Stalin: 
 
„Unter diesen Bedingungen führen heißt, es verstehen, die Massen von der Richtigkeit der Politik der 
Partei  zu  überzeugen,  heißt,  solche  Losungen  aufstellen  und  durchführen,  die  die  Massen  dem 
Standpunkt der Partei näherbringen und ihnen auf Grund ihrer eigenen Erfahrung das Verständnis für 
die Richtigkeit der Politik der Partei erleichtern, heißt, die Massen bis  zum Niveau des Bewußtseins 
der  Partei  zu  erheben  und  sich  somit  die  Unterstützung  der  Massen,  ihre  Bereitschaft  zum  4- 
entscheidenden Kampf sichern.“ 
 
Genossen!  Können  wir  von  uns  behaupten,  daß  wir  diese  Fähigkeit,  ein  feines  Ohr  für  die 
Stimme  der  Massen  zu  haben  und  diese  Fähigkeit,  den  Massen  durch  ihre  eigenen 
Erfahrungen  das  Verständnis  für  unsere  Politik  zu  erleichtern,  schon  in  unserer  Politik 
besitzen? 
Das wäre eine zu kühne Behauptung. Ich sage weiter, Genossen: Ohne uns diese Fähigkeit zu 
erwerben,  ohne  auf  diese  Art  zum  wirklichen  Führer  der  Massen  zu  werden,  der  nicht 
kommandiert,  sondern  berät,  hilft  und  leitet,  der  im  Leninschen  Sinne  führt,  wird  unsere 
Partei  niemals  die  Rolle  voll  und  ganz  erfüllen  können,  wird  unsere  Partei  niemals  die 

Kämpfe  der  Massen  in  dem  Grade  zur  Entfaltung  bringen,  wie  es  den  objektiven 
Möglichkeiten entspricht. 
Das ist der erste Gedanke, den ich zu den vorstehenden Problemen entwickeln wollte. 
 
Das Verhältnis von politischen Massenstreiks und ökonomischen Kämpfen 
 
Eine  zweite  Frage:  Das  Verhältnis  von  politischen  Massenstreiks  und  ökonomischen 
Kämpfen. 
Auf dem Weddinger Parteitag und auf dem XI. Plenum im Bericht der deutschen Partei haben 
wir einige Hauptpunkte in der Frage des politischen Massenstreiks formuliert. Obwohl das der 
Bericht der KPD war, wäre es doch eine Unwahrheit, wenn wir behaupten wollten, daß diese 
nicht  unwichtigen  Feststellungen  in  der  deutschen  Partei  praktisch  genügend  beachtet  und 
ausgewertet worden wären. 
Und  doch  ist  der  politische  Massenstreik  nach  wie  vor  die  wichtigste  und  entscheidende 
Waffe  für  den  Kampf  des  Proletariats  in  der  gegenwärtigen  Etappe  der  Entwicklung.  Diese 
These des X. Plenums und des Weddinger Parteitags besteht noch immer zu Recht. Wir haben 
in Deutschland zweifelsohne einige positive Erfahrungen mit politischen Massenstreiks in der 
letzten  Zeit  gehabt.  Braunschweig  ist  dank  der  guten  Politik  unserer  Bezirksleitung  in 
Niedersachsen ein glänzendes Beispiel. Aber, ist das alles genug? Das glatte Gegenteil trifft 
zu;  und  was  ist  die  Ursache?  Ich  glaube,  Genossen,  die  Unterschätzung  der  ökonomischen 
Kämpfe  und  ihres  politischen  Charakters  ist  auch  vom  Standpunkt  der  Führung  des 
politischen Massenstreiks die Hauptursache unserer Schwächen. Genosse Lenin schrieb über 
die politischen Massenstreiks in der „Revolution von 1905/07“ u.a.: 
 
