Ernst Thälmann Reden und Aufsätze
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Revolutionäre Einheitsfrontpolitik von unten - das Hauptkettenglied unserer Politik
Und nun die sechste und letzte Frage, die ich in diesem Zusammenhang erörtern will: Die Frage der revolutionären Einheitsfrontpolitik von unten. Wir sagen in unserer Resolution, daß die revolutionäre Einheitsfrontpolitik das Hauptkettenglied der proletarischen Politik in Deutschland darstellt. Genossen, eine solche Formulierung wiegt sehr schwer. Wir haben sie mit reiflicher Überlegung gewählt, um die große Bedeutung der revolutionären Einheitsfrontpolitik von unten für die Entfaltung des Massenkampfes und für die Steigerung der Voraussetzungen einer revolutionären Krise in Deutschland zu unterstreichen. Theoretisch herrscht in unseren Reihen Klarheit über die Frage der Einheitsfrontpolitik. Aber in der Praxis gibt es eine Fülle von Fehlern. Der Hauptfehler ist hier, wie auf allen Gebieten, die opportunistische Verfälschung der Einheitsfrontpolitik. Damit verbunden ist die Vernachlässigung oder Negierung der Einheitsfrontpolitik. Auch das gibt es leider noch immer. Nehmen wir ein Beispiel: In einem Aufruf der „Roten Fahne“, der in einzelnen Provinzzeitungen fälschlich als Aufruf des Zentralkomitees bezeichnet wurde, wurde die Losung der „Roten Einheitsfront“ plötzlich durch „Rote Arbeiterfront“ ersetzt. „Rote Arbeiterfront“ als besondere agitatorische Formulierung, die gelegentlich neben der Hauptlosung der „Roten Einheitsfront“ verwandt wird -, das ist absolut zulässig. Aber „Rote Arbeiterfront“ als zentrale Losung an Stelle von „Rote Einheitsfront“, das hieße, die Basis unserer Politik verengern, auf die Anknüpfung an den stürmischen Willen der Massen zur Einheit verzichten, und damit uns selbst einer wichtigen revolutionären Waffe entledigen. Das kommt nicht in Frage. Wir mußten das also korrigieren. Das Verständnis für die wirkliche revolutionäre Einheitsfrontpolitik ist praktisch bei uns viel weniger entwickelt, als dies nach der theoretischen Anerkennung dieser Politik durch die gesamte Partei der Fall sein müßte. Gute und schlechte Beispiele der Einheitsfrontpolitik Einige besondere Beispiele aus der Praxis über gute und schlechte Einheitsfrontpolitik. Im Bezirk Niederrhein hatten unsere Genossen in Schwelm eine Einheitsfrontaktion mit der SPD eingeleitet, wobei sie eine stark opportunistische Note eingeschlagen hatten. Es sollte eine gemeinsame Kundgebung stattfinden, in der eine Plattform für die Einheitsfrontaktion vorgelegt werden sollte. Die Bezirksleitung, unter Führung des Genossen Schulte, arbeitete eine scharfe und prinzipielle Plattform aus und schickte als Referentin mit dieser Plattform die Genossin Torhorst, die vor etwa einem halben Jahr den Bruch mit der Sozialdemokratie vollzogen hat, nach Schwelm. Was geschah? Unsere dortige Ortsgruppe war in ihrer Mitgliederversammlung über die Schärfe unserer Plattform erschrocken. Sie wollten am liebsten die ganze öffentliche Kundgebung ausfallen lassen. Die Genossin Torhorst mußte einen Kampf mit den übrigen Genossen hart durchfechten. Dann fand die öffentliche Kundgebung statt. Und es gab einen riesigen, überraschenden, einheitlichen Erfolg für uns. Die überwiegende Mehrzahl der Arbeiterschaft stimmte unserer Plattform zu, obwohl diese scharf den Standpunkt des revolutionären Klassenkampfes und der revolutionären Partei herausarbeitete. Die Genossen unserer Parteiortsgruppe erklärten dann verständnisvoll: jawohl die Bezirksleitung hat recht gehabt, wir waren im Irrtum, wir haben die Stimmung der Massen falsch eingeschätzt und Angst vor einer wirklich revolutionären Politik gehabt. Ich glaube, Genossen, dieses Beispiel ist besonders interessant und