“Gliederung der Grammatik in Morphologie und Syntax


Kapitel ll 2.1. Morphologische Mittel


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Kapitel ll
2.1. Morphologische Mittel
Morphologische Kategorie: Klassifikation morphologischer Merkmale unter
funktionalem Aspekt, z.B. Kasus, Numerus, Tempus etc. Das Ergebnis sind
Klassen von Merkmalen mit gleichen funktionalen Eigenschaften.
Morphologische Markierung: Damit werden die konkreten Morpheme bezeichnet, z.B. kann die 3. Ps.Sg. beim finiten Verb durch -et (sie redet) im Prä-
sens, durch -ete (sie redete) im Präteritum ausgedrückt werden.
Als morphologisches Merkmal bezeichnet man die Klassifikation der konkreten morphologischen Markierung, z.B. 3. Ps. Sg. Ind. Präs. Akt.
2.3.2 Verbmorphologie
2.3.2.1 Finites Verb
Die finite Kennzeichnung eines Verbs sichert seine Zuordnung zum engen Verbalkomplex.
• Person: 1., 2., 3. Ps.
• Numerus: Sg., Pl.
• Modus: Indikativ (Ind.), Konjunktiv (Konj.), Imperativ (Imp.) (!)
• Tempus: Präs., Prät., Perf., Plusquamperfekt (Pqp.), Fut. I und II.
• Genus verbi: Aktiv, Passiv.
2.3.2.2 Infinites Verb
Die infin. Kennzeichnung (→ 6.5, S. 150-155) kann, muss aber nicht Zugehö-
rigkeit zum engen Verbalkomplex ausdrücken.
• Infinitiv I (laufen)
• Partizip I (laufend) und II (gelaufen); das Partizip I rechnen wir zu den
Adjektiven (vgl. Altmann/Kemmerling 22005, S. 37)
Zugehörigkeit zum engeren V-Komplex:
(2-23) hatte gesagt gehabt (Part. II ohne Flexion, sog. »Streckform«)
Zugehörigkeit zur NP:
(2-24) Das Laufen (nominalisierter Inf.) ist gesund.
(2-25) einem geschlagenen Manne (Part. II mit adj. Flexion)
2.3.3 Nominalmorphologie
Sie tritt beim Substantiv, Adjektiv, Pronomen, Artikel und Infinitiv auf. Die Kasusmorphologie hilft bei der Festlegung der syntaktischen Funktion.
2.3.3.1 Person (Ps.)
1., 2., 3. Ps. Bei Pronomina (er, sie, es) und Rollendeiktika (ich, du, wir, ihr) in
Subjektfunktion herrscht Person-Kongruenz zwischen Subj. und finitem Verb.
2.3.3.2 Numerus (Num.)
Sg. und Pl. Numerus-Kongruenz besteht innerhalb der NP und zwischen dem
Subjekt und dem finiten Verb.
2.3.3.3 Kasus (Kas.)
Nominativ (Nom.), Genitiv (Gen.), Dativ (Dat.), Akkusativ (Akk.). Kasuskongruenz besteht innerhalb der NP; die Rektion des Verbs, des Prädikativs oder
der Präposition bestimmt den Kasus der regierten NP:
(2-26) den Hofgarten (Akk.) retten.
• Nominativ: Subjekt-NP (→ 3.2.1, S. 78f.):
(2-27) Der Mann/Er/Jener unbekannte Fremde öffnet die Türe.
– prädikative NP (→ 3.1.9, S. 75f.):
(2-28) Stefan ist ein engagierter Lehrer.
Beachte: Nominativ tritt nie aufgrund der Rektion eines Verbs oder einer
Präposition auf (ist also kein regierter Kasus).
• Genitiv: Genitivobjekt-NP (→ 3.2.2, S. 80f.):
(2-29) der Verstorbenen gedenken.
– Genitivattribut (→ 3.4.1.1, S. 92f.):
(2-30) der Wagen meiner Mutter/Egons neues Auto.
– genitivisches Adverbiale:
(2-31) eines Tages.
(2-32) wegen seines Alters (Rektion der Präposition).
• Dativ: Dativobjekt-NP (→ 3.2.3, S. 82f.):