„Die Arbeiterklasse tritt beim politischen Streik als die führende Klasse des gesamten Volkes auf. Das 
Proletariat  spielt  in  diesen  Fällen  nicht  einfach  die  Rolle  einer  der  Klassen  der  bürgerlichen 
Gesellschaft, sondern des Hegemons, das heißt, des Führers, Leiters, der Avantgarde. Die politischen 
Ideen, die in der  Bewegung  zum Ausdruck kommen, tragen einen  gesamtnationalen  Charakter, das 
heißt, sie berühren die grundlegenden und entscheidenden Bedingungen des politischen Lebens des 
gesamten Landes… 
Andererseits  läßt  sich  die  Masse  der  Werktätigen  nie  dazu  bringen,  sich  einen  allgemeinen 
„Fortschritt“  des  Landes  vorzustellen  ohne  ökonomische  Forderungen,  ohne  unmittelbare  und 
sofortige  Verbesserung  ihrer  Lage.  Die  Masse  wird  in  die  Bewegung  hineingezogen,  nimmt  an  ihr 
energischen Anteil, weiß sie zu schätzen und entwickelt Heroismus, Selbstlosigkeit, Beharrlichkeit und 
Ergebenheit  für  die  große  Sache  nur  dann,  wenn  auch  die  ökonomische  Lage  des  Arbeitenden 
gebessert wird… 
Im Kampf um die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen schwingt sich die Arbeiterklasse gleichzeitig 
zu einem höheren geistigen, moralischen und politischen Niveau empor, wird sie fähiger, ihre großen 
Befreiungsziele zu verwirklichen.“ („Über Gewerkschaften“, S. 37/38) 
 
Diese  Worte  Lenins  bedeuten  für  uns  die  Lehre,  daß  die  Entfaltung  aller  ökonomischen 
Kämpfe in stärkstem Ausmaß eine Voraussetzung dafür ist, den politischen Kampf, sei es mit 
der Waffe des politischen Massenstreiks oder in anderen Formen, der Demonstrationsstreiks 
und der Massenaktionen, zu steigern. 
 
Haben wir genügende Fundamente in den Betrieben? 
 
Eine dritte Frage: Das Problem der Betriebsarbeit. Kann man Politik machen, Genossen, ohne 
genügend  organisatorische  Fundamente  in  den  Massen  zu  haben?  Alle  Erfahrungen  der 
Kommunistischen  Internationale  und  vor  allem  ihrer  kleineren  Sektionen  widerlegen  eine 
solche Auffassung. Haben wir genügende Fundamente in den Betrieben? 
Es wäre leichtfertig, diese Frage zu bejahen. Unsere Verankerung in den Großbetrieben vor 
allem ist vollkommen ungenügend. Es gibt eine ganze Reihe von Aufgaben, die gelöst werden 
müssen, um diese Schwächen der Betriebsarbeit zu liquidieren. 

Unsere vorliegende Resolution zeigt den Weg dazu. Aber die Hauptsache, Genossen, ist, daß 
wir  in  der  Grundlinie,  in  der  Grundmethode  unserer  Arbeit  und  Politik  eine  vollkommene 
Wendung vollziehen. 
So scharf muß man diese Frage stellen. Unsere bisherige Politik war keine Politik der Partei, 
die  in  den  Betriebszellen  ihre  wichtigsten  Organe  erblickt.  Wir  haben  das  in  Worten 
anerkannt, daß die Betriebszellen die entscheidenden Organe der Partei seien, aber wir haben 
keine praktischen Konsequenzen daraus gezogen. Ich sage ganz offen, Genossen, wir haben 
dieses  entscheidende  Problem  bis  heute  überhaupt  noch  nicht  in  seiner  großen  Bedeutung 
begriffen. Aber wir müssen es begreifen! Wir müssen unsere Konsequenzen daraus ziehen. 
Und was bedeutet das? 
Das bedeutet, daß in Zukunft die Betriebszelle das Zentrum der Partei sein muß. 
Das bedeutet, daß in den Betriebszellen das Schwergewicht unserer Arbeit liegen muß. Und 
zwar nicht nur auf dem Papier, nicht nur in Phrasen, sondern in der Tat, der täglichen Praxis 
unserer Arbeit. 
Es  darf  fast  kein  Mitglied  einer  Parteileitung  oder  einer  RGO-Leitung  geben,  das  nicht  in 
einer Betriebszelle arbeitet. 
Es darf keinen Beschluß der Partei geben, keine Resolution, keinen Plan bei einer Kampagne, 
bei  deren  Ausarbeitung  die  betreffenden  Genossen  sich  nicht  als  Erstes  die  Frage  vorlegen: 
Welche  Bedeutung  hat  dieser  Beschluß  für  die  Betriebszellen  und  ihre  Arbeit?  Welche 
Aufgaben ergeben sich aus diesem Beschluß für die Betriebszellen? Welche Möglichkeit kann 
man bei dieser Frage den Betriebszellen einräumen? 
Genossen,  das  ist  eine  der  wichtigsten  Lebensfragen  für  unsere  Partei,  daß  wir  eine  solche 
Einstellung von oben bis unten schaffen. Das klingt sehr einfach, ist aber keine Kleinigkeit, 
sondern eine sehr große und entscheidende Sache. 
Wenn wir in dieser Frage eine Wendung schaffen, dann werden wir damit einen Schlüssel in 
die Hand bekommen, mit dem wir uns das Tor zu den  Betrieben, zu den  Großbetrieben, zu 
den Zentren der kapitalistischen Produktion öffnen können. Dann werden wir den wichtigsten 
Schritt  in  der  Linie  der  Liquidierung  unserer  Hauptschwächen  auf  dem  Gebiet  der 
Betriebsarbeit und Streikrüstung vorwärts getan haben. Dazu gehört unter anderem auch, daß 
wir  den  wichtigen  Beschluß  des  Weddinger  Parteitages  in  der  Frage  des  revolutionären 
Vertrauensleutekörpers  endlich  erfüllen,  daß  wir  in  der  Frauenarbeit  das  Arbeiterinnen-
Delegiertensystem  ausbauen,  daß  wir  die  Arbeit  der  Betriebsgruppen  der  RGO  verstärken, 
und  daß  wir  bei  der  Schaffung  vorbereitender  Kampfausschüsse  in  den  Betrieben  eine 
wirkliche breite politische Einheitsfrontpolitik anwenden. 
 