lehrreich. Umgekehrt gibt es auch viele negative Beispiele. Ich will hier nur eines anführen: Unsere Ortsgruppenleitung von Waldheim in Sachsen, Unterbezirk Chemnitz, schrieb am 20. Dezember einen Einheitsfrontbrief an die SPD-Ortsgruppe bzw. deren Leitung. Dies war keine wirkliche revolutionäre Einheitsfrontpolitik, sondern eine opportunistische Entgleisung. Die SPD, die die Vorschläge ablehnte, berief sich dabei auf die Stellung der KPD zur SPD, als dem Hauptfeind im Lager des Proletariats. Unsere Genossen haben ihren Fehler später korrigiert und unsere revolutionäre Linie in ihrer Praxis wieder eingeschlagen. Was heißt revolutionäre Einheitsfrontpolitik? Revolutionäre Einheitsfrontpolitik durchführen, das heißt schonungslosen Kampf gegen die Sozialfaschisten aller Schattierungen betreiben, vor allem gegen die gefährlichsten „linken“ Spielarten des Sozialfaschismus, gegen die SAPD, gegen die Brandler-Gruppe und ähnliche Cliquen oder Richtungen. Revolutionäre Einheitsfrontpolitik betreiben, das heißt wirklich unten in den Betrieben und auf den Stempelstellen die Massen zum Kampf mobilisieren. Revolutionäre Einheitsfrontpolitik - das erfordert systematische, geduldige und kameradschaftliche Überzeugung der sozialdemokratischen, christlichen und auch nationalsozialistischen Arbeiter von der Verräterrolle ihrer Führer. Die Einheitsfront kann nicht parlamentarisch durch Verhandlungen Zustandekommen. Sie kann nicht durch Abkommen mit anderen Parteien oder Gruppen Zustandekommen, sondern sie muß aus der Bewegung der Massen erwachsen und, von dieser Bewegung getragen, eine wirklich lebendige Kampffront darstellen. Gemeinsame Versammlungen der KPD mit der SPD, SAPD oder Brandlergruppe gibt es nicht, darf es nicht geben! Das bedeutet natürlich nicht, daß wir darauf verzichten, unsere bisherige Taktik fortzusetzen, wonach wir die gegnerischen Parteien zu öffentlichen Diskussionsversammlungen herausfordern, in denen wir mit ihnen sachlich und scharf abrechnen. Diese Taktik geben wir nicht auf. Aber sie hat nichts mit opportunistischen Entgleisungen, wie gemeinsame Kundgebungen ohne Kampf gegen den Sozialfaschismus oder seine „linken“ Spielarten zu tun, nichts zu tun mit der Bildung paritätischer Komitees, an Stelle der Schaffung von Einheitsfrontorganen der Massen von unten, auf der Grundlage unserer Kampflosungen. Wenn wir die revolutionäre Einheitsfrontpolitik wirklich zum Hauptkettenglied der proletarischen Politik in Deutschland machen wollen, so darf sie um keinen Preis eine blutlose Formel werden, sondern muß eine wirklich scharfgeschliffene Waffe des revolutionären Klassenkampfes sein! Genossen, bedenkt: sechs Millionen Erwerbslose in Deutschland! Lohnraub, Streikverbot, Ausplünderung der Betriebsarbeiter! Steuerwucher, Zollraub, wachsender Ruin der Mittelschichten! Sind hier nicht alle Voraussetzungen gegeben, um unter unserer Führung die großzügigste Einheitsfrontbewegung, eine wirkliche Bewegung von Millionen zu schaffen? Hier muß die Partei einen gewaltigen Schritt vorwärts machen. IV. Unsere ideologische Offensive und die bolschewistische Kritik der Mängel, Schwächen und Fehler der Parteiarbeit Genossen, ich komme nun zum letzten Hauptteil meines Referats, der sich mit der ideologischen Offensive, der Selbstkritik und sonstigen inneren Problemen unserer Partei beschäftigt. Hierbei gibt es eine Reihe von ernsten Problemen, an denen die Partei und die Parteiführung nicht vorübergehen dürfen. Ich beginne mit dem Problem der Abweichungen, vor allem des rechten Opportunismus als der Hauptgefahr in der gegenwärtigen Etappe unserer Arbeit. Wenn man sich vergegenwärtigt, welch eine Fülle von rechtsopportunistischen Entgleisungen, Abweichungen und groben Fehlern beispielsweise in einem Bezirk