Das Lächeln der Frauen


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Bog'liq
Das Lächeln der Frauen

Assortiment de fromage, und nachdem ich sie endlich davon überzeugt
hatte, daß ich das, was sie bisher geschrieben hatte, gut fand (»Sie sagen das
jetzt aber nicht, um mich zu beruhigen, oder, Monsieur Chabanais?«), und
ihr noch ein paar Ideen für den Rest des Romans mit auf den Weg gegeben
hatte, eilte ich wieder an meinen Verlagsschreibtisch zurück.
Sekunden später war Madame Petit in meinem Zimmer, um mir zu sagen,
daß meine Mutter angerufen hatte und dringend um Rückruf bat.
»Es klang wirklich dringend«, beteuerte Madame Petit, als ich sie mit
hochgezogenen Augenbrauen ansah, und ich sagte: »Ach ja? Bei meiner
Mutter ist es immer dringend, wahrscheinlich ist wieder mal ein Nachbar
von der Leiter gefallen. Ich habe heute abend eine Lesung, Madame Petit,
es geht jetzt nicht«.
Ein halbe Stunde später saß ich im Taxi und war auf dem Weg ins
Krankenhaus. Diesmal war es nicht ein Nachbar gewesen.
Maman hatte sich an diesem Montag spontan entschieden, einen kleinen
Ausflug nach Paris zu machen, und war mit sämtlichen Einkaufstüten in
den Galeries Lafayette die Rolltreppe hinuntergestürzt.
Nun wartete sie mit gebrochenem Bein auf Station IV und lächelte mich
über ihr geschientes Bein hinweg zaghaft an. Sie sah sehr klein aus, wie sie
da unter der Bettdecke lag, und mir zog sich für einen Moment das Herz
zusammen.
»Maman, was machst denn du für Geschichten?« fragte ich und gab ihr
einen Kuß.
»Ach, mon petit boubou«, seufzte sie. »Ich wußte, daß du sofort kommen
würdest.«
Ich nickte beschämt. Als Maman nach einer Stunde zum zweitenmal
angerufen hatte, um die Adresse des Krankenhauses durchzugeben, hatte
Madame Petit freundlicherweise so getan, als sei ich gerade in diesem
Augenblick zur Tür hereingekommen. Dann hatte sie mich vorwurfsvoll
angeblickt und gesagt: »Ich habe es Ihnen gesagt, Monsieur Chabanais, jetzt
aber schnell!«
Ich nahm Mamans Hand und schwor mir, sie ab jetzt immer
zurückzurufen, wenn auch nur kurz. Ich blickte auf ihr geschientes Bein,
das dick verbunden auf der Bettdecke ruhte. »Hast du Schmerzen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es geht schon wieder. Ich habe ein
Schmerzmittel bekommen, aber ich bin ganz schläfrig davon.«
»Wie ist das denn nur passiert?« fragte ich.


»Ach, weißt du, im Dezember ist das Lafayette doch immer so
wunderschön geschmückt.« Sie sah mich mit leuchtenden Augen an. »Und
da dachte ich mir, ich schau mir das alles an, nehme noch einen kleinen
Imbiß zu mir und mache schon mal ein paar Weihnachtseinkäufe. Und dann
hab ich mich irgendwie mit all den Tüten auf der Rolltreppe verheddert und
bin nach hinten rübergefallen. Ging alles ganz schnell.«
»Meine Güte«, sagte ich. »Da hätte ja wer weiß was passieren können!«
Sie nickte. »Ich habe eben einen guten Schutzengel gehabt.«
Mein Blick fiel auf ein Paar braune Spangenschuhe mit einem zierlichen
und nicht gerade flachen Absatz, das vor dem schmalen Einbauschrank an
der Seite des Bettes stand. »Hattest du etwa diese Schuhe an?« fragte ich.
Maman schwieg.
»Maman, es ist Winter, jeder vernünftige Mensch zieht sich feste Schuhe
an, und du machst Weihnachtseinkäufe in Stöckelschuhen? Auf der
Rolltreppe?!«
Sie guckte schuldbewußt unter ihrer Decke hervor. Die Diskussion über
das feste und, wie ich immer sagte, altersgemäße Schuhwerk hatten wir
schon öfter geführt, aber sie wollte nichts davon hören.
»Meine Güte, Maman, du bist eine alte Dame. Du mußt ein bißchen
vorsichtig sein, weißt du?«
»Ich mag diese Oma-Schuhe nun mal nicht«, murrte sie. »Ich bin
vielleicht alt, aber ich habe immer noch sehr schöne Beine, oder etwa
nicht?«
Ich lächelte und schüttelte den Kopf. Maman war immer unglaublich
stolz auf ihre wohlgeformten Beine gewesen. Und sie war mit ihren
vierundsiebzig Jahren immer noch ziemlich eitel.
»Ja, natürlich hast du die«, sagte ich. »Aber wenn sie gebrochen sind,
nützen sie dir auch nichts.«
Ich blieb zwei Stunden bei Maman, kaufte ihr noch Obst, Säfte, ein paar
Illustrierte und eine kleine Notausstattung fürs Bad, und dann fuhr ich
wieder in die Editions Opale zurück, um meine Unterlagen zu holen.
Es war bereits halb sechs und es lohnte sich nicht mehr, nach Hause zu
gehen. So beschloß ich, direkt vom Verlag aus in die Buchhandlung zu
fahren. Madame Petit war bereits gegangen, als ich zurückkam, doch im
letzten Moment, als ich eigentlich schon das Licht ausmachen wollte,
entdeckte ich noch einen kleinen Zettel von ihr, den sie an meine Lampe
geheftet hatte.


»Wie geht es Ihrer Mutter?« stand auf dem Zettel. Und darunter: »Eine
Amélie Bredin bittet um Rückruf.«
Heute frage ich mich, ob nicht spätestens in diesem Moment alle
Alarmglocken bei mir hätten klingeln müssen. Aber ich sah die Zeichen
nicht.
Die kleine Buchhandlung in der Rue Saint-Louis war bis auf den letzten
Platz ausverkauft. Ich stand mit Pascal Fermier, dem grauhaarigen Besitzer
der Librairie Capricorne, in einer Art Teeküche und spähte durch den
dunkelgrauen Vorhang, der das Hinterzimmer vom Rest der Buchhandlung
abtrennte. Neben mir stapelten sich auf dem Boden die Kataloge aller
möglichen Verlage, ein paar Kaffeebecher und Teller standen in einem
Regal, das über der Spüle angebracht war. Kartons türmten sich bis unter
die Decke auf, daneben brummte ein Kühlschrank.
Robert Miller alias Sam Goldberg stand neben mir und hielt sich an
einem Glas Weißwein fest.

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