Die RGO und unsere innergewerkschaftliche Arbeit 
 
Eine  vierte  Frage:  Die  Frage  der  RGO  und  der  innergewerkschaftlichen  Arbeit.  Zu  diesem 
wichtigen  Problem  will  ich  nur  kurz  sprechen.  Wir  haben  mit  dem  Genossen  Dahlem 
vereinbart, daß er in der Diskussion mit verlängerter Redezeit ausführlicher zu den Problemen 
der RGO Stellung nimmt. 
Zunächst  zur  Frage  der  innergewerkschaftlichen  Arbeit  an  der  Front  der  reformistischen 
Verbände. Gerade in der Zeit nach dem letzten Mai-Plenum des ZK wurden große Fehler in 
der  Richtung  einer  Vernachlässigung  der  Arbeit  in  den  reformistischen  und  christlichen 
Verbänden begangen. Solche überspitzten und rein abstrakten Losungen, wie „Zerstörung des 
ADGB“, schematische Losungen der Beitragssperre, falsche Gründung von lebensunfähigen, 
künstlich geschaffenen kleinen Verbändchen -, das alles zeigt, wie wenig manche Genossen 
den Kurs der Partei, der Komintern und der RGI auf Verstärkung der innergewerkschaftlichen 
Arbeit ernst nehmen. Ich sage zu dieser Frage das eine: Genossen, in Zukunft werden wir es 
uns nicht mehr gefallen lassen, wenn Genossen sich einfach über die Linie und die Beschlüsse 
der Partei hinwegsetzen, als ob wir diese Beschlüsse nur zum Vergnügen gefaßt hätten. 