unserer Partei - ich meine Württemberg - nicht ohne Verschulden der damaligen dortigen Bezirksleitung möglich waren, so muß man doch stutzig werden. Betrachtet man die gesamte Partei, so stellt sich heraus, daß das Auftauchen solcher opportunistischen Abweichungen und Fehler, wenn auch nicht überall in der Häufung von Württemberg, doch eine Erscheinung darstellt, von der kein Bezirk frei ist. Wie läßt sich das erklären, Genossen? Eine solche Verstärkung der opportunistischen Abweichungen und Schwankungen bei den einzelnen Teilen unserer Partei ist eine unvermeidliche Erscheinung, die sich aus dem dialektischen Charakter des revolutionären Aufschwungs ergibt. Hätten wir eine gradlinige, aufsteigende Entwicklung zur revolutionären Krise, so würde in dem Maße vermutlich eine derartige Erscheinung ausbleiben. So aber, wo der revolutionäre Aufschwung und die Offensive der Bourgeoisie, die Faschisierung, die Anschläge des Finanzkapitals und das Betrugsmanöver der Sozialdemokratie sich schneiden, wo die Erbitterung des Klassenkampfes ständig zunimmt, wo wir in diesem Prozeß ein Hin und Her, ein Auf und Ab zu verzeichnen haben, ist es klar, daß das Eindringen bürgerlicher, sozialdemokratischer Einflüsse in die Reihen des revolutionären Proletariats unvermeidlich erfolgen muß. Nehmen wir vor allem die Betrugsmanöver der Sozialdemokratie: Ist es nicht klar, daß sie auch auf die klassenbewußte Arbeiterschaft und ihre Avantgarde, die Kommunistische Partei, einwirken müssen? Leider ist es so. Die Praxis bestätigt das. Die Waffe der bolschewistischen Selbstkritik Haben wir rechtzeitig diese Gefahr erkannt und unsere Gegenmaßnahmen getroffen? Haben wir ständig in unseren Reihen den stärksten bolschewistischen Kampf gegen alle Abweichungen und Schwankungen, gegen alle Schwächen und Fehler eröffnet? Haben wir dafür Sorge getragen, daß mit der Waffe der bolschewistischen Selbstkritik jede solche Schwäche schonungslos aufgedeckt wurde, um dadurch die Partei vor Fehlern zu sichern und ihre Arbeit zu verbessern? Haben wir jene bolschewistische Unversöhnlichkeit in unseren Reihen wachgehalten, die das Gegenstück zu einem sogenannten faulen Liberalismus, das heißt zu einer versöhnlichen Duldsamkeit gegenüber Abweichungen und Fehlern, darstellt? Genossen, man muß mit allem Ernst und mit allem Nachdruck konstatieren: Die Partei - und das gilt auch für die Parteiführung - hat eine Zeitlang die Zügel leider schleifen lassen. Man muß deshalb folgendes feststellen: 1. Die Partei hat in der Vergangenheit - ich spreche von der Periode nach dem Maiplenum des ZK - den Kampf gegen den rechten Opportunismus als die Hauptgefahr und gegen linkssektiererische Tendenzen vernachlässigt und unterschätzt. 2. Die Partei hat ihre eigenen Kräfte und die Qualität ihrer Arbeit unterschätzt und ist dadurch in einen gewissen Zustand der Duldsamkeit gegenüber Schwächen und Fehlern in der Arbeit verfallen. 3. Die Partei hat die Arbeit an der theoretischen Front vernachlässigt, so daß die Einheit zwischen dieser theoretischen Arbeit und der Praxis der Partei nicht gewahrt blieb. 4. Die Partei hat die Waffe der bolschewistischen Selbstkritik unterschätzt und nicht mit genügender Schärfe zur Verbesserung der Arbeit angewandt. 