Ernst Thälmann Reden und Aufsätze


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Man kann heute nicht mehr von „Zentrismus“ sprechen 
 
Die Frage ist nun, ob man heute noch von Zentrismus sprechen kann, ob man z.B. die heutige 
SAP  oder  Brandler-Gruppe  als  zentristisch  bezeichnen  kann.  Das  ist  nicht  möglich.  Diese 
besondere Spielart des Opportunismus, die wir als Zentrismus bezeichnen, war gebunden an 
einen  „Block  kleinbürgerlicher  und  proletarischer  Interessen  innerhalb  einer  Partei“,  wie 
Genosse  Stalin  das  in  seiner  erwähnten  Rede  darstellt.  Ein  solcher  Block  bestand  in  der 
Vorkriegssozialdemokratie  Deutschlands,  wo  auf  der  einen  Seite  in  der  Gruppe  um  Rosa 
Luxemburg die Vertreter der proletarischen Interessen, auf der anderen Seite der rechte Flügel 
um Bernstein, Wolfgang Heine, Legien als Vertreter des Kleinbürgertums vorhanden waren, 
während die Zentristen Bebel, Kautsky usw., als eine Spielart der Opportunisten, deren Politik 
duldeten und sie mit „linken“ Formulierungen maskierten. 
Ein  solches  Zusammenarbeiten  in  einer  Partei  bestand  auch  noch  nach  dem  Kriege  in  der 
USP, wo der revolutionäre Arbeiterflügel, der sich später, nach dem Halleschen Parteitag, mit 
der  KPD  vereinigte,  zunächst  mit  den  Vertretern  des  Kleinbürgertums  organisatorisch 
vereinigt war, so daß die damaligen Zentristen Hilferding, Crispien, Dittmann usw. ihre Rolle 
im Dienste eines maskierten Opportunismus zu spielen vermochten. 
Heute  hat  sich  der  kleinbürgerliche  rechte  Flügel  der  Vorkriegssozialdemokratie  zum 
Sozialfaschismus entfaltet. Die Gruppen, die betrügerisch den Anschein erwecken, als ob sie 
zwischen dem Sozialfaschismus und uns, dem Marxismus-Leninismus, eine Zwischenstellung 
einnähmen,  ich  meine  die  Seydewitz-Gruppe  oder  die  Brandleristen,  sind  in  Wirklichkeit 
lediglich eine Spielart des Sozialfaschismus, eine Filiale der Sozialdemokratischen Partei. Es 
war  deshalb  ein  schwerer,  unverzeihlicher  Fehler  der  „Roten  Fahne“,  wenn  sie  in  ihrer 
Vorrede zum Stalin-Brief die Formulierung gebrauchte, daß die SAP eine „allerdings kleine 
Partei  des  Zentrismus“ 
sei,  die  „zwischen  dem  revolutionären  Marxismus-Leninismus  und 
dem Sozialfaschismus eine prinzipienlose Position bezieht“. 
Diese schwere opportunistische 
Entgleisung mußte erst durch das Gesamtsekretariat des Zentralkomitees korrigiert werden. 
 
Der Trotzkismus ist der konterrevolutionäre Vortrupp der Bourgeoisie 
 
In  der  gleichen  Vorrede  der  „Roten  Fahne“  war  die  Rede  von  einer  „links“-drapierten 
Sumpfideologie  des  Trotzkismus.  Auch  das  ist  eine  völlig  unzulässige  und  opportunistische 
Formulierung.  Der  Trotzkismus  ist  keine  Sumpfideologie,  sondern  stellt  einen 
konterrevolutionären  Vortrupp  der  Bourgeoisie  dar.  Der  Trotzkismus  betreibt  die  wütendste 
Interventionshetze  gegen  die  Sowjetunion.  Trotzki  liefert  die  schamlosesten  Argumente  für 

die  sozialfaschistische  Politik  gegen  die  Arbeiterklasse.  Schlimmer  als  der  „Vorwärts“  und 
der sozialdemokratische Parteivorstand setzt er sich für das Betrugsmanöver der SPD mit dem 
sogenannten „kleineren Übel“ ein. Er schlägt in seiner neuesten Broschüre über Deutschland 
den  deutschen  Kommunisten  nicht  mehr  und  nicht  weniger  vor,  als  sich  „mit  Noske  und 
Grzesinski gegen den Faschismus zu verbünden“.
 
