Das Lächeln der Frauen


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Bog'liq
Das Lächeln der Frauen

»Pazzo, warum sagst du das nicht gleich? Na, dann will ich deinem
Glück nicht im Wege stehen!« Silvestro klopfte mir ein paarmal
wohlwollend auf die Schulter, bevor er wieder an seinen Tisch zurückging.


»Freunde, er hat noch was vor!« hörte ich ihn rufen, und die anderen
winkten und lachten.
Als ich auf den Ausgang zusteuerte und mir meinen Weg durch die Gäste
bahnte, die parlierend und trinkend vor der Theke standen, meinte ich für
den Bruchteil einer Sekunde eine schlanke Gestalt mit langem
dunkelblonden Haar zu sehen, die weiter hinten mit dem Rücken zur Tür
saß und lebhaft gestikulierte.
Ich schüttelte den Kopf. Hirngespinste! Aurélie Bredin war jetzt in ihrem
eigenen kleinen Restaurant in der Rue Princesse. Und ich war ein wenig
betrunken.
Da wurde die Tür aufgestoßen, ein kalter Windstoß kam herein und mit
ihm ein schlaksiger Mann mit blonden Locken und einem schwarzhaarigen
Mädchen in einem karmesinroten Mantel, das sich eng an ihn schmiegte.
Sie sahen sehr glücklich aus, und ich trat zur Seite, um sie einzulassen.
Dann ging ich selbst hinaus, die Hände in den Manteltaschen.
Es war kalt in Paris und es regnete, aber wenn man verliebt war, spielte
das Wetter keine Rolle.


 
7
»Im Grunde findest du das alles völlig verrückt, oder? Gib's ruhig zu!«
Ich saß mit Bernadette schon eine Weile im La Palette, das an diesem
Abend brechend voll war. Wir hatten noch einen Tisch ganz hinten an der
Wand ergattert, und inzwischen drehte sich unsere Diskussion nicht mehr
um Vicky, Cristina, Barcelona, den Film, den wir am Abend gesehen hatten,
sondern darum, wie realistisch oder unrealistisch die Erwartungen einer
gewissen Aurélie Bredin waren.
Bernadette seufzte. »Ich meine ja nur, daß es auf Dauer vielleicht besser
wäre, seine Energien in realistischere Projekte zu stecken - sonst bist du
nachher wieder enttäuscht.«
»Aha«, gab ich zurück. »Aber wenn diese Cristina mit einem
wildfremden Spanier mitgeht, der ihr erklärt, daß er nicht nur mit ihr,
sondern auch mit ihrer Freundin ins Bett gehen möchte, dann findest du das
realistisch?«
Unsere Meinungen über die Heldinnen in dem Film gingen ziemlich
auseinander.
»So habe ich es nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, daß ich es
nachvollziehbar finde. Immerhin ist der Typ doch total ehrlich. Das gefällt
mir.« Sie goß mir etwas Wein nach. »Meine Güte, Aurélie, es ist nur Kino,
warum regst du dich eigentlich so auf? Du findest es eher unglaubwürdig,
was da passiert, ich finde es glaubwürdig. Dir hat Vicky besser gefallen, mir
Cristina. Müssen wir jetzt darüber streiten?«
»Nein. Es ärgert mich nur ein bißchen, wenn du die Dinge mit zweierlei
Maß mißt. Ja, mag sein, daß es unwahrscheinlich ist, daß dieser Mann mir
antwortet, aber es ist nicht unrealistisch«, sagte ich.
»Ach, Aurélie, darum geht es doch gar nicht. Ich hab dir doch heute sogar
noch geholfen, Informationen über den Autor im Internet zu suchen. Ich
finde das ja auch alles ganz lustig und spannend. Ich möchte nur nicht, daß
du dich wieder in so eine Sache verrennst.« Sie nahm meine Hand und
seufzte. »Du hast irgendwie ein Händchen für aussichtslose Geschichten,


weißt du? Erst bist du mit diesem seltsamen Graphiker zusammen, der alle
paar Wochen einfach so verschwindet und einen gepflegten Knall hat. Und
jetzt redest du nur noch von diesem geheimnisvollen Autor, der - egal, was
du jetzt in diesen Roman alles hineininterpretierst - auf jeden Fall eines zu
sein scheint: schwierig.«
»Das sagt dieser komische Verlags-Zerberus. Weißt du, ob's stimmt?« Ich
schwieg und malte beleidigt mit meiner Gabel Muster auf die Serviette.
»Nein, weiß ich nicht. Hör mal, ich möchte doch nur, daß du glücklich
wirst. Und ich habe manchmal einfach das Gefühl, daß du dein Herz an
Sachen hängst, die nicht klappen können.«
»Aber ein Kinderarzt - das klappt, ja?« gab ich zurück. »Ist ja auch was
Realistisches.«
Nimm lieber einen netten Kinderarzt, als dich immer auf so unrealistische
Dinge zu kaprizieren, hatte Bernadette gesagt, als ich nach dem Kino laut
überlegte, wie lange wohl ein Brief von England nach Frankreich brauchte.
»Okay, ich hätte das mit dem Kinderarzt nicht sagen dürfen«, sagte sie
jetzt. »Obwohl dieser Olivier wirklich nett ist.«
»Ja. Ein netter Langweiler.« Bernadette hatte mir Dr. Olivier Christophle
bereits im Sommer, als ich noch mit Claude zusammen war, auf ihrer
Geburtstagsfeier vorgestellt und gab seitdem die Hoffnung nicht auf, daß
aus uns noch ein Paar werden könnte.
»Ja, ja, du hast recht.« Bernadette winkte ab. »Der ist einfach nicht
aufregend genug.« Um ihre Lippen spielte ein feines Lächeln. »Nun gut. Im
Moment warten wir gespannt, wie lange die Post braucht, um einen Brief
von England nach Paris zu befördern. Und ich möchte in dieser Sache
weiterhin auf dem laufenden gehalten werden, ist das klar? Wenn dann
irgendwann der Zeitpunkt für einen netten langweiligen Arzt gekommen ist,
kannst du mir ja einfach Bescheid geben.«
Ich zerknüllte die Serviette und warf sie auf meinen Teller, auf dem noch
Spuren eines Schinkenomelettes zu sehen waren.

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