Dietrich franke regionale geologie von ostdeutschland
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Erzgebirge Erzgebirge Mts. regionalgeologische Einheit (zugleich geographische Einheit) am Südostrand des → Sächsisch-Thüringischen Schollenkomplexes, begrenzt im Nordwesten durch die → Mittelsächsische Senke, im Südwesten durch das → Vogtländische Schiefergebirge, im Nordosten durch die → Elbezone und im Südosten, bereits auf tschechischen Territorium liegend, durch den Eger-Graben (Abb. 36). Als regionale Untereinheiten dieses in seiner Gesamtheit als → Erzgebirgs-Antiklinorium bezeichneten Teilglieds der mitteleuropäischen → Varisziden (→ Saxothuringische Zone) werden gewöhnlich die → Westerzgebirgische Querzone, der → Mittelerzgebirgische Antiklinalbereich sowie der → Osterzgebirgische Antiklinalbereich ausgeschieden; den Nordwestrand zur → Mittelsächsischen Senke bildet die → Erzgebirgs-Nordrandzone (Abb. 36.1). Am Aufbau sind insbesondere Gesteinsfolgen des → Neoproterozoikum und → Kambro-Ordovizium, im Bereich der → Erzgebirgs- Nordrandzone (→ Lößnitz-Zwönitzer Synklinale) auch solche des → Silur und → Devon beteiligt. Sie liegen heute als ortho- und parametamorphe Komplexe der Grünschiefer- bis Amphibolitfazies vor. Ihre erste Deformation und Metamorphose erfuhren sie zu → cadomischer Zeit, ihre letzte durchgreifende, das gegenwärtige Strukturbild weitgehend prägende 448
Beanspruchung erfolgte in der sog. → sudetischen Phase der → variszischen Orogenese im Zeitraum zwischen 340 Ma b.p. und 330/320 Ma b.p. (→ Viséum/Namurium-Grenzbereich; vgl. Tab. 42). Dieser proterozoisch-altpaläozoische Gesteinskomplex wurde seit Beginn der 1960er Jahre lithostratigraphisch detailliert in Gruppen, Formationen (ehemals: Folgen) und Subformationen (ehemals: Schichten) untergliedert (Tab. 3, Tab. 4). Das Erzgebirge ist entsprechend der damaligen Konzeption als autochthoner Komplex mit einer mehr oder weniger kontinuierlichen Abfolge lithostratigraphisch definierter Einheiten sowie einer adäquaten Metamorphosezonierung vom Hochmetamorphen im Liegenden zum Schwachmetamorphen im Hangenden interpretiert worden. Durch die Ergebnisse neuerer petrologischer, geochronologischer, geochemischer und
tektonisch-struktureller Untersuchungen, die eine teilweise inverse Krustenstapelung unterschiedlicher Metamorphose- Einheiten im Zeitraum → Oberdevon bis → Dinantium wahrscheinlich machen, wird seit Mitte der 1990er Jahre die allgemeine Gültigkeit dieses lithostratigraphischen Modells allerdings in Frage gestellt und durch ein tektonostratigraphisches Modell zumindest partiell ersetzt. Danach werden auf der Grundlage deutlich voneinander abweichender metamorpher Überprägungen der einzelnen Gesteinsassoziationen, anhand von Altersdatierungen und geochemischer Kriterien sowie nach der jeweils angetroffenen tektonisch-strukturellen Situation eine als cadomisches Basement interpretierte Mitteldruck-Mitteltemperatur-Gneiseinheit (z.B. → Freiberger Gneis, → Lauensteiner Gneis, → Bärensteiner Augengneis), eine Untere Scherzone (stark zerscherte Glimmerschiefer, Gneise und Amphibolite), Hochdruck-Hochtemperatur-Decken („Gneis- Eklogit-Einheit“ mit den Metamorphiten von Sayda, Zöblitz, Frankenberg und Hermsdorf- Rehefeld), Hochdruck-Niedrigtemperatur-Decken (Glimmerschiefer, Gneise, Amphibolite und Eklogite insbesondere des Westerzgebirges) sowie Mitteldruch-Mitteltemperatur- bis Niedrigdruck-Niedrigtemperatur-Schiefergebirgseinheiten (oft als allochthon betrachtete paläozoische Schichtglieder in den Randgebieten des Erzgebirges) unterschieden. Der Prozess der variszischen Metamorphose und duktilen Stapelung in Südwestrichtung erfolgte im Zeitraum zwischen 340 Ma b.p. und 330 Ma