Das  ist,  wie  jeder  versteht,  eine  aufgelegte  politische  Hochstapelei  und  nichts  als 
Sozialfaschismus in Reinkultur. 
 
Opportunistische Fehler bei der Behandlung der Bauernfrage 
 
Noch  eine  letzte  Frage  zur  Charakterisierung  der  opportunistischen  Abweichungen,  die  bei 
uns  möglich  sind.  Zur  Vorbereitung  des  deutschen  Reichsbauernkongresses  wurde  ein 
Material herausgegeben, in dem unter anderem folgende Blüten enthalten sind: 
 
„Das  ganze  Dorf  muß  es  sein,  das  sich  zusammenschließt,  bäuerliche  Kampfausschüsse  bildet… 
Wenn sich die Bauern eines Dorfes alle fest zu einer Kampfgemeinschaft zusammenschließen, dann 
sind sie schon eine kleine Macht, die den Abwehrkampf aufzunehmen vermag.“ 
 
Hier wird also ganz offen der Zusammenschluß mit den Kulaken propagiert. Die Großbauern, 
die  Kulaken,  die  Mittelbauern  und  die  Dorfarmut,  die  Zwergbauern  und  Halbproletarier 
werden  in  einen  Topf  geworfen.  Es  ist  klar,  daß  sich  aus  einer  solchen  opportunistischen 
Theorie  bezüglich  der  einheitlichen  Interessen  der  Bauernschaft  auch  eine  entsprechend 
opportunistische Verfälschung bezüglich des Verhältnisses zwischen Arbeiterklasse und den 
werktätigen Bauern ergibt. 
So heißt es an einer anderen Seite des Referentenmaterials: 
 
„Es gibt keinen Gegensatz zwischen schaffenden Bauern und Arbeitern.“ 
 
Man  braucht  nicht  erst  zu  beweisen,  daß  das  mit  der  leninistischen  Auffassung  nichts  zu 
schaffen  hat.  Es  ist  kein  Zufall,  wenn  in  diesem  opportunistischen  Referentenmaterial  die 
Landarbeiter  völlig  vergessen  werden.  Und  es  ist  ebensowenig  ein  Zufall,  sondern  eine 
politische  Verfehlung,  wenn  dieses  Material  peinlich  vermeidet,  die  Sowjetunion  und  die 
dortige Kollektivierung dem untergehenden Kapitalismus entgegenzustellen. 
Auch  dieses  Material  ist  nur  ein  Beweis  mehr  für  die  Notwendigkeit  der  ideologischen 
Offensive und der schärfsten bolschewistischen Selbstkritik an unserer Parteiarbeit. 
Ich  will  schließlich  noch  an  den  Fehler  der  „Jungen  Garde“  erinnern,  die  in  völlig 
opportunistischer Weise sogar von „Einheit des Volkes“ schrieb. Der KJVD mißbilligte zwar 
diese  Formulierung,  unterließ  aber  dabei  eine  öffentliche  und  rechtzeitige  Korrektur  an 
diesem unverzeihlichen Fehler. 
 
Gegen alle Tendenzen zur Abschwächung der bolschewistischen Selbstkritik 
 
Damit  komme  ich  zu  einer  Frage,  die  mit  unserer  ideologischen  Offensive  aufs  engste 
verbunden  ist,  zur  Frage  der  offenen  und  schonungslosen  bolschewistischen  Selbstkritik  als 
eines unentbehrlichen Bestandteils unserer revolutionären Praxis. 
Genossen,  ich  habe  bereits  darauf  hingewiesen,  daß  diese  Frage  der  bolschewistischen 
Selbstkritik keineswegs in unserer gesamten Partei eine solche Selbstverständlichkeit ist, wie 
es  für  Bolschewiki  sein  müßte.  Es  gibt  durchaus  Tendenzen  in  unseren  Reihen,  die  diese 
Selbstkritik einschränken und abschwächen wollen. Selbstverständlich haben wir uns dadurch 
nicht  abhalten  lassen,  den  bolschewistischen  Standpunkt  durchzusetzen,  wodurch  eine 
Leitung durch offene Selbstkritik an Autorität gegenüber der Partei und dem Proletariat nur 

gewinnen kann, auch wenn manchmal einzelne Genossen nicht das nötige Verständnis dafür 
haben. 
Lenin sagt über die Selbstkritik: 
 