Was die allgemeine Arbeit der RGO und der Roten Verbände anbelangt, so stellen wir in der 
Resolution „ein ernstes Zurückbleiben hinter der objektiven Situation“ fest. Vergleichen wir 
einmal, mit welchem Raffinement die Bourgeoisie und Sozialdemokratie den ADGB und die 
christlichen  und  sonstigen  Gewerkschaften  bei  der  Durchsetzung  ihrer  politischen  und 
ökonomischen  Ziele  einsetzen,  und  demgegenüber  die  Rolle  der  RGO  -,  so  müssen  wir 
ernsthaft  sagen:  Die  RGO  ist  heute  noch  kein  genügender  Massenfaktor.  Um  sie  zu  einer 
wirklich  selbständigen  Rolle  als  Zentrum  der  revolutionären  Gewerkschaftsbewegung 
Deutschlands zu bringen, muß vor allem durch eine dauernde ernste Fraktionsarbeit der Partei 
in der RGO die Führung durch die Partei gesichert werden. In dem Aufbau dieser Führung, in 
ihrer Festigung, müssen wir eine der dringendsten Aufgaben der nächsten Zeit erblicken. Das 
gleiche wie für die RGO gilt nicht weniger für die Roten Verbände. 
Es  ist  eine  Tatsache,  Genossen,  daß  die  Entwicklung  der  RGO  und  der  Roten  Verbände  im 
allgemeinen  unbefriedigend  ist.  Das  zeigt  sich  ganz  besonders  jetzt  bei  der  Bilanz  der 
Januarbewegung  gegen  die  vierte  Notverordnung.  Wenn  wir  bei  dieser  Gelegenheit  zum 
Beispiel  Proben  einer  Selbstkritik  gesehen  haben,  die  in  Wahrheit  nicht  zur  Klärung  der 
Probleme,  sondern  eher  zu  einer  weiteren  Verwirrung  beiträgt,  so  muß  man  daraus 
Konsequenzen  in  der  Richtung  einer  starken  Verbesserung  der  Fraktionsarbeit  in  der  RGO 
ziehen. Ich nehme hier nur den falschen Standpunkt des Genossen Saefkow, der die Mängel 
in  der  Streikführung  im  Ruhrgebiet  auf  eine  „Überpolitisierung“  zurückführte.  Das  heißt  in 
der  Konsequenz  nichts  anderes,  als  die  Aufstellung  politischer  Losungen  für  den 
ungenügenden  Erfolg  bei  der  Streikmobilisierung  verantwortlich  machen.  Auch  in  einem 
Artikel des Genossen Schubert standen fehlerhafte Formulierungen zur Frage der Auswertung 
politischer  Losungen  bei  Wirtschaftskämpfen.  Solche  Abweichungen  und  falsche 
Auffassungen  verdunkeln  die  Klarheit  der  Erfahrungen  aus  den  Streiks  und  hinter  uns 
liegenden Kämpfe. 
Für  die  RGO  und  die  Roten  Verbände  besteht,  ähnlich  wie  für  die  Partei,  die  dringende 
Notwendigkeit,  den  Kurs  auf  die  Betriebe  zu  nehmen.  Dieses  Problem,  „vom  Betrieb  als 
politisch-organisatorischer Einheit“ (Piatnitzki) auszugehen, ist auch für die RGO und für die 
Roten Verbände eine Lebensfrage. 
 
Unsere Arbeit unter dem Millionenheer der Erwerbslosen 
 
Eine fünfte Frage: Die Arbeit unter den Millionen von Erwerbslosen.  Ich glaube, Genossen, 
hier liegt unsere größte Schwäche. Wenn auf dem Gebiet der Streikrüstung und Betriebsarbeit 
bestimmte  tatsächliche,  objektive  Schwierigkeiten  überwunden  werden  müssen,  so  ist  die 
Lage  bei  den  Erwerbslosen  schon  wesentlich  anders.  Hier  sind  bestimmt  objektiv  die 
allergünstigsten  Voraussetzungen  gegeben.  Aber  ich  frage:  Haben  wir  die  Möglichkeit 
genügend ausgeschöpft? Nicht im entferntesten! 
Man kann als eine positive Erscheinung unserer Erwerbslosenarbeit die Tatsache bezeichnen, 
daß wir kaum einen einzigen Fall in ganz Deutschland haben, wo bei Streiks die Erwerbslosen 
Streikbrecherarbeit  geleistet  hätten.  Stets  handelt  es  sich  um  organisierten  Streikbruch  der 
Reformisten oder der Nazis. Die Erwerbslosen von sich aus sind der Arbeiterschaft nicht in 
den  Rücken  gefallen.  Das  ist  zweifelsohne  ein  großes  und  wichtiges  Ergebnis  unserer 
revolutionären  Arbeit,  die  das  Klassenbewußtsein  und  die  Klassensolidarität  unter  den 
Erwerbslosen wachgehalten hat. Das ist schon sehr viel; aber ist das genug? Keinesfalls! 
Ich  will  auf  einige  hauptsächliche  Dinge  hinweisen,  ohne  der  Diskussion  in  dieser  Frage 
vorzugreifen: 
1.  Die  riesige  Zahl  der  Erwerbslosen  von  über  6  Millionen  erhöht  selbstverständlich  das 
Gewicht  dieser  gewaltigen  Armee  des  Proletariats  für  den  Klassenkampf.  Man  kann  zum 
Beispiel  sagen,  wenn  es  nur  eine  Million  Erwerbslose  gäbe,  wäre  ihre  Rolle  für  den 
Klassenkampf nicht so bedeutungsvoll. Heute, bei mehr als 6 Millionen, ist ihre Bedeutung in 