5. Das innere Leben der Partei, die Kontrolle von unten und oben, war nicht von dem notwendigen Geist einer unbedingten bolschewistischen Wachsamkeit erfüllt, die die unerläßliche Voraussetzung für eine gesunde Parteientwicklung ist. 6. Es gab statt dessen in der Partei gewisse Erscheinungen einer politischen Zweideutigkeit und doppelten Buchführung: Anerkennung der Parteiführung und ihrer Beschlüsse mit Worten, aber keine Durchführung der Beschlüsse und keine genügende Unterstützung der Parteiführung in der Praxis. Genossen, es ist klar, wenn man derartige Feststellungen über unsere Partei trifft, so hat das eine schwerwiegende Bedeutung. Man kann derartig ernste Vorwürfe, ich möchte beinahe sagen Anklagen, nicht erheben, wenn man nicht gewichtige Gründe dafür hat. Aber, Genossen, man muß es hier ganz offen aussprechen: Das Eingreifen des Zentralkomitees, die Eröffnung der ideologischen Offensive mit unserem Beschluß gegen die Duldung falscher Auffassungen an der theoretischen Front, mit verschiedenen offiziellen Leitartikeln des Zentralkomitees in der Parteipresse und mit dem Artikel in der „Internationale“ war eine unbedingte Notwendigkeit. Hätten wir nicht eingegriffen, hätten wir nicht diese ideologische Offensive eröffnet, die selbstverständlich auch heute noch erst einen Beginn darstellt und weitergeführt werden muß, so hätte die deutsche Partei sehr leicht in eine schwierige Lage kommen können. Man muß aussprechen, daß in der Partei ein solcher Zustand vorhanden war, wo die Entstehung größerer innerer Schwierigkeiten nicht außerhalb des Bereichs der Möglichkeiten lag. Wir hatten eine solche Lage in der Partei: Seit dem Weddinger Parteitag, seit der Zerschlagung der versöhnlerischen Gruppen und der Ausmerzung der rechten Liquidatoren, gab es bei uns die Auffassung, daß die errungene Einheitlichkeit und innere Geschlossenheit der Partei an und für sich schon eine Garantie gegen Abweichungen und Fehler darstelle. Die Tatsache, daß auf Grund dieser Einheitlichkeit der Partei neue ernsthafte Gruppierungen nicht mehr möglich waren, wie es der Fall Merker bewiesen hat, führte zu einer Unterschätzung der Notwendigkeit eines dauernden unversöhnlichen bolschewistischen Zweifrontenkampfes innerhalb der Partei gegen die rechte Hauptgefahr und „linke“ Tendenzen. Eine solche Einstellung mußte zur Einschläferung, zum Mangel an unversöhnlicher bolschewistischer Wachsamkeit führen. Was war die Folge: Das innere Leben der Partei widerspiegelte in letzter Zeit nicht mehr jene ständige, aktive Teilnahme der Gesamtpartei von unten bis oben an der Sicherung der Klassenlinie, an der Herausarbeitung und Lösung der schwierigen und komplizierten politischen Probleme, an der Durchführung der gefaßten Beschlüsse. Man kann beinahe sagen, daß es in der Partei eine solche Stimmung gab: Wir sind eine einheitliche Partei, also kann man die große Politik nur dem Zentralkomitee überlassen. Das muß aber sowohl zu einer Vernachlässigung und Beschneidung der Masseninitiative bei der Herausarbeitung der Politik der Partei, zu einer Senkung des politischen Niveaus der Partei, zu einer ideologischen Bequemlichkeit führen, als auch zu einer Abkapselung der theoretischen Arbeit von der revolutionären Praxis. Trotzdem hat die Partei große positive Erfolge und unverkennbare Fortschritte zu verzeichnen: Fortschritte auf zahlreichen Gebieten. Erfolge im Klassenkampf gegen die Bourgeoisie. Erfolge im Kampf gegen SPD und Hitler. Über das allgemeine politisch-ideologische Niveau der Partei Das politisch-ideologische Niveau der Partei aber in ihrer Gesamtheit ist nicht befriedigend. Ich will nur eine Tatsache zum Beweis anführen: Wie groß sind die Möglichkeiten, die sich für den prinzipiellen Kampf unserer Partei gegen den Klassenfeind, gegen die Bourgeoisie und Sozialdemokratie und auch den Hitler-Faschismus auf Grund des Niederganges der ganzen kapitalistischen Welt ergeben? Wie groß sind die Möglichkeiten, die sich aus klarer und richtiger Erkenntnis der marxistisch-leninistischen Theorie und des Bankrotts des ganzen bürgerlich-sozialdemokratisch-faschistischen Plunders an sogenannten Theorien ergeben? Nehmen wir die Krise, nehmen wir die Frage des Staates, nehmen wir die Wirtschaftsdemokratie oder irgendeinen beliebigen anderen