„Das  Verhalten  einer  politischen  Partei  zu  ihren  Fehlern  ist  eins  der  wichtigsten  und  sichersten 
Kriterien  für  den  Ernst  einer  Partei  und  für  die  tatsächliche  Erfüllung  ihrer  Pflichten  gegenüber  ihrer 
Klasse und den werktätigen Massen. Einen Fehler offen zuzugeben, seine Ursachen aufzudecken, die 
Umstände, die ihn hervorgerufen haben, gründlich analysieren, die Mittel zur Ausmerzung des Fehlers 
gründlich  prüfen  -  das  ist  das  Merkmal  einer  ernsten  Partei,  das  heißt  Erfüllung  ihrer  Pflichten, 
Erziehung und Schulung der Klasse und dann auch der Masse.“ 
 
Die  führende  Partei  des  Weltproletariats,  die  Partei,  die  als  einzige  den  Sieg  über  die 
Bourgeoisie  errungen  hat,  und  die  nicht  zufällig  die  führende  Rolle  auch  in  der 
Kommunistischen  Internationale bei ihrer Gründung und seit ihrer Gründung inne hatte, die 
Kommunistische  Partei  der  Sowjetunion,  ist,  bei  einer  unversöhnlichen  und  konsequenten 
Politik  des  Leninismus,  im  Zeichen  einer  solchen  bolschewistischen  Selbstkritik  zu  ihrer 
heutigen Höhe und Reife gelangt. Ich will noch einige Worte anführen, die Genosse Stalin auf 
dem XV. Parteitag der KPSU zur Frage der Selbstkritik sprach: 
 
„Wenn  wir  Bolschewiki,  die  von  der  ganzen Welt  kritisiert  werden,  die,  um  mit  den Worten  Marx  zu 
sprechen,  den  Himmel  stürmen,  wenn  wir  um  des  Friedens  dieser  oder  jener  Genossen  auf 
Selbstkritik  verzichten  -  ja,  ist  es  da  nicht  klar,  daß  wir  nichts  anderes  als  den  Zusammenbruch 
unserer großen Sache zu erwarten haben? Marx sagte, daß die proletarische Revolution sich übrigens 
von  jeder  Revolution  dadurch  unterscheide,  daß  sie  Selbstkritik  übt  und  sich  durch  die  Selbstkritik 
stärkt. Das ist ein sehr wichtiger Hinweis Marx’. Wenn wir, die Vertreter der proletarischen Revolution 
vor unseren Mängel die Augen verschließen, die Fragen in familiärer Weise entscheiden, gegenseitig 
die Fehler  verschweigen  und die Krankheit  in das  Innere  unseres  Parteiorganismus treiben  werden, 
wer wird dann diese Fehler, diese Mängel korrigieren? Ist es etwa nicht klar, daß wir dann aufhören 
werden, proletarische Revolutionäre zu sein, daß wir sicherlich dem Untergang entgegengehen, wenn 
wir  nicht  aus  unserer  Mitte  dieses  Spießertum,  dieses  familiäre  Wirtschaften  bei  der  Entscheidung 
wichtiger Fragen unseres Aufbaues ausrotten werden. 
Aber gerade in dieser Hinsicht hinkt es bei uns immer noch… 
Zwei, drei große Erfolge und alles ist schnuppe. Noch zwei, drei große Erfolge und man brüstet sich 
schon,  man  wird  übermütig.  Aber  die  Fehler  bleiben,  die  Mängel  bestehen  weiter,  die  Krankheiten 
werden in das Innere des Parteiorganismus hineingejagt.“ 
 