b.p. (Mittleres Viséum;). Gleichzeitig wurden die erzgebirgischen Schiefer- und Phyllitkomplexe sowie die Melange des Grießbach- Vulkanitkomplexes mit den zentralen Erzgebirgseinheiten zuzusamengefügt. Dieses Grundschema ist in letzter Zeit weiterentwickelt worden, ohne dass allerdings in allen diesbezüglichen Fragen Übereinkunft erzielt werden konnte (vgl. dazu Abb. 36.8). Wesentlich präzisiert wurden darüber hinaus auch die Vorstellungen über das tektono-magmatische Geschehen. Insbesondere konnten durch zahlreiche Zirkondatierungen die vor allem im Westerzgebirge postulierten Magmenbildungen während eines riftogenen Prozesses im → Ordovizium bestätigt und für den Gesamtraum weiter verallgemeinert werden. Daraus wird zuweilen, nicht unwidersprochen, eine frühpaläozoische Hauptprägung der Metamorphite im Erzgebirge postuliert, der die variszische Deformation lediglich sekundär aufgesetzt ist. Untermauert werden diese Vorstellungen durch tremadocische Metamorphosesprünge in verschiedenen Bereichen der angrenzenden Schiefergebirgseinheiten. Auch die Alterswerte von saxothuringischen Magmatiten außerhalb des Erzgebirgs-Antiklinoriums weisen auf ein tiefordovizisches tektono-magmatisches/tektono-metamorphes Ereignis hin. Dazu gehören beispielsweise der
→ Turmalingranit-Mylonitgneis im Südwestabschnitt des → Elbtalschiefergebirges oder die sog. Serizitgneise im → Nossen-Wilsdruffer Schiefergebirge; auch der deformierte → Döbelner Granit besitzt ordovizisches Alter. Im Anschluss an die abschließenden variszischen Deformationsprozesse wurde durch
postkollisionale Extensionsvorgänge und Exhumierung das heutige
differenzierte Nebeneinander unterschiedlicher Einheiten des Krustenstapels erzeugt (Abb. 36.5). Spätvariszisch erfolgten im
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Zeitraum spätes → Namurium bis → Rotliegend großflächige Intrusionen von zum Teil mächtigen, insbesondere im westerzgebirgischen Raum durch die Erosion angeschnittenen postkinematischen Granitplutonen (Abb. 36.2), die eine wesentliche Voraussetzung für die Bildung von Lagerstätten nutzbarer mineralischer Rohstoffe waren. Das Erzgebirge zählte damit zu einem der großen Erzprovinzen Europas, in der über einen Zeitraum von etwa 800 Jahren Vorkommen von Silber, Zinn, Blei, Zink, Wismut, Kobalt, Nickel, Arsen, Wolfram und Uran abgebaut wurden. Spätvariszisch kam es vor allem im Osterzgebirge zu verstärkter vulkanischer Tätigkeit mit der verbreiteten Genese eruptiver Gesteinsassoziationen in Form von Gängen, Schloten und Deckenergüssen. In der → Flöha-Querzone sowie in Teilen des → Osterzgebirgischen Antiklinalbereichs (→ Altenberger Scholle) treten zudem permosilesische Molassebildungen auf (Abb. 36.3). Im Osterzgebirge weisen Restvorkommen oberkretazischer Ablagerungsräume auf eine zeitweilige, offensichtlich regional begrenzte Überflutung im jüngeren → Mesozoikum hin. Erneute vulkanische Aktivitäten im → Tertiär schufen die markanten Basaltdeckenberge des Mittel- und Osterzgebirges, in deren Liegendem lokal bis zu 30 m mächtige Tertiärsedimente erhalten geblieben sind. Als telekinetische Fernwirkung der alpidischen Orogenese erfuhr das Erzgebirge in jungmesozoisch-känozoischer Zeit eine intensive Zerblockung an zum Teil tiefreichenden Störungen. Der bedeutendste dieser Tiefenbrüche stellt der auf nordböhmischen Gebiet liegende tertiäre Erzgebirgs-Randbruch dar, an dem das Erzgebirge bis über 1000 m (im Osterzgebirge mindestens 600-800 m, im Westerzgebirge mindestens 800->1000 m) als eine nach Nordnordwest schräggestellte Pultscholle tektonisch emporgepresst wurde. Eine morphologische Hebung des Erzgebirges wird ab dem mittleren Tertiär (→ Chattium/Oberoligozän?), für das Westerzgebirge