einem höheren Maße gestiegen als ihre Ziffer. Das wissen auch unsere Klassenfeinde schon 
richtig einzuschätzen. Diese Millionenarmee ist für uns ein gewaltiges Reservoir bei unserem 
Kampfe um die Eroberung der Mehrheit des Proletariats. Das muß die Partei in seiner ganzen 
Bedeutung erfassen. 
2. Ich habe schon bei der Behandlung des Problems des Staatskapitalismus auf die Tendenzen 
der Bourgeoisie hingewiesen, den kapitalistischen Staat aller Verpflichtungen gegenüber den 
Arbeitslosen  zu  entbinden.  Wir  stehen  wirklich  vor  einer  solchen  Tatsache,  daß  die 
Bourgeoisie nicht damit zufrieden ist, 6 Millionen Menschen aufs Straßenpflaster zu werfen, 
nicht  damit  zufrieden  ist,  an  den  Unterstützungen  dieser  Erwerbslosen  ungeheuerliche 
„Ersparungen“ vorgenommen zu haben, sondern daß sie dazu übergehen will, das System der 
Unterstützung  der  Erwerbslosen  überhaupt  abzubauen.  Dieser  Prozeß  soll  auch  weiterhin 
stufenweise durchgeführt werden. Eine Verschlechterung nach der anderen soll kommen, bis 
der radikale Abbau der gesamten Erwerbslosenversicherung gelungen ist. 
Welche  großen  revolutionären  Pflichten  erwachsen  uns  aus  dieser  Tatsache?  Es  ist 
selbstverständlich, daß wir den zähesten und umfassendsten Kampf um die Verteidigung aller 
Schichten der Erwerbslosen gegen jede Verschlechterung ihrer Existenzbedingungen und für 
ihre  positiven  Forderungen  führen  müssen.  Wir  müssen  es  verstehen,  in  der  konkretesten 
Form  überall  die  Verteidigung  der  Lebensinteressen  der  Erwerbslosen  zu  betreiben,  indem 
wir nicht mit schematischen und allgemeinen Parolen arbeiten, sondern überall lebendig von 
der  wirklichen  Praxis  ausgehen.  Wo  es  sich  darum  handelt,  die  Barunterstützung  der 
Erwerbslosen  abzubauen  oder  einzuschränken  und  durch  sogenannte  Naturalverpflegung  zu 
ersetzen,  müssen  wir  die  Erwerbslosen  zum  Kampf  gegen  eine  derartige  Verschlechterung 
zusammenschweißen. Andererseits dort, wo Erwerbslosenküchen bereits bestehen, dürfen wir 
nicht  aus  einer  falsch  verstandenen  „Prinzipienreiterei“  beiseite  stehen.  Im  Gegenteil,  wo 
diese  Bedingungen  gegeben  sind,  müssen  wir  die  Erwerbslosen  organisieren, 
zusammenfassen  und  ihre  Kampfkraft  einsetzen,  um  bestimmte  Verbesserungen  ihrer 
Lebenslage zu erkämpfen. Hier steht die Frage der Küchenkommissionen, der Kontrolle, der 
bestimmten Verbesserungsforderungen und anderer Anlässe, aus denen sich Bewegungen der 
Erwerbslosen ableiten lassen. Nur wenn wir es lernen, keine allgemeine Politik, sondern eine 
praktische  konkrete,  von  den  speziellen  Nöten  der  Erwerbslosen  in  jedem  Ort,  an  jeder 
Stempelstelle,  an  den  Wohlfahrtsämtern  usw.  ausgehende  Arbeit  zu  leisten,  wird  es  uns 
gelingen, wirkliche große Massenaktionen der Erwerbslosen zustande zu bringen. 
3. Die große Bedeutung der Organisierung einer Erwerbslosenbewegung ergibt sich u.a. auch 
vom  Standpunkt  unserer  Gewerkschaftsarbeit.  Wenn  man  die  Statistiken  nachliest,  welcher 
Prozentsatz  von  Mitgliedern  der  reformistischen  Gewerkschaften  heute  erwerbslos  ist 
(Baugewerksbund etwa 86 Prozent), wenn man andererseits berücksichtigt, wie die SPD und 
die reformistische  Bürokratie mit den Erwerbslosen Schindluder getrieben hat und treibt, so 
ergibt sich daraus, daß wir mit unserer Arbeit unter den Erwerbslosen größte Möglichkeiten 
haben, um auch in unserer Arbeit an der innergewerkschaftlichen  Front  größere  Fortschritte 
zu erzielen. 
4.  Eine  besondere  Rolle  bei  der  Bearbeitung  der  Erwerbslosen  spielt  die  Frage  der 
jugendlichen Erwerbslosen. Ihr Los ist besonders unerträglich. Die Angriffe der Bourgeoisie 
und  der  Sozialdemokratie  wie  der  Hitler-Partei  gegen  die  jugendlichen  Erwerbslosen  haben 
bereits ein solches Maß von Brutalität angenommen, daß man sagen kann, sehr viel kann ihre 
Lage nicht mehr verschlimmert werden. Es ist klar, daß sich hier für den Jugendverband wie 
auch für die Partei große Möglichkeiten und eine gewaltige Verantwortung ergeben. 
5.  Eine  besondere  Frage  im  Zusammenhang  mit  der  Erwerbslosigkeit  ist  das  Problem  der 
Nazis. Wenn es den Nazis im allgemeinen nicht gelungen ist, in die Betriebe einzudringen, so 
kann man das von den Stempelstellen leider nicht bedingungslos behaupten. Viele Anhänger 
unter  den  erwerbslosen  Proletariern  hat  die  Hitler-Partei  auch  heute  noch  nicht.  Aber  ein 
gewisses  Eindringen  ist  zu  verzeichnen.  Und  wenn  wir  nicht  zum  Gegenangriff  übergehen, 