Diese überzeugenden Worte des Genossen Stalin sollte sich jeder Genosse zu Herzen nehmen, 
der  eine  Abneigung  gegen  die  bolschewistische  Selbstkritik  hegt.  Die  Partei  kann  und  darf 
keinesfalls  darauf  verzichten,  diese  bolschewistische  Selbstkritik  anzuwenden.  Wer  die 
Geschichte unserer russischen Bruderpartei und der russischen Revolution verfolgt, der wird 
bestätigt  finden,  daß  ihre  ganze  Entwicklung  ohne  bolschewistische  Selbstkritik  überhaupt 
unmöglich  gewesen  wäre.  Ich  erinnere  hier  nur  an  die  schonungslose  Selbstkritik,  wie  sie 
Lenin  in  seinem  Rechenschaftsbericht  des  ZK  auf  dem  X.  Parteitag  der  Kommunistischen 
Partei  Rußlands  im  März  1921  in  der  Frage  des  russisch-polnischen  Kriegs  und  in  den 
ökonomischen Fragen des Übergangs vom Krieg zum Frieden geübt hat. Das geschah in einer 
Situation, in der die Sowjetmacht vom Krieg erschöpft und von einer wirtschaftlichen Krise 
erfaßt  war.  Das  geschah  unter  außerordentlich  schweren  Umständen  für  die  Arbeit  der 
Kommunistischen Partei, und trotzdem deckte Lenin auch in einer solchen Lage, ja, gerade in 
einer solchen Lage, die begangenen Fehler schonungslos und ganz offen auf, damit die Partei 
daraus lernen und die Schwierigkeiten überwinden konnte. 
 
Über unseren Beschluß gegen den individuellen Terror 
 
Nehmen wir eine bestimmte Frage: Das Problem des individuellen Terrors. Gibt es nicht auch 
heute  noch,  nachdem  wir  unseren  Beschluß  gegen  die  Duldung  von  Tendenzen  des 

individuellen  Terrors  gefaßt  und  in  der  Partei  popularisiert  haben,  entgegengesetzte 
Stimmungen? Offen treten sie nicht in Erscheinung, aber ohne Zweifel haben wir sowohl in 
der  Partei  wie  im  Jugendverband  vereinzelte  Genossen,  die  der  Auffassung  sind,  das 
Zentralkomitee  habe  diesen  Beschluß  nur  aus  taktischen  Gründen  gefaßt,  um  dadurch  die 
Legalität  der  Partei  zu  sichern.  Genossen,  wir  müssen  solchen  Auffassungen  gegenüber  mit 
aller Schärfe immer wieder herausarbeiten und volle Klarheit schaffen: 
Erstens,  daß  unser  Beschluß  gegen  den  individuellen  Terror  ernstgemeint  war  und  wir  die 
Konsequenzen  aus  diesem  Beschluß  auch  organisatorisch  nicht  furchten  dürfen.  Die  Partei 
darf keine sozial-revolutionären Tendenzen in ihren Reihen dulden. 
Zweitens, daß dieser unser Beschluß keineswegs gefaßt wurde, weil wir uns einbilden, durch 
einen  solchen  Beschluß  die  Gefahr  eines  Verbots  der  Partei  abwenden  zu  können,  weil  wir 
uns  etwa  einbilden,  uns  durch  einen  solchen  Beschluß  in  den  Augen  der  Bourgeoisie 
„angenehmer“ zu machen. 
Drittens,  daß  unser  Beschluß  im  Gegenteil  dazu  dienen  soll,  unsere  Partei  „unangenehmer“ 
für  die  Bourgeoisie  zu  machen,  indem  nämlich  durch  unseren  Beschluß  gegen  den 
individuellen Terror alle Kräfte der Partei konzentriert und gelenkt werden auf das Gebiet des 
revolutionären Massenkampfes. 
Diese  Steigerung  des  revolutionären  Massenkampfes  -  das,  Genossen,  ist  das  wirkliche 
„Unangenehme“ für die Bourgeoisie! 
Wir sollen, indem wir individuelle terroristische Handlungen und überhaupt leichtfertige und 
abenteuerliche  putschistische  Stimmungen  in  unserer  Bewegung  schonungslos  bekämpfen, 
zugleich  dafür  sorgen,  daß  der  Bourgeoisie  keine  leichten  Handhaben  für  ein  Verbot  der 
Partei gegeben werden. 
Wir  müssen  von  jedem  Kommunisten  die  strengste  Vorsicht,  die  eisernste  Disziplin 
verlangen, um den Kampf der Partei für ihre Legalität soweit nur möglich zu erleichtern. Wir 
müssen einen ständigen Kampf, besonders unter den Millionenmassen für die Erhaltung der 
Legalität der Partei entfalten. 
Aber das ist bei unserer Ablehnung des individuellen Terrors nicht das Ausschlaggebende. 
Lenin lehrt uns vollkommen deutlich, daß wir Kommunisten gegen den individuellen Terror 
nicht  aus  einer  lakaienhaften  friedfertigen  Gesinnung  gegenüber  der  Bourgeoisie  sind, 
sondern  weil  diese  unsere  Auffassung  den  wirklichen  Interessen  des  revolutionären 
Massenkampfes entspricht. 
Genosse Lenin schrieb im Juli 1917, also in der Zeit der Vorbereitung des Oktober, über die 
Aufgaben der russischen Bolschewiki: 
 
