Das Lächeln der Frauen


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Das Lächeln der Frauen

»Oh, mon Dieu, mon Dieu, es tut mir leid.« Ich sah die kleine Mimose an,
die mit vorwurfsvollem Gesicht vor mir saß. »Es tut mir wirklich leid«,
wiederholte ich noch einmal mit Nachdruck. »Wissen Sie, ich wollte Sie gar
nicht anfahren, ich hatte mich nur gerade so fürchterlich aufgeregt ...«
»Trotzdem«, sagte sie.
»Nein, nein«, ich hob beide Hände, »das soll keine Entschuldigung sein.
Ich gelobe Besserung. Wirklich. Verzeihen Sie mir?«
Ich sah sie reumütig an. Sie schlug die Augen nieder und ihre
Mundwinkel zuckten, während sie mit ihrem hübschen Bein wippte.
»Ich biete Ihnen zur Versöhnung ...«, ich machte eine leichte Verbeugung
in ihre Richtung und überlegte, »ein Himbeertörtchen an. Was sagen Sie
dazu? Würden Sie sich morgen mittag von mir auf ein Himbeertörtchen ins
Ladurée einladen lassen?«


Sie lächelte. »Da haben Sie Glück«, sagte sie. »Ich mag sehr gerne
Himbeertörtchen.«
»Darf ich daraus schließen, daß Sie mir nicht mehr böse sind?«
»Ja, dürfen Sie.« Florence Mirabeau stand auf. »Dann will ich jetzt mal
das Gutachten holen«, sagte sie versöhnlich.
»Ja, tun Sie das!« rief ich. »Wunderbar! Ich kann es kaum erwarten!« Ich
stand auch auf, um sie zur Tür zu geleiten.
»Sie müssen jetzt nicht gleich übertreiben, Monsieur Chabanais. Ich
mache nur meinen Job.«
»Und darf ich Ihnen mal etwas sagen, Mademoiselle Mirabeau? Sie
machen Ihren Job sehr gut.«
»Oh«, sagte sie. »Danke. Das ist nett, daß Sie das sagen. Monsieur
Chabanais, ich ...« Sie errötete wieder und blieb einen Moment zögernd an
der Tür stehen, so als ob sie noch etwas sagen wollte.
»Ja?« fragte ich.
Und dann klingelte das Telefon. Ich wollte nicht schon wieder unhöflich
sein, und so blieb ich stehen, anstatt Florence Mirabeau aus dem Zimmer zu
schieben und an den Schreibtisch zu stürzen.
Nach dem dritten Klingeln sagte Mademoiselle Mirabeau:
»Nun gehen Sie schon ran, vielleicht ist es wichtig.«
Sie lächelte und verschwand durch die Tür. Schade, nun würde ich
wahrscheinlich nie erfahren, was sie noch hatte sagen wollen. Doch in
einem hatte Florence Mirabeau recht gehabt.
Dieser Anruf war wichtig.
Ich erkannte die Stimme sofort. Ich hätte sie aus hundert anderen Stimmen
heraus erkannt. Sie klang, wie beim erstenmal, ein bißchen atemlos, so als
ob jemand gerade eine Treppe hinaufgelaufen wäre.
»Spreche ich da mit Monsieur André Chabanais?« fragte sie.
»Am Apparat«, entgegnete ich und lehnte mich mit einem breiten
Lächeln in meinem Sessel zurück. Der Fisch hatte angebissen.
Aurélie Bredin war begeistert von meinem Angebot, Robert Miller mit
meiner Hilfe »zufällig« zu begegnen, und die Fragen eins bis drei aus ihrer
schnippischen Mail an den unfreundlichen Lektor der Editions Opale
schienen erst einmal vergessen.
»Was für eine phantastische Idee!« sagte sie.


Ich fand meine Idee auch ganz phantastisch, aber das behielt ich natürlich
für mich. »Nun ja, so phantastisch ist meine Idee jetzt auch nicht, aber ... sie
ist nicht schlecht«, erklärte ich großzügig.
»Das ist wirklich so unglaublich nett von Ihnen, Monsieur Chabanais«,
fuhr Aurélie Bredin fort, und ich sonnte mich in meiner plötzlichen
Bedeutsamkeit als Undertaker.
»Il n'y a pas de quoi. Keine Ursache«, gab ich weltmännisch zurück.
»Wenn ich Ihnen damit weiterhelfen kann, dann freut es mich doch.«
Sie schwieg einen Moment.
»Und ich habe gedacht, Sie wären so ein griesgrämiger Lektor, der an
seinen Autor keinen rankommen läßt«, sagte sie kleinlaut. »Ich hoffe, Sie
sehen es mir nach.«
Triumph, Triumph! Dies war offenbar der Tag der Abbitten.
Zwar bekam ich kein Himbeertörtchen angeboten, aber darauf, ich
gestehe es, war ich auch nicht besonders scharf. Die leichten Schuldgefühle
von Aurélie Bredin schmeckten ungleich süßer.
»Aber meine liebe Mademoiselle Bredin, ich könnte Ihnen gar nichts
nachtragen, selbst wenn ich es wollte. Ich habe mich ja nun auch nicht
gerade von meiner besten Seite gezeigt. Vergessen wir doch einfach diesen
ganzen unglücklichen Einstieg und konzentrieren wir uns auf unseren
kleinen Plan.« Ich rollte mit meinem Sessel an den Schreibtisch heran und
schlug meinen Terminkalender auf.
Zwei Minuten später war die Sache abgemacht. Aurélie Bredin würde am
Freitagabend um halb acht in der Coupole erscheinen, wo ich einen Tisch
auf meinen Namen reserviert hatte, und wir würden einen Drink nehmen.
Gegen acht würde dann Robert Miller (mit dem ich angeblich verabredet
war, um über sein neues Buch zu sprechen) dazukommen, und man hätte
ausreichend Gelegenheit, sich miteinander bekannt zu machen.
Bei der Wahl des Restaurants hatte ich einen Moment geschwankt.
Ein kleines verschwiegenes Restaurant mit kuscheligen roten
Samtsesseln wie das Le Belier wäre für meine wahren Absichten natürlich
besser geeignet gewesen als die berühmte Coupole - diese große, lebhafte
und abends stets volle Brasserie. Dennoch wäre es vielleicht ein bißchen
seltsam gewesen, sich mit einem englischen Autor an einem Ort zu
verabreden, der für Verliebte wie geschaffen schien.
Die Coupole war unverfänglich, und da der Autor ja niemals auftauchen
würde, glaubte ich bessere Chancen auf einen weiteren gemeinsamen


Abend mit der kapriziösen Mademoiselle Bredin zu haben, wenn das
Restaurant nicht zu romantisch war.
»In der Coupole?« fragte sie und ich hörte sofort, daß ihre Begeisterung
sich in Grenzen hielt. »Wollen Sie wirklich in diese Touristenhalle?«
»Das hat Miller vorgeschlagen«, entgegnete ich. »Er hat vorher in
Montparnasse zu tun, und außerdem liebt er die Coupole.« (Mir wäre das

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