könnten  wir  unangenehme  Überraschungen  erleben.  Wir  müssen  deshalb  bei  unserer  Arbeit 
unter den Erwerbslosen den Hitler-Faschismus schonungslos entlarven als den Verfechter der 
niederträchtigsten,  gegen die Erwerbslosen  gerichteten Anschläge, als aktivsten Vorkämpfer 
der  Militarisierung  der  Erwerbslosen,  der  Arbeitsdienstpflicht  usw.  Indem  wir  die 
Erwerbslosen zum Kampf gegen diese Militarisierungs- und Arbeitsdienstpflichtmaßnahmen 
mobilisieren, schlagen wir zugleich die nationalistische Propaganda. 
6.  Unsere  Arbeitsbeschaffungsforderungen  waren  eine  Zeitlang  so  gut  wie  ganz  vergessen. 
Jetzt  unternimmt  der  ADGB  seinen  Arbeitsbeschaffungsschwindel.  Mit  diesem 
Betrugsmanöver  will  die  SPD  ihren  Wahlkampf  bestreiten.  Wie  antwortet  zum  Beispiel 
unsere  Presse  darauf?  Antwortet  sie  auf  den  reformistischen  Schwindel  mit  der  konkreten 
Waffe  unserer  Arbeitsbeschaffungsforderungen?  Keineswegs!  Die  Redaktion  der  „Roten 
Fahne“ 
ist 
jedenfalls 
nachlässig 
genug, 
mit 
keiner 
Silbe 
unsere 
Arbeitsbeschaffungsforderungen zu erwähnen. 
Wozu  arbeitet  das  Zentralkomitee  ein  solches  Dokument  aus?  Damit  unsere  Genossen  auf 
längere Sicht eine Waffe in der Hand haben. Aber die Presse, eine unserer wichtigsten Waffen 
zur Aufklärung und Orientierung in den Massen, vereitelt das. Wir müssen gestützt auf dieses 
Dokument  des  Zentralkomitees,  überall  konkret  die  Fragen  der  Erwerbslosen  und  ihres 
Kampfes 
für 
Arbeitsbeschaffung 
aufrollen. 
Mit 
anderen 
Worten: 
diese 
Arbeitsbeschaffungsforderungen  der  Partei  müssen  in  den  einzelnen  Bezirken,  Orten  und 
Städten  konkretisiert  und  zum  Ausgangspunkt  des  Massenkampfes  gemacht  werden,  wobei 
unsere  Kommunalfraktionen  gemeinsam  mit  den  Erwerbslosenausschüssen  aktive 
Unterstützung leisten müssen. 
Das zur Frage der Erwerbslosen. Ich betone nochmals mit besonderem Nachdruck, daß jede 
Vernachlässigung  der  Arbeit  unter  dieser  Sechs-Millionen-Armee  (das  sind  mit  ihren 
Angehörigen  ungefähr  16  bis  18  Millionen),  die  bei  einer  einigermaßen  guten  Arbeit  der 
Partei  zum  größten  Teil  mit  uns  marschieren  müßte,  ein  unverzeihlicher  Fehler  vom 
Standpunkt der proletarischen Revolution wäre. 
 

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