(2-33) dem Mann helfen.
(2-34) der Polizei das Auto nehmen.
– freie Dative (→ 3.3.2, S. 89):
(2-35) Mach mir keinen Ärger! (dativus ethicus).
(2-36) Er fährt ihr das Auto in die Garage. (dativus commodi).
– Rektion der Prä-/Postposition (Adverbiale, Präpositionalobjekte):
(2-37) mit ihm.
(2-38) ihr zuliebe.
• Akkusativ: Akkusativobjekt-NP (→ 3.2.4, S. 83f.):
(2-39) jemanden lieben.
– Maßadverbiale im Akkusativ:
(2-40) den ganzen Weg laufen (wieviel laufen? Aber auch: was laufen?)
– Rektion der Prä-/Postposition (Adverbiale, Präpositionalobjekte):
(2-41) in die Gosse fallen/den Fluss entlang gehen.
(2-42) auf die Stufen achten.
2.3.3.4 Genus
Maskulinum (masc.), femininum (fem.) und neutrum (neutr.) bei Pronomina
und Artikeln. Beachte: Beim Substantiv ist Genus eine inhärente, lexikalische
Kategorie (siehe etwa Genusschwankungen wie der/das Teller). Es gibt aber
genusändernde Movierungssuffixe (z.B. -in: Lehrer-in) und genusspezifische
Nominalisierungssuffixe; so sind Substantiva auf -ung, -heit, -keit Feminina
(vgl. Altmann/Kemmerling 22005, 3.9, S.109-124). – Beim Adjektiv gibt es
zwar genusabhängige Flexionsvarianten, aber keine eigentliche Genusmorphologie.
2.3.3.5 Komparation
Positiv (schnell), Komparativ (schneller) und Superlativ (am schnellsten). Tritt
nur bei relativen Adjektiven (gut, besser, am besten) und wenigen Adverbien
auf, teilweise mit Suppletivformen (bald/eher/am ehesten, gern/lieber/am
liebsten, viel/sehr/mehr/am meisten, oft/öfter/am öftesten).
2.3.4 Morphologische Fernwirkungen
2.3.4.1 Kongruenz
Als Kongruenz bezeichnet man eine symmetrische Relation zwischen zwei
oder mehr Teilausdrücken in bestimmten Kategorien, die durch notwendige
Merkmalsgleichheit gesichert wird. Dabei können die Merkmale unterschiedlich oder auch gar nicht morphologisch realisiert sein:
– Numerus-/Personkongruenz zwischen Subjekt und finitem Verb:
(2-43) Paula (Sg., 3.Ps. nicht markiert!) liebt (3.Ps.Sg.) alle Männer.
Paula lieben (3.Ps.Pl.) alle Männer (Pl., 3.Ps. nicht markiert!).
Fehlt in diesem Fall ein Subjekt mit einem Numerusmerkmal, z.B. in unpersönlichen Konstruktionen wie mich friert oder bei einem Subjektsatz,
dann erhält das finite Verb per default die Markierung 3.Ps.Sg.
– Kasus-/Numeruskongruenz innerhalb einer NP:
(2-44) eines (Gen.Sg.) begabten (Gen.Sg.) Kindes (Gen.Sg.)
Beachte, dass begabten auch Dat.Sg.fem., Akk.Sg.masc. usw. sein könnte
und erst in der konkreten NP zu Gen.Sg.ntr. disambiguiert wird.
Kasuskongruenz in der Koordination (bei mir und meinem Freund), bei
Appositionen (die Vorschläge des Kollegen, eines scharfen Kritikers) und
Vergleichsstrukturen (den Hund als den Freund des Menschen).
In manchen Fällen gibt es Verletzungen der Kongruenzregel:
(2-45) Du (2.Ps.) und deine Frau (3.Ps.) kommt (2.Ps.)/kommen (3.Ps.)
heute nicht. (›Ihr kommt heute nicht.‹)
(2-46) 1 Kilo (Sg.) Äpfel (Pl.) kostet (Sg.) 2 Euro./2 Kilo (Sg.!) Äpfel
(Pl.) kosten (Pl.) 4 Euro.


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