Das Lächeln der Frauen
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Das Lächeln der Frauen
siebenunddreißig.« Sie nahm einen letzten Zug aus ihrer Zigarette und warf
den Stummel achtlos zu Boden. »Na, und ich bin immer noch da, was sagt man dazu? Und soll ich Ihnen mal was sagen, Kindchen? Ich genieße jeden gottverdammten Tag. Meine Mutter ist hundertzwei geworden und war fröhlich bis zum Schluß.« »Beeindruckend«, sagte ich. Sie streckte mir energisch ihre kleine Hand entgegen, die in einem schwarzen Lederhandschuh steckte. »Elisabeth Dinsmore«, sagte sie. »Aber Sie dürfen ruhig Liz zu mir sagen.« Ich ließ den Rest meiner Zigarette fallen und schüttelte ihr die Hand. »Aurélie Bredin«, stellte ich mich vor. »Wissen Sie was, Liz? Sie sind der erste Mensch, den ich auf einem Friedhof kennenlerne.« »Oh, ich habe schon viele Bekanntschaften auf dem Friedhof geschlossen«, versicherte mir Mrs. Dinsmore und verzog den roten Mund zu einem breiten Lächeln. »Sind nicht die schlechtesten gewesen.« »Dinsmore ... das klingt nicht sehr französisch«, sagte ich. Mir war vorher schon aufgefallen, daß die Aussprache der alten Dame eine leichte Färbung hatte, die ich jedoch ihrem Alter zugeschrieben hatte. »Ist es auch nicht«, gab Mrs. Dinsmore zurück. »Ich bin Amerikanerin. Aber ich lebe schon seit Ewigkeiten in Paris. Und Sie, Kindchen? Was machen Sie in der Coupole?« fragte sie übergangslos. »Oh, ich ...«, entgegnete ich und merkte, wie ich rot wurde. »Ich treffe mich dort mit ... jemandem.« »Aaaah«, sagte sie. »Und ... ist er nett?« Einer der Vorzüge des Alters war offenbar, daß man, ohne Zeit zu verlieren, gleich zum Wesentlichen kommen konnte. Ich lachte und biß mir auf die Unterlippe. »Ja ... ich denke, ja. Er ist Schriftsteller.« »Meine Güte, ein Schriftsteller!« rief Elisabeth Dinsmore aus. »Wie aufregend!« »Tja«, sagte ich, ohne auf die Details meiner Verabredung einzugehen. »Ich bin auch ziemlich aufgeregt.« Nachdem ich mich von Mrs. Dinsmore - Liz - verabschiedet hatte, die mich für den nächsten Abend auf einen coup de champagne an ihren Tisch einlud, (»Aber Sie werden wahrscheinlich Besseres zu tun haben, als mit einer alten Schachtel Champagner zu schlürfen, Kindchen«, hatte sie blinzelnd hinzugefügt), blieb ich noch einen Moment vor dem weißen Findling stehen. »Au revoir, Papa«, sagte ich leise. »Irgendwie habe ich das Gefühl, morgen wird ein ganz besonderer Tag.« Und damit sollte ich - irgendwie - auch recht behalten ... Ich stand in einer Schlange, die bereits vor der großen Glastür anfing. Auch wenn die Coupole nicht gerade mein Lieblingsrestaurant war, so war sie doch ein beliebter Treffpunkt bei jung und alt. Nicht nur Touristen strömten in die legendäre Brasserie mit der roten Markise, die als der größte Speisesaal von Paris galt und an dem vielbefahrenen Boulevard Montparnasse lag. Auch Geschäftsleute und die Menschen, die in Paris lebten, kamen gerne hierher, um zu essen und zu feiern. Vor einigen Jahren hatte man im Tanzsaal, der unter der Brasserie lag, mittwochs immer Salsa- Abende veranstaltet, doch mittlerweile war die Salsa-Welle wohl wieder ein wenig abgeklungen, jedenfalls sah ich kein Plakat mehr, das auf dieses Spectacle hingewiesen hätte. Ich rückte ein Stück in der Schlange vor und betrat das Innere der Coupole. Sofort umfing mich lebhaftes Stimmengewirr. Kellner eilten mit riesigen Silbertabletts durch die langen Reihen der weiß gedeckten Tische, über die sich die riesige Halle wölbte. Auch wenn man vergeblich nach einer richtigen Kuppel Ausschau hielt, war der Saal mit seinen grün bemalten Pfeilern und den Art-déco-Lampen unter der Decke immer wieder beeindruckend. Das Restaurant vibrierte vor Leben - se Bonner en spectacle war hier die Devise, und die Gäste schienen sie zu beherzigen. Ich war lange nicht mehr hier gewesen und betrachtete amüsiert das bunte Treiben. Ein freundlicher Empfangschef verteilte kleine rote Karten an diejenigen unter den Besuchern, die keinen Tisch reserviert hatten, und wies sie an, in der Bar zu warten. Auf den Karten standen die Namen berühmter Komponisten, und alle paar Minuten hörte man einen jungen Kellner, der im Bereich der Bar umherging und sichtlich seinen Spaß daran hatte, wie ein Zirkusdirektor aus vollem Hals zu schreien: »Bach, deux personnes, s'il Download 1.37 Mb. Do'stlaringiz bilan baham: |
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