Das Lächeln der Frauen


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Bog'liq
Das Lächeln der Frauen

extra wegen Miller hinbestellt hat? Ich meine, er wußte doch, daß es mir
wichtig ist.«
Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Armlehne des Sofas. Wenn
Bernadette nicht gewesen wäre, hätte ich überhaupt nichts davon erfahren,
daß Robert Miller in Paris war. Da meine Freundin aber auf der Île Saint-
Louis wohnte, kaufte sie oft Bücher bei dem netten Monsieur Chagall, der
in Wirklichkeit Pascal Fermier hieß, und so hatte sie morgens zufällig das
Plakat in seinem Schaufenster gesehen.
Wir hatten uns an diesem kalten sonnigen Montagvormittag zu einem
Spaziergang in den Tuilerien verabredet, und das erste, was Bernadette
mich fragte, war, ob ich abends zu der Lesung von Robert Miller gehen
würde und ob sie mitkommen könnte.


»Schließlich will ich den Wunderautor auch mal sehen«, hatte sie gesagt
und sich bei mir untergehakt. Und ich hatte ausgerufen: »Das gibt's doch
nicht! Warum hat mir dieser Blödmann aus dem Verlag nichts gesagt?«
Und dann war ich am Nachmittag zur Librairie Capricorne gefahren, um
zwei Karten für die Lesung zu kaufen. Ein Glück nur, daß heute das
Restaurant geschlossen hat, dachte ich, als ich die Treppen der Metrostation
hinaufging.
Wenige Minuten später stieß ich die Tür zu der kleinen Buchhandlung
auf, die ich vor ein paar Wochen auf der Flucht vor einem besorgten
Polizisten zum erstenmal betreten hatte.
»So sieht man sich wieder«, sagte Monsieur Chagall, als ich zu ihm an
die Kasse trat. Er immerhin hatte mich sofort wiedererkannt.
»Ja«, hatte ich geantwortet. »Dieser Roman hat mir sehr gut gefallen.«
Ich hatte es als ein gutes Zeichen angesehen, daß Robert Miller
ausgerechnet in der Buchhandlung lesen würde, wo ich sein Buch gefunden
hatte.
»Geht es Ihnen wieder besser?« hatte der alte Buchhändler gefragt. »Sie
sahen damals so verloren aus.«
»Das war ich auch«, hatte ich geantwortet. »Aber in der Zwischenzeit ist
viel passiert. Viel Schönes«, hatte ich hinzugesetzt. »Und alles hat mit
diesem Buch angefangen.«
Ich betrachtete nachdenklich den Rotwein, der in meinem Glas
schaukelte. »Weißt du, Bernadette, ich glaube, dieser Chabanais ist einfach
total launisch«, sagte ich. »Manchmal kann er ganz charmant sein, dann
überschlägt er sich geradezu - du hättest ihn mal erleben sollen in der
Coupole -, und dann ist er wieder unfreundlich und griesgrämig. Oder er
läßt sich verleugnen.«
Am Nachmittag hatte ich im Verlag angerufen, um mich bei André
Chabanais zu beschweren und ihm mitzuteilen, daß ich mir meine Karten
jetzt schon selbst gekauft hätte, aber leider war nur diese Sekretärin am
Telefon gewesen, die mich abwimmelte und mir auf die Frage, wann der
Cheflektor wieder zurückkäme, unwirsch erklärte, Monsieur Chabanais
habe heute überhaupt keine Zeit mehr.
»Er sieht jedenfalls sehr sympathisch aus«, bemerkte Bernadette.
»Ja, das stimmt«, sagte ich und sah wieder die hellen blauen Augen des
Engländers vor mir, der mich so ratlos angesehen hatte, als ich den


verpatzten Termin in der Coupole ansprach. »Obwohl er jetzt einen Bart
hat.«
Bernadette lachte auf. »Ich meinte eigentlich diesen Chabanais.« Ich warf
ein Kissen nach ihr, und sie duckte sich schnell. »Aber der Engländer sieht
auch ganz nett aus. Und ich fand ihn äußerst witzig, das muß ich schon
sagen.«
»Ja, nicht wahr?« Ich setzte mich auf. »Die Lesung war sehr lustig. Aber
er macht eigenartige Komplimente.« Ich kuschelte mich in die Sofakissen.
»Sie haben wundervolle Zähne‹, hat er gesagt, wie findest du das? Wenn er
jetzt ›Augen‹ gesagt hätte oder ›Sie haben einen wunderschönen Mund‹.«
Ich schüttelte den Kopf. »Man sagt doch einer Frau nicht, daß sie
wundervolle Zähne hat.«
»Vielleicht sind englische Männer anders«, entgegnete Bernadette.
»Jedenfalls finde ich sein Verhalten dir gegenüber merkwürdig. Entweder
hat dieser Mann ein Gedächtnis wie ein Sieb, oder - ich weiß nicht - seine
Frau war in der Nähe und er hat was zu verbergen.«
»Er lebt allein, du hast es doch gehört«, sagte ich. »Außerdem hat
Chabanais mir erzählt, seine Frau habe ihn verlassen.«
Bernadette sah mich mit ihren großen dunkelblauen Augen an und
runzelte die Stirn. »Irgendwas an dieser Sache stimmt nicht «, sagte sie.
»Vielleicht gibt es ja eine ganz einfache Erklärung.«
Ich seufzte.
»Denk noch mal nach, Aurélie. Was genau hat dieser Miller am Ende
gesagt?« fragte Bernadette.
»Na ja, am Schluß ging alles rasend schnell, weil Chabanais und dieser
andere Typ so zum Aufbruch drängten. Die haben ihn ja abgeschirmt wie
einen Politiker.« Ich überlegte. »Er hat irgendwie rumgestottert, daß er mir
gerne den Brief geschrieben hätte, und dann sagte er: Au revoir. Auf
Wiedersehen.«
»Na, immerhin«, meinte Bernadette und trank ihren Rotwein aus.
Als ich kurze Zeit später im Taxi saß und den erleuchteten Boulevard
Saint-Germain entlangfuhr, schlug ich noch einmal das Buch auf, in das
Miller mir seine Widmung geschrieben hatte:

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