auch schon ab dem höheren → Eozän angenommen. Dabei erfolgte eine nordwärtige Abdachung verbunden mit einer tiefen Zertalung der Hochfläche sowie eine Umstellung des Flusssystems, mit der eine weitgehende fluviatile Aufschotterung im Vorland einherging, wobei deren zeitliche Einordnung allerdings häufig Schwierigkeiten bereitet. Im geophysikalischen Bild stellt das Erzgebirge ein ausgeprägtes NE-SW streichendes → Erzgebirgisches Schwereminimum dar, dessen Ursache in der weiten Verbreitung granitischer Tiefenkörper zu suchen ist. Damit im Einklang stehen vergleichsweise geringe seismische Geschwindigkeiten innerhalb der unteren Krustenbereiche, was auf eine überwiegend azidische Zusammensetzung mit nur untergeordneten Anteilen mafischer Kruste hindeutet. Tiefenseismische Messungen wiesen einen gut entwickelten, schwach ostwärts ansteigenden, vermutlich durch Scherzonen generierten Lagenbau bis hinab zur Moho nach. Synonyme: Sächsisches Erzgebirge (deutscher Anteil); Böhmisches Erzgebirge (tschechischer Anteil); Erzgebirgs-Scholle. /EG/
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ÖRSTER et al. (2008); J.-M. L ANGE et al. (2008); U. L INNEMANN et al. (2008a, 2008b, 2010b); K. R ÖTZLER & B. P LESSEN (2010); U. K RONER & I. G OERZ (2010); O. K RENTZ (2011); H.-J. F ÖRSTER et al. (2011); H.-J. B ERGER et al. (2011a, 2011f, 2011d); Erzgebirge-Becken → Vorerzgebirgs-Senke. Erzgebirge-Hauptgruppe Erzgebirge Main Group als übergeordnete lithostratigraphische Kartierungseinheit höherer Rangordnung ehemals gelegentlich ausgeschiedene metamorphe Gesteinsabfolge im Bereich des → Erzgebirgs-Antiklinoriums, gegliedert (vom Liegenden zum Hangenden) in → „Osterzgebirge-Gruppe“ und → Preßnitz-Gruppe, in der → Elbezone in → Großenhain-Gruppe, → Ebersbach-Gruppe und → Rödern-Gruppe. Der Begriff wird heute nicht angewendet. Synonym: Erzgebirgische Gruppe. /EG, EZ/
W. L ORENZ & K. H OTH (1964); J. H OFMANN & F. A LDER (1967); J. H OFMANN (1971, 1974); W. L ORENZ (1979); A. F RISCHBUTTER (1982); K. H OTH et al. (1983, 1985); W. L ORENZ & K. H OTH (1990); M. K URZE et al. (1992, 1997); D. L EONHARDT et al. (1997) erzgebirgisch → häufig benutzte Bezeichnung für die Richtungsangabe NE-SW, abgeleitet aus der generellen Streichrichtung des Erzgebirges. erzgebirgische Bewegungen Erzgebirge movements zwischen → Ober-Viséum (→ Brigantium) und → Westfalium B wirksam gewordene Bewegungen, in deren Verlauf im Typusgebiet der → Vorerzgebirgs-Senke (→ Flöha-Teilsenke; Kuhloch-Schlucht bei Lichtenwalde) die scharfe Winkeldiskordanz zwischen den bis zu 90° steilgestellten Frühmolassesedimenten der → Hainichen-Subgruppe des → Ober-Viséum und den flach übergreifenden Rotmolassen der → Flöha-Formation des → Westfalium B/C geschaffen wurde. Eine exaktere stratigraphische Fixierung ist an der Typuslokalität nicht möglich. Es wird heute angenommen, dass es sich hier um eine Summation tektonischer Aktivitäten während des → Namurium und unteren → Westfalium handelt. Die Wirksamkeit „erzgebirgischer“ Bewegungen im ostdeutschen Anteil der mitteleuropäischen variszischen Externiden ist umstritten, da die Lücke zwischen in die Faltung noch einbezogenen Schichten des tieferen → Namurium und ungefalteten Serien des höheren Silesium bzw. Rotliegend auch hier zu groß ist, um die Möglichkeit von → „erzgebirgischen“ Bewegungen bzw. → „asturischen“ Bewegungen definitiv zu entscheiden. Am Nordrand der → Nordostdeutschen Senke konnte in Tiefbohrungen mehrfach eine „tele-erzgebirgische“ Lücke sowie „tele-erzgebirgische“ bruchtektonische Bewegungen nachgewiesen werden, die zeitlich etwa dem → Namurium C entsprechen. Synonym: erzgebirgische Phase. /MS, NS/
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