Das Lächeln der Frauen


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Bog'liq
Das Lächeln der Frauen

»Mon ami, da hast du dir aber eine Menge vorgenommen, das klingt wie
eine schlechte amerikanische Filmklamotte. Du weißt aber schon, daß
solche Rechnungen nie aufgehen, oder?« Adam lachte.
Ich beugte mich vor und sah ihn eindringlich an. »Adam, mir ist es
wirklich ernst. Wenn ich etwas will im Leben, dann ist es diese Frau. Alles,
was ich brauche, ist ein ungestörter Abend mit ihr. Ich brauche eine echte
Chance, verstehst du? Und wenn ich dafür ein bißchen an der Wahrheit
drehen muß, dann tue ich das. Was interessieren mich ein paar
verschnarchte Amerikaner, wir Franzosen nennen das corriger la fortune.«
Ich lehnte mich zurück und sah durch die dunkelgrünen
Eisenverstrebungen des Cafés hinaus in den Pariser Morgen. »Manchmal
muß man dem Glück eben einen kleinen Schubs in die richtige Richtung
geben.«


 
13
»Mademoiselle Bredin, Mademoiselle Bredin«, rief jemand hinter mir, als
ich aus dem Haus trat und den steinernen Durchgang betrat, der auf den
Boulevard Saint-Germain führte. Ich drehte mich um und sah einen großen
Mann mit dunklem Wintermantel und rotem Schal aus der Dunkelheit
auftauchen.
Es war später Nachmittag und ich war auf dem Weg ins Restaurant. Und
der Mann war André Chabanais.
»Was machen Sie denn hier«, fragte ich erstaunt.
»Wie der Zufall so spielt - ich komme gerade von einem Termin.« Er
zeigte auf das Procope und lächelte. »Mein Büro ist allmählich so
vollgestopft mit Manuskripten und Büchern, daß ich dort nicht mehr als
eine Person empfangen kann.« Er schwenkte seine lederne
Manuskripttasche. »Na, das ist ja eine freudige Überraschung.« Dann sah er
sich um. »Sie wohnen wirklich in einer schönen Gegend.«
Ich nickte und marschierte unbeeindruckt weiter. Meine Freude, den
Cheflektor zu sehen, hielt sich in Grenzen.
Er ging neben mir her. »Darf ich Sie ein Stück begleiten?«
»Das tun Sie ja bereits«, erwiderte ich gereizt und beschleunigte meine
Schritte.
»Oh je, Sie sind mir immer noch böse wegen gestern abend, was?« fragte
er.
»Bisher habe ich noch keine Entschuldigung gehört«, sagte ich und bog
auf den Boulevard ein. »Erst laden Sie mich in die Coupole ein. Dann
informieren Sie mich nicht einmal, wenn Miller eine Lesung hat. Was soll
das für ein Spiel sein, Monsieur Chabanais?«
Schweigend gingen wir nebeneinander die Straße entlang.
»Hören Sie, Mademoiselle Bredin, es tut mir wirklich leid. Das kam sehr
überraschend mit der Lesung, und natürlich wollte ich Ihnen Bescheid
geben ... Aber dann ist immer wieder etwas dazwischengekommen, und am
Ende habe ich es schlicht vergessen.«