„Die Partei der Arbeiterklasse muß, ohne die Legalität preiszugeben, aber ohne diese auch nur einen 
Augenblick zu überschätzen, die legale Arbeit mit der illegalen vereinigen, wie in den Jahren 1912 bis 
1914. 
Nicht  eine  Stunde  lang  die  legale  Arbeit  im  Stich  lassen,  aber  auch  an  die  konstitutionellen  und 
„friedlichen“ Illusionen nicht glauben. )Sofort überall und für alles illegale Organisationen oder Zellen 
gründen, für die Herausgabe von Flugblättern usw.) Sich sofort umstellen, konsequent, beharrlich, auf 
der ganzen Linie.“ 
 
Zweifelsohne  haben  wir  eine  Reihe  von  Entgleisungen  in  der  Richtung  falscher 
Legalitätstendenzen.  Ich  nenne  nur  opportunistische  „legalistische“  Erklärungen  bei 
Zeitungsverboten, die einer revolutionären Partei unwürdig sind. 
 
Kampf gegen das Lockspitzelunwesen 
 
Das wichtigste Gebiet, auf dem wir sofort und mit größtem Nachdruck eine völlige Wendung 
vollziehen  müssen,  ist  der  Kampf  gegen  das  Lockspitzelwesen,  gegen  Provokationen  und 
gegen  Leichtfertigkeit.  Ich  will  hier  nur  einige  Punkte  berühren.  Wir  müssen  schonungslos 

mit  der  Ideologie  brechen,  als  ob  bestimmte  „Unglücksfälle“,  das  „Auffliegen“  von 
revolutionären  Arbeitern,  das  zu  ihrer  Maßregelung  durch  ihre  Unternehmet  führt  usw.,  in 
manchen Fällen nicht die Folge von Spitzelei wäre. Eine solche bequeme Einstellung, als ob 
nur Zufälle die Ursache solchen Auffliegens wären und nicht, wie es in den meisten Fällen ist, 
Spitzelei  und  Verrat,  muß  ausgemerzt  werden.  Wir  müssen  wissen,  daß  überall  da,  in  neun 
von zehn Fällen, Verrat im Spiele ist. Nur wenn wir von dieser Auffassung ausgehen, werden 
wir die genügende Wachsamkeit zur Aufdeckung solcher Spitzeleien aufbringen können. 
Ein zweiter Punkt ist die Notwendigkeit, in allen Fällen, wo es gelingt, Spitzel zu entlarven, 
dies in breitester Öffentlichkeit auszunutzen. 
Eine  dritte  Frage  ist  die  Erziehung  unserer  Parteigenossen  zur  größten  Vorsicht  gegenüber 
den  Versuchen  des  Klassenfeindes,  gegnerischer  Parteien  usw.,  ihre  Dienste  zu  gewinnen, 
wobei man häufig Unerfahrenheit, materielle Not und nicht zuletzt auch innerparteiliche und 
persönliche  Fragen  ausnutzt.  Eine  große  Rolle  bei  den  Methoden  der  Bourgeoisie, 
Provokateure  in  unseren  Reihen  einzuschmuggeln,  spielt  ja  überhaupt  die  Ausnutzung 
innerparteilicher und persönlicher Differenzen. 
Vierte  Frage:  Schärfster  Kampf  gegen  die  Schwatzhaftigkeit  in  unseren  Reihen,  gegen  die 
kleinbürgerliche  und  sentimentale  Vertrauensseligkeit  gegenüber  feindlichen  Parteien  usw. 
Nicht deshalb, weil ich zu einem Genossen Vertrauen habe und ihn schon lange kenne, kann 
ich  sicher  sein,  daß  er  nicht  zum  Verräter  wird,  sondern  nur  dann  kann  es  eine  solche 
Sicherheit  geben,  wenn  eine  organisierte  Kontrolle  besteht  und  diese  Kontrolle  seine 
Zuverlässigkeit ergibt. 
Fünfte  Frage:  Klares  Verständnis,  daß  die  Provokation,  das  Lockspitzelwesen  einen 
zwangsläufigen  Bestandteil  im  System  der  Bourgeoisie  zur  Zersetzung  der  revolutionären 
Arbeiterbewegung darstellt, und daß infolgedessen der Kampf gegen dieses Lockspitzelwesen 
einen  täglichen  Bestandteil  unseres  revolutionären  Klassenkampfes  gegen  den  Kapitalismus 
darstellen muß. 
Wie bedeutungsvoll diese Frage ist, das ergab sich bei verschiedenen Anlässen in der letzten 
Zeit. 
Als der ungarische Weißgardist und Faschist Matuska seine Eisenbahnattentate bei Jüterbog 
und  in  Ungarn  vollführt  hatte,  zeterte  die  gesamte  Presse  Deutschlands,  Ungarns,  und 
Österreichs  über  kommunistische  Attentate.  Die  Blätter  der  Nazis  und  der  SPD  schlugen  in 
dieselbe  Kerbe.  Der  schmutzige  Verleumder  Heilmann  wagte  es,  neben  anderen,  das 
Jüterboger Attentat uns in die Schuhe zu schieben. 
Diese Angelegenheit, oder die Sprengstoffdiebstähle, oder sonstige individuellen Handlungen 
werden regelmäßig der Kommunistischen Partei zur Last gelegt. Es ist ja auch bekannt, daß 
sehr  häufig  in  provokatorischer  Weise  derartige  Dinge  direkt  im  Auftrage  unserer  Feinde 
organisiert werden, um sie nachher der proletarischen Partei zu unterschieben. 
Ich erinnere hier nur an das, was Genosse Jaddasch unlängst in Braunschweig aufgedeckt hat. 
In  dem  Maße,  wie  wir  diese  Aufgabe  höchster  Wachsamkeit  lösen,  werden  wir  auch  auf 
diesem Gebiete einen Schritt vorwärts in der Bolschswisierung unserer Partei machen und uns 
gegen die Anschläge des Klassenfeindes sichern. 
 