Fragenkomplex: Unsere Partei müßte auf allen diesen Gebieten der prinzipiellen Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus und seinen Verteidigern geradezu eine sieghafte Offensive, einen unaufhaltsamen Triumphzug entfalten. Geschieht das etwa, Genossen? Es geschieht nicht. Hier muß man aussprechen, was ist. Es zeigt sich, daß unsere Genossen ideologisch nicht reif genug, nicht fest genug sind, um die Überlegenheit ihrer Position mit der Waffe des wissenschaftlichen Sozialismus in der gesamten Propaganda auszunutzen. Die Ursachen liegen auf der Hand. Wir haben in der letzten Zeit einen großen Umschichtungsprozeß in der KPD zu verzeichnen, ein riesiger Prozentsatz unserer Funktionäre und aktiven Genossen besteht aus Parteimitgliedern, die noch nicht sehr lange in unserer Bewegung stehen. Das hat auch seine großen Vorteile, weil diese Genossen oft unverbrauchter, frischer und aktiver in der revolutionären Arbeit sind, als mancher alte Parteihengst. Aber es hat auch seine Nachteile: Selbstverständlich können diese Genossen noch nicht eine so starke ideologische Festigung und politische Schulung haben wie ein Funktionär, der seit zehn oder zwölf Jahren die Entwicklung der Partei, ihre inneren Kämpfe und Auseinandersetzungen mitgemacht hat, obwohl auch das bekanntlich nicht vor Abweichungen schützt. Jedenfalls müssen wir aussprechen, daß das allgemeine politisch-ideologische Niveau der Partei unzulänglich ist. Das gilt nicht nur für die unteren Kader, sondern zum Teil auch für höhere Funktionäre der Partei Bei vielen führenden Genossen in den Bezirken müssen wir feststellen, daß sie ein mangelndes Interesse für ihre eigene theoretische Fortbildung an den Tag legen. Das ist die eine Seite. Die andere Seite besteht darin, daß die theoretische Arbeit, weil sie nicht mit dem Gesamtorganismus unserer Partei und ihrer revolutionären Praxis genügend verbunden war, in einer unzulänglichen Weise durchgeführt wurde. Genosse Stalin hat in seinem Brief an die Redaktion der Zeitschrift „Proletarische Revolution“ einen sehr treffenden Ausdruck geprägt: Archivratten. Das sind solche Leute, die überall nur nach „Papierchen“ herumstöbern, statt die lebendige Praxis einer revolutionären Partei zu betrachten. Vernachlässigung der Arbeit an der theoretischen Front Genossen, bei uns gab es einen sogenannten marxistisch-leninistischen Zirkel, der jede Woche einmal oder zweimal in irgendeinem Cafe oder sonstwo zusammenkam und dort „theoretische Diskussionen“ durchführte. Das Ergebnis war vielfach das, was wir im „Propagandist“ zu lesen bekamen. Eine derartige Abkapselung theoretischer Arbeit vom wirklichen Leben der revolutionären Partei einerseits und eine mangelnde Kontrolle über diese theoretische Arbeit durch die Parteiführung andererseits - das ergibt in der Praxis die Züchtung von „Archivratten“. Daß wir in der Vergangenheit diese theoretische Arbeit der Partei nicht immer so gründlich kontrolliert haben, wie es notwendig gewesen wäre, ist ein Vorwurf, der die ganze Partei und auch das Zentralkomitee und die Parteiführung trifft. Um so notwendiger war es, entschieden einzugreifen und den Kampf an der theoretischen Front aufzunehmen, wie das schon in der letzten Zeit durch verschiedene Maßnahmen geschehen ist. Dieses Eingreifen war notwendig, auch wenn es bedauerlicherweise bei einzelnen Genossen in der Partei Stimmungen gab, in denen sich ein mangelndes Verständnis für die Wichtigkeit dieser Arbeit ausdrückt. Im Anfang, bei der Umstellung dieser Arbeit, der Methoden und der neuen Problemstellung einiger Fragen werden Fehler unvermeidlich sein. Solche Fehler müssen wir, wenn wir sie finden, öffentlich feststellen und sie beseitigen. Genosse Stalin sagte in den „Problemen des Leninismus“: „Die Theorie ist die Erfahrung der Arbeiterbewegung aller Länder, in ihrer allgemeinen Form genommen. Allerdings wird die Theorie gegenstandslos, wenn sie nicht verknüpft ist mit der revolutionären Praxis, genau so, wie die Praxis blind ist, wenn ihr Weg nicht durch die revolutionäre Theorie erhellt wird… Kein anderer als Lenin wiederholte dutzende Male den bekannten Grundsatz: ‚Ohne revolutionäre Theorie kann es keine revolutionäre Bewegung geben.’