»Sie wollen mir erzählen, daß Sie nicht die dreißig Sekunden gehabt
haben, die es braucht, um zu sagen: ›Mademoiselle Bredin, die Lesung mit
Miller ist am Montag um zwanzig Uhr‹? Und am Ende haben Sie es
vergessen? Was soll das für eine Entschuldigung sein? Dinge, die einem
wichtig sind, vergißt man nicht.« Ich ging ärgerlich weiter. »Und dann
haben Sie sich noch verleugnen lassen, als ich im Verlag angerufen habe.«
Er griff nach meinem Arm. »Nein, das ist nicht wahr! Man hat mir
ausgerichtet, daß Sie angerufen haben, aber ich war wirklich nicht da.«
Ich schüttelte seine Hand ab. »Ich glaube Ihnen kein Wort, Monsieur
Chabanais. Sie haben mir doch selbst in der Coupole erzählt, wie Sie Ihre
Sekretärin immer die lästigen Anrufer abwimmeln lassen, wie Sie da stehen
und ihr Zeichen machen ... Und das bin ich doch für Sie, nicht wahr - ein
lästiger Anrufer!« Ich weiß selbst nicht, warum ich mich eigentlich so
aufregte. Vielleicht lag es daran, daß die Lesung gestern abend mit einer
Enttäuschung geendet hatte und ich dem Cheflektor die Schuld daran gab,
obwohl er strenggenommen auch nichts dafür konnte.
»Meine Mutter hatte gestern einen Unfall, und ich war den ganzen
Nachmittag im Krankenhaus«, sagte André Chabanais. »Das ist die
Wahrheit, und Sie sind alles andere für mich als ein lästiger Anrufer,
Mademoiselle Bredin.«
Ich blieb stehen. »Ach du meine Güte«, sagte ich betroffen. »Das ... das
tut mir sehr leid.«
»Glauben Sie mir jetzt?« fragte er und sah mir direkt in die Augen.
»Ja.« Ich nickte und wandte schließlich verlegen den Blick ab. »Ich
hoffe, es ist alles in Ordnung ... mit Ihrer Mutter«, sagte ich.
»Es geht schon wieder. Sie ist von der Rolltreppe gestürzt und hat sich
das Bein gebrochen.« Er schüttelte den Kopf. »Gestern war nicht gerade
mein Glückstag, wissen Sie?«
»Da sind wir ja schon zwei«, sagte ich.
Er lächelte. »Es ist natürlich trotzdem unverzeihlich, daß ich Ihnen nicht
Bescheid gesagt habe.« Wir setzten unseren Weg fort, an den beleuchteten
Schaufenstern des Boulevards vorbei, und wichen einer Gruppe von
Japanern aus, die von einer Reiseleiterin mit einem roten Regenschirm
durch die Stadt geführt wurde. »Wie haben Sie eigentlich von der Lesung
erfahren?«
»Eine Freundin von mir wohnt auf der Île Saint-Louis«, sagte ich. »Sie
hat das Plakat gesehen. Und glücklicherweise habe ich montags meinen


freien Tag.«
»Na, Gott sei Dank«, sagte er.
Ich blieb an einer Ampel stehen. »So«, sagte ich. »Hier trennen sich
unsere Wege.« Ich zeigte in Richtung Rue Bonaparte. »Ich muß jetzt hier
rüber.«
»Gehen Sie ins Restaurant?« André Chabanais blieb auch stehen.
»Sie haben es erraten.«
»Irgendwann komme ich auch mal ins Temps des Cerises«, sagte er. »Das
ist wirklich ein sehr romantisches Plätzchen.«
»Tun Sie das«, entgegnete ich. »Vielleicht mit Ihrer Mutter, wenn sie
wieder aus dem Krankenhaus heraus ist.«
Er zog ein Gesicht. »Sie gönnen mir auch gar keinen Spaß, was?«
Ich grinste und die Ampel wurde grün. »Ich muß los, Monsieur
Chabanais«, sagte ich und wandte mich zum Gehen.
»Warten Sie, sagen Sie mir noch, ob es irgend etwas gibt, womit ich mein
Versäumnis wieder gut machen kann«, rief er, als ich den Zebrastreifen
betrat.
»Lassen Sie sich etwas einfallen!« rief ich zurück. Dann lief ich über die
Straße und winkte ihm noch einmal zu, bevor ich den Weg zur Rue
Princesse einschlug.
»Was machst du eigentlich an Weihnachten«, fragte Jacquie, als ich ihm in
der Küche bei der Zubereitung des Bœuf Bourguignon half, das heute auf
dem Menu stand. Paul, der Sous-Chef, war zwar wieder gesund, aber er
kam heute etwas später.
Wir hatten das Fleisch portionsweise in zwei Pfannen angebraten, damit
es schön bräunte, und jetzt tat ich es in den großen Bräter und stäubte etwas
Mehl darüber.
»Keine Ahnung«, sagte ich. Erst in diesem Moment wurde mir bewußt,
daß es das erste Weihnachten sein würde, an dem ich wirklich allein war.
Eine seltsame Vorstellung. Auch das Restaurant hatte ab dem
dreiundzwanzigsten Dezember geschlossen und machte erst wieder in der
zweiten Januarwoche auf. Ich rührte mit einem Holzlöffel in dem Topf und
wartete, bis sich das Mehl mit dem Fett verband. Dann goß ich den
Burgunder darüber. Der Wein zischte kurz auf, der Geruch des kräftigen
Rotweins schlug mir angenehm entgegen, dann köchelten die Fleischstücke
in der dunklen Sauce.