V. Entschlossene Wendung auf dem Gebiet 
unserer Agitation und Propaganda 
 
Zum Schluß, Genossen, einige Worte über die Methoden unserer Agitation und Propaganda. 
Auch  auf  diesem  Gebiet  müssen  wir  einen  entschlossenen  Schritt  vorwärts  machen.  Ich 
beginne mit den Fragen der Propaganda. Über die großen Mängel des allgemeinen politisch-
ideologischen Niveaus unserer Partei und die falsche Behandlung der theoretischen Probleme 
habe ich bereits gesprochen. Eine entschlossene Wendung auf diesem Gebiet muß vor allem 

auch  die  Frage  der  gesamten  Proparbeit,  nicht  zuletzt  der  Schulungs-  und  Erziehungsarbeit 
umfassen. 
Unsere  Proparbeit  war,  von  den  politischen  Fehlern  abgesehen,  abstrakt  und  losgelöst  vom 
revolutionären  Leben  der  Partei  und  ihren  Aufgaben.  Die  Schulungsarbeit  wurde  in  ihrem 
Schwergewicht  in  die  Wohnorganisationen  verlegt,  ließ  brennende  Probleme  des 
Klassenkampfes  außer  Betracht  und  war  unfähig,  eine  wirkliche  Massenpropaganda,  die 
Millionen erfaßt, in die Wege zu leiten. 
Es gab sogar Tendenzen, die Proparbeit gegenüber allen anderen Parteiressorts „selbständig“ 
zu  machen.  Statt  als  Achse  der  Propagandaarbeit  die  Durchdringung  der  Partei  und  darüber 
hinaus der Massen mit der leninistischen Theorie an Hand der Beschlüsse der Partei und der 
Komintern  anzusehen,  hat  unsere  Proparbeit  in  überheblicher  Weise  den  Versuch  gemacht, 
mit  eigenen  Formulierungen  manchmal  direkt  in  einer  gewissen  Konkurrenz  zur 
Parteiführung  unsere  Linie  zu  korrigieren.  Ich  erinnere  an  Emel,  der  auf  diesem  Gebiete 
besondere  Leistungen  vollbrachte.  Die  Schulungsarbeit  war  zu  einem  gewissen  Teil 
akademisch und ging nicht in genügendem Maße von einer wirklich praktischen Anwendung 
der dialektischen Methode aus. 
Die  Folge  dieser  Schwächen  in  der  Proparbeit,  der  undialektischen  Methode  und  der 
kleinbürgerlichen  Überheblichkeit  war,  daß  nicht  nur  die  Ausbildung  von 
Arbeiterpropagandisten  in  dem  vom  Standpunkt  der  revolutionären  Entwicklung 
erforderlichen Maße unterblieb, sondern auch die Anziehungskraft der Partei auf radikalisierte 
Teile  der  Intellektuellen,  Studenten,  Lehrer,  Ärzte,  Schriftsteller,  Ingenieure,  Techniker, 
unausgewertet blieb. 
 