“ Das sagen Lenin und Stalin. Jede Gegenüberstellung von ideologischer Offensive und revolutionärer Praxis, von der auch unsere Partei nicht verschont blieb, widerspricht dem Grundsatz des Leninismus über die untrennbare Einheit von Theorie und Praxis. Leider gab es in dieser wichtigen Frage nicht immer sofort eine völlige Übereinstimmung. Es gibt übrigens noch ganz andere Auffassungen zur Frage der ideologischen Offensive. Ein Genosse hat in einem Bezirk in der Diskussion sogar die Auffassung vertreten, es handle sich hier um einen Konkurrenzkampf zwischen der „Internationale“ und dem „Propagandist“ wegen der Auflagenhöhe. Das steht ungefähr auf den gleichen Niveau, wie ein anderes Argument, das auch von einem Genossen gebraucht wurde, daß die Partei nämlich ihren Beschluß gegen den individuellen Terror gefaßt habe, weil die Rote Hilfe nicht mehr die Kosten für die vielen Prozesse aufbringen könne. Ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis Wenn solche Auffassungen hier und da in der Partei, wenn auch vereinzelt, auftreten, dann muß die ideologische Offensive noch weit mehr entfaltet werden. Man muß mit aller Schärfe Klarheit darüber schaffen, daß ohne eine solche ernste ideologische Erziehungsarbeit in der Partei unmöglich die praktische Arbeit der Partei auf allen Gebieten verbessert und auf die Höhe ihrer Aufgaben geführt werden kann. Lenin sagt in seiner Schrift „Staat und Revolution“ folgendes: „Indem der Marxismus die Arbeiterpartei erzieht, erzieht er die Avantgarde des Proletariats, die befähigt wird, die Macht zu ergreifen und das ganze Volk zum Sozialismus zu führen, die neue Ordnung zu leiten und zu organisieren, Lehrer, Leiter, Führer aller Werktätigen und Ausgebeuteten bei der Gestaltung ihres gesellschaftlichen Lebens ohne die Bourgeoisie und gegen die Bourgeoisie zu sein.“ Hier ist mit vollendeter Klarheit dargestellt, wie die innere Erziehung der Partei im Geiste des Marxismus-Leninismus zugleich eine Erziehung der Klasse darstellt und damit erst die Partei befähigt wird, Lehrer, Leiter und Führer aller Werktätigen im Kampf für den Sozialismus zu werden. Jeder Genosse, der den Marxismus-Leninismus nicht nur mit Worten anerkennt, sondern in der Tat, muß deshalb die Bedeutung unserer ideologischen Offensive als eines unlöslichen Bestandteils unserer gesamten revolutionären Arbeit begreifen und diese Arbeit begrüßen, statt sie zu hemmen oder zu unterschätzen. Unser Kampf um die Reinheit der marxistisch- leninistischen Theorie in der Partei bedeutet zugleich praktischen Kampf für die Durchführung der Klassenlinie der Partei in den Massen. Genossen, was wir jetzt in der Partei eingeleitet haben, ist nichts anderes, als daß wir mit der Überwindung unserer Fehler und Abweichungen und mit den Verbesserungen unserer theoretischen und praktischen Arbeit auf allen Gebieten an einer neuen Schwelle in der Entwicklung der Bolschewisierung unserer Partei stehen. Es ist deshalb aus erzieherischen Gründen und im Interesse der Partei notwendig, auch auf dieser Plenartagung des Zentralkomitees einige kritische Äußerungen zu verschiedenen theoretischen Arbeiten zu machen, die in der letzten Zeit in unserem Verlag erschienen sind. Download 5.01 Kb. Do'stlaringiz bilan baham: |
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