Jacquie kam mit den geschnittenen Karotten und den Pilzen zu mir und
strich das Gemüse von dem großen Holzbrett.
»Du könntest mit in die Normandie kommen«, sagte er. »Ich bin bei
meiner Schwester, die hat eine große Familie, und an Weihnachten geht es
immer sehr turbulent zu, es kommen gute Freunde vorbei, Nachbarn ...«
»Das ist sehr lieb von dir, Jacquie, aber ich weiß nicht ... Ich habe mir
eigentlich noch gar keine Gedanken gemacht. Dieses Jahr ist sowieso alles
anders ...«
Ich merkte, wie ich plötzlich einen Kloß im Hals hatte, und räusperte
mich. Jetzt nur nicht sentimental werden, das führt zu gar nichts, befahl ich
mir streng. »Ich mach's mir schon irgendwie gemütlich. Ich bin ja
schließlich kein kleines Mädchen mehr«, sagte ich und sah mich im Geiste
schon einsam vor meiner Bache de Noel sitzen, dieser köstlichen
Schokoladen-Biskuitrolle, die an Weihnachten gerne zum Nachtisch
gereicht wird und die Papa immer mit großem Trara auf den Tisch brachte,
wenn alle bereits sagten, sie würden gleich platzen vom großen
Weihnachtsschmaus.
»Für mich wirst du immer das kleine Mädchen bleiben«, sagte Jacquie
und legte seinen schweren Arm um meine Schultern. »Mir wäre es
irgendwie wohler ums Herz, wenn du mit ans Meer kommst, Aurélie. Was
willst du hier allein in Paris, wo es immer nur regnet? An Weihnachten ist
es nicht schön, allein zu sein.«
Er schüttelte besorgt den Kopf, und seine weiße Kochmütze wackelte
bedrohlich. »Ein paar Tage diese herrlich klare Luft und ein paar
Spaziergänge am Strand würden dir gut tun. Außerdem habe ich
versprochen zu kochen, und da könnte ich deine Hilfe gut gebrauchen.« Er
sah mich an. »Versprich mir, daß du es dir überlegst, Aurélie ... ja?«
Ich nickte gerührt. »Versprochen«, entgegnete ich mit belegter Stimme.
Der gute alte Jacquie!
»Und weißt du, was das Beste ist, da unten?« fragte er und ich fiel
lächelnd in seine nächsten Worte ein: »Man kann ganz weit gucken!«
Ich schmeckte die Sauce mit einem großen Holzlöffel ab. »Da kann ruhig
noch Rotwein rein«, sagte ich und goß etwas von dem Burgunder nach.
»So, ab damit in den Ofen!« Ich sah auf die Uhr. »Oh, ich muß eindecken.«
Ich band mir die Schürze ab, löste das Kopftuch und schüttelte meine Haare
auf. Dann ging ich zu dem kleinen Wandspiegel neben der Küchentür und
zog mir die Lippen nach.


»Schöner wirst du nicht«, sagte Jacquie, und ich ging ins Restaurant.
Wenige Minuten später kam Suzette, und gemeinsam deckten wir die
Tische ein, stellten Wein- und Wassergläser auf den Tisch und falteten die
weißen Stoffservietten. Ich warf einen Blick in das Reservierungsbuch. In
den nächsten Wochen würde eine Menge Arbeit auf uns zukommen, und ich
mußte dringend noch eine Kraft im Service anheuern.
Im Dezember ging es Schlag auf Schlag, und eigentlich war das kleine
Restaurant fast jeden Abend ausgebucht.
»Heute haben wir eine Weihnachtsfeier, sechzehn Personen«, sagte ich zu
Suzette, »ist aber unproblematisch, die nehmen alle das Menu.«
Suzette nickte und schob die Tische an der Wand zusammen.
»Beim Nachtisch müssen wir darauf achten, daß alle gleichzeitig ihre

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