Worin muß die Wendung in unserer Proparbeit bestehen? 
 
Worin muß die entscheidende Wendung bestehen? 
1. Unsere Proparbeit muß ein wirklicher Teil der gesamten revolutionären Arbeit und Politik 
der  Partei  werden.  Sie  muß  der  Durchdringung  der  Partei  mit  ihren  Beschlüssen,  der 
Auswertung  der  Beschlüsse  und  der  Selbstverständigung  der  Partei  über  die  Beschlüsse 
dienen.  Sie  muß  die  Kampagnen  der  Partei  vom  Propagandistischen  her  theoretisch  und 
ideologisch fundieren. 
2.  Unsere  Proparbeit  muß  Massencharakter  annehmen,  das  heißt,  in  ihrem  Mittelpunkt  muß 
der  politische  Schulungstag  der  Partei  stehen,  dessen  Schwergewicht  wiederum  bei  den 
Betriebszellen  zu  liegen  hat.  Die  Proparbeit  muß  in  die  Breite  wachsen,  indem  sie  sich  das 
Ziel  stellt,  Zehntausende  von  Arbeiterpropagandisten  heranzuschulen,  die  als  Polleiter  der 
Betriebszellen,  als  rote  Betriebsräte,  als  Führer  der  Opposition  in  reformistischen  oder 
sonstigen  Massenorganisationen  oder  als  Führer  in  den  mit  uns  sympathisierenden 
Massenorganisationen wirken können. 
3. Unsere Proparbeit muß in die Tiefe wachsen, insofern sie durch ihre enge Verbindung mit 
der revolutionären Praxis der Partei und völlige Unterstellung unter die Parteiführung zu einer 
wirklichen Trägerin der Propaganda des Marxismus-Leninismus in den Reihen der Partei und 
des Proletariats wird. Die Proparbeit muß sich im Sinne des Briefes des Genossen Stalin und 
unserer  ideologischen  Offensive  das  Ziel  stellen,  die  Partei  von  unten  bis  oben  gegen  alle 
antileninistischen  feindlichen  Einflüsse  durch  theoretische  Festigkeit  und  Sicherheit  zu 
schützen. 
4.  Unsere  Proparbeit  muß  von  den  Bedürfnissen  der  gegenwärtigen  Situation  beherrscht 
werden,  das  heißt,  sich  auf  das  verschärfte  Studium  des  täglichen  Kampfes  um  den 
revolutionären Ausweg aus der Krise einzustellen. Sie muß also die Partei und das Proletariat 
instand  setzen,  mit  der  bankrotten  Ideologie  der  Bourgeoisie,  Sozialdemokratie  und  des 
Hitler-Faschismus  Abrechnung  zu  halten  und  die  Betrugsmanöver  der  SPD  zu  zerschlagen. 
Sie muß den Kadern der Partei die ideologische Festigkeit für die Zerschlagung aller Manöver 

des  Klassenfeindes  und  für  die  siegreiche  Offensive,  den  verschärften  prinzipiellen  Kampf 
gegen Bourgeoisie, Sozialdemokratie und Nazis vermitteln. 
Soviel zur Frage der Proparbeit. 
Wie  steht  es  mit  dem  Gebiet  der  Agitation?  Zweifelsohne  haben  wir  bei  verschiedenen 
Kampagnen einige Fortschritte auf diesem Gebiete zu verzeichnen. 
Die beste Wahlkampagne, die wir zum Beispiel in letzter Zeit durchgeführt haben, war die der 
Reichstagswahlen  vom  14.  September  1930.  Heute  aber  müssen  wir  feststellen,  daß  in  den 
Methoden unserer Agitation wieder ein großer Schematismus eingerissen ist. An Stelle einer 
dialektischen  Durchdringung  von  Propaganda  und  Agitation  herrschte,  dank  den 
Selbständigkeitstendenzen  unserer  früheren  Propabteilung,  eine  Zerreißung  dieser 
miteinander  verbundenen  Arbeitszweige  bis  hinunter  in  die  untersten  Parteieinheiten.  Der 
Schwerpunkt  der  Agitarbeiten  liegt  heute  nicht  in  den  Betrieben,  sondern  in  den 
Wohnorganisationen.  Das  zeigte  sich  zum  Beispiel  auch  sehr  stark  bei  dem  Hamburger 
Wahlkampf, wo in den  Betrieben keine  genügende Agitation gemacht  wurde. Die  Agitation 
trägt vielfach einen phrasenhaften und unkonkreten Charakter und geht nicht vom Streik und 
den übrigen Massenaktionen aus. In der Praxis der Agitation zeigt sich vielfach die Linie des 
geringeren  Widerstandes.  In  der  Entwicklung  neuer  Methoden  der  Agitproparbeit  ist  ein 
gewisser  Stillstand  eingetreten,  eine  ungenügende  Einstellung  darauf,  auch  vom  Gegner  zu 
lernen. 
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? 
Erstens:  Unsere  gesamte  Agitation  muß  in  den  Dienst  der  strategischen  Hauptaufgabe,  der 
Gewinnung der Mehrheit des Proletariats für den Kampf um die proletarische Macht gestellt 
werden. 
Da  diese  strategische  Hauptaufgabe  nur  gelöst  werden  kann  auf  der  Linie  einer  Politik,  die 
alle  Formen  des  proletarischen  Widerstandes  gegen  die  Offensive  der  Bourgeoisie  entfaltet 
und  die  Massen  zum  Kampf  gegen  jeden  imperialistischen  Weg  aus  der  Krise  erzieht  und 
mobilisiert, mit dem Ziel, diesen Kampf in den revolutionären Kampf für den proletarischen 
Ausweg  überzuleiten,  so  muß  auch  unsere  Agitation  von  diesen  Gesichtspunkten  getragen 
sein.  Mit  anderen  Worten:  Die  Agitation  muß  sich  um  eine  zentrale  Achse  gruppieren.  Das 
gilt  bereits  von  den  jetzigen  Kampagnen  bei  den  Präsidentschafts-  und  Preußenwahlen,  das 
gilt  vom  kommenden  Internationalen  Frauentag  und  vom  1.  Mai,  vom  Internationalen 
Jugendtag usw. 
Welches muß diese zentrale Achse sein? 
Die Antwort wird durch unsere Politik gegeben. Wir haben die akute Kriegsgefahr im Osten. 
Die  zentrale  Achse  unserer  Politik  muß  deshalb  sein:  Kampf  für  die  Verteidigung  der 
Sowjetunion  und  Sowjetchinas,  Kampf  gegen  das  imperialistische  Kriegsverbrechen  durch 
den  Kampf  im  eigenen  Lande  für  den  revolutionären  Ausweg,  für  den  Sozialismus.  Die 
Gegenüberstellung  des  bankrotten  Kapitalismus  und  des  aufsteigenden  überlegenen 
Sozialismus ist mit dieser zentralen Linie aufs engste verbunden. 
Und  welches  ist  die  Kampflosung,  die  sich  als  Mittelpunkt  unserer  gesamten  Agitation  und 
Propaganda ergibt? 
Ich glaube, Genossen, diese Losung kann nur lauten: Gegen die Diktatur der Bourgeoisie, für 
die Diktatur des Proletariats! 
Zweitens:  Unsere  Agitation  muß  den  stärksten  Nachdruck  darauf  legen,  die  immer  geringer 
werdenden  Möglichkeiten  der  Massenagitation  durch  die  Tagespresse  mit  einer  möglichst 
breiten  und  umfassenden  sonstigen  Massenagitation  zu  ergänzen.  Der  größtmöglichste 
Ausbau  unserer  Betriebspresse,  der  massenmäßige  Ausbau  unseres  Literaturvertriebes,  vor 
allem  an  Broschürenliteratur,  mit  dem  Ziel  eines  Umsatzes  von  mindestens  zehn  Millionen 
Massenbroschüren  pro  Jahr,  die  stärkere  Verbreitung  auch  anderer  als  der  Tageszeitungen  - 
das alles gehört zu diesem Gebiet unserer Agitationsaufgaben. 
 


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